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3 Tage später



Seitdem Jason aus Smith's Kajüte gradezu geflüchtet ist hat er sich tagsüber in die Arbeit gestürzt. Und ich habe ihn in Ruhe gelassen, weil ich wusste, dass er eine Weile allein sein muss. Nur Nachts über verbringen wir Zeit zusammen, wenn er mich ganz nah an sich zieht und ich die Wärme seines Körpers spüren kann. Aber etwas scheint ihn zu beschäftigen, über das er einfach nicht reden will.

Ich merke wie er unruhig schläft und mir tut es weh ihn so zu sehen. Aber ich bin die Letzte, die ihn dazu zwingt über etwas zu reden, wozu er wohl noch nicht bereit zu sein scheint. Auch einigen anderen ist aufgefallen, dass der Captain seine Ruhe haben will, daher meiden die meisten ihn im Moment, was ihm aber nur zugute kommt, sowie es scheint.

Trotzdem lässt mein Kopf mir keine Ruhe als ich an der Reling stehe und einfach auf das unter mir treibende Wasser sehe. Erst die Tatsache, dass mein Vater nicht tot ist und es nicht mehr lange dauern wird, bis ich ihn wiedersehe. Und ausgerechnet nach unserem Gespräch, nachdem ich Valeria gesagt habe, dass unser tot geglaubte Vater es doch nicht ist und wir die Chance haben ihn wiederzusehen, scheint etwas in ihm hochgekommen zu sein, dass er nicht so leicht von seinen Schultern abschütteln kann.

„Du solltest rein kommen. Ich will nicht, dass du krank wirst."
Ich habe gar nicht mitbekommen wie Jason neben mir stehen bleibt. Kurz lasse ich meinen Blick zu ihm schweifen, bevor ich wieder auf das Wasser sehe.
„Und was ist mit dir? Du brauchst ein wenig Ruhe. Den ganzen Tag hier nur zu schuften ohne Pause ist auch nicht schlau.", sage ich ohne vom Wasser wegzusehen.

Mir brennt die Frage auf der Zunge. Es wäre so einfach sie auszusprechen, aber ich habe keinerlei Ahnung wie der Vampir neben mir reagieren wird und wenn ich ehrlich bin möchte ich lieber, dass er es mir von sich selbst aus erzählt, was ihm die ganze Zeit so zu schaffen macht.

„Mein Leben als Pirat ist das einzige, was ich wirklich liebe, also macht es mir nichts aus. Mir passiert schon nichts."
Einen Moment sage ich nichts, stoße mich dann aber seufzend von der Reling ab und sehe ihn kurz an.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht das Einzige ist, an dem dir etwas liegt und dass du lieben tust."

Ohne seine Antwort abzuwarten gehe ich, wie er wollte, nach unten. Allerdings nicht zu seiner Kajüte, sondern zu der meiner Schwester, die in ihrem Bett liegt und schläft. Vorsichtig, ohne sie zu wecken, lege ich mich hinter sie und vergrabe meinen Kopf in ihrem Haar, deren Geruch eine beruhigende Wirkung auf mich hat und ich kurzerhand einschlafe.

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Lautes Gebrülle weckt mich und Valeria unsanft, sodass wir aufschrecken und genauer hinhören.
„Ich glaube, wir sollten hochgehen.", meine ich zu ihr und stehe auf um mit ihr zusammen zurück auf das Deck zu gehen. Als wir die Treppen hochrennen laufen uns mehrere Männer entgegen, hier und dort hören wir die Wörter "Engländer" und "Bereit machen" und wissend sehen wir uns an. Es wird einen Angriff geben.

Durch die Schnelligkeit des Schiffes und die Wellen, die hart an das Schiff prallen, es leicht zum schwanken bringen, ist es schwer richtig Fuß fassen zu können, weswegen wir uns festhalten müssen um voran zu kommen. Von weitem sehe ich ein Schiff, auf das wir zusteuern und automatisch suchen meine Augen den Captain.

Ich sehe ihn wie er über die Reling springt und ein anderer das Steuer übernimmt. Als er auf dem Deck steht werden seine Augen rot und ein Gesichtsausdruck, den ich so bisher noch nie an ihm gesehen habe.

„Verschont niemanden!"

Immer mehr Augen leuchten rot auf, man sieht ihnen an, dass sie Blut sehen wollen. Im Augenwinkel sehe ich wie Jason auf uns zukommt und Valeria ansieht, ihr seine Schlüssel hin hält.
„Valeria geh in meine Kajüte."
„Aber-"

„Geh!", sage ich ebenfalls und sehe sie bitten an. Nur widerwillig nimmt sie die Schlüssel aus seiner Hand und geht auf seine Kajüte zu.
Hinter uns höre ich noch immer die Männer, die sich kampfbereit machen und halte Ausschau nach der Kiste, wo sich die Schwerter befunden haben. Als ich sie jedoch nicht finde wende ich mich wieder Jason zu und sehe ihn fragend an.
„Wo sind die Schwerter? Mich wirst du nicht davon abhalten können zu kämpfen."
Ich muss ein wenig grinsen, als ich an das Training von vor einigen Tagen denke.

Schmunzelnd deutet er auf die Treppen nach unten.
„Such dir aus der Waffenkammer die Waffe aus, mit der du am besten umgehen kannst und pass bitte auf dich auf."
Daraufhin zieht er mich an sich und sieht besorgt zu mir runter.
„Wenn du mich brauchst, ruf so laut du kannst meinen Namen. Ich höre es."

„Werde ich.", antworte ich mit einem kleinen Lächeln.
Daraufhin löse ich mich von ihm und gehe schnell auf die Treppen zu um zur Waffenkammer zu gelangen.
Nach einiger Stöberei finde ich ein passendes kleines Schwert und das, was ich beim Kampftraining benutzt habe, da es mir ein gutes Gefühl gegeben hat, als ich es in den Händen gehalten habe.

Sobald ich beides griffbereit habe renne ich zurück auf das Deck. Bevor ich jedoch einen Fuß auf das Deck gesetzt habe höre ich bereits die Kampfgeräusche und meine Nackenhaare stellen sich auf.

Nach einmal Durchatmen, da das hier mein erster richtiger Kampf sein wird, renne ich drüber und springe zu den anderen auf das gegnerische Schiff, wo ich bereits einige Leichen auf dem Boden erkenne.
Kurze verwirrte Blicke der Männer treffen mich, bevor sie grinsend auf mich zukommen. Einer von ihnen hält sein Schwert griffbereit und bleibt vor mir stehen, ein breites Grinsen auf seinem Gesicht.
„Was für ein Leckerbissen. Dich werde ich behalten, sobald eure Männer alle abgeschlachtet sind."

Seine Worte setzen etwa in mir frei und nun bin ich es, die grinst. Sein Gesichtsausdruck fällt als er es bemerkt und noch ehe er reagieren kann schwinge ich mein Schwert und ramme es ihm mitten durch sein Herz, worauf er hustend und geschockt zu Boden gleitet.

Das scheint die Zuschauer aus ihrer Starre zu holen, denn nun werde ich von zwei weiteren Männern angegriffen, die jedoch im Vergleich zu den Vampiren auf unserem Schiff einen immensen Mangel an Kampfkünsten aufweisen. Sobald ich den anderen ebenfalls erstochen habe spüre ich einen Schmerz an meinem Arm, da mich der zweite von ihnen erwischt hat.

Unter seinem nächsten Hieb ducke ich mich und drehe mich dann um mit meinem Schwert durch seine Beine zu schneiden und er schreiend zu Boden fällt. Wieder stehend verpasse ich ihm den Gnadenstoß und töte ihn, indem ich seinen Kopf abtrenne. Dieser Anblick sollte mich schocken, doch ich fühle mich wie auf Autopilot, ferngesteuert.

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Schwer atmend sehe ich zu unseren Männern, als die Überlebenden des englischen Schiffes zu Jason gebracht werden. Unter ihnen drei kleine Kinder und eine blondhaarige Frau, die Jason's Aufmerksamkeit sofort erlangt.

Nebenbei werden die erbeuteten Schätze auf unser Schiff gebracht, während ein paar andere noch hier stehen, versammelt um den Captain und die Gefangenen. Man kann ihnen genau ansehen, dass sie Todesangst verspüren, da besonders die Kinder zittern.

Etwas in Jason's Gesicht verändert sich und plötzlich geht er auf die Frau zu, zückt sein Messer und zerrt sie an ihren Haaren auf ihre Beine. Weinend klammert sie sich an seinen Griff, während er zu grinsen anfängt.
„Bitte."
„Warum sollte ich dich leben lassen?"

Seine Stimme klingt als wäre er eine andere Person, die grade vor uns steht, und ich weiss nicht, ob das gut gehen wird. Was ich davon halten soll. Immernoch grinsend legt er sein Messer an ihren Hals und mit einem Schwung durchtrennt er ihre Kehle.

Das Blut fließt aus ihrem Körper, bis er sie loslässt und sie leblos auf den Boden sackt. Mit geweiteten Augen sehe ich zwischen ihr und den Kindern hin und her, die das nun sehen mussten. Kinder waren schon immer eine Schwachstelle von mir, seitdem es meinen Schwester gibt, und zu wissen, dass sie das eben gesehen haben, lässt mich beinahe würgen.

„Captain?", fragt einer seiner Männer ihn, worauf er ihn anknurrt.
„Ich hab doch gesagt, keine Überlebenden."
Man sieht dem Jungen an, dass ihm das Ganze nicht gefällt als er schluckt.
„Auch die drei?"
Mit seinem Finger deutet er auf die Kinder, die ihn mit geweiteten Augen ansehen.
„Auch die.", höre ich ihn sagen und sofort schnellt mein Kopf in seine Richtung.

„Nein!", rufe ich und gehe auf die Kinder zu, stelle mich vor sie und sehe ihn ernst an.
„Es reicht schon, dass du eine unschuldige Frau abgeschlachtet hast. Für Taten, die sie nicht begangen hat. Du wirst nicht unschuldigen Kindern das Gleiche antun!", knurre ich und mein Griff um mein Schwert wird fester.

Warum mussten auch ausgerechnet Kinder auf dem Schiff sein?

Seine Männer sehen unschlüssig zwischen uns hin und her, da ich nicht von den Kindern wegweiche, die sich nun alle drei an meine Beine klammern und unerbittlich weinen.
Für einen kurzen Moment sehe ich nach unten in ihre Gesichter und lächle kurz, sehe dann wieder zu Jason, dessen Augen immer noch rot glühen und sein ganzer Körper voller Blut durchtränkt ist.

„Sophia geh beiseite.", knurrt er und geht einen Schritt auf mich zu.
„Keine Überlebenden heisst keine Überlebenden."
„Aber es sind Kinder. Sie sind unschuldig verdammt! Sie haben niemandem hier etwas getan.", brülle ich und die Kinder unter mir zucken zusammen.
„Selbst derjenige, der sie dir gebracht hat-", dabei zeige ich auf den Jungen, da er an der Seite von uns steht,
„-will sie nicht töten. Wie kannst du es wagen nur daran zu denken so tief zu sinken?", sage ich leiser und merke wie mich Enttäuschung überschwemmt.

Habe ich ihn wirklich so falsch eingeschätzt? Kenne ich diesen Mann vor mir überhaupt?

Sein Blick gleitet zu den Kindern und er seufzt.
„Bring sie runter zu Joe. Ich tue ihnen nichts."
Erleichtert sehe ich nach unten und lasse meine Hand mit dem Schwert sinken, bevor ich es einem der Männer einfach in die Hand drücke und die Kinder vorsichtig an der Hand nehme.
Auf direktem Weg gehe ich mit ihnen zu Joe in die Küche, die auch nicht grade besser aussieht als auf unserem Deck. Blut klebt noch an seiner Kleidung als wir drinnen stehen und sein Blick über uns schweift.
„Jason meinte ich soll sie zu dir bringen.", sage ich mit einem kleinen Lächeln.

Die Kinder verstecken sich hinter mir als er auf uns zukommt und sich auf die Knie hockt. Er grinst sie breit an, was beinahe gruselig aussieht.
„Na, wen haben wir denn da?"
Die Kleinen trauen sich noch immer nicht hervor, was mich zum kichern bringt.
„Ihr braucht keine Angst haben, er tut euch nichts.", flüstere ich aufmunternd und ganz langsam löst sich eines der Kinder von mir um mit langsamen Schritten auf den Riesen zuzugehen.

Vor ihm bleibt sie stehen und lächelt ihn schüchtern an.
„Ach Gott, du bist ja zum an beißen süß meine Kleine."
Amüsiert über den Stimmenunterschied, da er viel höher spricht, muss ich mir ein Lachen verkneifen.

Joe nimmt das Mädchen auf den Arm und stellt sich wieder hin, sieht dann lächelnd zu den beiden Jungen, die bei mir stehen.
„Ich mache jetzt etwas zu Essen. Wenn ihr wollt könnt ihr mir gerne helfen. Und ab und an vielleicht was naschen.", sagt er freundlich und zwinkert ihnen zu.

Das scheint Ansporn genug zu sein um sich von mir zu lösen und ebenfalls zu ihm zu gehen. Nickend lasse ich die vier alleine und gehe zurück an Deck, wo einige bereits anfangen alles sauber zu machen.

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