•27•
Nachdem wir in das Boot gestiegen sind und an Land ankommen wende ich mich zu Jason und Smith, die grade aus dem Boot steigen.
„Ich denke mal, dass du noch etwas zu erledigen hast. Ich gehe Valeria holen und unsere Sachen packen. Kommst du dann nach?", frage ich ihn und streiche meine Kleidung glatt, die von der Bootsfahrt etwas nass geworden ist.
Er nickt Smith kurz zu, der bereits vorgeht, und lächelt mich dann an.
„Hol Valeria und rede mit ihr über das, was die nächsten Tage auf sie zukommen wird. Wir treffen uns vor der Taverne in gut einer Stunde, um euch Hosen zu holen, dann packen wir zusammen."
Seine Hand vergräbt sich in meinen Haaren und er gibt mir daraufhin einen Kuss auf die Stirn ehe ich zu unserem Haus loslaufe, um Valeria von unserer Nachbarin abzuholen. Auf dem Weg begrüße ich noch ein paar Leute, die mir immer mal wieder über den Weg laufen, bis ich vor der Haustür meiner Nachbarin stehe.
Ich klopfe an und kurze Zeit später öffnet sie mir freundlich lächelnd die Tür.
„Hallo Liebes. Deine Schwester sitzt in der Küche. Komm doch erstmal rein."
„Danke Mrs. Diego.", sage ich höflich und gehe zur Küche, in welcher Valeria mit ihrem Essen sitzt.
Als sie mich sieht strahlt sie mich an.
„Sophia, du bist wieder da."
„Natürlich Mäusschen. Du weißt, ich würde dich nie lange alleine lassen.", sage ich liebevoll zu ihr und gebe ihr einen Kuss auf ihr weiches Haar.
Mrs. Diego stellt mir ebenfalls einen Teller auf den Tisch, worauf ich sie dankend ansehe.
Ich setze mich neben Valeria und esse ein paar Bissen, bevor ich mich etwas ernster an sie wende.
„Ich muss mit dir reden Kleines.", fange ich an, denn ich habe keine Ahnung, wie ich ihr das am besten beibringen soll.
„Was ist denn los? Du siehst so ernst aus."
Auch Mrs. Diego sieht mich fragend an, worauf ich seufzend fortfahre.
„Wir zwei werden fortgehen."
Bevor sie mich unterbrechen kann halte ich einen Finger hoch, damit sie still ist.
„Wir haben keine Wahl. Die Engländer kommen und du weißt genau, was man sich hier erzählt."
Ich schaue auch die alte Dame an, damit sie ebenfalls Bescheid weiß und sich dem Ernst der Lage bewusst wird.
„Jason wird uns mitnehmen. Wir werden uns gleich mit ihm treffen und mit ihm ein paar Sachen packen.
„Und was ist mit Mutter?", fragt sie leicht ängstlich, denn auch wenn sie nicht mehr für uns da ist hängt Valeria an ihr.
„Du weißt, dass sie niemals fortgehen würde. Nicht, seitdem Vater tot ist."
Ich stocke kurz, um den aufkommenden Schmerz zu verdrängen.
„Wir werden sie suchen und warnen, dass sie sich in Sicherheit begeben kann. Auch Ihnen würde ich das empfehlen."
Bei Letzterem sehe ich zu Mrs. Diego, die jedoch nur mit ihrem Kopf schüttelt.
„Das ist lieb von dir Kind, aber wenn Gott will, dass ich lebe, so werde ich das und wenn nicht, dann nicht. Ich lebe mein ganzes Leben schon hier, ich werde auch meinen letzten Atemzug hier nehmen."
Verstehend nicke ich und sehe wieder eindringlich zu Valeria, deren Unterlippe bebt.
„Hey Mäusschen.", flüstere ich mitfühlend und nehme sie in meine Arme.
„Das ist kein Abschied für immer. Irgendwann kommen wir wieder, doch jetzt müssen wir erstmal fort. Das verstehst du doch oder?"
Sie nickt leicht mit ihrem Kopf, vergräbt ihn dann aber wieder an meiner Brust.
„Dann komm. Packen wir unsere Sachen und suchen Mutter."
Daraufhin verabschieden wir uns von Mrs. Diego und gehen los zu der Taverne, vor der ich von Weitem schon Jason sehen kann, wie er an der Wand mir verschränkten Armen steht und auf uns wartet.
Lächelnd verbeugt er sich vor Valeria und begrüßt sie mit „Die Dame", was mich schmunzeln lässt.
„Hallo Jason.", begrüßt sie ihn höflich zurück und stellt ihre kleine Umhängetasche ab.
„Danke, dass du mich auch mitnimmst. Immerhin bist du ja Sophia's Freund und nicht meiner."
„Natürlich nehme ich dich mit, du bist immerhin die kleine Schwester.", zwinkert er ihr zu und deutet auf den kleinen Laden neben uns.
„Wollen wir?"
Zu dritt betreten wir den Laden und schauen uns um. Von Kleidern über Hosen und Oberteilen ist alles da, sodass wir für Valeria und mich mit jeweils drei Hosen, drei Oberteilen und zwei Kleidern aus dem Geschäft kommen.
„Hab ganz vergessen wie teuer Frauen Kleidung ist.", kommentiert Jason lachend unseren Einkauf und schaut uns mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Ich denke wir sollten solangsam eure Sachen packen."
Daher machen wir uns nun auf den Weg zurück und bleiben später vor unserem Häuschen stehen. Ein wenig überkommt mich die Wehmut, denn wer weiss, wie es hier aussehen wird, wenn wir wieder zurückkommen...
„Geh schonmal rein und pack alles, was wir brauchen. Jason und ich suchen Mutter. Und vergiss nicht Vaters Halskette einzupacken."
Verstehend geht sie rein und ich drehe mich zu ihm um.
„Komm. Lass uns meine missratene Mutter suchen.", seufze ich und gehe voran.
Je schneller wir sie finden desto eher können wir lossegeln.
Schnell kommt Jason mir hinterher und nimmt meine Hand in seine.
„Sophia?"
Ich drehe mich zu ihm und sehe, dass ihn anscheinend etwas auf der Zunge liegt, er aber nicht sicher ist, ob er es aussprechen soll.
„Was ist eigentlich mit eurem Vater passiert?"
Meine Hand verkrampft sich leicht, was auch er bemerkt, denn sein Blick huscht kurz zu unseren verschlungenen Händen.
„Mein Vater ist tot.", antworte ich emotionslos.
Als er leicht mit seinen Fingern über meine Hand streicht werde ich ein wenig ruhiger und ein kleines Lächeln legt sich auf meine Lippen.
„Er war neben Valeria der wichtigste Mensch in meinem Leben. Er hat mir alles beigebracht. Sprechen, Lesen, Schreiben, sogar das Kämpfen, auch wenn es für Frauen unüblich ist."
Kurz hole ich Luft um weiterzusprechen.
„Dann kam der Krieg. Er hat immer für seine Familie gekämpft, sich nie verzweigert. Aber dieses Mal musste er auf See. Er kam nicht zurück."
„Das tut mir leid, aber ich bin mir sicher er achtet auf euch. Wo auch immer er ist.", sagt er mitfühlend, bevor wir die Taverne vor uns betreten.Doch hier scheint sie nicht zu sein.
„Sollen wir in den etwas ärmeren Gegenden schauen?"
„Ja, ein Versuch ist es wert.", antworte ich und nehme automatisch seine Hand in meine.
Wir laufen die Straßen entlang, bis man ihnen förmlich ansieht, dass es sich um die ärmere Gegend handelt.
„Darf ich dich was fragen?", sehe ich ihn fragend von der Seite an.
Seit er das Thema mit meiner Familie weiß frage ich mich, was mit Seiner wohl passiert sein mag.
„Natürlich.", antwortet er und lächelt zu mir. Jason zieht mich näher an sich, je weiter wir in diesen Stadtteil reingehen
„Du weißt bereits einiges über meine Familie. Was ist mit deiner?", frage ich vorsichtig nach.
Plötzlich bleibt er stehen und schließt seine Augen. Ich wusste ich hätte das nicht fragen sollen...
„Ich habe keine Familie mehr.", flüstert er und der Schmerz ist eindeutig in seiner Stimme zu hören.
„Mein bester Freund, Logan, ist wie ein Bruder für mich und meine Crew meine Familie."
Ich drücke seine Hand und schmiege mich etwas näher an ihn.
„Es tut mir leid.", nuschle ich, während wir weiterlaufen.
„Aber ich verstehe was du meinst. Joe zum Beispiel ist ein total Lieber. Und auch Smith scheint auf mich ein treuer Freund zu sein. Logan habe ich bisher ja noch nicht kennenlernen dürfen."
Verwundert schaut er zu mir.
„Du kennst Joe?", fragt er grinsend.
„Oh ja, ich hab ihn auf meiner eigenen Schiffstour kennengelernt.", sage ich gelassen, in der Ferne eine weitere Taverne in Sicht.
„Mit ihm kann man sich sehr gut unterhalten. Deine drei kleinen Knaben solltest du jedoch ein wenig härter rannehmen. Sonst tanzen sie bald nicht nur auf seiner Nase rum."
„Ja die sind frech. Ich hab schon überlegt sie auspeitschen zu lassen von Sam."
Auf einmal verstummt er und wird sich anscheinend bewusst, was er grade gesagt hat.
„Ich weiß, wie du es gemeint hast.", versuche ich ihn ein wenig zu beruhigen.
Ich bleibe stehen und nehme beide seiner Hände in meine und verschränke sie miteinander.
„Du bist kein grausamer Captain, der seine Männer oder gar Kinder quälen würde.", füge ich hinzu und lächel ihn aufmunternd an.
Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn und zieht mich weiter zur Taverne.
Sein Gesicht verzieht sich und je näher wir kommen desto mehr verstehe ich den Grund.
Wie gehen in die Taverne rein, in der lauter Gegröle zu hören und ist und natürlich finden wir hier meine Mutter, die sich grade auf dem Schoß eines sehr betrunkenen Mannes räkelt.
„Lass uns das schnell hinter uns bringen.", murmel ich zu ihm und will seine Hand loslassen um zu ihr zu gehen.
Doch stattdessen zieht er mich noch enger an sich und stellt sich vor mich um vor meiner Mutter stehen zu bleiben und ihr so die Sicht auf mich zu nehmen. Ich schaue leicht zur Seite um sie etwas sehen zu können als Jason sich räuspert.
Meine Mutter samt Typen schauen zu ihm hoch. Während er ziemlich genervt aussieht schaut meine Mutter Jason grinsend an und streicht sich mit einem Finger über ihr Dekolleté.
„Hallo mein Hübscher. Wie kann ich dir helfen?"
Seine Hand verkrampft sich in meiner, lässt aber schnell wieder nach.
„Aufstehen", sagt er lediglich.
Meine Mutter kommt seiner Aufforderung nach, wenn auch sich der Mann unter ihr anscheinend darüber beschweren will.
Sie kommt ganz nah an ihn, für meinen Geschmack zu nah.
„Was kann ich noch für dich tun?", schnurrt sie ihm zu, dass es mir beinahe hochkommt und sich nun meine Hand statt seiner verkrampft.
„Gott", seufzt er und nimmt ihre Hand, will uns beide aus der Taverne bringen.
„Deine Tochter schämt sich für solche eine Schlampe von Mutter.", meint er nur wütend als wir die kühle Nachtluft erreichen.
„Welche? Die Unnütze oder die Aufmüpfige?", fragt sie provokant. Man hört ihr an, dass auch sie schon viel Alkohol getrunken haben muss.
Ich schäme mich regelrecht für sie und blicke stur geradeaus als ich sie anspreche.
„Die Unnütze und Aufmüpfige werden verschwinden. Und ich sage dir das jetzt nur, weil Valeria noch was an ihrer Mutter liegt. Die Engländer kommen, du solltest dich also gut verstecken oder abhauen."
Sie jedoch sieht mich nur mürrisch an.
„Pfff. Das glaubst du doch selbst nicht. Du willst doch nur das Haus für dich und das Gör allein haben! Aber nicht mit mir! Ich hätte euch schon längst rauswerfen sollen!"
„Jetzt reicht's, mich kümmert es nicht wenn Sie verrecken oder vergewaltigt werden Señora, aber ihre Tochter kann nichts dafür eine Hure als Mutter zu haben! Ich schätze Sie werden Spaß haben, wenn die Engländer sich an Ihnen vergehen!", knurrt er sie wütend an und sorgt dafür, dass die gesamte Taverne nun zu uns sieht, da die Tür noch offen steht.
Meine Mutter ist zu sprachlos, um etwas zu sagen, daher bin nun ich es, die redet.
„Leb wohl, Mutter.", verabschiede ich mich endgültig von ihr und ziehe Jason mit mir um so schnell wie möglich von hier zu verschwinden.
Zum Glück lässt er sich mitziehen, sodass wir uns auf den Rückweg begeben.
„Ich hätte ihr am liebsten die Kehle aufgerissen.", knurrt er wütend während sich seine Augen rot färben und die Adern unter ihnen hervorstechen.
„Man kann sich Familie leider nicht aussuchen. Und hey, Valeria und ich kommen nach unserem Vater. Ihn hättest du gemocht, da bin ich mir sicher.", versuche ich ihn etwas zu besänftigen. Sich über sie aufzuregen bringt uns nichts und ist vergeudete Kraft.
Er zieht mich darauf nur zu sich und nickt, dann laufen wir zurück zum Haus, wovor wir gute zwanzig Minuten später stehen.
Valeria wartet dort bereits auf uns, gemeinsam mit drei vollgepackten Taschen.
„Meine Güte, was hast du alles eingepackt?", frage ich sie mit großen Augen.
Jason fängt bei dem Anblick an zu lachen.
„Valeria, was ist das alles?", fragt er sie und deutet mir meine Sachen ebenfalls zu packen.
Was ich auch sofort tue und nach nur zehn Minuten mit nur einer Tasche wieder vor ihnen stehe. In meiner Hand die Halskette meines Vaters, die Valeria vergessen hat mit einzupacken.
Ein letztes Mal lasse ich den Blick umherschweifen, drehe mich dann zu Jason.
„Von mir aus können wir los."
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