•26•

Inzwischen liege ich seit mindestens zwanzig Minuten hüllenlos auf dem riesigen Bett, als ich beschließe mich anzuziehen.
So schnell kann ich wohl nicht mit meinem Captain rechnen, dann wird es ihm bestimmt nichts ausmachen, wenn ich das Schiff nochmal auf eigene Faust erkunde.

Ich ziehe meine Hose und sein Hemd über und fahre mit meinen Fingern durch meine Haare um sie wieder etwas in Ordnung zu bringen.
Dann schnappe ich mir mein Schuhwerk und verlasse Jason's Kajüte, um meine Erkundungstour fortzusetzen. Als mir ein leckerer Geruch in die Nase kommt folge ich diesem und lande in der Schiffsküche, in welcher sich der Koch und drei Jungen befinden.

Während der Koch versucht in Ruhe seiner Arbeit nachzugehen, trollen die Jungen um ihm rum, bis er sie grimmig anschaut und mit einem „Verzieht euch endlich, ihr Bengel!", versucht sie loszuwerden.

Ich lehne mich an die Tür und beobachte kurz das Geschehen, entscheide mich dann dem Koch zu helfen.
„An eurer Stelle würde ich wieder an eure Arbeit gehen, bevor der Captain das mitbekommt."
Augenblicklich bleiben die jungen Knaben in ihrer Bewegung stehen und sehen mich mit großen Augen an.

„Tut uns leid Madam.", sagt einer der drei ehrfürchtig, worauf die anderen beiden schnell nickend zustimmen.
„Bewegt eure Ärsche und tut, was die Dame sagt.", meldet sich nun der Koch zurück, worauf die Jungen nochmal kurz zu mir schauen und dann aus der Küche verschwinden.

„Am liebsten hätte ich sie mit meinen Messern beworfen.", meckert der Koch, als er zu mir schaut. Der Schalk dabei ist in seinen Augen zu sehen.
„Aber wie wollen Sie dann ihrer Arbeit wieder nachgehen, wenn die Messer weg sind?", frage ich und gehe näher zu ihm, schaue in den köchelnden Topf, in dem sich anscheinend ein Eintopf befindet.

„Touché.", meint er lachend und nickt mir zu.
„Mein Name ist Joe."
„Sophia.", antworte ich ihm und lehne mich an den Tisch.
„Wie kommt es, dass eine Lady wie Sie sich auf unserem Schiff befindet?"
„Ich bin die Freundin des Captains.", antworte ich ihm und stibitze mir etwas von dem Fleisch.
„Das ich das noch erlebe.", meint er amüsiert und schiebt den Rest des Fleischs in den Eintopf.

Fragend sehe ich den unüblichen Koch an. So wie seine Statur ist, muskulös und breit, gehört er eher auf Deck als dadrunter.
„Ich kenne den Captain schon viele Jahre. Und es gab keine Frau, die mehr als eine Nacht von ihm bekommen hat. Ich bezweifle sogar, dass sie selbst dann etwas von ihm gehabt haben.", meint er lachend und rührt einmal im Topf, als er sich dann an den Tisch lehnt und seine Arme verschränkt, sodass seine Muskeln noch mehr zur Geltung kommen.

„Es gibt immer ein erstes Mal, selbst für ihn.", gebe ich amüsiert meinen Senf dazu, was Joe schmunzeln lässt.
„Ich mag dich jetzt schon. Ich kann verstehen, was der Captain an dir hat. Selbst ich würde darüber nachdenken, wenn du meinen Geschmack treffen würdest."
„Lass ihn das ja nicht hören.", lache ich und schüttelt belustigt meinen Kopf.
„Ach, das würde ihm nichts ausmachen.", meint er schulterzuckend.
„Ich stehe eher auf meinen Typ als auf deinen, also kann ich so viel reden wie ich will."

„Du?", frage ich verblüfft. Dieser Mann soll allen Ernstes nicht auf Frauen stehen?
„Ich hoffe, dass verschreckt dich jetzt nicht. Nicht jeder kommt mit so etwas klar.", meint er und versucht die leichte Unsicherheit mit seinem Tun zu verstecken.
„Keinesfalls. Es überrascht mich eher bei deinem Aussehen."
„Ach, man muss es mir ja nicht unbedingt ansehen müssen. Macht das Leben um einiges leichter.", antwortet er mir über die Schulter.

„Jason ist ein guter Captain und Freund. Als ich ihm das erste Mal begegnet bin hatte selbst ich Probleme mich zu beherrschen, hat sich aber recht schnell gelegt. Er sieht zwar gut aus, aber sonst ist er eher das Gegenteil von dem, was ich will."

„Und was will der werte Koch?", frage ich und laufe um den Tisch, um ihm beim Handtieren zu beobachten.
„Jemanden, der nicht so ein Riesenego hat zum Beispiel.", sagt er lachend, wozu ich einsteige.
„Ja, in dem steht ihm keiner nach."
Kurz schaue ich ihm noch zu, bemerke dann langsam, dass ich schon eine ganze Weile hier unten bin.

„Ich mache mich langsam mal auf die Suche nach ihm.", sage ich noch lächelnd und verabschiede mich von, als ich aus der Küche laufe und die Treppen wieder hochgehe.
Als ich auf dem Deck bin sehe ich ihn schon von Weitem. Er steht mit Smith neben dem Steuer über einen Tisch gebeugt und scheint mit ihm etwas zu besprechen.

Die restlichen Männer gehen ihrer eigenen Arbeit nach, doch wenn ich an ihnen vorbeilaufe sehe ich aus dem Augenwinkel, wie sie ihre Blicke über meinen Körper schweifen lassen.
Kurz bevor ich bei den beiden ankomme schaut erst Smith's Kopf zu mir, danach der des attraktiven Captain's, dem ich zulächle.
Sein Blick gleitet über meinen Körper, wendet sich dann wieder zu Smith, hält mir dabei seine Hand hin, die ich annehme, und er mich zu sich zieht.

„Was wolltest du sagen?", höre ich ihn fragen und schaue auf die Landkarte, die vor ihnen liegt.
Verschiedene Punkte sind umkreist und verschiedenste Wege aufgezeichnet, doch richtig damit auskennen tue ich mich damit nicht.
Ich kann zwar kämpfen, doch so etwas ist mir neu.
Daher höre ich den beiden einfach nur zu und lege meine andere Hand in seinen Nacken um ihn ein wenig zu kraulen, denn seine Anspannung habe ich schon von der Treppe aus sehen können.

„Ich denke wir werden mehreren Schiffen auf den Routen begegnen, seid ihr euch sicher Captain?"
Ich merke genau, dass Smith's Blick auf mir liegt, jedoch lasse ich meinen auf der Karte vor mir liegen.
„Sehr sicher, wir haben kaum jemanden an Bord, der das Kämpfen nicht so liebt wie wir und jeder kann kämpfen. Widmet ihr euch jetzt den Knaben."

Daraufhin verschwindet Smith und lässt uns zu zweit allein.
„Wenn du was wissen willst, brauchst du nur fragen Baby.", sagt Jason und lässt seine eigene Hand meinen Rücken auf und ab streicheln.
„Was sind diese umkreisten Gegenden? Und von was für einer Route hat er geredet? Müsst ihr schon wieder weitersegeln?", frage ich Letzteres etwas leiser.

Wenn ja, heißt es, dass ich wieder zu meiner Schwester zurück muss und Jason eine Zeit lang nicht sehe. Und man weiß ja nie, was alles passiert auf See. Ein bisschen Unbehaglichkeit kommt in mir dabei hoch.
Lächelnd antwortet er mir.
„Tortuga, Hawaii und Neuseeland." Dabei zeigt er auf den jeweiligen Punkt auf der Karte.

„Und wo genau wollt ihr davon hin? Ich kenne außer Valencia keine andere Stadt.", hake ich interessiert nach.
„Du warst doch bestimmt schon dort überall."
Lachend nickt er. „Ja, aber es ist wunderschön. Wo würdest du gern einmal hin?"

„Hmmm, darüber habe ich noch nie wirklich nachgedacht.", fange ich an zu überlegen. Es kam mir bisher nie in den Sinn, dass ich irgendwann woanders als in Valencia sein würde.
„Hier ist alles so ruhig und gleich. Ich glaube, ich würde gerne wohin, wo mehr Leben herrscht. Also im Sinne von mehr Spaß. Einfach Abwechslung zu hier. Wo genau ist mir ziemlich egal.", meine ich schließlich und schaue ihn an.

„Erzähl mir etwas von den Orten, wo du schon gewesen bist. Als alter Mann hast du doch bestimmt schon einiges auf dem Buckel.", füge ich neckend hinzu und streiche etwas über sein Hemd, dessen oberste Knöpfe offen stehen.

Grinsend streicht er mir eine Haarsträhne hinters Ohr, die mir durch den Wind auf See ins Gesicht gefegt wurde.
„Tortuga klingt ziemlich passend auf deine Beschreibung. Es ist die Piratenstadt schlechthin und ich würde es als eine einzige Stadt voll Alkohol, Sex und Spass beschreiben, alles was ich liebe."
Sein Grinsen wird noch breiter und seine Hände wandern am Ausschnitt des Hemdes entlang, das ich trage, öffnen ihn ein Stück weiter.
„Begleite mich Sophia."

Seine Stimme ist weich und ernst gleichzeitig, dass meine gesamte Aufmerksamkeit nur bei ihm liegt.
„Meine Männer haben am Horizont englische Marine Schiffe gesehen. In spätestens fünf Tagen werden sie hier in Valencia auflaufen und es versuchen einzunehmen. Ich will dich in Sicherheit wissen. Dich und deine Schwester."

Sein Blick voller Ernst liegt auf meinen Augen.
„Ich kann nicht bleiben, wir müssen spätestens in zwei Tagen auf See stechen Sophia und ich will dich nicht hier zurück lassen."
Abrupt hört er auf zu reden und sieht mich einfach nur noch an. Dass er sich genauso um mich sorgt wie ich mich um ihn sorgt für ein gutes Gefühl in mir. Und ich kann seine Angst verstehen. Wenn es wirklich Engländer sind, dann weiß ich jetzt schon, dass unsere Stadt unter einem schlechten Stern steht.

Nicht nur Jason jagt sein Ruf voraus, auch von den Engländern gehen schlimme Gerüchte umher, die einem ebenfalls eine Gänsehaut bereiten können. Und dass er an Valeria mitdenkt zeigt mir umso mehr, dass ich ihm in der kurzen Zeit doch wichtig geworden bin.
Ich merke seinen stechenden Blick und lege daher meine Hand an seine Wange.

„Wir kommen mit dir.", antworte ich ihm und lächle ihn an.
Vielleicht ist es genau das, was mein Leben im Moment gebrauchen kann.
Diesen Mann vor mir, der mir das gibt, was ich im Moment brauche. Und ein Tapetenwechsel, der bestimmt nicht nur mir gut tun wird.

„Allerdings muss ich wenigstens versuchen meine Mutter davon zu überzeugen, dass sie sich ebenfalls in Sicherheit bringt. Auf ein Schiff würden sie keine zehn Pferde bringen, und darum bitten sie ebenfalls mitzunehmen würde ich dich niemals. Aber auch wenn sie sich nicht mehr um uns kümmern mag ist sie noch immer unsere Mutter und ich muss sie warnen. Valeria zuliebe."

„Natürlich. Wir müssen euch beide eh erst einmal neu einkleiden. Wo gibt es hier in Valencia Hosen, in die auch Frauen passen?"
Mit einem frechen Grinsen sieht er mich fragend an.
„Es gibt ein Geschäft in der Nähe der Taverne. Die, wo wir uns das erste Mal getroffen haben.", antworte ich ihm und überlege bereits, was ich für mich und Valeria alles mitnehmen müsste.
„Und ich darf mir schonmal überlegen, wie ich Valeria das Ganze erklären soll...."

„Ich werde alles vorbereiten.", teilt er mir mit und dreht sich zu seinen Männern, von denen er einem mit einem Pfiff signalisiert zu ihm zu kommen. Daraufhin eilt einer außer Puste zu ihm.
„Bereite ein Beiboot vor, ich muss nocheinmal an Land und dann bereite ein zweites vor, in welchem du und noch einer ebenfalls an Land gehen, sucht die Crew zusammen. Wir laufen morgen Mittag aus.", befehlt Jason ihm, worauf dieser mit einem „Aye Captain" wieder geht und sich sofort an seine Arbeit macht.

Ich werde meine Heimat wohl schneller verlassen als ich dachte...

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