•22•
„Was möchtest du als Erstes sehen?", fragt er mich, als seine Männer die Segel hochziehen.
„Hmm..."
Ich überleg kurz, beschließe dann, dass ich erst alles unter Deck sehen will und dann den Rest hier draußen. Der Anblick mit der untergehenden Sonne ist einfach zu schön, daher will ich es mir bis zum Schluss aufheben.
„Erst das Unterdeck würde ich sagen."
Meine Antwort bringt ihn zum Lachen.
„Wirklich alles?"
Doch bevor ich ihm antworten kann nimmt er meine Hand und geht auf eine Treppe zu, die zum Unterdeck führt. Meine Augen verfolgen bei jeder Bewegung seinen Rücken, jeden einzelnen bewegenden Muskel. Jason ist eindeutig einer der attraktivsten Männer, denen ich bisher begegnet bin. Dass ich tatsächlich auf seinem Schiff stehe ist noch nicht komplett in meinem Kopf angekommen, es wirkt alles so....surreal?
„Ja, ich will alles sehen. Mich kannst du nicht so leicht verschrecken mein Lieber.", zwinkere ich ihm zu und lasse seine Hand los, als wir unten angekommen sind.
Es ist ziemlich dunkel und etwas staubig, nichts, was etwas für normale Frauen wäre.
Zum Glück bin ich das aber nicht, sonst wäre ich erst gar nicht mit Jason gegangen. Welche normale Frau würde auch einfach so einem Fremden folgen? Ohne jegliche Skepsis oder Vorsicht? Aber aus einem unerklärlichen Grund empfinde ich keines davon bei ihm.
„Wo lang?", frage ich ihn, als mein Blick wieder auf ihm liegt.
„Ich laufe dir hinterher Baby, du kannst alles sehen.", meint er und lässt seine Hand umherschweifen, zeigt mir, dass ich selbst entscheiden kann, was ich sehen will.
Dass er mir vertraut und das sorgt, wie so oft in seiner Nähe, für eine angenehme Wärme in mir.
Er legt mir seine Hand auf meine Rücken und kommt näher zu mir, gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Fühl dich wie Zuhause."
Daraufhin gehe ich auf die ersten Türen zu, schaue mir jeden einzelnen Raum genauer an.
Zuerst kommen wir zur Küche und die Waffenkammer, die beinahe aus allen Nähten platzt, als ich hineinschaue.
Wenn er dachte, dass ich mich bei dem Anblick verschrecken lasse, dann hat er sich geirrt.
Ich habe bereits einige Waffen gesehen, selber auch welche in der Hand gehalten, auch wenn ich kaum eine benutzt habe.
Dass es jedoch so viel ist wundert mich dann doch etwas.
„Das ist ganz schön viel. Braucht ihr überhaupt so eine große Menge?"
Er überlegt kurz, schüttelt dann belustigt seinen Kopf. Er lehnt sich an die Wand an und schaut zu mir.
„Nein eigentlich nicht. Vieles ist einfach nur von anderen Schiffen und Toten. Es ist nur ein Ersatz, falls jemand seine Waffe mal verliert, aber nichts darin ist so gut wie die Waffen, welche wir mit uns führen.", erklärt er mir und zuckt nur mit seinen Schultern.
„Okay, verständlich.", meine ich dazu nur und gehe aus dem Raum raus, Jason hinter mir her. Ich schaue noch kurz in die restlichen Räume, die allerdings ziemlich unspektakulär sind, als mir etwas auffällt.
„Wo ist denn das Zimmer vom Captain?"
Grinsend beiße ich mir auf meine Lippe, denn sein Zimmer würde mich doch brennend interessieren.
Er grinst mir entgegen und bleibt mit seinen Augen an meinen Lippen hängen.
„Meine Kajüte wirst du hier nicht finden. Bist du etwa neugierig?"
Bei jedem Wort kommt er mir näher, bis sich unsere Nasen fast berühren und ich seinen Atem auf meiner Haut spüren kann.
Ich hebe meinen Kopf weiter um ihn in seine Augen zu schauen, denn er überragt mich um etwas mehr als einen Kopf.
„Möglich?"
Lasse einen meiner Finger seine Brust entlang fahren, was dafür sorgt, dass sich seine Muskeln unter meinen Berührungen anspannen.
„Aber zuerst will ich dann doch noch den restlichen Teil des Schiffs sehen."
Mein Finger ist dabei bis zum Bund seiner Hose gewandert, dann lasse ich abrupt von ihm ab und laufe zur Treppe zu, auf welcher ich mich auf halbem Weg nochmal zu ihm drehe, da er noch immer auf derselben Stelle verharrt.
Ich lege meinen Kopf schief und grinse ihn an.
„Kommst du oder soll ich jemand anderes fragen, der mir den Rest zeigt?"
Sein Blick wechselt von verträumt zu wütend und er spannt sich sichtlich an.
„Wenn du etwas Schlimmes riskieren willst, frag ruhig jemanden aus meiner Crew, aber ich bezweifle dies."
Er geht an mir vorbei und die Treppe daneben nach unten.
„Es geht unten noch weiter und ich glaube das könnte dich interessieren."
Er geht weiter, doch ich bleibe auf der Stelle stehen.
Was ist denn jetzt los?
Mit dem Kopf schüttelnd folge ich ihm, beachte ihn dabei aber nicht weiter. Wenn er denkt, er kann so mit mir umgehen, dann kann er das ganz schnell vergessen.
Unten angekommen gehe ich einfach weiter und warte nicht darauf, dass er etwas sagt, denn dass er plötzlich so eingeschnappt ist setzt der ganzen Stimmung einen heftigen Dämpfer.
Und ich bin nicht darauf aus mir sowas weiter anzusehen.
Ich spüre wie Jason zu mir kommt und mich an sich zieht.
„Sophia, meine Crew sind keine Männer, so wie ich es bin. Sie gehen an Land und das Erste, was sie tun ist ein Freudenhaus aufsuchen. Was denkst du machen sie dann mit einer Frau wie dir, wenn du sie einfach ansprichst?"
Eine Hand legt sich auf meinen Bauch, die andere auf meinen Hals, womit er meinen Kopf nach hinten an seine Brust drückt.
Unsere Blicke treffen sich.
„Wir sind hier an den Gefängnissen und allein. Keiner ist hier und ich könnte jetzt jeden erdenklichen Scheiss mit dir machen und ich bin mir sicher manch einer in meiner Crew würde dies auch tun. Egal ob sie damit ihr Todesurteil selbst schreiben, für ihren Trieb tun sie alles."
Auch wenn seine Worte ernst gemeint sind sorgen die Vorstellungen, was er mit mir machen könnte dafür, dass es in meinem Unterleib anfängt zu ziehen. Warum können meine Empfindungen bei ihm so schnell umschwingen? Es ist zum verrückt werden.
„Eigentlich war die Aussage von Anfang an ein Scherz, weil du so verträumt dagestanden hast. Ich hätte nicht gedacht, dass du das ernst verstehst."
Mein Blick ist liebevoll, denn dass er sich so Sorgen um mich macht rührt mich sehr. Doch mir ist eher nach einer anderen Stimmung.
„Allerdings muss ich sagen, dass mir die Vorstellung grade sehr gefällt. Was du alles mit mir anstellen könntest....vielleicht willst du mir das ja näher erläutern?"
Seine Hand an meinem Hals lockert sich etwas und er hat wieder ein Grinsen auf seinen Lippen.
„Nicht hier und nicht jetzt Liebes.
Komm wir gehen hoch. Die Sonne müsste gleich untergehen und ich möchte dir noch meine Kajüte und das Steuer zeigen."
Er nimmt meine Hand und führt mich wieder nach oben and Deck, wo die Sonne größtenteils nicht mehr zu sehen ist.
„Fein, Captain. Was gibt es noch alles zu sehen bis auf Ihre Kajüte?", frage ich ihn, lasse dabei schon meine Augen über seine Leute schweifen, die ihrer Arbeit nachgehen.
Die neugierigen Blicke einiger ignoriere ich dabei gekonnt.
Lachend folgt er mir.
„Also hier gibt es ungefähr ein Viertel meiner wunderbaren Männer zu sehen, da der Rest an Land ist.", sagt er und geht zu einer Treppe, die zum Steuerrad führt.
„Aber hier gibt es auch das Steuer. Komm."
Er hält mir auffordernd seine Hand hin, in die ich meine lege und lasse mich mitziehen.
Vor dem Steuer bleiben wir stehen und ich löse mich aus seiner Hand um meine Finger auf dem Steuer niederzulassen.
Ich gehe die Konturen entlang und schaue es mir genauer an. Man kann genau sehen, dass das Schiff schon einiges hinter sich hat, genauso wie das Steuerrrad.
„Das Schiff ist ziemlich alt oder? Man sieht es an den vielen Schrammen. Und doch ist es noch immer wunderschön."
Ich betrachte die einzelnen Gravuren genauer, lasse mich davon faszinieren.
„Ja, gut 120 Jahre ist es alt."
Ich schaue zu ihm und sehe, wie er in Erinnerungen schwelgt.
„Wann hast du es bekommen?"
Mir ist im Kopf geblieben, was in der Legende erzählt wurde, doch will es mir kein Bild im Kopf ergeben.
Ich meine, wenn die Legende wirklich um ihn handelt, wie ist es dann möglich, dass er noch so jung ist? Das ist doch unmöglich...
Er schluckt hart, bevor er anfängt zu reden, was ihm sichtlich schwer zu fallen scheint.
Doch damit, was jetzt kommt, hätte ich nicht gerechnet.
„Vor 112 Jahren habe ich das erste Mal einen Fuß auf dieses Schiff gesetzt Sophia. Jedoch bin ich schon zwölf Jahre zuvor gesegelt. Ich bin mit zwölf das erste mal auf einem Piratenschiff gekommen. Ich habe sie bekommen kurz bevor ich meinen 26. Geburtstag hatte Sophia."
Die Worte sickern in meinen Kopf, werden verarbeitet. Ich müsste erschrocken sein, mich von ihm entfernen, denn seine Worte lassen mich auf etwas schließen, was ich nie zu glauben gedacht hätte. Sie müssten das Blut in meinen Adern gefrieren lassen. Doch nichts dergleichen passiert. Nein, ganz genau das Gegenteil passiert.
Statt Furcht zu empfinden löse ich meine Hände vom Steuer und drehe mich komplett zu ihm. Eine meiner Hände macht sich selbstständig und streicht ihm über seine Wange. Mein Blick keinesfalls verängstigt - eher neugierig auf diesen Mann vor mir. Dieses Mysterium.
Und dann verlässt diese eine Frage meinen Mund.
„Jason, was bist du?"
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