•15•
Ein paar Tage später schlendere ich durch den Stadtmarkt auf der Suche nach einem Geburtstagsgeschenk für meine Schwester.
Da ich mich diesbezüglich nicht auf unsere Mutter verlassen will habe ich mir extra ein paar Groschen zur Seite gelegt um ihr eine der Ketten zu kaufen, die sie beim letzten Mal mit leuchtenden Augen gesehen hat.
Genau vor so einem Stand stehe ich grade und lasse meinen Blick umherschweifen, als mir eine Kette mit rubinroten Anhängern ins Auge springt.
Der Händler lässt seinen Blick über meinen Körper gleiten und leckt sich über seine Lippen.
„Normalerweise kostet diese zwanzig Groschen, aber für Sie verlange ich lediglich fünfzehn."
Meine Augen weiten sich bei seinem Preis.
Das kann er doch unmöglich ernst meinen....
„Sind Sie sich sicher? Wie wäre es mit zehn? Ich bin mir sicher, dass Sie sich erweichen lassen, es ist ein Geschenk für meine Schwester."
„Tut mir leid Schätzchen, aber ich bin schon mit dem Preis gesunken."
Ich schrecke leicht zusammen, als sich jemand neben mich stellt und sich in unsere Verhandlung einmischt.
„Guten Tag Mrs. Suarez. Senior."
Dem Händler nickt er dabei zu.
Erstaunt blicke ich zu dem Fremden, den ich vor ein paar Tagen in der Taverne getroffen habe, und frage mich, ob es wirklich Zufall ist, dass er sich bei uns eingeklinkt hat.
„Oh, hallo.", antworte ich daher nur, zumal ich ja seinen Namen bisher nicht kenne.
„Was für ein Zufall Sie hier anzutreffen. Kann ich Ihnen weiterhelfen? Wir sind grade in einer Verhandlung um diese Kette."
„Soso in Verhandlung um diese Kette. Wie viel möchten Sie denn dafür haben?", wendet er sich Augenbrauen hebend an den Händler.
Dieser scheint auf einmal ziemlich eingeschüchtert zu sein, denn allein seine Haltung wird plötzlich unterwerfend, als ob er vor einem Adligen stehen würde.
„Nun ja...", druckst er zunächst rum.
„Eigentlich lag der Betrag bei fünfzehn Groschen..."
„Und nun? Da Sie schon so anfangen."
Er wendet sich wieder mir zu und sieht mich fragend an.
„Wie viel haben Sie ihm geboten?"
„Ich habe ihm zehn Groschen angeboten. Allerdings habe ich mich bei dem Rubin verschätzt, mir hätte klar sein sollen, dass es dadurch teurer sein würde. Aber meine Schwester liebt diese Farbe..."
Leicht verzieht sich mein Gesicht, wenn ich mir vorstelle, dass meine kleine Valeria kein besonderes Geburtstagsgeschenk bekommen würde, auch wenn sie mir immer wieder versichert, dass sie nichts Materielles braucht.
Doch für mich fühlt es sich falsch an mit leeren Händen nach Hause zu kommen...
„Zehn Groschen", wiederholt er meine Worte unter lauthalsigem Lachen.
Er richtet seinen Blick wieder zum Händler und sieht in eindringlich an.
„Sieben Groschen. Keinen mehr, keinen weniger."
Der Händler sackt immer mehr in sich zusammen und nickt schlussendlich.
Wow, also das hätte ich nicht hinbekommen.
„Sophia Darling, ich denke sieben Groschen werden genügen.", lächelt er mich nun an und hält mir wartend seine Hand hin.
Ich krame in meinem Stoffbeutel nach dem Geld und lege es in seine rauen Hände.
Es kommt nicht oft vor, dass ich einen Mann berühre, sei es nur die Hand.
Doch wenn ich mir seine genauer anschaue sehe ich, dass er ein waschechter Mann ist, der die Sachen selbst in die Hand nimmt und sich durchsetzen kann, wie man eben deutlich gesehen hat.
Er gibt dem Händler die Groschen und nimmt ihm zeitgleich die Kette aus den Griffeln, um sie mir dann schmunzelnd in meine Hand zu legen.
„Bittesehr Senorita."
Ich verschließe meine Hand und verstaue die Kette in meiner Tasche, nur um dann zu sehen, wie er noch immer mir seine ausgestreckte Hand entgegenhält und mich anlächelt.
„Darf ich Sie auf ein Glas einladen?"
Nach kurzem Überlegen ergreife ich seine Hand und nicke ihm ebenfalls lächelnd zu.
„Selbstverständlich. Immerhin habe ich nun durch Sie das ersehnte Geschenk für meine Schwester. Wie könnte ich da diese Bitte abschlagen?"
Mit meiner Hand in seiner führt er mich durch die Straßen, auf der Suche nach einer bestimmten Gaststätte, die er nach ein paar weiteren Straßen anscheinend gefunden hat.
Wie ein Gentleman hält er mir die Tür auf und dankend laufe ich an ihm vorbei in die nette Stube, die mir auf Anhieb gefällt.
„Komm, wir setzen uns an den Tisch dort.", sagt er nah an mein Ohr, da die Stube sehr gut besucht ist, und deutet mit einem Kopfnicken auf eine Ecke, die mir ziemlich ruhig erscheint.
Nachdem wir uns hingesetzt haben zieht er seinen Mantel aus und legt ihn an die Seite.
„Entschuldigen Sie bitte die rauen Hände. Meine Arbeit lässt es leider nicht anders zu."
Leicht räuspernd knetet er seine Hände, wirkt auf einmal leicht nervös, seitdem wir die Gaststätte betreten haben.
„Das macht mir nichts, keine Sorge. Für mich ist es sogar ein Zeichen wahrer Stärke. Die zierlichen Hände obliegen doch eher den Frauen."
Ich zwinkere ihm zu um die Stimmung etwas zu lockern, denn auf einmal vermisse ich den verschmitzten Mann, der mir vor noch nicht einmal zehn Minuten meine Kette erschlagen hat.
Kurz schweife ich mit meinem Blick durch die Räumlichkeiten. Auch hier befinden sich einige Damen, doch diese hängen eher an den Männern wie willige Katzen, und auch ihre Aufmachung zeigt nur zu deutlich ihre Absichten.
Mit schnalzender Zunge widme ich mich wieder dem Fremden, der seine Augen auf mir liegen hat.
Mit einem zarten Lächeln schiebt er mir die Tafel hin.
„Was möchten Sie trinken Sophia? Suchen Sie sich auch gerne etwas zu essen aus."
Sein Blick dabei stets mit meinem verschlungen. So dunkel und verschleiert sie von außen wirken mögen, desto tiefgründiger kommen sie mir doch vor. Als ob diese Augen schon mehr gesehen haben als sie zugeben wollen...
Nickend beuge ich mich über die Tafel und schaue mir die doch große Auswahl an Speiß und Trank an.
„Ich denke ich entscheide mich für ein Bier und Käse mit etwas Brot. Es ist schon ein wenig her, dass ich heute etwas zu mir genommen habe."
Ich schiebe ihm die Tafel zurück und sehe ihn fragend an, warte auf seine Entscheidung, als auch schon der Wirt in unsere Richtung kommt.
„Gute Wahl.", meint er zustimmend und sieht dann zum Wirt.
„Zweimal Käse mit Brot und ein Bier sowie einen Krug Rum dazu bitte.", ordert er für uns und stellt die Tafel wieder gegen die Wand.
Mit Nicken und Lächeln verlässt der Wirt uns wieder und er sieht wieder zu mir, wobei ich ihn unentwegt beobachtet habe.
„Sie schauen mich an, als hätten Sie hunderte Fragen auf der Zunge liegen, sprechen sie nur nicht aus."
Mit einem Grinsen nimmt er meine Hand wieder zu sich.
„Da haben Sie durchaus recht. In meinem Kopf haben sich einige Fragen angesammelt.", fange ich an meine Gedanken über diesen fremden Mann vor mir preis zu geben.
„Zunächst stellt sich mir jedoch die wichtigste Frage, wie denn nun Ihr Name lautet. Meinen kennen sie ja bereits. Und ich will Sie ungern in Gedanken weiter als ‚der Fremde' betiteln."
Ich beiße mir dabei auf meine Lippe, denn gedanklich bin ich bereits einige möglichen Namen durch, die wohl zu ihm passen könnten.
Augenbrauen hebend bildet sich ein Schmunzeln auf seinen Lippen.
„Was denken Sie denn, wie ich heiße, meine Liebe?"
„Nun, da wären die typischen Namen wie Daniel, Gregor oder auch Friedrich. Jedoch-", dabei lasse ich absichtlich meinen Blick über seinen Körper schweifen,
„-passen diese offensichtlich nicht zu Ihnen. Ich tippe da eher auf Michael oder Jacob."
Er verschränkt seine Arme, wodurch seine Muskeln noch mehr zur Schau gestellt werden und definitiv, zu so einem Mann gehört ein stattlicher Name.
„Liege ich denn annähernd richtig?"
„Nein. Vielleicht mit einem, aber Michael ist eine Beleidigung.", schüttelt er amüsiert seinen Kopf.
„Sie werden meinen Namen noch früh genug erfahren, da bin ich mir sicher. Jedoch, vorerst müssen oder eher dürfen Sie sich einen Namen für mich aussuchen. Ein Kosename ist auch ok für diese Zeit."
Der Wirt kommt mit den Getränken und unserem Essen auf uns zu und gibt diesen ihm in die Hände, um sie auf den Tisch zu stellen.
Dann schneidet er den Käse in Scheiben, legt ihn auf das Brot und reicht es zu mir rüber.
„Sehr aufmerksam.", bedanke ich mich bei ihm und beiße genüsslich in das lecker duftende Essen rein.
Stöhnend lasse ich mir den Geschmack auf der Zunge zergehen und lasse mir derweil einen geeigneten Namen für den Mann mir gegenüber einfallen.
„Ihnen einen würdigen Namen auszusuchen ist recht schwierig. Da ich nichts von den klischeehaften Kosenamen halte, ich bin keine hoffnungslose Romantikerin."
Fragend hebt er wieder eine Braue hoch, doch ignoriere ich seine unausgesprochene Frage.
Er mag vielleicht alles essen können, aber nicht alles wissen...
„Wie wäre es mit Sebastian? Oder eher Mark?"
Überlegend lege ich einen Finger an meine Lippe, ob einer der beiden Namen annähernd zu ihm passen würde.
„Hmmm...oder doch lieber Jacob? Der Name gefällt mir irgendwie."
Er verschluckt sich beinahe vor Lachen an seinem Getränk.
„Da wären mir Kosenamen lieber als diese lächerlich klingenden Namen."
Sobald er sich wieder beruhigt hat spricht er weiter.
„Mir würde ein ganz einfaches und dennoch ansehnliches ‚Sir' gefallen, Sophia."
Meinen Namen betont er dabei in einer Art und Weise, die mir Gänsehaut bereitet.
„Wissen Sie, ich komme aus dem Englischsprachigen Raum. ‚Sir' zeugt meist von Respekt und den habe ich vor Ihnen. Genauso wie Sie meinen haben."
Ein Mundwinkel hebt sich bei seiner Aussage. Es kommt eher selten vor, dass ein Mann Respekt einer Frau gegenüber erbringt und sie nicht als selbstverständlich erachtet.
„Das zu hören beehrt mich wirklich sehr. Dann werde ich gerne auf ihren Vorschlag zurückgreifen, wenn Ihnen das beliebt."
Amüsiert grinse ich ihn an, nehme dann meinen Krug und halte ihn auffordernd in seine Richtung.
„Auf einen netten Abend, Sir."
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