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Zusammen mit meiner Schwester laufe ich durch die Straßen auf der Suche nach unserer Mutter. Seitdem unser Vater im Krieg gefallen ist steckt sie in diesem Tief fest, aus dem selbst ihre Töchter sie nicht ziehen können und das verzweifelt mich jeden Tag mehr.

Tag für Tag streunt sie durch die Gegend, in mehr als freizügiger Kleidung, auf der Suche nach einem neuen Mann, der sich ihrer und ihrer Töchter annehmen würde.

Dass sie nicht bemerkt, dass sie nur auf das Eine aus sind, erschreckt mich jedes Mal, und ich verdanke es nur meinen Gebeten, dass die Leute keinerlei Verbindung zwischen Cecilia Lablada und mir und meiner Schwester Valeria sehen.

Sie hat den Namen unseres Vaters abgelegt, sobald wir die Nachricht erhielten, dass er im Krieg als Held gefallen sei. Warum sie es tat weiß ich bis heute nicht, doch umstimmen können wir sie nicht, bedenkt man, dass ich es mehrmals versucht habe. Kein Wunder, wenn wir für sie quasi wie Luft sind.

Valeria und ich sind im Gegensatz zu unserer Mutter als die ‚Schönheits-Schwestern' bekannt. Kann man sich von weitem an unserem Aussehen ergötzen, kommt doch kein Mann an uns ran, da wir jegliche Angebote ablehnen. Zumal die meisten sofort eine Bindung verlangen, das Letzte was mir momentan in den Sinn kommen würde.

Im Gegensatz zu mir glaubt meine Schwester noch an die wahre Liebe und das will ich ihr unter keinen Umständen nehmen.
Sie versteht noch nicht, dass die Welt unberechenbar ist, auch wenn sie anhand unserer Mutter das beste Beispiel vor Augen hat.

Wohlmöglich liegt ihre Naivität auch einfach daran, dass sie erst vierzehn Jahre alt wird. Und unter keinen Umständen will ich ihr ihre Unvollkommenheit nehmen, egal wie grausam das Leben auch sein kann.

Nein, stattdessen nehme ich alles Übel in Kauf, wenn es dazu kommen sollte, damit sie nicht zu Schaden kommt. Jemand muss diese Aufgabe schließlich übernehmen, wenn die eigene Mutter es nicht zustande bekommt.

„Denkst du wir finden sie noch vor Sonnenuntergang?, höre ich Valeria fragen.

„Ich weiß es nicht, Kleines.", antworte ich ihr wahrheitsgemäß. Unsere Mutter ist schwer einzuschätzen, wo und wie lange sie unterwegs ist.

Das Einzige, worauf man sich bei ihr nur noch verlassen kann, ist das Essen, was immer bei uns auf dem Tisch steht. Oder das Geld, damit ich mich darum kümmern kann. Sie hat also nicht in allen Punkten einer Mutter versagt.

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Auch nach zwei Stunden haben wir unsere Mutter nicht gefunden und gehen erfolglos zurück zu unserem Zuhause. Auf der einen Weise kann ich verstehen, warum Mutter so wenig Zeit wie möglich in diesen vier Wänden verbringen will, erinnert einen doch alles an unseren verlorenen Vater.

Ich schicke Valeria sich waschen und fertig machen, damit sie schonmal schlafen kann, während ich auf unsere Mutter warte.
Vielleicht gehe ich später allein nochmal nach ihr schauen, wenn sie bis dahin noch nicht zurück ist.
Nachdem sie fertig ist kommt sie nochmal zu mir und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
„Gute Nacht, Sophia. Bleib auch du nicht zu lange wach."

Leicht lächelnd sehe ich ihr zu, wie sie sich von mir entfernt, und atme einmal tief durch. Ich weiß jetzt schon, dass ich vergebens auf sie warten werde, auch wenn die Hoffnung zuletzt stirbt.

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Und ich soll Recht behalten, denn auch noch gefühlten Stunden, als es bereits dunkel wird, ist keine Sicht von ihr.
Ich streiche mir mein Kleid zurecht und gehe raus, um nochmals eine Runde zu drehen und Ausschau nach ihr zu halten.

Valeria kann ich problemlos alleine zuhause lassen, da unsere Gegend glücklicherweise friedlich ist, im Gegensatz zu den Stadtteilen, die einige Straßen entfernt liegen.

So laufe ich Straße für Straße durch auf der Suche nach unserer unzuverlässigen Mutter, die sich den ganzen Tag nicht hat blicken lassen.
Ist es denn so schlimm seinen Töchtern in die Augen zu sehen oder mit ihnen wenigstens etwas Zeit zu verbringen?

Ich schüttel meinen Kopf bei diesen Gedanken und konzentriere mich wieder darauf meine Augen die Umgebung beobachten zu lassen.
Von weitem höre ich bereits die Taverne, in der ich sie meistens antreffe und gehe direkt auf diese zu.
Angelo, dem diese gehört, sieht mich sofort als ich sie betrete und schüttelt mit seinem Kopf.

Er weiß genau, nach wem ich Ausschau halte und erspart mir damit die Arbeit sie unnötig zu suchen.
Ich forme ein lautloses "Danke" mit meinen Lippen und setze meine Suche fort, wie so oft.

Die Menschen, die mir entgegen kommen, grüßen mich freundlich, lassen mich aber glücklicherweise heute in Ruhe und verwickeln mich in keinerlei Konversationen.
Zumal ich dafür im Moment keinen Kopf hätte.

Mein Weg führt mich in mehrere Tavernen, in denen ich jedoch vergeblich nach ihr schaue, und lasse mich bei der Letzten erschöpft auf einen Stuhl fallen.

Ich merke nur nebenbei wie sich später jemand neben mir fallen lässt und will ihm schon deutlich machen, dass ich keinerlei Interesse habe, als ich meinen Blick hebe und in grau grüne Augen blicke. Sind seine Augen schon ein Schmaus, ist auch der Rest keinesfalls zu verachten.

Der Fremde mustert mich ausgiebig, macht aber keinerlei Avancen, sondern bleibt einfach neben mir sitzen und trinkt in aller Ruhe sein Getränk.
„Kann ich Ihnen weiterhelfen?", frage ich den unbekannten Mann, der immernoch schweigend neben mir sitzt.

Er trinkt einen letzten Schluck und wendet sich dann mir zu.
„Ich bin mir noch nicht sicher, ob Sie das können."

Fragend sehe ich ihn an, denn so einem Mann, der nicht offensichtlich sein Interesse an mir zeigt, ist mir bisher nicht begegnet, was mir einerseits die Anspannung nimmt.
„Sie sehen für mich nicht unbedingt nach einer Frau aus, die das will, was ich suche."

„Und was suchen Sie genau, wenn ich fragen darf?"

Er blickt mir in die Augen, anscheinend auf der Suche nach etwas Bestimmen, scheint es aber nicht gefunden zu haben.
„Eine Frau, der ich nicht zu verstehen geben muss, dass ich auf keinerlei Bindungen aus bin."

So langsam begreife ich, auf was der Mann vor mir aus will und sehe ihn nun mit mehr Interesse an. Erfrischend, dass es mal einen Mann gibt, der nicht sofort mich als sein Weib haben will.
„Und was macht Sie da so sicher?"

„Frauen wie Ihr sucht doch immer die große Liebe. Ehrenhafter Mann, ein trautes Heim, typisches Klischee."

Bei seiner Argumentation muss ich auflachen, passt das Ganze definitiv nicht zu meiner aktuellen Vorstellung.
„Gut, dass ich nicht zu dieser Art Frau gehöre. Eventuell in ein paar Jahren, doch nicht jetzt. Wo bleibt denn da der Spaß?"

Auch wenn ich, wenn es darum geht meiner Schwester eine bessere Zukunft zu verschaffen, meine Einstellung über Bord werfen würde.
Da dies aber in unserer aktuellen Lage eher unwahrscheinlich ist...

Sein Blick wandelt von abschätzend zu interessiert, denn im nächsten Moment bildet sich ein schelmisches Grinsen auf seinen Lippen.
„Wenn das so ist. Wären Sie so freundlich mir Ihren Namen zu verraten?"

Für einen kleinen Moment überlege ich, ob ich meinen Namen wirklich einem Fremden, der offensichtlich nicht aus Valencia kommt, verraten soll, werfe aber schnell meine Bedenken über Bord.
„Sophia Suarez, und Ihrer?"

„Nun..."
Während er redet erhebt er sich von seinem Platz und legt das Geld für sein Getränk auf den Tisch, beugt sich dabei nah an mein Ohr vor.
"Das werden Sie noch früh genug erfahren, Darling."

Damit lässt er mich sprachlos sitzen und verschwindet im nächsten Moment aus der Taverne.

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