Seek it and find it
Wütend starrte das Mädchen auf das Gefäß in ihren Händen. Tagelang hatte sie nach einem Zauber gesucht, endlich hatte er funktioniert, doch nun stand sie auf einer Lichtung. Nirgendwo waren ihre Freunde zu sehen, doch hier hörte die Spur auf. Verzweifelt warf sie mit voller Wucht die Flasche auf den Boden. Nicht oft ließ sie ihren Gefühlen freien Lauf, doch all ihre Hoffnungen basierten auf diesen einen Zauber.
"Was ist los?" ertönte Reginas Stimme hinter ihr.
"Es hat nicht funktioniert" gestand die Hexe. Ihre Hände zitterten, Tränen rollten über ihre Wangen. Auch ohne sich umzudrehen, wusste sie, wie enttäuscht ihre Partnerin jetzt wohl sein musste.
"Ich bin halt nicht so talentiert wie Harvey ..." flüstert das Mädchen.
"Du bist viel besser, Alice" bestärkte Rin, ihre, in einen Apfel verwandelte, Schwester. Erschöpft blickte sie zu ihr. Snow White hatte darauf bestanden, sich um die Verzauberte zu kümmern. Obwohl die Hexe sich so ausgiebig darüber beschwert hatte, dass sie nicht von einer verzogenen Prinzessin getragen worden wolle, als Stück Obst konnte sie nicht viel dagegen ausrichten. So kam es, dass sie nun wie ein heiliges Objekt behütet und getragen wurde. Daher, dass sie aber nur Augen besaß, die auch nur zwei kleine Kreise im Apfel waren, die sich hin und wieder bewegten, konnte man nicht sagen, ob sie diese Behandlung mochte oder nicht.
"DU KANNST KEINE JUNGHEXE MIT EINEM MÄCHTIGEN MAGIER WIE MIR VERGLEICHEN, APFEL!" ertönte plötzlich eine laute und empörte Stimme.
"HARVEY?"
"Warte sind die das wirklich? ALICE, REGINA, WIR SIND HIER!" ertönte plötzlich Marys stimme.
"WO?" rief die Königin voller Hoffnung
"IM SPIEGEL!"
Alle drei drehten sich zu dem Gegenstand um und tatsächlich, dort im Spiegelbild sah man die Gestalt von Mary fröhlich winkend.
"MARYYYY" Ohne zu zögern rannte Alice auf das Möbelstück zu und kniete davor. Die Freundin drehte sich sofort weg.
"Ich habe meine Augenbinde verloren ..." murmelt diese als Erklärung. " ... Du darfst mir nicht in die Augen gucken" eilig nickte die Hexe. Mary sah noch genauso aus wie immer, nur dass sie in diesem Spiegel gefangen war. Sie hatte kurze, lockige, braune Haare mit roten Spitzen. Dazu trug das Mädchen immer blutrote Ohrringe, die zu ihrem ebenfalls roten Kleid passten. Am Hals besaß sie eine schlangenartige, goldene Kette mit roten Augen.
"Ja, ich bin so froh, es hat funktioniert. Ich dachte, ihr seid tot." Erneut rollten Tränen über ihr Gesicht.
"So schnell wirst du uns auch wieder nicht los" lachte Harvey schadenfroh.
"Du bist der Spiegel?" fragte Alice überrascht.
"Leider ja, ich besitze die Fähigkeit Menschen in mir gefangenzunehmen. Bedauerlicherweise ist Mary auch ein Opfer dieses Fluches geworden. Ich habe es geschafft es ansatzweise unter Kontrolle zu bekommen, vermeide aber bitte unter Umständen dein Spiegelbild zu lange anzuschauen. Es wäre als würdest du einem Vampir eine blutende Wunde unter die Nase halten."
"Was ist passiert?" fragte Regina nun und kniete sich neben Alice.
"MEIN BESCHISSENER BRUDER IST PASSIERT! Der hat uns die Soldaten auf den Hals gehetzt, als wir beim Teich waren. Ich wurde verflucht!"
"ICH AUCH" erklang Rins Stimme.
"DU BIST EIN APFEL? HA, VERDIENT!"
"DU BIST EIN HÄSSLICHER SPIEGEL!" fauchte das Mädchen zurück.
"Mögt ihr euch denn nicht?" fragt Snow White neugierig
"Ich rede nicht mit Prinzessinnen, Snowy!" keifte der Apfel seine Trägerin an.
"Du darfst sie gerne einfach gegen einen Baum werfen, wenn sie nervt, habe ich auch schon gemacht." schlug die Königin mit einem liebevollen Lächeln vor. "Sie kann eh nicht sterben."
"Holy shit-" murrt Rin erschreckt. "Die ist echt böse"
"Du hast Rin gegen einen Baum geworfen? VERDIENT!" brüllt Harvey laut lachend weiter. Alice blickte zu ihrer Schwester und lächelte, sie war so froh, dass wieder alle vereint waren.
"Und wie wollen wir denn Spiegel transportieren?" sprach sie nun das aus, was sich noch niemand getraut hatte anzusprechen.
"BETET MICH AN! TRAGT MICH UND BETET MICH AN" befielt Harvey überschwänglich und begeistert.
"Eher: WERFT IHN VON NER KLIPPE UND LACHT!" schlug Rin überzeugt vor.
"Dich gleich hinterher" stellte Regina fest.
Mary und Snow White lachten, während die junge Hexe zu grübeln anfing. Der Spiegel war zu groß zum Tragen. Ohne auf die anderen zu achten, kniete sie sich vor den Spiegel und hob ihn an.
"WOAH ALICE" rief Mary erschreckt. Das Mädchen versuchte denn Spiegel festzuhalten, doch stolperte unter dem Gewicht des Gegenstands nach hinten. Ohne Vorwarnung schrumpfte dieser in ihren Händen zu einem kleinen Handspiegel.
"Wow" flüsterten alle in Chor. Selbst Mary im Inneren war kleiner geworden und guckte nun verwirrt zu ihr hoch.
"Wusstest du, dass es Unglück bringen kann, einen Spiegel zu zerbrechen?" fragte Harvey mürrisch.
"Ob es wohl Glück bringt, wenn dieser verflucht ist!?" ertönte ein sarkastischer Kommentar von Regina, die mit verschränkten Armen da stand. Irgendwas gefiel ihr nicht. Nervös blickte die Hexe zu Boden, sie hatte großen Respekt vor der Königin und wollte sie nicht verärgern, obwohl sie keiner ihrer Untertanen war.
"Also ich hätte nichts dagegen mal auszuprobieren, ob es Glück oder Unglück bringt" kichert Rin, doch die Ältere warf ihr einen bösen Blick zu und der Apfel schwieg. Ein dumpfes Grollen ertönte hinter der jungen Hexe und sie drehte sich um. Gewitterwolken waren aufgezogen.
"Wir sollten jetzt zurück, das Wetter gefällt mir gar nicht" sagte Regina eisern und drehte sich auf dem Absatz um. Ohne zu zögern, folgte Snow White ihr und zog ihre Kapuze über den Kopf.
"Ich werde dich vor dem Regen schützen" sagte die Prinzessin zu dem Apfel.
"Ich bin eine STARKE HEXE! Ich kann auf mich alleine aufpassen" faucht das Mädchen grimmig zurück.
"Und ein Apfel!" stellte die Andere mit einem Lächeln und unerschöpflicher Geduld fest.
Zwar war sich Alice nicht sicher, ob man der Fremden vertrauen konnte, aber sie hatte die Königin gerettet und kommt mit Rin klar, also konnte sie nicht so schlecht sein. Vielleicht hatte sie sogar einen guten Einfluss auf ihre Schwester.
"Bist du jetzt festgefroren oder warum bewegst du dich nicht?" fragt Harvey ungeduldig "Ich bin vielleicht ein Spiegel, aber ich will nicht nass werden. Das gibt nur Schlieren und Flecken auf dem Glas", die Hexe schreckte aus ihren Gedanken hoch und lief eilig los, um die Anderen nicht zu verlieren.
"Pardon" entschuldigte die Jüngere hastig und hielt den Spiegel hoch, darauf bedacht, nicht ihr Spiegelbild zu erblicken. Mary saß auf der anderen Seite des Spiegels und trug ein Lächeln au den Lippen.
"Ich hoffe, ich komme bald hier raus. Ich möchte gerne helfen, statt in einem weißen Raum zu sitzen, in der ständigen Angst jemanden zu versteinern oder dass die Geister real werden." gestand die Medusa und hörte nicht auf zu lächeln. Alice hatte Mitleid mit ihr, sie selbst wollte auch nicht in einem leeren Raum sitzen.
"Geister?" fragte die Jüngere vorsichtig.
"Ich habe Seelen in mir gefangen, die leisten meiner Freundin Gesellschaft" murmelte Harvey. Er war seltsam ernst. Etwas ungewöhnlich für denn Zauberer, da er es bevorzugte Chaos zu stiften. Manchmal erinnerte er sie an einen alten Drachen aus den alten Geschichten. Ein Wesen so uralt, dass es tausende Menschenleben sah und trotzdem niemals die Liebe am Chaos selbst verlor. Immer noch gerne spielte und Menschen in die Irre führte. Wie jemand, der das Gefühl der Zeit verloren hatte und einfach lebte. Manchmal fragte die Hexe sich, ob sie jemals diese Macht besitzen würde. Ob sie jemals so weise sein würde. Harvey und Mary waren schon seltsame Freunde, empfand sie, sie erlebten Jahrtausende zusammen und waren so verschieden wie Wasser und Feuer. Trotzdem waren sie nie leid voneinander geworden.
"Wer ist eigentlich das Mädchen, das Rin herumträgt?" riss Harvey die Hexe aus ihren Gedanken.
"Oh, du meinst Snow White? Regina hat sie irgendwo im Wald aufgegabelt. Oder andersherum, keine Ahnung. Ich weiß nicht viel über sie, nur dass sie uns helfen möchte und Rin geht davon aus das sie eine Prinzessin ist" während das Mädchen erklärte, stieß sie mit der Nase plötzlich an etwas Weiches.
"Shh!" zischte Snow White und zog Alice herunter. Fast hätte sie mit ihrer Unvorsichtigkeit Unheil angerichtet, denn etwas weiter weg von ihnen standen fünf Wachen. Scham machte sich in ihr breit. Sie musste endlich vorsichtiger werden. Schnell steckte sie denn Spiegel in ihren Gürtel, damit die beiden zwar wussten was passierte, aber die Hexe nicht behinderten und schaute dann zu der Königin.
"Wir könnten außen herumlaufen" schlug sie leise vor, doch die Erwachsene schüttelte denn Kopf.
"Sie sind zu nah an unserem Lager, wir sollten sie ausschalten, unsere Sachen nehmen und weiterreisen. Wir sind hier zu lange gewesen"
"Ich werde sie ablenken!" stellte Snow White leise fest und schlich von ihnen weg.
"Warte!" befahl Regina, doch das Mädchen verschwand bereits. "Warum hört niemand auf mich, wenn ich das möchte?" grummelt sie wütend vor sich hin.
"Das frage ich mich auch immer" antwortet Harvey zustimmend.
"Ich höre auf euch ..." flüstert Alice aufrichtig und die Erwachsene schenkt ihr einen dankbaren Blick über die Schulter.
"HALLO?" ertönte plötzlich die Stimme von Snow White und sie kam von der anderen Seite zu den Wachen gerannt. Tränen überströmten ihre Wangen, sie zitterte und ihre Haare waren wirr.
"Madame ... was ist passiert?" fragt einer von ihnen sofort und alle drehten sich zu ihr.
"I- ich ... Ich war auf Durchreise- aber-" schniefte sie und wischte sich in einer eleganten Bewegung die Tränen aus dem Gesicht. "Ich war mit meinem zukünftigen Ehemann unterwegs, doch wir wurden angegriffen" leise keuchte sie auf und hielt sich die Stirn "Da kamen diese Barbaren ... sie griffen uns an ... ich konnte gerade noch so entkommen. Bitte helft mir" schluchzt sie weiter und ließ ihren Blick ganz unauffällig zu dem Versteck der Anderen schweifen.
Ohne eine Sekunde zu warten, stürmte Regina los. Sprang in die Luft, zog ihr Schwert und führte ein in Feuer gehüllten Hieb, während sie einer der Soldaten auf dem Kopf sprang und zu Boden fallen ließ. Zwei andere wurden von ihrem Angriff heftig getroffen. Schon immer hatte Alice die Kampffertigkeiten der Königin bewundert.
Snow White holte einen Bogen hervor, denn sie womöglich hinter ihren Umhang versteckt hatte und erschoss einen der Soldaten, während die Ältere einen Angriff parierte und den nächsten ausschaltete. Keine Sekunde später lagen alle Gegner auf dem Boden.
"Immer so viele Tote ..." ertönte ganz schwach Marys Stimme. Kurzzeitig wusste die Hexe nicht, ob ihre Freundin das wirklich gesagt hatte, oder ob sie sich das nur eingebildet hatte.
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