Kapitel 1 »Nur ein Schrei«
»Kiki. Huhu. KIKI, aufwachen!« Unsanft reißt mich die Stimme meiner Freundin aus meinem erholsamen und wohlverdienten Schlaf. Verschlafen blinzle ich gegen das Licht der der durch das Fenster scheinenden Sonne. Vorsichtig und immer noch im Halbschlaf richte ich mich auf und recke mich. Meine beste Freundin Noemi, kurz Emi, steht neben dem Bett, in dem wir nebeneinander geschlafen haben und wirkt perfekt wie immer. Ihre Haare hat sie in einem einfachen Pferdeschwanz zusammengebunden und sie wirkt so wach, als wäre sie schon seid Stunden wach. Was ich stark bezweifle. Wahrscheinlich ist sie auch erst gerade aufgewacht. »Ich finde es echt toll, dass wir frei haben.«, erzählt sie mir, ihre Freude ist kaum zu übersehen.
»Naja. Ich weiß nicht, ob das so ein Grund zum freuen ist.«, stelle ich fest.
Die Regierung hat eine Warnung bekannt gegeben. Aufgrund verschiedener, gefährlicher Gangs in unserem Land ist es nun nicht mehr möglich gefahrenfrei zu der Schule oder der Arbeit zu gelangen.
Es soll überhaupt vermieden werden, das Haus zu verlassen. Dies gilt besonders für „Normale". Was mich wiederum nicht betrifft. Wobei es mir aber auch egal ist.
Es ist aber auch erlaubt Gangmitglieder oder eben die Gangs zu töten. Durch die (vermeintliche) Gefahr, die Sie ausstrahlen, werden diese (in diesem Fall ja nicht) Morde als Notwehr abgetan. Die Leute, die in diesen Gangs sind, sind also seit Bekanntmachung der Regel Vogelfrei. Und durch diese Regelung wurden einige Einwohner meiner Stadt schlimmere und gefährlichere Mörder als ebendiese Gangs. Und jene Bürger kommen auch noch ungeschoren davon.
Wobei... Emi und ich sind, was das angeht, auch keine unbeschriebenen Blätter. Bei ihr war es damals wirkliche Notwehr, aber ich habe, schätze ich, etwas übertrieben.
»...vor?«, fragt sie mich. Mist! Ich hab ihr nicht zugehört! Wenn es eines gibt, was Noemi Pari nicht leiden kann, dann wenn man ihr nicht zuhört. »Ähm, ich habe dich nicht verstanden. Könntest du das wiederholen?«, frage ich vorsichtig. Ich habe sie zwar komplett nicht verstanden, aber dass muss sie ja nicht wissen.
Ich bin zu jung um zu sterben!
»Ich habe dich gefragt, was du heute alles vor hast. Dann habe ich noch hinzugefügt, dass ich heute leider Gottes keine Zeit für dich habe, weil ich zum Training muss, und du dich deswegen wohl oder übel mit dir selbst beschäftigen musst.« Mit Schmollmund und vorwurfsvollem Blick funkelt sie mich an. Dann kann sie sich ihr Lachen nicht verkneifen. Sie lässt sich neben mich fallen. Habe ich denn so dümmlich ausgesehen?! Warte... eigentlich sollte ich sie jetzt auslachen und nicht umgekehrt!
Um das Gespräch wieder auf ein normales Thema zurück zu bringen, frage ich sie etwas. »Wie weit bist du schon mit deiner Fähigkeit?« Ein hochmütiges Lächeln umspielt ihr Gesicht. »Fast perfekt! Ich kann jetzt einen normalen Menschen zu Suizidgedanken bringen.«, antwortet sie mir, Stolz schwingt hörbar in ihrer Stimme mit. Die Manipulation von Gedanken und Erinnerungen. Emi's Magie oder Kraft. Man nenne es wie es einem beliebt. Wir quatschen noch ein paar Minuten weiter doch dann werden wir prompt aus unserem Gespräch gerissen. »Noemi. Komm raus und mach dich fertig! Wir müssen in einer halben Stunde los!« Ihr großer Zwillingsbruder Joshua, von uns "liebevoll" Joshi genannt (was er überhaupt nicht leiden kann), steht vor ihrer Tür und klopft gegen sie.
Da er aber ungefähr die Größe einer Wand hat, kann man nie wissen, wan die Tür zusammenbricht. Aber so wie er gerade am Klopfen oder eher Hämmern ist, wird sie wohl nicht mehr lange mitmachen. »Der ist aber mies gelaunt.«, stelle ich fest. »Oh, das kann ich glauben. Nimm es ihm nicht all zu übel. Die Party, auf der er gestern Nacht war, war wohl etwas zu hart. Es soll viel Alkohol geflossen sein.« Ich kann mir nur zugut die Situation der Party vorstellen. Noemi und ich, wir gehen grundsätzlich nicht gerne auf solche Partys, bei denen man noch nicht weiß, ob dort irgendwo Drogen im Umlauf sind oder sonstiges. Wir verbringen unsere Freizeit lieber mit Pyjamapartys zu zweit oder mit noch ein paar anderen Freundinnen. »Beweg dich jetzt endlich ins Bad!«, ertönt von außerhalb der Tür Joshua's Stimme. Nun etwas mehr mies gelaunter. Murrend stellt sie sich hin und läuft zur Tür.
»Ja-ha! Ist ja gut, ich mach ja schon.«, mault Emi ihn an und drängt sich an ihm vorbei. Mein Blick fällt auf Joshua und mir fällt es schwer nicht loszukichern.
Man sieht der fertig aus, so wie er sich an die Wand lehnt.
Was Emi gesagt hat, stimmt wohl.
»Ihr scheint ja gestern viel Spaß gehabt zu haben.«, meint er. »Jap. Ihr aber auch«, antworte ich mehr neckend als ernst gemeint.
Die Tür des Badezimmer geht auf und Noemi stolziert heraus. »Na, wie sehe ich aus?« »Grandios! Wie immer. Dann bin ich jetzt wohl dran.« Mit diesen Worten stehe ich ebenfalls auf, nehme mir meine Sachen und verschwinde im Bad. Normalerweise hätte ich jetzt ausgiebig geduscht, aber das kann ich ja auch noch zuhause tun.
Nach ein paar Minuten komme ich auch aus dem Bad. Gemeinsam mit Emi packe ich meine Sachen zusammen und ca. 10 Minuten später bin ich auf dem Heimweg. Allerdings ohne Koffer. Ms. Pari hatte beschlossen, dass ich meinen schweren Koffer nicht selbst schleppen müsste. Sie würde ihn später bei mir zu Hause vorbeibringen.
Ich blicke in den Himmel, wären ich die Straße entlanglaufe. Wolken verdunkeln ihn, kaum ein Sonnenstrahl schafft es durch die dunkle Wolkendecke. Meine Schritte werden immer langsamer. Plötzlich höre ich etwas hinter mir. Ruckartig drehe ich mich um, doch ich kann nichts erkennen.
Poch, poch
Suchend blicke ich mich um. Woher kommt das Geräusch?
Poch, poch, poch
Was ist das?
Dann schießt mir die Erkenntnis in meine Gedanken. Ein Herzschlag.
Der Erkenntnis folgt ein Schrei.
Dieses Mal kann ich die Richtung zuordnen. Wie von selbst laufe ich in die Richtung, aus der der Schrei kam.
Dann bleibe ich vor einer Gasse stehen.
Ich bin mir sicher, dass der Schrei von hier kam und der unnatürlich laute Herzschlag kommt auch von hier.
Hier hat jemand Todesangst.
Eine weitere Erkenntnis.
Unschlüssig blicke ich in jene Gasse.
Soll ich gehen oder nicht? Also eigentlich habe ich keinen Grund, aber irgendetwas zieht mich dorthin. Langsam schleiche ich mich in die Gasse, darauf bedacht im Schatten zu bleiben. Kein Licht schafft es in diese Gasse, an den Häuserwänden sind keine Fenster. Hier und da liegen Scherben und kaputte Alkoholflaschen herum. Eine Ratte huscht vor meinen Füßen vorbei und es erfordert höchste Konzentration meinerseits, um nicht laut aufzukreischen. Endlich kommt das Ende der Gasse in meinen Blick. Nun mehr eine Sackgasse. Am Ende steht ein klappriger Zaun und eine Straßenlaterne wirft schummriges Licht auf umgeworfene Kartons und ein paar Gestalten. Nachdem sich meine Augen an das schwache Licht gewöhnt haben, konnte ich auch die Gestalten erkennen.
Wobei ich die eine Gestalt kenne.
Ich wünschte, ich könnte es nicht!
Es ist sehr großgeratener Mann, mit, für meinen Geschmack, eindeutig zu vielen Muskeln, der einen eher schmächtigen Jungen, ungefähr in meinem Alter, am Kragen in die Höhe hält und ihn an eine Hauswand presst.
Von ihm geht auch die Todesangst aus.
Hinter dem Riesen stehen noch zwei andere Männer, möglicherweise seine Handlanger, die scheinbar mehr Muskeln als Hirn haben und wahrscheinlich den ganzen Tag »Uh... Kämpfen... Schlafen... Kuchen...« denken.
Der Riese, sein Name ist John, drückt dem Jungen immer fester die Kehle zu.
Lange wird er das nicht mehr durchhalten! Wenn ich warte bis sie weggehen, wäre das zwar für mich sicherer, aber der Junge wäre dann tot.
Von dem Jungen kommt ein schwaches Röcheln. Er zerquetscht ihm seine Luftröhre!
Ich schicke ein Stoßgebet an den Himmel, dann trete ich aus dem Schatten.
John dreht sich ruckartig zu mir um, doch vorher lässt er den Jungen fallen. Dieser knallt auf den Boden, krümmt sich vor Schmerz und schnappt rasselnd nach Luft. Aber zum Glück lebt er noch.
»Du!«, brüllt mich John an und macht drohend einen Schritt auf mich zu.
Ich weiche aber nicht zurück.
»Was wollt ihr von dem armen Typen?
Hat er euch euren Joint vor der Nase weggeschnappt?!«, frage ich spöttisch und zeige dabei kurz auf den keuchenden Jungen. »Da hat sie ja schon Recht, Boss!«, sagt einer der anderen Beiden, woraufhin er sich einen wutschnaubenden Blick von John einfängt. »Er hatte wohl gerade einen Höhenflug und meinte es wäre eine kluge Idee einem von seinen Leuten aufzulauern und ihm etwas was ihm gehört abzunehmen!«, antwortet mir nun auch John, obwohl es keiner weiteren Erklärung bedurft hätte. Scheinbar wollte er seine Ehre verteidigen, was ohnehin nicht nötig ist.
»Meint ihr nicht, dass ihr trotzdem übertreibt?« Vor Zorn knackt John mit seinen Fingern, feuert er einem glühenden Feuerball auf mich zu. Das ist seine Kraft.
»Du verräterisches, dreckiges Miststück!«, schreit er mich an. Dann befiehlt er, mit einer überschwänglichen Geste den beiden Idioten mich auch anzugreifen. Ich weiche aber allen Attacken geschickt aus. Schließlich kenne ich alle Angriffe, die er gelernt hat auch. Ich wurde genau wie er trainiert.
John scheint das auch bewusst geworden zu sein, denn nun spielt er seine vermeintliche Trumpfkarte aus. Sein überlegenes Lachen schallt durch die ganze Gasse, als er dem Jungen seine Faust in die Lunge schlägt. Ein Knacken ertönt, er hat ihm mehrere Rippen gebrochen. Der Junge spuckt Blut, woraufhin der Riese noch lauter lacht.
Jetzt brodelt in mir der Zorn hoch und mein Blut beginnt wortwörtlich zu kochen. Er hat wohl meine Kraft und die Tatsache, dass ich mich eigentlich nicht bewegen muss, um sie auszuführen, vergessen und packt nun wieder den Jungen, zieht ihn an sich und hält ihm einen Dolch an die Kehle.
»Noch einen Schritt vorwärts und ich beseitige die Welt von diesem dreckigen Abschaum!«, brüllt er wild und drückt die Klinge des Dolches ein Bissen weiter in die Kehle des Jungen, welcher ein panischen Laut von sich gibt. Aber ich blende die Laute aus, stattdessen strecke ich meinen Arm seitlich von mir. John scheint die Geste zu verstehen, sich an meine Kraft zu erinnern, denn seine Augen weiten sich schreckhaft, er stößt einen stummen Todesschrei aus.
Dann wird sein Körper in einer riesigen Blutexplosion zerfetzt. Blutregen prasselt auf die Idioten, die kreidebleich geworden sind, den Jungen, der in Schockstarre auf den Boden blickt und auf mich nieder. Hautfetzen fliegen durch die Luft. Ich stelle, irgendwie zufrieden fest, dass man ihn wohl nie wieder komplett finden wird. Was auch nicht schlimm ist. Ihn vermisst eh' keiner! Dann drehe ich mich zu den anderen Beiden um. Prompt beginnt der eine der Beidem aus allen Poren zu bluten. Immer wieder stößt er markerschütternde Schreie aus, dann bricht sein nun toter, blutleerer Körper in seiner eigenen Blutlache zusammen.
Der letzte Idiot kniet sich zu seinem Freund, eine Träne rinnt ihm die Wange hinunter. Meine Blutlust steigert sich in unerwartete Höhen und ich rufe höhnisch: »Wie weich!« Dann beginnt sein Herz immer lauter zu schlagen.
Wumm, Wumm
WUMM, WUMM
Ihm entfährt ein erstickter Schrei,
dann explodiert sein Herz. Eine Blutfontäne spritzt zwischen seinen Rippen hervor. Er kippt tot nach hinten, seine im Todeskampf verdrehten Augen blicken leer in den Himmel.
Langsam sinkt mein Blutdruck wieder.
Ich wende mich so ruhig wie es geht zu dem Jungen. Er kniet in einer Blutlache, von der ich zum Glück weiß, dass es nicht seine ist und er spuckt kein Blut mehr.
Er blickt nur noch in Schockstarre in die Blutlache. Langsam gehe ich zu ihm.
»Hör zu, alles wird gut! Du kannst mir vertrauen.« Allerdings ist mir bewusst, dass das mit dem Vertrauen wohl zu viel verlangt ist, angesichts der Tatsache,
dass ich gerade vor seinen Augen drei Menschen auf brutalste Art und Weise umgebracht habe und dabei auch noch Spaß empfunden habe. Nun bin ich bei ihm angekommen, hocke mich neben ihn und lege meine Hand auf seinen Rücken.
»Ich verspreche dir, dass ich dir nichts tun werde!«, sage ich und hebe die Hand, die nicht auf seinem Rücken liegt.
Er blickt mich langsam an und zittert am ganzen Körper, was ihm nicht zu verübeln... Wow! Seine Augen! Sie sind schneeweiß! Ich habe einmal von einer Droge gehört, die genau das verursacht, aber doch erst nach langer Zeit und regelmäßigem nehmen! Diejenigen, die die Drohe nehmen, erblinden auch fast.
Also hat er wahrscheinlich nur das Blut gespürt und die Schreie gehört, aber nichts gesehen. Wobei... ich weiß nicht was schlimmer ist. »Wirklich? Dann vertraue ich dir.«, flüstert er schwach und nur mit Mühe kann ich ihn verstehen.
Wäre die Situation eine andere hätte ich ihn wahrscheinlich gefragt was er alles intus hat, aber ich glaube gerade bin ich die Letzte, die Fragen stellen darf. Ich meine, ICH HABE GERADE VOR SEINEN VERDAMMTEN AUGEN JEMANDEN UMGEBRACHT, UND DAS EINZIGE WAS IHM EINFÄLLT IST: ICH VERTRAUE DIR?!?
Plötzlich lehnt er seinen Kopf auf meine Schulter, dann verliert er das Bewusstsein. Und damit erübrigt sich auch meine Frage. Und eine neue taucht auf. Wo zum Teufel hin mit ihm.
Mein Kopf ist wohl immer noch vom Blutrausch vernebelt und so treffe ich die Entscheidung, ihn erst mal mit, zu mir nach Hause zu nehmen. Auch wenn mir bewusst ist, dass ich in meinem Leben schon wesentlich klügere und durchdachtere Entscheidungen getroffen habe.
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(A/N):
Wie findet ihr das erste Kapitel?
Ich versuche mich jetzt zum ersten Mal an einem Mystery/Thriller- Buch und ich hoffe es gefällt euch! Schreibt eure Meinung in die Kommentare.
Ich hoffe die Situation eskaliert nicht zu plötzlich und zu stark. So nach dem Motto: Pfeifend goss ich meine pinken Rosen, als ein Krieg ausbrach und wir alle evakuiert wurden.
( Ich glaube der Spruch kommt von dir une_belle_History . Ich feiere den Spruch und das dazugehörige Buch so!
*dich fest knuddel*) Bb. und Ly.
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