•66• Geplante Rache ist halbe Rache
Es fühlte sich so an, als wäre ich Unterwasser und würde immer tiefer nach unten tauchen.
Es wäre dann nur eine Frage der Zeit, bis der Wasserdruck meinen Brustkorb wie eine leere Coladose zerdrücken würde...
Ich riss meine Augen auf und schnappte lautstark nach Luft.
Die Zimmerdecke über mir verriet mir, dass ich mich in Andrew's Zimmer auf seinem Bett befand.
Ruckartig setzte ich mich auf und spürte sofort, dass dies ein gewaltiger Fehler war, denn kaum hatte ich dies getan, zog sich ein unnormaler starker Schmerz durch meinen Oberkörper.
Scharf sog ich die Luft ein und tastete mit den Fingern auf meiner Brust nach der Stelle, wo ich den Schmerz am schlimmsten wahr nahm.
Doch als meine Fingerkuppen Mull und Verbandsmaterial fühlten, runzelte ich irritiert die Stirn und sah nach unten auf meine nackte Brust.
Genau mittig befand sich, mit Pflaster ohne Wundauflage befestigtes, ein Handflächen großes Stück Mull, worauf sich ein mittelgroßer Fleck Blut ausgebreitet hatte.
Ich hörte, wie die Zimmertür geöffnet wurde und ich sah zu dem Neuankömmling.
Es war Andrew.
Er lächelte mich breit an und schien sich keine Sorgen gemacht zu haben.
Also war es nicht ganz so schlimm, was mir passiert ist, auch wenn ich mich selbst gar nicht mehr daran erinnern konnte.
Der ältere Vampir kam näher und setze sich zu mir an den Rand des breiten Bettes.
»Na, wie geht es dir?« Fragte er mich.
»Ganz gut, nur tut das noch etwas weh.« Ich legte meine Hand auf das große Pflaster.
»Was ist überhaupt passiert, ich kann mich gar nicht mehr so richtig erinnern.« Andrew's fröhlicher Gesichtsausdruck fror ein und verfinsterte sich binnen weniger Sekunden.
Er sah auf einmal verdammt traurig aus und er wich meinem Blick aus.
»Andrew... Was ist passiert?« Der Vampir an meinem Bett holte zittrig Luft und sah mir unsicher in die Augen.
»Wir... Wir waren gestern Nacht bei dir Zuhause. Uuund dein Bruder hat auf dich geschossen, darum das Pflaster auf deiner Brust...«
Mein Bruder hat auf mich geschossen?!
Dann, mit einem Schlag, kamen alle Erinnerung an vergangene Nacht wieder zu mir zurück.
Wie ich zuerst die Leiche meiner Mutter, dann die meines Vaters und zum Schluss die meiner kleinen Schwester bestialisch zugerichtet gefunden hatte.
Und wie dann mein Bruder mich in seinem Schockzustand gar nicht erkannt und dann dadurch auf mich geschossen hatte.
Mein Atem fiel hektischer und ich spürte, wie gegen meinen Willen Tränen in meinen Augen aufstiegen.
Meine Familie... Sie waren tot... Ich würde sie nie wieder sehen.
Mir lief eine Träne über die Wange, da nahm mich Andrew in den Arm.
»Es tut mir so schrecklich leid, Fynn!« Hörte ich Andrew ehrlich murmeln und da brach ich nun ganz in Tränen aus.
»Sie sind tot! Sie sind alle tot und es ist meine Schuld!«
»Nein, Fynn! Du trägst nicht die Schuld an dem Tod deiner Familie. Es trägt nur einer die Schuld und es ist derjenige, der die armen so zugerichtet hat!«
Ich spürte, wie sich meine Augen schwarz verfärbten und ich sah entschlossen in Andrew's braunen.
»Ich werde ihn töten! Ich werde ihn finden und ihn töten!« Knurrte ich und Andrew nickte.
»Okay. Aber erstmal musst du wieder zu Kräften kommen. Dann werden wir ihn schon irgendwie finden.« Ich gab mich damit zufrieden und meine Augen nahmen wieder ihre natürliche graue Farbe an.
»Was ist eigentlich mit meinem Bruder David?« Fragte ich dann nach einer Weile bedrückt.
»Na ja... Er ist- ach, zieh dir einfach was an und komm mit. Dann kannst du es selbst sehen.« Irritiert schlug ich das Oberbett zur Seite, bemerkte beiläufig, dass ich nun eine schwarze Jogginghose an hatte, und stand ächzend vom Bett auf.
Andrew warf mir eines seiner dunklen T-Shirts zu, welches ich mir schnell überzog.
Danach öffnete der ältere die Tür und wir beide gingen in mein altes Zimmer.
Was ich dann sah, machte mich unglaublich traurig, aber auch verdammt wütend zu gleich.
Mein Bruder lag ohne Oberteil und bewusstlos auf meinem alten Bett.
Dadurch hatte man einen hervorragenden Blick auf die ganzen Vampirbisse, die seinen Oberkörper zierten.
Jedoch war nicht mehr so viel verschmiertes Blut an seinem Körper.
»Wir haben sein Blut weg gewaschen. Aber die Bisse haben wir nicht verschlossen, weil wir uns nicht sicher waren, was du davon hälst. Vielleicht hättest du es nicht gewollt.« Meinte Andreas, der neben meinem Bruder an dem Bett stand.
»Ganz genau!« Knurrte ich ihn an, denn ich wusste ganz genau, dass er nur zu gerne den Oberkörper meines Bruders abgeleckt hätte! Ob es nun zum Verschließen der Bisse oder zu seinem persönlichen Wohl wäre, lasse ich mal unkommentiert und ich denke auch nicht weiter darüber nach.
»Er ist auch nicht mehr aufgewacht. Er hat eine Menge Blut verloren und ich kann mir gar nicht vorstellen, was für eine Angst er, deine Schwester und deine Eltern gehabt haben müssen.« Murmelte Andreas und eigentlich wollte ich ihn zurecht weisen, dass er den Mund halten sollte, doch ich tat es nicht.
Er meinte es ja noch nicht mal böse.
Ich ging langsam auf meinen Bruder zu und hockte mich neben dem Bett auf den Boden.
Mein Ellenbogen stützte ich auf die Matratze und mein Kinn bettete ich auf meine Handfläche.
Gedankenverloren zeichnete ich ganz vorsichtig die Bisse an David's Hals und Schulter mit meinen Fingern der anderen Hand nach und stellte mir vor, wie verdammt weh es getan haben muss, als man sie ihm zugefügt hatte.
Wie konnte man nur so gefühlslos sein und so was tun?!
Dann, während ich dabei war Mordpläne für den oder die Verantwortlichen zu schmieden, sollte ich ihn oder die irgendwann zu fassen bekommen, packte mich plötzlich mein Bruder am Unterarm und hob seinen Kopf leicht an.
Seine weit aufgerissen Augen zuckten wild in meinem Gesicht hin und her.
»Fynn...« Murmelte er erleichtert und seine grünen Augen wurden glasig.
»Es ist was passiert... Was schlimmes.« Sagte er leise mit brüchiger Stimme und ich hatte irgendwie das Gefühl, dass er immer noch nicht ganz bei uns war.
Eine Träne rann aus David's Augenwinkel und der Griff um meinem Arm wurde etwas fester.
»Ich weiß, Dave. Ich habe es gesehen. Ich war bei euch und wollte dir helfen. Aber dann hast du auf mich geschossen.« Sagte ich leise.
Die Augen meines Bruders wanderten von meinem Gesicht runter auf meine Brust.
»...auf dich geschossen...« Murmelte er leise, als würde er den Inhalt seines Satzes nicht verstehen.
»David...« Nun trat Andrew an das Bett.
Mein Bruder sah unsicher zu ihm hoch.
Es schien fast so, als wäre er unsicher, ob er Angst vor ihn haben sollte oder nicht.
»Konntest du sehen, wer das war?« Fragte Andrew und mein Bruder nickte sachte.
»Ja... E-er war...«
Dann verdrehte er auf einmal seine Augen und fiel zurück ins Kissen, während seine Hand ihren festen Griff um mein Arm verlor und ebenfalls zurück auf die Matratze fiel.
Alarmiert richtete ich mich auf.
»Dave?« Fragte ich unsicher, doch mein Bruder regte sich nicht.
»David?« Wiederholte ich mich nun etwas panischer und fuhr mit meiner Hand über seine Stirn, durch seine schwarzen Haare.
»Keine Sorge, Fynn. Er ist noch ziemlich schwach durch seinen Blutverlust. Er wird noch ein wenig schlafen müssen, damit sich das wieder regeneriert.« Ich nickte, war jedoch nicht ganz zufrieden mit der Antwort.
»Okay... Er hat gesagt, er hat den Vampir gesehen. Wenn er wieder aufwacht, kann er uns erzählen wie er aussah und wer das war...« Sprudelten die Wörter aus meinem Mund.
Ich zuckte zusammen, als ich plötzlich zwei Hände auf meinen Schultern spürte und ich sah hoch in Andrew's Augen.
»Ganz ruhig. Entspann dich. Wir werden den dummen Wichser schon schnappen, der euch das angetan hat. Aber zuerst musst du dich beruhigen und dein Bruder muss sich ausruhen und wieder aufwachen. Verstehst du?« Erneut nickte ich, schließlich war das nur logisch.
»Er muss was trinken...« Murmelte ich dann mit dem Blick auf meinen bewusstlosen Bruder.
»Ja, du hast Recht. Er braucht viel Flüssigkeit.« Sagte Andrew und sah seinen Bruder auffordernd an.
»Ich gehe schon.« Sagte Andreas und verließ das Zimmer.
Andrew schnaufte belustigt.
»Na ja, ich gehe dann auch mal und lasse euch beiden alleine.« Somit verließ nun auch Andrew mein altes Zimmer und ließ damit meinen Bruder und mich zurück.
Ich seufzte leise und ich spürte, wie sich meine Augen schwarz färbten, während ich auf die ganzen Bisse an David's Körper sah.
Der Bastard, der ihm das angetan hat, wird dafür bezahlen!
So, Leute...
Ich bin mir zwar nicht so ganz sicher, aber ich glaube, wir nähern uns im Schneckentempo dem Ende zu.
Aber noch dauert es ein Weilchen.
Na ja, wie immer hoffe ich sehr, dass euch dieses Kapitel gefällt und wir uns im nächsten wieder sehen!
LG Ju ★
~1446~ Wörter
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