•22• Nur Blut
Ich konnte nicht anders, als Andreas mit großen Augen anzusehen.
Also ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass er mir den Anfang seiner zweiten Lebensgeschichte erzählen würde...
Ich blies die angehaltene Luft aus meinen Wangen.
»Also, ich... Ähm... Danke, dass du mir das erzählt hast. Ich werde dann mal wieder gehen.« Ich nahm wieder das Tagebuch an mich und erhob mich.
Und jetzt wo ich darüber nachdachte, glich Andreas' Erzählung den Einträgen aus dem Tagebuch haargenau.
Hm... Eigentlich logisch, wenn es das Tagebuch von Andrew's und Andreas' Mutter wäre, was es höchstwahrscheinlich auch ist.
Ich wollte gerade die Tür von Andreas' Zimmer öffnen, als ich hinter mir ein animalisches Fauchen hörte.
Vor Schreck zuckte ich zusammen und verharrte in meiner Position, in der linken Hand das Tagebuch und die rechte auf der Türklinke.
Den Geräuschen nach zu urteilen, erhob sich Andreas von meinem Stuhl und kam gerade Weges auf mich zu.
»Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass du jetzt einfach so gehen kannst, oder?!«
Oh Fuck!
»Ich habe es gehofft.« Gab ich offen zu und schluckte nervös.
Andreas lachte bösartig auf.
»Oh nein, so läuft das hier nicht.« Der kalte Atem des Vampirs prallte in meinen Nacken und ich spürte, wie mein Herz anfing schneller zu schlagen.
»Weißt du, jetzt riecht mein ganzes Zimmer nach dir. Nach dir und nach deinem himmlischen Blut in deinen Adern, das köstlich sein muss, wenn es auch nur halb so gut schmeckt, wie es riecht!«
Andreas packte mich an meinen Schultern und drehte mich so zu sich um.
Meine vor Angst geweiteten Augen trafen auf seine, die wieder einen rötlichen Schimmer aufwiesen und vor Gier glitzerten.
Mein Atem wurde hektischer und ich krallte mich so verzweifelt in das doofe Tagebuch, als ob es mich vor dem Vampir beschützen könnte.
»Und du wirst mir jetzt was von deinem Blut abgeben, wenn du wieder hier raus möchtest.« Die Mundwinkel des Vampirs rutschten nach oben und mein Herz schlug wie wild in meiner Brust.
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein! Du bekommst mein Blut nicht!« Versuchte ich stark rüber zu bringen und hoffte sehr, dass meine Stimme nicht zitterte.
Andreas lachte.
»Weißt du, es gibt noch etwas was Andrew und ich gemeinsam haben... Wir bekommen so gut wie immer das was wir wollen und jetzt will ich dein Blut!« Die braune Farbe in den Augen des Vampirs wurde plötzlich durch das dunkle Rot ersetzt und seine spitzen Reißzähne lugten unter seiner Oberlippe hervor.
Er kam mit einen Schritt näher.
Na prima.
Hoffentlich tut es nicht weh.
Plötzlich ging die Zimmertür auf und stieß mich nach vorne, sodass ich mich in den Armen von Andreas wiederfand.
Er schien nur darauf gewartet zu haben, dass ich näher bei ihm bin, denn seine gierigen Augen glitzerten vor Vorfreude und er riss den Mund auf.
Ich wollte gerade schon meine Augen schließen und mich auf die Schmerzen, die von den Biss ausgehen würden, bereit machen, als ich noch sah, wie eine geballte Faust das Kinn von Andreas traf.
Der Vampir stöhnte kurz gequält auf und ließ mich los.
Kurz geriet ich ins Taumeln, konnte mich aber noch gerade so auf den Füßen halten.
Ruckartig drehte ich mich um und wollte sofort aus dem Zimmer eilen, aber Andrew versperrte mir den Ausweg.
Dieser sah seinen Bruder hasserfüllt an und griff dann nach meinen Arm.
Ich zischte kurz vor Schmerz auf, als seine Hand mein Handgelenk kräftig umschloss und mich unsanft aus dem Zimmer zog.
»Was hast du dir nur dabei gedacht, zu ihm ins Zimmer zu gehen?« Fauchte Andrew.
»Weil er mir was erzählt hat, woher soll ich denn wissen, dass er es nur getan hat, um an mein Blut zu kommen?«
Andrew blieb stehen und drehte sich mit einem Ruck zu mir um.
»Weil er ein Vampir ist, verdammt. Wir interessieren uns nur für Blut, wir denken nur an Blut, unsere ganze Existenz ist aus Blut aufgebaut!« Schrie er mich fast an.
»Und warum wurde ich vorher noch nicht angerührt und warum lebe ich noch?« Fragte ich und irgendwie wurde ich sauer.
»Ich warte einfach die passende Gelegenheit ab.« Zischte Andrew und kaum merklich zuckte ich unter diesen Worten zusammen.
Ach so war das also, er wartet die passende Gelegenheit ab.
Warum taten diese Worte so weh in meinem Herz?
Laut den Tagebucheinträgen war er ein über 230 Jahre alter Vampir, natürlich ging es ihm nur um mein Blut.
Und ich habe angefangen mir die Illusion zu machen, man würde mich mögen.
Jetzt könnte ich mich dafür ohrfeigen, dass ich so gedacht habe.
Natürlich würde mich keiner mögen, hat ja vorher auch niemand, warum dann ausgerechnet jetzt?
Roxy war da mehr oder weniger keine Ausnahme, ich war für sie einfach nur ein Rettungsanker.
Ich nickte und versuchte kalt zu wirken.
»Ich verstehe. Und wann ist die 'passende Gelegenheit' da? Ich frage nur deshalb, damit ich bis zu dem Tag alle Aufgaben erledige, weil anscheinend könnt ihr beiden das ja nicht.« Ich biss mir auf die Zunge. Diese Worte verließen einfach so meinen Mund, ich konnte sie gar nicht kontrollieren.
Andrew sah mich kurz überrascht an, doch dann nahm sein Blick etwas bedrohliches an.
»Ich glaube, es wäre besser, wenn du in dein Zimmer gehen würdest.« Sagte er bedrohlich ruhig.
Doch ich grinste trotzdem wie bescheuert und deutete eine leichte Verbeugung an.
»Euer Wunsch sei mir Befehl, Master!« Zickte ich und verschwand so schnell wie möglich in mein Zimmer.
Dort ging ich geradewegs ins Badezimmer, schloss es ab und ließ mich an der Tür auf den Boden rutschten. Ich platzierte meine Arme auf meine angewinkelten Beine und vergrub mein Kopf in den Stoff der Uniform.
Warum?
Warum tat es so weh?
Weil man mir Hoffnung gemacht hat, gab ich mir selbst die Antwort.
Man hat mir dadurch Hoffnung gemacht, weil man mich von Beginn an nicht wie einen Sklaven behandelt hat.
Ich hob meinen Kopf und plötzlich spürte ich etwas feuchtes auf meiner Wange.
Fragend fasste ich mir ins Gesicht und stellte verwundert fest, dass es Tränen waren.
Meine Tränen.
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich anfing zu weinen.
Doch das verleitete mich dazu, so richtig anzufangen.
Ich legte meinen Kopf wieder auf mein Knie und fing schier ohne Grund an zu weinen.
Abrupt hörte ich auf, als es an der Badezimmertür klopfte.
»Oh Gott, Fynn, weinst du? Mach die Tür auf. Fynn?« Hörte ich Roxy verzweifelt.
Ich sprang auf meine Füße und sah mich hektisch in dem großen Badezimmer um.
Ich musste mir schnell was überlegen, wenn sie mich so sah, würde sie nur unnötige Fragen stellen.
Nach wenigen Sekunden fiel mir dann auch was ein.
Schnell knöpfte ich das Oberteil meiner Uniform auf und zog es mir über den Kopf.
Dann stürzte ich zum Waschbecken, drehte das Wasser auf und schöpfte mir etwas Wasser ins Gesicht.
Meinen Oberkörper und meine Arme machte ich ebenfalls nass.
»Fynn, was ist? Mach doch die Tür auf. Fynn?« Roxy hämmerte weiter gegen die Tür, die ich dann schließlich öffnete.
Roxy sprang überrascht einen Schritt zurück.
Als sie mich sah grinste sie breit, doch als ihr Blick auf meinen freien Oberkörper fiel hielt sie sich sofort die Augen zu und ihre Wangen nahmen einen rötlichen Taint an.
»Entschuldigung. Ich wusste nicht, dass du dich gewaschen hast. Ich dachte, du weinst.« Ratterte das blonde Mädchen runter.
»Ist ja nicht schlimm. Wolltest du eigentlich was bestimmtes von mir, oder warum bist du hier?« Fragte ich.
»Oh, das ist eigentlich unwichtig. Ich habe dich nur nicht gesehen und mich dann auf die Suche nach dir gemacht. Als ich dann in dein Zimmer gegangen bin, dachte ich, dich weinen zu hören, aber anscheinend hast du dich nur gewaschen.« Roxy lachte kurz nervös.
»Na dann werde ich mal wieder gehen.« Und schon verschwand die 13-jährige.
Ich zuckte mit den Schultern und machte mich daran, schon mal das T-Shirt und die Jogginghose anzuziehen.
Als ich nach den Kleidungsstücken griff, fiel mein Blick auf mein Handgelenk, wo die ganzen bläulichen Adern verliefen und das Sauerstoff arme Blut von meinem Herzen weg transportierten.
Ich bin nur so wertvoll wie das Blut in meinem Körper.
Blut... Nur Blut.
Hiii ♥
Wieder mal ein kleines Kapitel. Ich hoffe trotzdem, dass es euch irgendwie gefällt.
LG Ju ★
~1361~ Wörter
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