16. Instantiate


♪ Breathe – Ronan Keating


Anastasia

Mit Tränen in den Augen saß ich in meinem Bett. Ich hatte Kieran von mir weggestoßen, nachdem er mich so plötzlich und unvermittelt küsste. Eigentlich wollte ich es nicht tun, aber mein gesunder Menschenverstand brachte mich dazu, ihn auf Abstand zu halten. Kieran hatte sich entschuldigt, trotzdem fühlte ich mich jetzt mega schlecht ihm gegenüber. Vielleicht, weil ich mich selbst betrog.

Ich mochte ihn mehr als ich es durfte und sollte, fand ihn sehr attraktiv und hätte am liebsten diesen Abend im Swinger Club noch einmal wiederholt. Aber das ging nicht. Meine Herkunft und seine berufliche Stellung verhinderten jegliche Art des intimen Zusammenseins, ganz zu schweigen von den tiefen Gefühlen, die wir beide vielleicht entwickeln würden.

Das konnte ich ihm nicht antun und mir auch nicht.

Wir waren dazu verdammt, nur auf rein freundschaftlicher Basis zu verkehren. Der Gedanke, dass er gerade im Zimmer nebenan schlief, ließ mein Herz jedoch schneller klopfen. Am liebsten wollte ich zu ihm gehen, ihm sagen, dass es sich falsch anfühlte, seine Annäherungsversuche abzublocken, weil ich den Kuss unendlich gerne erwidert hätte.

Er war so zärtlich und gleichzeitig heiß gewesen, so, wie in diesem Black Room, als wir uns dort geküsst hatten. Die Erinnerungen an diese eine Stunde zogen permanent an meinem inneren Auge vorüber. Ich konnte sie nicht stoppen und hätte dem Drang, mich in seine Arme zu werfen, am liebsten nachgegeben. Aber das wäre fatal.

Die Arme um meine angezogenen Beine geschlungen, lauschte ich dem Geräusch des Windes, der durch das halbgeöffnete Fenster blies und die frische, klare Seeluft in das Zimmer brachte.

Im Laufe der letzten Wochen realisierte ich immer mehr, dass ich zwar von Menschen umgeben, doch was meine seelischen Belange anging, auf mich alleine gestellt war. Kieran um mich zu haben, erfüllte mein Herz mit Freude und deswegen fiel es mir so schwer, ihn auf Abstand zu halten.

Es tat so gut, mit ihm im Pool toben zu können sowie Unterhaltungen zu führen, welche in jegliche Richtung gehen konnten, ohne dass uns langweilig wurde. Ich brauchte ihn, er produzierte das Lächeln auf meinem Gesicht, die Wellen in meinem Bauch und den Wunsch, die Zeit in St Ives genießen zu wollen. Aber das durften wir nur als gute Freunde tun, mehr nicht.

Ein lautes Seufzen entwich meiner Kehle, als ich mich endlich hinlegte und die Bettdecke fast über meinen Kopf zog. Obwohl es noch eine ganze Weile dauerte, bis ich in das Reich der Träume versank, erwachte ich am nächsten Morgen bereits um halb sieben.

Shawn war sicher schon aufgestanden, denn er joggte jeden Morgen gegen sechs durch das Gelände, wobei er Paddox mitnahm. Für einen kurzen Moment hielt ich inne, beschloss dann aber meine morgendliche Routine nicht zu ändern. Ich wollte eine Runde im Pool schwimmen und hoffte einfach, dass Kieran mir trotz des Vorfalls am gestrigen Abend Gesellschaft leisten würde.

Schnell huschte ich ins Bad, zog meinen Bikini über und machte mich auf den Weg nach unten, wo Susan in der Küche stand.

„Guten Morgen, Anastasia. Hast du gut geschlafen?"

„Danke, ja und du?"

„Bestens. Ich nehme an, du wirst gleich schwimmen gehen, sodass ich mir mit dem Frühstück noch ein wenig Zeit lassen kann, oder?"

„Ja, natürlich."

Ich lächelte ihr kurz zu, während ich ein Glas mit Orangensaft füllte. Dies trank ich jeden Morgen, bevor ich in den Tag startete. Auch in New York und auch in Russland hatte ich das getan, es war sozusagen mein morgendliches Ritual. Als der kühle Saft meine Kehle benetzte, da wünschte ich mir plötzlich, Kierans Hände an meinen Hüften zu spüren und den Morgen auf eine vertraute Art und Weise mit ihm beginnen zu können.

Letztendlich schüttelte ich diesen irrsinnigen Gedanken ab und machte mich auf den Weg zum Pool. Auf der Terrasse begegnete ich Shawn, der gerade von seiner Joggingrunde zurückkehrte sowie Paddox, der freudig an mir hochsprang. Kurz streichelte ich sein zotteliges, schwarzes Fell und ging dann weiter.

Es kostete mich jedes Mal ein wenig Überwindung, kopfüber in den Pool zu springen, doch dieser Herausforderung stellte ich mich täglich aufs Neue. Im ersten Moment fühlte es sich sehr frisch an aber wenn man sich bewegte, verging dieses Gefühl. Die Abkühlung tat gut, sie belebte Körper und Geist.

Nachdem ich das Becken einmal durchquert hatte, veränderte ich meine Position, indem ich mich auf den Rücken legte, um die nächste Bahn zu schwimmen. Plötzlich sah ich aus den Augenwinkeln jemanden auf mich zukommen. Kieran trug nur seine Badeshorts, während sein Handtuch lässig über der Schulter hing. Nur sein Anblick brachte mich schon aus der Fassung. Er sah verboten gut aus und löste zudem sein Versprechen ein, obwohl ich ihn gestern von mir weggestoßen hatte.

Sofort meldete sich mein schlechtes Gewissen und ich wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen. Aber mein Verstand hielt mich konsequent zurück. Stattdessen beobachtete ich, wie er immer näher kam und dann urplötzlich das Handtuch auf die nächste Liege schmiss, bevor er sich in den Pool stürzte. Die Bewegung des aufwallenden Wasser schwappte beinahe über meinen Kopf und ehe ich mich versah, tauchte Kieran neben mir auf.

„Guten Morgen, Tia. Wie versprochen, leiste ich dir Gesellschaft."

Das Blau seiner Iris kam unter den nassen Haaren noch dunkler hervor als sonst. Es leuchtete mir förmlich entgegen, ich konnte mich nicht wehren und versank regelrecht darin.

„Guten Morgen", erwiderte ich leise, in der Hoffnung, dass er nicht böse auf mich war, weil ich den Kuss nicht erwidert hatte.

„Schwimmen wir eine Runde, oder auch zwei?"

Seine Stimme klang ganz normal, was mich innerlich aufatmen ließ. Ein Glück schien er nicht sauer auf mich zu sein.

„Ja, sicher", erwiderte ich so neutral wie möglich.

An diesem Morgen schwammen wir einfach nur unsere Bahnen, ohne im Wasser zu toben.

„Wie sieht es aus, gehen wir heute Nachmittag zum Strand?"

Als Kieran mir diese Frage stellte, nachdem wir den Pool verlassen hatten, nickte ich zur Bekräftigung.

„Das war doch so abgemacht."

Ich hatte nicht vor, dahingehend einen Rückzieher zu machen, zumal ich mich wirklich darauf freute.

Direkt nach dem Frühstück ging Susan ihrer Tätigkeit als Reiseführerin nach. Sie begleitete die Touristen durch den Ort und auch zu den Sehenswürdigkeiten. Während dieser Zeit blieb Shawn stets auf dem Grundstück, ich war also nie alleine. Obwohl Kieran nun ebenfalls hier verweilte, leistete uns Shawn trotzdem Gesellschaft. Zuerst mixte er alkoholfreie Cocktails für alle drei, um sich anschließend auf die Terrasse zu setzen. Dies tat er jeden Tag, sodass der Genuss des Cocktails, der täglich wechselte, zu meiner Lieblingsbeschäftigung zählte.

Bevor Kieran hier aufgetaucht war, hatte Shawn mir den Cocktail ins Zimmer gebracht, doch nun wollte ich gerne draußen sitzen.

Ich schnappte mir das Glas mit der bunten Flüssigkeit und schaute Kieran an.

„Kommst du mit? Ich lege mich auf einer der Liegen."

„Sicher."

Eigentlich suchte ich nur einen Weg, um unter vier Augen mit ihm sprechen zu können, weit genug von Shawn entfernt, der unsere Unterhaltung nicht zu hören brauchte.

Kaum hatten wir die Liegen erreicht, sprach ich das aus, was mir im Kopf herumging.

„Es tut mir leid wegen gestern. Ich-."

„Ist schon ok", unterbrach er mich. „Du wolltest es nicht und ich habe mich entschuldigt."

Verzweifelt suchte ich nach den richtigen Worten. Nach einer Möglichkeit, ihm die richtige Erklärung zu geben.

„Ich mag dich wirklich sehr gerne, Kieran. Aber wir sollten oder besser gesagt, wir dürfen das nicht tun." Tief atmete ich durch, bevor ich den nächsten Satz von mir gab. „Ich gehöre der Mafia an und du bist ein Polizist."

Zu meiner Überraschung schmunzelte er kurz, um dann zu sagen: „Es war nur ein Kuss, der dich beruhigen sollte. Also vergessen wir das Ganze."

Einerseits war ich furchtbar erleichtert, andererseits aber ein wenig enttäuscht, dass scheinbar nur ich es war, die Gefühle bei diesem Kuss entwickelt hatte. Ärgerlich über mich selbst, drehte ich Kieran den Rücken zu, nachdem ich auf der Liege Platz genommen hatte. Wie hatte ich auch annehmen können, dass er etwas für mich empfand? Vielleicht machte er nur gute Miene zum bösen Spiel und tat das, was Louis ihm aufgetragen hatte, nämlich sich um mich zu kümmern.

Es wäre mir wesentlich lieber gewesen, wenn Kieran dies aus dem Interesse meiner Person gegenüber heraus getan hätte, doch allem Anschein nach, war ich ihm egal. Und dieser Kuss bedeutete ihm nicht das Geringste. Aber vielleicht war das auch besser so.

Zum Glück verging der Vormittag recht schnell, da ich mich der französischen Lektüre widmete. Susan kehrte um die Mittagszeit zurück und bereitete einen gemischten Salat zu. Dazu wurde frischer Fisch gereicht, den sie in einer großen Pfanne dünstete.

Kieran half ihr sogar beim Kochen, was mich immens störte. Ändern konnte ich es jedoch nicht und helfen kam aufgrund meiner schlechten Kochkünste nicht in Frage. Dann würden wir angebrannten Fisch essen müssen.

Nach dem Essen ging Shawn seine übliche Runde mit dem Hund. Währenddessen zog ich mich auf mein Zimmer zurück, um mich für den Strandbesuch umzuziehen.

Nachdem dies geschehen war, wartete ich gemeinsam mit Kieran auf Shawn, der jedoch bald zurückkehrte. Er schien hocherfreut, dass wir aus dem Haus gehen wollten und war Feuer und Flamme für den Strand.

Mit dem Wagen fuhren wir nur ein kleines Stück, um diesen dann auf einem der Parkplätze abzustellen. Vor dort aus führte ein Weg zur St Ives Bay.

Die frische, klare Seeluft füllte meine Lungen, während ich neben Kieran spazierte. Shawn folgte uns auf den Fersen, er hatte stets alles im Blick und beide Hände frei. Darum durfte Kieran auch die Kühlbox tragen, die Susan uns mitgegeben hatte.

Wir fanden einen hübschen Platz in der Nähe einer grasbewachsenen Düne, an dem wir uns niederließen. Kieran breitete eine Decke aus, auf die Shawn sich setzte.

„Geht nicht so weit weg, sonst muss ich wandern", ermahnte er uns, worauf wir beide nickten.

Ich hatte keine Ahnung, wie kalt das Wasser sein würde und tauchte deshalb vorsichtig einen großen Zeh in die Wellen.

„Huch, das ist frisch", entfuhr es mir.

„Ach Quatsch", kam es von Kieran, der ohne Probleme durch die Fluten watete. „Hey, hier gibt es tolle Muscheln."

Er hielt ein großes, rötliches Exemplar in die Höhe, welches sofort meine Aufmerksamkeit erregte.

„Die ist toll", sagte ich begeistert.

„Wir nehmen sie mit", bestimmte Kieran daraufhin.

Insgesamt sammelten wir zehn Muscheln, unterschiedlicher Größen und Farben und je länger wir am Strand verweilten, umso lockerer wurde ich. Kieran schaffte es mit Leichtigkeit, mich auf andere Gedanken zu bringen.

Wir bespritzten uns gegenseitig mit Wasser und legten uns später zum Trockenen in die Sonne. Neben uns deponierten wir die Muscheln, die später ihren Platz in der Kühlbox fanden, nachdem wir die Sandwiches und das Obst vertilgt, sowie die Getränke leer gemacht hatten.

„Morgen Vormittag würde ich gerne einen Bummel durch St Ives machen", ließ Kieran verlauten, als wir zum Wagen liefen. „Dort findet nämlich donnerstags immer der Wochenmarkt statt."

„Oh, woher weißt du das?"

„Das stand in dem einen Reiseführer, den ich heute Nacht noch durchgewälzt habe."

Prompt mischte Shawn sich ein. „Eigentlich solltest du nachts schlafen."

Darauf brach Kieran in ein ironisches Gelächter aus. „Können vor Lachen, wenn du im Zimmer nebenan einen kompletten Urwald absägst."

„Dann bring dir beim nächsten Mal Ohrenstöpsel mit", kam es grinsend von Shawn.

Beim nächsten Mal, das hörte sich an, als ob Kieran öfter vorbeischauen würde, etwas, was mir durchaus gefiel. Hoffentlich würde der nächste Besuch nicht so lange auf sich warten lassen, denn das es mir guttat, mit ihm zusammen zu sein, konnte ich nicht abstreiten.

Im Haus angekommen, warteten Susan und Paddox bereits auf uns. Während ich die Kühltasche ausräumte, zog Kieran sich in sein Zimmer zurück. Er wollte mit Louis telefonieren.

Allerdings tauchte er nach einer Viertelstunde wieder auf, ein Grinsen auf seinen Lippen.

„Louis kommt morgen Nachmittag hier vorbei, um mich abzuholen. Wir haben also genügend Zeit für den Wochenmarkt und vielleicht könnten wir uns auch noch die Kirche anschauen."

„Da hat jemand gründlich den Reiseführer studierte", merkte Susan lächelnd an.

Für meinen Geschmack schaute sie Kieran immer viel zu lange und vor allem zu intensiv an. Sie war doch viel zu alt für ihn, was bildete sie sich eigentlich ein? Er würde bestimmt nicht mir ihr flirten wollen und wenn, dann hätte ich mich schwer in ihm getäuscht.

Als Paddox seine feuchte Schnauze auf meinem Oberschenkel ablegte, wurde ich zum Glück von den Gedanken an Susans Flirtversuche abgelenkt.

~~~

Der nächste Tag begann mit einem kleinen Regenschauer, weswegen ich die morgendliche Runde im Pool auf später verschieben musste. Da sowieso der Ausflug zum Wochenmarkt anstand, machte es mir nicht allzu viel aus.

Direkt nach dem Frühstück machten wir uns zu viert auf den Weg, denn Susan, die dort Obst und Gemüse einkaufen wollte, begleitete uns. Ich mochte den Duft der frischen Kräuter, die ebenfalls an einigen Ständen dargeboten wurden. Sämtliche Produkte stammten aus dem Umkreis von dreißig Meilen, ansonsten durften sie hier nicht verkauft werden, da es sich um einen sogenannten lokalen Markt handelte.

Außer den Früchten und dem Gemüse boten die Händler selbstgemachte Marmeladen, Honig und sogar frischgebackenes Brot an. Es roch herrlich und als ich den Duft genießerisch in mir aufnahm, durfte ich sogar ein kleines Stück probieren.

Es schmeckte hervorragend und deshalb kaufte Susan gleich einen Laib Brot, bevor sie sich an den Gemüseständen umschaute. Viele Leute grüßten sie freundlich, ich konnte mir vorstellen, dass sie in ihrer Eigenschaft als Reiseführerin sehr bekannt und auch beliebt war.

Während der Einkaufskorb sich mit Karotten, Blumenkohl, Zwiebeln, Salat und Eiern füllte, schaute ich mich immer wieder um. Den Gedanke, dass man mich vielleicht doch verfolgen könnte, legte ich nie ganz ab. Nervös trat ich von einem Bein auf das andere, bis Kieran plötzlich meine Hand ergriff.

„Was ist los, Tia?", fragte er leise.

„Ich weiß nicht."

„Hast du Angst, jemand könnte dich verfolgen?"

Wir flüsterten, sodass uns niemand zu hören vermochte. Als ich nickte, drückte er kurz meine Hand.

„Wir gehen besser die Kirche anschauen, oder?"

Zustimmend nickte ich und bemerkte, dass Kieran Shawn ein Zeichen gab, uns zu folgen. Er ließ meine Hand nicht los, als wir uns den Weg durch die Menge bahnten, um schließlich außerhalb der Markthalle zu gelangen. Shawn, der uns auf den Fersen gefolgt war, erkundigte sich, ob ich ok sei, was ich mit einem Nicken bestätigte.

„Gut, dann gehen wir jetzt zur Kirche. Wir treffen uns später mit Susan, ich habe ihr eine WhatsApp Nachricht geschrieben."

Je näher wir dem Gotteshaus kamen, desto ruhiger wurde ich. Vielleicht lag es an Kierans Nähe und unserem Körperkontakt, den wir noch immer durch die Berührung unserer Hände hielten. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass ich der Menschenmasse hatte entfliehen können und somit einen besseren Überblick bekam. Fakt war, ich hörte auf zu zittern und genoss Sekunden später die Stille in der alten Kathedrale.

Die St Ia's Church wurde zwischen 1410 und 1434 erbaut und lag unmittelbar am Hafen von St Ives. Zwischen ihr und dem Hafenbecken befand sich nur noch das Gebäude für die Rettungsboote. Ich fand es ziemlich witzig, dass eine Kirche so nahe am Wasser errichtet wurde, denn das hatte ich noch niemals gesehen.

Kieran, der plötzlich einen Reiseführer aus seiner hinteren Hosentasche zog, ließ meine Hand los, um das Buch aufzuschlagen und daraus zu zitieren. Er erklärte uns die Architektur der Kirche und dass es sich dabei um eine Hallenkirche handelte, bei der die vier Kirchenschiffe jedoch nicht unter einem Dach vereint waren, sondern jedes ein eigenes Satteldach besaß.

„Das kommt nicht so häufig vor", erzählte er, worauf ich entgegnete: „Du kennst dich wohl gut mit diesem Thema aus, oder?"

Sein typisches Grinsen, das ich äußerst anziehend fand, erschien augenblicklich.

„Weißt du, wenn du einen Vater hast, der als Pfarrer tätig ist, ergibt sich das zwangsweise."

Manchmal vergaß ich, welchen Beruf Kierans Dad ausübte, umso mehr wurde mir gerade bewusst, dass seine Familie auf der guten Seite stand. Ich hingegen gehörte der Schlechten an. Der Abgrund zwischen uns tat sich immer stärker hervor, je öfter ich darüber nachdachte, umso mehr fiel es mir auf. Meine Entscheidung, seinen Kuss nicht zu erwidern, hatte schon seine Richtigkeit. Trotzdem bekam ich jedes Mal Bauchweh, wenn ich darüber nachdachte.

Der sanfte Druck, ausgelöst durch Kierans Hand, katapultierte mich augenblicklich in die angenehm kühle Kathedrale zurück und ich ließ von meinen Gedanken ab, als Shawn den Satz „Wir sollten langsam gehen", hervorbrachte.

Der Ausflug zum Wochenmarkt sowie der Kirche hatte mir gut getan, doch als wir wieder am Haus eintrafen, überkam mich ein Gedanke, den ich am liebsten von mir schieben wollte. Kieran fuhr heute wieder nach Hause und ich wusste nicht, wann ich ihn wiedersehen würde.

Je näher sich die Zeit dem Nachmittag zuneigte, desto nervöser wurde ich. Es hatte so viel Spaß gemacht, mit ihm am Strand entlang zu laufen, St Ives anzuschauen oder sich einfach nur zu unterhalten.

Während ich auf der Terrasse saß, packte er seine Sachen zusammen und als das Geräusch einer Hupe vor dem Tor ertönte, erhob Shawn sich, um selbiges zu öffnen. Louis Tomlinson steuerte einen schwarzen Porsche auf das Grundstück. Das Röhren des Motors war vermutlich bis in die letzte Hausecke zu vernehmen.

Angelockt durch das Geräusch, kamen Susan sowie Kieran angelaufen. Letztgenannter trug bereits seine Reisetasche in der Hand, was plötzlich ein komisches Gefühl in meinem Magen aufkommen ließ. Gleich würden wir uns verabschieden.

Als Louis aus dem Wagen stieg, rückte er zunächst seine Sonnenbrille zurecht, bevor er den Weg zur Terrasse antrat.

„Hey, meine Lieben, geht es euch gut?"

Zuerst begrüßte er mich kurz, dann kamen Susan, Kieran und Shawn an die Reihe.

Louis schien bester Laune zu sein, denn auf Kierans Aussage „Ich dachte, du kommst mit dem Flugzeug", begann er schelmisch zu grinsen.

„Und ich dachte, du würdest gerne meinen Porsche fahren wollen."

„Echt jetzt? Ich darf fahren? Das ist cool."

Sofort war Kieran Feuer und Flamme, was ich jedoch sehr gut nachvollziehen konnte. Auch mein Vater fuhr gerne schnelle Autos.

Für einen kurzen Moment ließ Louis sich auf der Terrasse nieder, um ein Glas Wasser zu trinken. Bei dieser Gelegenheit holte er sein Handy hervor. Zumindest nahm ich an, dass es sich um seines handelte, wurde aber sogleich eines Besseren belehrt.

„Kieran, das ist für dich."

Grinsend schob er das Handy der neuesten Generation über den Tisch. Und dann kam der Satz, der mein Herz schneller schlagen ließ.

„Anastasias Nummer ist dort eingespeichert. Dieses Handy dient nur dazu, sie anzurufen, oder ihr eine Nachricht zu schicken, verstanden? Solltest du es verlieren, dann muss ich dich leider töten."

Als Kieran nickte, konnte ich das Lächeln sehen, welches sich über sein markantes Gesicht ausbreitete.

„Danke", sagte er nur.

Es fühlte sich toll an zu wissen, dass wir nun Kontakt halten konnten, wann immer wir es wollten. Wenigstens ein Lichtblick, der sich auftat.

Als Louis sich erhob, wurde es Zeit sich zu verabschieden. Kieran gab mir eine Umarmung, die ich erwiderte und plötzlich spürte ich einen Kloß in meinem Hals. Es gab so viele Dinge, die ich ihm noch hätte sagen wollen, aber nun lief die Zeit davon.

Und Louis nächste Aussage machte es nicht besser.

„Kieran kommt dich am Sonntag in einer Woche wieder besuchen, also am zwanzigsten Juni."

Verzweifelt schluckte ich die aufkommenden Tränen hinunter. Sonntag in einer Woche, das fühlte sich unendlich lange an.

„Mach's gut, Tia, wir schreiben und telefonieren, ok?"

Als Kieran sich von mir löste, hatte ich das Gefühl, vollkommen alleine zu sein. Die Einsamkeit setzte sich in meinem Herzen fest und der Drang, mit ihm fahren zu wollen wurde unendlich groß. Aber ich musste hier bleiben, an diesem Ort, der mir Sicherheit bot.

Das Röhren des Motors war das Letzte, was ich vernahm, bevor ich mein Zimmer aufsuchte. Mit hängenden Schultern lief ich auf mein Bett zu und setzte mich nieder. Kieran war fort und ich konnte ihm nicht von Angesicht zu Angesicht erklären, was mich alles beschäftigte, angefangen bei dem vertanen Kuss. Mir war nach Heulen zumute und als die erste Träne über meine Wange rollte, da erblickte ich einen kleinen Papierflieger auf meinem Kissen.

Vorsichtig nahm ich ihn in die Hand und just in diesem Moment durchfuhr ein Zittern meine Seele und mein Herz.

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Oh, oh - arme Tia. Entgegen der meisten Meinungen hat sie Kierans Kuss nicht erwidert.

Wie mag das wohl jetzt weitergehen? Ich hoffe, ihr seid gespannt auf das nächste Kapitel. ^^

Danke für die tollen Kommentare, ihr seid der Wahnsinn! Um es mal mit Nialls Worten zu sagen: Best Readers of the World.

Das nächste Update kommte vermutlich erst am Donnerstag oder Freitag.

LG, Ambi xxx

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