07. Special Food
♪ Don't say a word – Sonata Artica
Kieran
„Kieran, Kieran! Wach auf!"
Nur langsam registrierte ich, dass die Stimme Tia gehörte. Wieso war sie hier? In meinem Traum?
„Kieran, ist alles ok mit dir?" Sanft rüttelte sie an meinem Arm, machte mir auf diese Art und Weise bewusst, dass er Traum vorüber war. Mein Herz raste, als ich in ihre braunen Augen schaute, die sorgenvoll dreinblickten.
„Ja, es ist alles ok", erwiderte ich matt. „Ich hab' nur geträumt."
Mit klopfendem Herzen lag ich da und spürte, wie sie über meinen Arm streichelte, eine Geste, die komische Gefühle in mir produzierte. Einerseits wollte ich ihre Nähe, andererseits jedoch nicht. Sie war nicht meine Freundin aber jemand, den ich gern hatte. Aber ich durfte sie nicht einmal 'gern haben'. Ihre Herkunft und mein beruflicher Status verboten dies konsequent.
Ein wenig benommen setzte ich mich auf und rieb mir den Schlaf aus den Augen. „Wie spät ist es denn?"
„Viertel nach neun."
„Das heißt, wir frühstücken gleich alleine", murmelte ich zufrieden.
Der Vorteil des späteren Aufstehens bestand darin, dass alle bereits aus dem Haus gegangen waren. Ich genoss es, mit Tia alleine zu sein, nicht darauf achten zu müssen, was wir besprachen, weil Aiden jeden Moment um die Ecke fegen konnte.
Gott sei Dank hatte er bis um vier Uhr nachmittags Schule.
Bisweilen gestaltete es sich anstrengend, immer auf die Themen zu achten. Gestern erst war er beinahe in unser Gespräch geplatzt, als ich Dad erklärte, dass Louis weiterhin auf der Suche nach einem geeigneten Long Term Temporary Fix für Tia sei. Zum Glück gelang es uns noch rechtzeitig umzuschwenken und stattdessen über irgendwelchen Reisepläne zu reden.
Ich hatte nicht vor, in naher Zukunft einen Urlaubstrip zu unternehmen, sondern wartete geduldig bis zum Herbst auf den Beginn meiner Ausbildung. Bis dahin musste ich sowieso noch arbeiten und plante höchstens eine Woche Urlaub ein, den ich aber nur zum Gammeln verwenden wollte.
Da es in meinem Elternhaus zwei Bäder gab, stellte sich nicht die Frage, wer nun zuerst unter die Dusche springen durfte, wir taten dies gleichzeitig. Tia im Dachgeschoss und ich im ersten Stock.
Mit feuchten Haaren begegnete sie mir später in der Küche, als ich gerade den Kühlschank öffnete. Tia trug eine schlichte blaue Jeans und ein beiges T-Shirt mit einem Aufdruck. Ihre zarten Füße steckten in bunten Flip-Flops und gaben den rosa Nagellack auf den Fußzehen frei. Nachdem ich die kurz gemustert hatte, stellte ich die essentielle Frage. „Rühr- oder Spiegelei?"
„Rührei."
„Gut." Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich meinen nächsten Spruch losließ. „Willst du nur zuschauen oder mithelfen?"
„Willst du, dass die Rühreier anbrennen?", entgegnete sie schlagfertig.
„Das werden sie nicht, denn ich bin ja dabei."
„Also gut, dann passiert jetzt alles auf deine Verantwortung", erwiderte sie burschikos.
„Die übernehme ich gerne."
Nachdem ich das flüssige Fett in der heißen Pfanne ein wenig erhitzt hatte, ließ ich Tia die geschlagenen Eiermasse hineingeben.
„Warte, ich habe eine Idee."
Vorsichtig drängte ich sie an den Herd, stellte mich dahinter und drückte ihr den Pfannenwender in die Hand.
„Nein", keuchte Tia halbwegs entsetzt, „das geht schief."
„Vertrau mir einfach, es wird schon klappen."
Amüsiert beobachtete ich ihren Gesichtsausdruck, als sie wie hypnotisiert auf die Masse in der Pfanne blickte. Vorsichtig umgriff ich ihre Hand, mit welcher sie den Pfannenwender hielt und sagte: „Jetzt sollen wir langsam etwas tun, damit sie nicht anbrennen."
Meine Hand führte die ihre und ich spürte wieder das komische Ziehen in meinem Bauch. Verdammt!
Da sie einen halben Kopf kleiner war als ich, konnte ich mühelos über sie hinweg in die Pfanne schauen. Es dauerte nicht lange und die Rühreier waren fertig, ohne anzubrennen wohlbemerkt.
„Siehst du, es ging doch ohne Probleme", meinte ich grinsend.
„Dank dir, ja."
Tia reichte mir zwei Teller, auf die ich unser Essen verteilte. Dazu gab es Toastbrot und ich schnitt die letzte Tomate auf, die ich im Gemüsefach entdeckt hatte. Ich genoss es, alleine mit ihr zu Frühstücken. Wer wusste schon, wie viel Zeit uns noch zusammen bleiben würde? Im Prinzip konnte das morgen schon anders sein. Dies lag aber nicht in meiner Hand, sondern eher in Louis'.
Ein Teil von mir hoffte gehässig, dass er noch ewig nach einem Long Term Temporary Fix suchen würde, der andere Teil war jedoch vernünftig genug, um zu begreifen, dass Tia nicht für immer hierbleiben konnte.
Immer wieder trafen sich unsere Blicke, während wir die Rühreier verspeisten, doch wir führten keine Konversation. Selbst mein Traum kam nicht zur Sprache, worüber ich allerdings sehr froh war. Ich hätte es ihr nicht erzählen wollen, denn dies war ein Teil meiner Vergangenheit, mit dem ich alleine klar kommen musste. Viele Jahre hatte ich gebraucht, um keine Schuldgefühle mehr zu verspüren, doch die Träume waren geblieben. Sie tauchten in unregelmäßigen Abständen auf, die sich nicht beeinflussen ließen.
Tias Handy lag auf dem Tisch, neben dem Teller und sie starrte hin und wieder darauf. Vermutlich wartete sie auf eine Nachricht von ihrem Vater. Es musste schlimm für sie sein, nichts von ihm zu hören und die Tatsache, dass Louis das Teil irgendwann konfiszieren würde, machte es nicht besser. Nicholas Romanow würde keine Chance haben, seine Tochter zu finden, doch wir hatten alle erdenklichen Möglichkeiten ihn aufzuspüren, sobald er auch nur eine Nachricht an Tia schickte. Seth konnte das mühelos herausfinden.
Meine Empfindungen, als ich an den Mafia-Boss dachte, während ich mit seiner Tochter am Tisch saß, glichen einer Achterbahnfahrt und machten mich unglaublich wütend. Ärgerlich, weil sie in diese Welt hineingeboren wurde, niemals hatte entrinnen können und dazu verdammt war, entweder dort unterzugehen oder für alle Ewigkeiten einsam und alleine zu sein, ohne jeglichen Kontakt zu den Menschen, welche bisher ihr Leben ausmachten.
Das Läuten der Türglocke zerriss förmlich die Stille am Tisch. Ein wenig erstaunt erhob ich mich und lenkte meinen Blick auf den Monitor, der an der rechten Wand angebracht war und auf welchem ich erkennen konnte, dass Harry und Louis vor der Tür standen.
Sogleich beschlich mich ein seltsames Gefühl. Der Klumpen in meinem Hals wurde größer, je näher ich der Tür kam. Mit einem Ruck öffnete ich diese und als ich in Harrys Gesicht blickte, sah ich ein Glimmen in seinen grünen Augen.
„Hey, Kieran, alles fit?" Mein Patenonkel begrüßte mich mit einem Schulterklopfen, welchem Louis sich anschloss.
Im Gegensatz zu Harry, ließ er jedoch gleich die Katze aus dem Sack.
„Ich will nicht lange um den heißen Brei reden, aber Tia sollte packen. Wir nehmen sie gleich mit."
„Wohin?", entfuhr es mir prompt, wissend, dass man es mir sowieso nicht mitteilen würde.
Ein Temporary Fix zählte zu den geheimen Aufenthaltsorten und nur die Mitarbeiter aus Louis' Team kannten diesen. Da gehörte ich leider noch nicht dazu.
Wie zu erwarten tat Louis meine Frage mit einem entschuldigenden Blick sowie einem Seufzen ab. Während er bereits den Weg in die Küche antrat, blieb ich noch bei Harry stehen.
„Du hast gewusst, dass es soweit kommen würde, Kieran. Wir bringen sie jetzt erstmal weg von hier. Louis hat ein tolles Temporary Fix gefunden. Da bin ich direkt neidisch drauf."
„Dann bleib doch dort und leiste ihr Gesellschaft", entgegnete ich fast schon bissig, worauf Harry schmunzelnd erwiderte: „Leider werde ich hier gebraucht. Aber cool ist es dort schon."
Wollte er mich mit Absicht provozieren? Niemand durfte mir sagen, wohin sie Tia brachten und auch er würde sich nicht breitschlagen lassen, nur weil ich sein Patenkind war. Die Regeln im Zeugenschutzprogramm waren streng.
Als ich in der Küche eintraf, war Tia bereits nach oben gegangen, denn Louis saß alleine am Esstisch. Er hatte sich am Kaffee bedient, so wie ich es von ihm kannte.
„Mach nicht so ein Gesicht, Kieran", wies er mich an. „Sie wird dort nicht alleine sein, es wohnt jemand bei ihr und sie ist in Sicherheit. Alles paletti."
Am liebsten hätte ich ihm einen Schlag ins Gesicht verpasst, weil er mir Tia so schnell wieder wegnahm. Für eine Sekunde schloss ich meine Augen und spontan schoss eine Idee durch meinen Kopf.
„Ich bin gleich wieder da", sagte ich, bevor ich die Stufen nach oben erklommen, um das Büro meines Vaters aufzusuchen. Dort angekommen, bediente ich mich am Druckerpapier und faltete einen Papierflieger, den ich zuvor jedoch mit den Worten 'Viel Glück' beschriftete.
Ein wenig beklommen trat ich den Weg in mein Zimmer an, gerade als Tia ihren Rucksack schulterte. Ohne ein Wort zu sagen, nahm ich ihn ihr jedoch ab und übergab ihr den Papierflieger.
Ihre braunen Augen glitzerten merkwürdig, als sie ihn entgegennahm.
„Danke", brachte sie mühsam hervor. Ich bemerkte, dass sie mit den Tränen kämpfte und dies nahm ich zum Anlass, sie zu umarmen.
„Pass auf dich auf", flüsterte ich leise.
„Das werde ich, aber du auch auf dich, ok?"
Sie gab mir ebenfalls eine herzliche Umarmung und ich spürte, wie sie zitterte. Was mochte wohl gerade in ihr vorgehen?
„Komm, lass uns nach unten gehen, Louis wartete schon", sagte ich schließlich, um nicht noch den Fehler zu begehen, sie eventuell zu küssen. Das war nicht angebracht, ganz und gar nicht.
Als Louis' Blick auf den Papierflieger fiel, lächelte er kurz, sagte jedoch nichts. Mit steinerner Miene übergab ich Harry Tias Rucksack und schaute den Dreien nach, wie sie das Haus verließen. Verdammt! Warum konnte sie nicht noch bleiben?
Als sie Tür hinter ihnen zufiel, hatte ich das Gefühl, dass sich alles in mir drehte. Eine Wunde in meinem Herzen riss auf. Etwas in mir erinnerte sich daran wie es anfühlte, einen Menschen zu verlieren. Ich hatte Tia verloren, zwar anders als Alistair, doch ich würde sie ebenfalls nie wieder sehen, obwohl sie weiterhin auf dieser Erde lebte.
Mit gedrückter Stimmung stieß ich die Tür zu meinem Zimmer auf. Als ich mich auf dem Bett niederlassen wollte, bemerkte ich einen Zettel, der auf dem Kopfkissen lag.
„Auch wenn wir in zwei verschiedenen Welten leben und ich nie ein Teil von deiner sein kann, sowie du nie ein Teil von meiner sein wirst, war es schön, dich wieder zu sehen. Danke für alles, was du für mich getan hast, Tia."
Ich schluckte hart, um den Kloß in meiner Kehle hinunterzuwürgen. Zwei verschiedenen Welten, zwei unterschiedliche Menschen, sie hatte verdammt nochmal Recht.
~~~
Während der nächsten drei Tage brütete ich mehr oder weniger vor mich hin. Zu viele Gedanken rotierten in meinem Kopf, Fragen, auf die ich keine Antworten fand.
Zuhause ging alles seinen normalen Gang. Meine Eltern, und besonders meine Mutter, waren froh, dass unser Gast nun ein neues Domizil bezogen hatte. Lediglich Aiden drückte sein Bedauern aus, vor allem, als er über den Deutsch-Hausaufgaben saß.
„Tia ist echt talentiert, was diese Sprache angeht", ließ er verlauten. „Und ich hoffe nicht, dass du sie abschießt, Kieran. Das ist die erste von deinen Tussen, die nicht so bescheuert ist."
Genervt rollte ich die Augen. Es fehlte mir noch, dass mein kleiner Bruder mir vorschrieb, wen ich datete und wen nicht. Und dass er Tia nie wieder zu Gesicht bekommen würde, brauchte er zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu wissen. Das konnte ich ihm irgendwann später unterjubeln.
Ein wenig Zerstreuung fand ich während des Dienstes, denn als man Tia wegbrachte, hob Louis quasi meine Freistellung auf. Mir war das nur Recht, denn je weniger ich zuhause herumhing, desto weniger dachte ich an sie.
Im Dienst gab es stets genug zu tun, ich ging mit der stellvertretenden Dienstgruppenleitern drei Tage hintereinander auf Streife und hatte somit am Wochenende frei. Das kam mir ziemlich gelegen, da ich die Geburtstagsfeier von Aki nicht unbedingt verpassen wollte. Louis' Grillkünste ließen wirklich nicht zu wünschen übrig, außerdem freute ich mich darauf, Freddie und Lorena zu sehen. Mit meinem besten Freund unter vier Augen zu reden, stand sowieso auf meiner Agenda und obgleich ich ihm nicht viel über Tias weiteren Verbleib würde sagen können, so war er sicher neugierig auf den Rest.
Pünktlich um drei Uhr machte ich mich gemeinsam mit meiner Familie auf den Weg zu Louis großem Haus. Ich mochte das Anwesen, er hatte es vor zehn Jahren gekauft und Freddie und ich verbanden jede Menge Erinnerungen damit. In diesem Garten hatten wir zum ersten Mal einen Joint geraucht.
Es war Harry, der uns damals erwischte, weil wir kotzend hinter einer der Hecken standen und der anhand des Geruchs, der uns anhaftete, sofort erkannte, was wir da zu uns genommen hatten. Daraufhin organisierte mein Patenonkel für Freddie und mich eine Teilnahme an einer Veranstaltung, die Jugendliche über Drogen aller Art, insbesondere ihre Wirkung und Auswirkung auf den menschlichen Körper demonstrierte. Danach rührten wir das Zeug nie wieder an. Freddies Spruch von damals erklang heute noch in meinen Ohren. „Ich will nicht impotent werden, so berauschend ist das Zeug jetzt auch wieder nicht!"
Stattdessen stiegen wir beide auf normale Zigaretten um, hatten diesem Laster aber inzwischen abgeschworen. In unserem Alter musste man sich schließlich nichts mehr beweisen, wenn es um solche Dinge ging.
Als mein Dad das Auto vor Louis' Haus parkte, sah ich Freddies Wagen bereits in der Einfahrt stehen. Grinsend schlenderte ich auf das Gartentor zu, da kamen auch schon Harrys und Maggies Zwillinge auf mich zu.
„Hi, Kieran", sprachen beide fast synchron.
„Hi, ihr zwei", antwortete ich mit einem überraschten Blick, denn sie waren ziemlich gewachsen, seit ich sie zum letzten Mal gesehen hatten. Laut meiner Rechnung mussten sie ungefähr dreizehn sein, so genau konnte ich mir das nie merken. Und ich konnte sie auch nur schwer auseinanderhalten, da sie sich wie ein Ei dem anderen glichen.
Der nächste, der mir entgegenstürmte war Linus Payne. Im Gegensatz zu seinem älteren Bruder wirkte Linus eher schmächtig. Seine dunklen Haare standen ein wenig ab, er sah aus, als sei gerade durch den Garten gehetzt und rückte nun seine Brille auf der Nase zurecht. Wir klatschten ab, dann rannte er zu Aiden, der versuchte möglichst lässig aufzutreten.
Meine Aufmerksamkeit wurde nun auf die Blondine gelegt, die neben Freddie stand, der seinen Arm um ihre Taille geschlungen hielt. Als Lorena mich erblickte, begann sie zu strahlen. Ich mochte Freddies on/off – Beziehung sehr gerne, denn sie war ein selbstbewusster und extrem fröhlicher Mensch.
„Hi, Kieran", begrüßte sie mich und drückte mir einen Kuss auf die Wange, den ich erwiderte.
„Hi, Lori, alles klar?"
„Ja, alles Bestens."
Nachdem ich Freddie per Handschlag begrüßt hatte, suchte ich nach dem Geburtstagskind. Louis' Lebensgefährtin packte gerade das Geschenk aus, das meine Eltern ihr in die Hand gedrückt hatten. Sie ließ sich jedoch gerne von mir stören und umarmte mich herzlich.
Akis Wurzeln lagen in Alaska, sie stammte von den Inuit ab. Ihre langen, pechschwarzen Haare trug sie heute zu einem Zopf zusammengebunden, wobei ihr eine lockere Strähne ständig ins Gesicht fiel.
„Sucht euch einen Platz, El und Ava kommen auch gleich", wies sie uns an.
Bei der Erwähnung des Namens Ava begann ich automatisch zu lächeln. Sie war mein kleiner Liebling, und mit ihren zehn Jahren die Jüngste der ganzen Rasselbande.
Ich fand einen Platz neben Seth, dem Bruder meiner Mutter. Offiziell zählte er zwar nicht zu Louis' Team, wohl aber zu dem Netzwerk, welches meist Undercover für den Zeugenschutz tätig war. Seth gehörte für mich zu den obercoolen Menschen. Er ließ sich nur schwer in die Karten schauen, wenn er etwas ausheckte und war auf seinem Gebiet ein Vollprofi. Dass er mit einem Mann zusammenlebte empfand ich als normal, denn ich kannte es gar nicht anders. Harvey war ein Teil unserer Familie und außerdem einer der liebevollsten Menschen, die ich jemals kennengelernt hatte. Da er dem Beruf eines Konditors nachging, hatte er für Aki eine dreistöckige Torte aus Buttercreme, mit weißem Zuckerguss und lila Blüten gebacken. Das Teil hätte in jeder Kochshow den ersten Preis mit Auszeichnung gewonnen.
„Das ist unser Nachtisch für heute", verkündete Harvey stolz, als Mum seine Backkünste lobte.
„Ich werde dir ein extra großes Stück abschneiden, meine Zuckerpuppe", versprach Harvey mit einem Augenzwinkern, worauf Dad sich beschwerte. „Ich will auch ein großes Stück!"
„Ich bitte euch, die Torte ist groß genug", meinte Harvey kopfschüttelnd. „Sie sollte eigentlich für die doppelte Anzahl der Personen reichen, die heute hier sind."
„Dein Wort in Gottes Ohr", brummte Liam, der Shawn gerade eine Bierflasche reichte.
Bevor ich dazu kam, meinen Senf dazuzugeben, stürmte Ava wie aus dem Nichts auf mich zu. „Kiiiiiiiieran!", rief sie enthusiastisch und kaum eine Sekunde später fing ich sie lachend auf, um sie auf meinen Schoß zu heben.
Ihre zierlichen Ärmchen legten sich sofort um meinen Nacken und mit dem Satz: „Du riechst gut", machte sie deutlich, dass sie mein neues Aftershave mochte.
Da El und Ava die letzten Gäste waren, die eintrudelten, stand einem fröhlichen Grillen nun nichts mehr im Weg. Louis hatte jede Menge Steaks und Würste besorgt, außerdem gab es Kartoffelsalat, Krautsalat und irgendeinen scharfen Dip, den Sophia mitgebracht hatte und der zusammen mit dem Weißbrot äußerst lecker schmeckte.
Freddie und Lorena während des Essens zusammen turteln zu sehen, erzeugte unweigerlich ein Grinsen auf meinen Lippen. Insgeheim fragte ich mich jedoch, wie lange es dieses Mal gut gehen würde.
Als die Blondine einen Kuss auf Freddies Lippen drückte, dachte ich zum ersten Mal seit Stunden wieder an Tia. Wie es ihr wohl gerade ging? Ich hätte mich besser gefühlt, wenn man mir zumindest ihren Aufenthaltsort verraten würde, aber dies war aussichtslos. Bei der kleinsten Andeutung darüber hüllten sich alle Mitarbeiter des Teams in Schweigen.
Nach dem dritten Steak war ich satt und trank mein zweites Bier in Kombination mit einem Wodka, den Louis plötzlich auftischte.
„Stell dir vor, Niall, der Typ, der den Wodka in diesem russischen Laden verkauft, den ich neulich entdeckt habe, heißt mit Vornamen Dimitri."
Mein Vater wurde etwas blass um die Nase, während Mums Gesicht sich eher rot färbte. Freddie und ich schauten uns nur an, sprachen jedoch keinen Ton.
„Aber er sieht ganz anders aus", zerstörte Louis die kurze Spannung, die sich für einen Moment bei bestimmten Personen gebildet hatte.
„Anders als wer?", fragte Diana vorlaut, worauf Harry seiner Tochter „Als jemand, den wir mal getroffen haben und der ebenfalls diesen Namen trägt", entgegnete.
„Du bist immer so neugierig", pflaumte Olivia ihre Zwillingsschwester an.
Manchmal war ich echt froh, einen kleinen Bruder zu haben und keine Schwester, obwohl so eine kleine Nachzüglerin wie Ava perfekt gewesen wäre.
Eleanors Tochter wuchs bei ihrem Vater auf, da dieser problemlos einen Home Office Platz ergattern konnte, als sie noch ein Kleinkind war. El war schon ewig nicht mehr mit ihm zusammen, doch sie verstanden sich recht gut, was für sich für Ava natürlich positiv auswirkte. Sie kam auch damit zurecht, dass ihre Mutter oftmals arbeitsbedingt auf Reisen war, aber manchmal, da motzte sie auch kräftig darüber. El hätte ihrem Beruf nie abgeschworen, trotzdem liebte sie ihre Tochter von Herzen. Es war nur eben so, dass Roy berufstechnisch gesehen einfach die besseren Karten hatte, wenn es darum ging, zuhause anwesend zu sein.
Sobald Ava aufgegessen hatte, umklammerte sie mich erneut. Inzwischen stand ich neben Freddie und Lorena und ließ meinen Blick über den riesigen Garten schweifen. Aiden unterhielt sich gerade mit Seth, seinem Patenonkel, Briana half Aki die Pappteller in einen Müllsack zu stopfen, während Mum, Sophia und El die leeren Schüsseln ins Haus trugen.
Plötzlich klatschte Harvey in die Hände. „Es wird Zeit für den Nachtisch, Kinder. Ich hole die Torte."
„Kieran?" Ava zupfte an meinem Shirt.
„Ja?"
„Isst du dann den Rest von meinem Stück auf? Ich schaffe bestimmt kein ganzes mehr."
Sie war schon immer ein schlechter Esser und zwingen wollte ich sie nicht.
„Klar", erwiderte ich.
Just in diesem Moment hörte ich Harvey schreien, was wirklich so gut wie nie vorkam. Es musste etwas Schlimmes passiert sein.
„Wer zum Teufel hat die halbe Torte gefressen? Wer?"
Mit hochrotem Gesicht stand er da, den Tortenständer in der Hand, dessen unteres Teil total leergefegt war.
„Lennard! Komm sofort her!", hörte ich Liam durch den Garten brüllen.
In der Ecke, vor der Ligusterhecke stand Lennard, der weiße Zuckerguss zierte seinen Mund und entlarvte ihn somit als Täter. Freddie und ich konnten uns vor Lachen kaum noch halten, aber wir waren ihm nicht böse, im Gegenteil.
„Also ich verzichte gerne auf mein Stück", vernahm ich Loris Stimme, die Lennard damit wohl ein bisschen in Schutz nehmen wollte.
„Ich auch", schlossen Freddie und ich uns an.
„Ich esse nur ein halbes", kam es prompt von Ava.
„Na seht ihr, da reicht der Nachtisch doch locker", schloss Aki die Angelegenheit ab, bevor sie sich anschickte, die restliche Torte auf die kleinen Pappteller zu verteilen.
Sogar Louis verzichtete auf sein Stück, mit dem Hinweis, er müsse auf seine Linie achten, was natürlich völliger Quatsch war, denn er für sein Alter konnte er eine recht gute Figur aufweisen.
„Kieran, kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?", wandte er sich plötzlich an mich, was ich mit einem Nicken beantwortete.
Er gab mir ein Zeichen mit dem Kopf, ihm zu folgen und wenige Augenblicke später betraten wir das Haus. Louis führte mich in sein Büro, dessen Tür er sorgfältig hinter sich schloss. Lässig lehnte ich mich gegen die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Was liegt an?"
Für einen Moment taxierte er mich mit seinem Blick, bevor er zu sprechen begann.
„Ich würde dir gerne einen besonderen Nachtisch servieren."
Jetzt war ich wirklich gespannt.
„Das, was ich dir nun sage, wird unter uns bleiben, Kieran. Obwohl du noch nicht zu unserem Team gehörst, möchte ich dir nicht vorenthalten, wer der Mann ist, der Anastasia verfolgt hat."
Sofort spitzte ich meine Ohren, jetzt wurde es mehr als interessant. „Wer ist er?"
Mein Herz pochte schneller und als Louis mit der Wahrheit herausrückte, hatte ich das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
„Er ist ein Auftragskiller, engagiert von der russischen Mafia."
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Bähm! Zuerst ein wenig romatisches Kochen, dann der Schock, dass Tia weg muss, anschließend das Grillfest, bei dem ihr die Kids kennengelernt habt und zum Schluss der Hammer. Ich liebe es, euch in einem Kapitel so viele unterschiedliche Gefühle bescheren zu können und hoffe, dass ihr Spaß beim Lesen hattet.
Danke für eure tollen Kommentare, die ihr immer hinterlasst und auch für die Votes. Wie mag das jetzt wohl weitergehen?
Ganz besonders bedanken möchte ich mich heute bei der lieben Jessi horansuniverse . Sie hat die tolle Collage erstellt, die unten angefügt ist. Darauf seht ihr Kieran, Tia und Aiden. Ich finde sie einfach mega schön!
Eine Frage zum Schluss. Von wem möchtet ihr zuerst Bilder sehen? Lennard und Linus? Diana und Olivia? Oder Freddie und Ava? Oder gar noch eins von Aiden?
Das nächste Update kommt am Sonntag.
LG, Ambi xxx
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