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"Kluge Strategie, Kleine, aber nein." Jason schüttelte den Kopf.
"Du bist Josh's Beute!" Und abermals wurde mir vor Augen geführt, wie weit unten in der Nahrungskette die Menschen eigentlich ihren Platz hatten.
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Das war's...
Mein kurzes und bescheidenes Leben würde nach nur 19 Jahren zu Ende sein...
Was für eine Schande. Hätte ich das etwas früher gewusst, wäre ich ganz bestimmt nicht zur Schule gegangen!
Obwohl... In der Schule hatte ich Joana kennen- und auch lieben gelernt...
Das war doch alls scheiße, man!
Ich war noch nicht mal dem Teenager Alter entwachsen, da würde ich auch schon sterben. Und das auch nur deshalb, weil ein verdammter Vampir es für notwenig hält wieder selbst auf die Jagd zu gehen, anstatt sich von seinem Gefolge verpflegen zu lassen.
Kurz musste ich schmunzeln.
Ich hatte ja keine Ahnung wie lange Josh hier schon in dem Haus gefangen war, aber in der Zeit hatten ihn die anderen Vampire wie ein Meerschweinchen oder dergleichen versorgt.

Gedankenverloren blickte ich auf mein Handgelenk und beobachtete kurz die bläulichen Adern, die sich unter der dünnen Haut abzeichneten.
Ein Hybrid. Ziemlich schwer vorzustellen.
19 Jahre lang lebte ich mit der Vorstellung, dass Wesen wie Vampire, Werwölfe und Hexen reine Fiktion waren und nun wurde ich mit der absurden Tatsache konfrontiert, dass ich selbst kein ganzer Mensch war, sondern ein Hybrid. Ein Mischwesen.
Das hieß, dass eines meiner Elternteile nicht menschlich war.
Jedoch war es so gut wie unmöglich herauszufinden, welches Elternteil nicht menschlich war und was für ein Wesen es sonst war.
Denn auch wenn ich mich selbst gar nicht daran erinnern konnte, wurde ich adoptiert. Vor meinem 6 Lebensjahr hatte ich noch nicht bei meinen jetzigen Eltern gelebt, die mir, sobald ich die Information richtig verarbeiten konnte, erklärt hatten, dass meine Eltern nicht meine biologischen Eltern waren, mich aber so sehr lieb hatten, als wäre ich ihr eigen Fleisch und Blut. Und obwohl ich nicht ihren Genen entsprungen war, liebte ich meine Eltern vom ganzen Herzen.
Meine Erzeuger kannte ich nicht und dementsprechend war es auch ein Ding der Unmöglichkeit herauszufinden was für ein Hybrid ich war.
Aber das Ganze war mir auch so ziemlich egal, denn selbst wenn ich wüsste was für ein Hybrid ich war, würde ich mit dieser Information nicht viel anfangen können, schließlich war in wenigen Tagen mein Tod abzusehen.

Kurz stockte ich und war etwas irritiert.
Ich wusste, dass ich nicht mehr lange zu leben hatte und mir war das total egal?!
Ich überlegte kurz. Ja. Mir war es tatsächlich egal, dass ich sterben würde. Menschen starben jeden Tag. Früher oder später würde jeder Mensch, der zum jetzigen Zeitpunkt auf der Erde existierte, sterben. Es war nur eine Frage der Zeit bis ein anderer Mensch das zeitliche segnen und Platz für einen neuen machen würde. Ich wäre so oder so irgendwann gestorben, ob nun früher oder später spielte ja im eigentlichen Sinne gar keine Rolle.
Was jedoch störte war, dass mit meinem Tod und der Freilassung Josh's sehr viele Menschen sterben würden, die noch gar nicht hätten sterben müssen, sondern noch eigentlich einige Jahre lang ihr Leben leben konnten.

Frustriert kniff ich mir in den Unterarm. Das tat ich oft wenn ich unter Stress stand. In den Unterarm kneifen oder an den Haaren ziehen. Manchmal bemerkte ich es selbst gar nicht, mein Körper reagiert in Stresssituationen oftmals wie von alleine und beruhigte mich ein wenig mit den leichten Schmerzen.

Alarmiert fasste ich mir unter die Nase und sah mir dann meine Finger an. Erleichtert atemte ich aus.
Zum Glück. Sowas hätte ich nämlich jetzt überhaupt nicht gebrauchen können, obwohl es mich schon ziemlich wunderte, dass noch gar nichts passiert war.
Wenn ich zu sehr gestresst war oder in Situationen, die mich und meinen Körper aufregten, auf welcher Art auch immer, kam es nicht selten vor, dass ich Nasenbluten bekam. Und ich war mehr als nur überrascht von der Tatsache, dass meine Nase bis dato noch kein einziges Mal geblutet hatte. Nicht dass es mich störte, ganz im Gegenteil. Ich war froh dass ich so keinen Vampir mit meinem Blut neugierig auf mich gemacht hatte.

Ich hörte wie sich die Zimmertür hinter mir öffnete und alleine an der Gangart, mit der mein Besucher den Raum betrat, konnte ich hören wer das war.
"Das macht einen ziemlich komischen Eindruck, wenn du mich so oft besuchst!" Sprach ich, drehte mich aber zu dem Neuankömmling nicht hin.
"Ist das so?!" Bekam ich darauf als Reaktion und ich zuckte mit den Schultern.
"Außerdem macht es mir falsche Hoffnung." Fügte ich hinzu.
"Was für Hoffnung?" Wurde ich gefragt und humorlos lachte ich leise auf.
"Hoffnung dafür, dass ich dir sympathisiere und du mich doch hier raus lässt." Mit diesen Worten drehte ich mich um und sah mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen hoch in die dunkelblauen Augen von Blake.
Dieser wirkte kurzzeitig etwas hilflos oder überfordert und fasste sich in den Nacken.
Ich wusste ja, dass er mich nicht gehen lassen konnte, aber ich ließ es nicht bleiben ihm das vorzuwerfen. Denn selbst wenn er es könnte, bezweifelte ich stark, dass er mich gehen lassen würde! Für so gut wie alle Vampire war es durchaus vom Vorteil, wenn Josh wieder das Haus verlassen konnte. Dann dann konnte der Vampir wieder selbst jagen gehen und die anderen jüngeren Vampire müssten ihn nicht mehr wie ein Haustier versorgen.
Jeder Vampir zog seinen Vorteil daraus, dass es möglich war mit meinem Blut den Fluch von Josh zu lösen.

"Warum bist du hier?" Wollte ich von meinem Gegenüber wissen, der bloß mit den Schultern zuckte.
"Ich weiß auch nicht... Vielleicht möchte ich ja einfach nur mit dir reden...?" Misstrauisch verschränkte ich meine Arme vor der Brust.
Aha... Der Vampir wollte also reden.
"Kannst du mir sagen welcher Tag heute ist?" Fragte ich. Da hier absolut kein Fenster war und ich nicht mit verfolgen konnte, wann die Sonne auf und unter ging, war mein Zeitgefühl total im Arsch.
Blake spannte kurz seinen Körper an und schüttelte dann leicht seinen Kopf.
"Ich glaube, das wäre keine so gute Idee." Meinte er und ich hob überrascht meine Augenbrauen an. Ich hatte hin und wieder was zum Essen und auch neue Kleidung bekommen, aber daran konnte ich einfach nicht festmachen wie lange ich nun schon hier war. Aber nach Blake's Bemerkung dürfte es schon eine Zeit sein...
"Ach, schon so lange?! Erstaunlich..." Sprach ich und legte meine Hand ans Kinn.
"Die Uhrzeit?" Fragte ich dann, wohlwissend, dass mir diese Information überhaupt nichts bringen würde, aber ich war neugierig darauf, ob Blake mir eine Antwort geben würde oder nicht.
Doch auch dieses Mal schüttelte der blauäugige Vampir nur den Kopf und verneinte so meine Frage.

"Wie alt bist du eigentlich?" Wollte ich dann von meinem Gegenüber wissen und Blake lachte kurz auf.
"Bist du dir wirklich sicher, dass du das wissen willst?" Fragte er belustigt nach und ich zuckte mit den Schultern.
"Ich denke schon..." Blake grinste und nickte.
"Okay. Ich bin auf den Punkt genau 23 mal so alt wie du." Erklärte mir der Vampir grinsend und ich riss meine Augen weit auf.
"Bitte was?!" Bestimmt hatte ich mich verhört, doch Blake's Grinsen zeigte mir, dass ich falsch lag.
"Ja, ich bin 437 Jahre alt. Wie alt ich war, als ich gestorben und zum Vampir geworden bin kann ich dir leider nicht sagen. Komischerweise kann ich mich daran nicht mehr erinnern. Ich weiß nur, dass ich keine 30 und so Mitte 20 Jahre alt war." Meinte er und klang irgendwie stolz.
Ich keuchte auf und fasste mir an die Stirn. Das war unglaublich!

"Nun möchte ich dir eine Frage stellen..." Ich blickte hoch in die blauen Augen von Blake, die mich neugierig ansahen.
"Und welche?" Wollte ich wissen.
"Wann wirst du 20?" Überrascht hob ich meine Augenbrauen, lächelte dann aber traurig.
"Gar nicht mehr..." Erklärte ich und in Blake's Augen trat ein eigenartiges Glänzen.
"Wann würdest du denn 20 werden?" Fragte er dann leiser und ich seufzte.
"Am 20. Juni. Am 20. Juni würde ich 20 Jahre alt werden." Sprach ich und ließ meine Schultern hängen.
Blake nickte für sich.
"Du bist noch so jung..." Murmelte er und ich zuckte mit den Schultern.
"Tja, was soll ich machen?!" Zittrig atmete ich ein und schluckte einmal, um zu verhindern, dass mir wieder die Tränen in die Augen stiegen.
Ich war zwar mit der Tatsache, dass ich sterben würde mehr oder weniger im grünen. Aber als Blake dieses Thema so anschnitt, war ich mir nicht mehr so sicher, ob es mir wirklich so Latte war, wie ich es mir selbst einreden wollte.

Blake machte Anstalten wieder das Zimmer zu verlassen, aber ich hielt ihn auf, indem ich ihm erneut eine Frage stellte.
"Warte... Kannst du mir sagen, wie lange ich noch habe?" Blake drehte sich zu mir um und sah mich aus irgendwie traurigen Augen an.
"Nicht mehr lange..."

LG Fynn ★
~1476~ Wörter

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