Höllenaufzug - Teil 1

NickJK90

Chae-rin ist spät dran, weswegen sie sich dazu entscheidet, den Fahrstuhl zu nehmen, den sie sonst völlig ignoriert und die Treppen nimmt. Trotz ihrer Highheels. Sie hat eine gute Ausdauer, ist sportlich und scheut die Treppen daher nicht. Der Fahrstuhl ist ihr da eher ein Dorn im Auge, denn sie hat fürchterliche Platzangst. Heute jedoch hat sie keine Zeit. Der Fahrstuhl ist um einiges schneller und so quetscht sie sich zwischen zwei Kerlen hindurch in die hinterste Ecke und beißt sich auf die Unterlippe. Ihre Finger zittern, weswegen sie sich an die Metallstangen klammert, die sie in ihrem Rücken spüren kann. Das Schlimme ist, dass diese Monster nicht nur eng sind, sondern auch immer voll, und dadurch noch wenig Platz ist.

Sie hält die Luft an, als sich die Fahrstuhltüren schließen, doch in letzter Sekunde gehen sie wieder auf und ein junger Mann quetscht sich noch dazu und entschuldigt sich mehrmals. Das nutzt Chae-rin dazu, noch einmal tief durchzuatmen und mit einer Hand in ihre Handtasche zu greifen, wo sie auch sogleich den Stoff ihres Stoffhasens fühlen kann. Es hilft ihr ein wenig, weswegen sie zusätzlich ihre Augen schließt und langsam von zehn abwärts zählt.

„Stockwerk 15, bitte aussteigen", hört sie die freundliche Aufzugstimme und atmet erleichtert durch. Nur noch ein Stockwerk, dann würde der Spuk endlich aufhören. Ihr Herz schlägt so schnell, dass sie Angst hat, dass es ihr gleich aus der Brust springt. Jetzt sind nur noch vier Leute im Aufzug. Die Türen schließen sich. Der eine Kerl – deutlich älter, hat schon graues Haar, trägt einen Anzug in einem dunklen Blau. Es sieht geschäftsmäßig aus, aber sie findet es unglaublich langweilig. Der zweite Typ – sicher in seinen Dreißigern, so wie sie selbst – trägt ebenfalls einen Anzug, aber Turnschuhe. Es ist modern. Der dritte Typ sieht aus wie ein Idol. Groß, gut gebaut. Er hat sicher einen Sixpack und einen guten Modegeschmack. Er sieht gut aus, aber viel zu jung für sie, auch wenn sie gerne mal junge Spielpartner hat, aber das gehört nicht hierher. In diesem Gebäude arbeitet sie und muss zu einem Meeting mit ihrem Manager. Es geht um ihre Zukunft, deswegen hat sie doch den Fahrstuhl genommen.

Müssen sie nicht schon längst da sein? Wie lange kann ein Stockwerk dauern? Panisch blickt sie auf die Anzeige, krallt sich fester in ihren Stoffhasen und stockt, als die digitale Zahl immer wieder zwischen der 15 und 16 springt – nein. Bitte nicht.

„Hey du! Drück den Knopf. Sofort!", quietscht sie mit hoher, panischer Stimme. Jetzt kann sie die Angst nicht mehr bändigen, vor allem, als jetzt ein Ruck durch den Aufzug geht und sie das Gefühl hat zu fallen. Sie fängt an zu schreien, geht in die Knie und umklammert ihre Beine. Dass sie dabei ihren Stoffhasen aus ihrer Handtasche zieht, ist ihr egal.

„Alles in Ordnung, Miss?", wird sie von dem älteren Mann angesprochen, der sich zu ihr hockt und vorsichtig über ihre Schulter streicht, „Machen Sie sich keine Sorgen. Es wird gleich weitergehen."

„Ist es ein schlechter Zeitpunkt, zu sagen, dass ich Platzangst habe?", fragt sie flach atmend.

Nahmichan

Jetzt erst sieht sich Hyunjin genauer um. Er ist gerade auf dem Weg zu einem Meeting, vielleicht eine Werbung oder eine neue Zusammenarbeit? Da erblickt er die Frau, die gerade neben ihm in die Knie geht und panisch schreit. Lee Chae-rin, eines seiner großen Idole. Sofort hockt er sich auch zu ihr.

„Mrs. Lee atmen sie mit mir. Ein und aus, genauso ... ganz langsam. Und wieder ein und aus. Ein und aus." Der ältere Herr streichelt weiter ihre Schulter und langsam scheint sie sich zumindest etwas zu beruhigen. Sie klammert sich so fest an den kleinen grauen Stoffhasen, dass ihre Knöchel weiß hervortreten. Noch immer geht ihr Atem nur stoßweise und ihr Körper zittert sichtbar. Schnell streift er seine Jacke ab und legt sie ihr um die Schultern, um ihr etwas Wärme zu spenden. Neben ihm spricht der andere Typ gerade mit der Firma, die für die Aufzüge zuständig ist.

„Mindestens eine halbe Stunde", schwappt zu ihm herüber. Leider ist er nicht der Einzige, der dies gehört hat. Neben ihm ertönt ein panisches Quietschen und heftiges Atmen.

„30 Minuten?" Immer stärker zittert sie neben ihnen und so langsam weiß er auch nicht mehr, was er noch tun soll. Er wird immer nervöser.

„Ganz ruhig ich bin wir, ich meine wir sind hier." Verlegen kratzt er sich am Kopf, doch auch der ältere Herr scheint nicht weiter zu wissen. Er lässt sich gegen die Wand sinken. „Mein Kreislauf, Moment." Bitte nicht, er kann sich doch nicht um zwei Leute kümmern?

Doch zum Glück stößt der verbliebene Mann noch zu ihnen und signalisiert, sich um ihn zu kümmern. Schnell rutscht er wieder zu Chae-rin.

„Ein und rausatmen. Ein und aus." Er spürt, wie auch er immer unruhiger wird, aber das kann er sich gerade nicht erlauben. „Wissen Sie, ich bin ein großer Fan von Ihnen, verfolge Sie schon eine Zeile. Weile, meine ich." Krampfhaft versucht er sie abzulenken, damit sie sich auf ihn und nicht auf die Panik konzentriert. „Vielleicht können wir ja ein Lied zusammen ringen. Singen." Verdammt er sollte dieses Problem langsam in den Griff bekommen, er macht sich ja völlig lächerlich.

Noch immer atmet sie viel zu hektisch, schaut ihn aber mittlerweile an und scheint kurz zu schmunzeln. Ok, wenn es hilft, macht er halt so weiter: „Also, wie sieht es aus? Ringen wir? Oder wollen wir uns gegenseitig peinliche Erlebnisse auf und hinter der Bühne erzählen? Ich kann da mit meiner Gruppe auch einige Banknoten bieten. Anekdoten." Er spürt, wie ihm die Wärme in die Wangen schießt und er schaut schnell auf den Boden. Doch er hat noch gesehen, wie Chae-rin leicht gelächelt hat. Doch da geht ein erneuter Ruck durch den Fahrstuhl und dieser bewegt sich für den Bruchteil einer Sekunde. Sofort kann er sehen, wie die Panik zurückkommt und sie krallt sich hyperventilierend in seinen Arm. Einige Tränen schimmern in ihren Augen und er hat das Gefühl kaum noch zu ihr durchzukommen.

„Mrs. See, bitte sehen Sie mich an. Daten. Bitte." Doch sie schüttelt nur den Kopf und schluchzt immer wieder, während sie immer panischer nach Luft schnappt.

NickJK90

Was soll er nur tun? Er hat selbst eine scheiß Angst, dass sie einen Abgang aus dem 15ten Stock machen, aber dagegen ist er machtlos. Also hat er doch gar keine andere Wahl, als zu versuchen ruhigzubleiben und Mrs. Lee weiterhin zu helfen. Er atmet ein paar Mal selbst tief durch und richtet seinen Blick wieder auf die zitternde Frau.

„Wie kann ich zelten? Helfen?", fragt er und presst danach seine Lippen fest aufeinander. Diese ganze Situation ist auch für ihn nicht einfach, vor allem, weil er nicht weiß, wie er seinem Idol helfen soll. Es macht ihm Angst, sie so zu sehen. So ängstlich, obwohl sie sonst so eine starke Frau ist. Wie selbstbewusst sie auf den Postern und Plakaten immer aussieht. Er bewundert sie wirklich sehr und will eines Tages genauso stark und selbstbewusst sein.

Hyunjin zuckt etwas zusammen, als sie so plötzlich nach seiner Hand greift. Ihre langen Fingernägel bohren sich in seine Haut, aber sie scheint sich zu beruhigen. Sie atmet nicht mehr ganz so hektisch und ist nicht mehr ganz so verkrampft.

„Sie sind nicht allein", murmelt Hyunjin leise und sieht jetzt zu den beiden Männern. Der ältere sitzt auf dem Boden und hat deutliche Schweißperlen auf der Stirn. Er scheint ebenfalls Probleme mit der Atmung zu haben. Der andere versucht ihn zu beruhigen, doch als er den Blick auf sich spürt, sieht er zu Hyunjin und zuckt mit den Schultern.

„Eine halbe Stunde mit einem Herzkranken und jemandem mit Platzangst ... das wird nicht klappen. Haben Sie etwas zu trinken dabei? Irgendwer?", fragt der Mann, und Hyunjin nickt, ehe er seinen Rucksack abnimmt und daraus eine Flasche Wasser holt. Er nimmt sie dankend an und hält sie dem älteren Herrn hin. Kurz beobachtet Hyunjin die Prozedur noch, bevor er eine zweite Flasche herausnimmt und sie Chae-rin hinhält.

„Hinken Sie – nein, ich meine trinken Sie, bitte", korrigiert er sich schnell und nimmt wieder ihre Hand, von der er sich hat lösen müssen, um den Rucksack abzunehmen. Jetzt drückt er ihr die Flasche in die Hand und sieht sie aufmunternd an. Sie trinkt und es scheint ihr besser zu gehen. Er lächelt und will sich gerade selbst komplett auf den Boden sinken lassen, als sie wieder anfängt zu schreien. Erschrocken sieht Hyunjin zu ihr und dann auf den Mann, der einfach zur Seite umgekippt ist. Seine Augen sind weit aufgerissen und es kommt ein weißes Zeug aus seinem Mund.

„Was ist kassiert?", kreischt auch er jetzt und starrt entsetzt auf die Szene. Das ist doch ein schlechter Scherz. Warum passiert das alles? Auch der andere Mann ist erschrocken weggewichen und starrt auf die Szene. Er zittert, wie er selbst und Chae-rin, die sich nach einem Schockmoment auf den Hintern plumpsen lässt und sich zu dem alten Mann beugt, der noch leicht zuckt, dann aber regungslos liegen bleibt. Sie fühlt seinen Puls und schüttelt dann leicht den Kopf. Sie ist ganz weiß im Gesicht.

„Ich glaube ... er ist ..." Sie spricht es nicht aus. Braucht sie auch nicht. Sie wissen alle, was sie sagen will und als sie wieder zurück auf ihren Platz rutscht, ruckt der Fahrstuhl erneut kurz. Ist das womöglich sogar geplant gewesen? Sind sie Kollateralschäden? Wird der Fahrstuhl abstürzen und sie alle in den Tod reißen?

Nahmichan

Noch immer kann Hyunjin die Nachricht nicht wirklich verarbeiten. Tot? Der Mann gegenüber wird immer hektischer und krabbelt näher zur Tür.

„Oh mein Gott, er will uns alle umbringen. Sicher war das Wasser vergiftet." Panisch schlägt er auf die Türen des Fahrstuhls ein, während Hyunjin einen Moment braucht, um zu verstehen, dass der Mann ihn meint. Geschockt sieht er zu Mrs. Lee, diese scheint wieder ruhiger zu werden. Die neuesten Ereignisse scheinen ihre eigene Panik zu verdrängen. Skeptisch sieht sie auf die Flasche und sieht dann zu ihm, bevor sie entschieden den Kopf schüttelt. Durch diese simple Geste fühlt er sich gleich besser. Aber was machen sie mit dem Typen? Noch schreit und hämmert er gegen die Tür.

„Man beruhigen Sie mich, wenn Sie hier so rumturnen, stürzt der Fahrstuhl noch gegen Ihnen ab." Genervt fährt sich Hyunjin durch die Haare. Langsam erstarrt der Typ und fixiert ihn.

„Sie haben das hier doch alles eingefädelt." Plötzlich springt er auf ihn zu und Hyunjin reißt nur schnell die Arme nach oben, um sein Gesicht zu schützen. Da er noch auf dem Boden sitzt, fällt es ihm schwer, den Mann in Schach zu halten. Neben ihm erhebt sich Chae-rin und kurz darauf hört er ein klatschendes Geräusch und es wird still im Fahrstuhl. Als er vorsichtig nach oben schaut, sieht er, wie der Typ sich die Wange hält und ein leuchtend roter Handabdruck darauf prangt. Mrs. Lee stemmt die Hände in die Hüfte.

„Geht es jetzt besser?"

Langsam tritt der Typ ein paar Schritte zurück, nickt kurz und lässt sich dann an der Wand des Fahrstuhles herabsinken, ohne Hyunjin aus den Augen zu lassen. In seinem Schoß bemerkt er den kleinen Stoffhasen und krallt sich aufgeregt in dessen Fell, was wohl auch Mrs. Lee bemerkt. Auch sie setzt sich wieder und streckt demonstrativ die Hand nach dem Hasen aus. Seufzend reicht er ihn rüber. Doch statt nur den Hasen zu nehmen, nimmt sie seine Hand und der Hase ist nun zwischen ihnen. Wie viel Trost so ein kleines Tier doch spenden kann.

Da fällt sein Blick wieder auf den älteren Mann. Ist er wirklich? Hätten sie ihm vielleicht noch helfen können, wenn sie nicht alle so panisch gewesen wären? Ist es ihre Schuld, dass er tot ist? Wird man ihnen die Schuld geben? Muss er dafür ins Gefängnis? Seine Gedanken kreisen immer weiter und er spürt, wie ihm schlecht wird.

„Reiß dich zusammen, Kleiner." Mrs. Lee sieht ihn besorgt an.

„Hyunjin", murmelt er nur leise.

„Dann reiß dich zusammen, Hyunjin. Uns geht es allen scheiße, noch eine Panikattacke brauchen wir hier nicht. Und jetzt lenk mich ab, dass kannst du doch so gut. Erzähl irgendwelchen Mist, egal was." Doch ihre Stimme ist nicht halb so schroff wie die Wahl ihrer Worte. Schließlich erzählt er eine Anekdote aus ihrem Bandleben.

„Das eine Mal habe ich meinen Hyung wohl doch etwas zu sehr gebeizt. Jedenfalls hat Minho gewartet, bis ich duschen bin und er wusste, dass ich gerade Haare wasche, als er mir das lahme, äh warme Wasser abgedreht hat. Plötzlich war es arschkalt und ich musste ja noch meine Paare wieder sauber bekommen. Dieser Mistkerl. Er hat sich königlich amüsiert."

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