...und die Seele als falschen Freund.

Ich will etwas schreiben. Etwas erzählen. Etwas denken, ohne mich selbst anzulügen. Ich habe gerade 684 Wörter mit 2 Tastenschlägen gelöscht, ich hatte den letzten Punkt nicht mit erwischt. Ich beschrieb mich selbst und wusste doch nicht, ob ich mich wirklich klar sah. Erst beschrieb ich mein Gesicht. Ich sah noch die realen Farben, die Erhebungen und Vertiefungen meiner Gesichtszüge. Aber dann beschrieb ich mich und meinen Charakter. Schon nach Zeilen stoppte ich im Tippen, markierte den gesamten Text und löschte ihn. Komplett. Ich zögerte kurz ungewollt, weil meine Oma etwas zu Netflix wissen wollte. Aber dann tippte ich auf den einen Button. Im Kopf noch die Möglichkeit es zur Sicherheit vorher zu kopieren, doch ich ließ es. Es war eine Lüge. Ich lüge mich immer wieder an. Ich kann vielleicht mein Äußeres halbwegs sehen, aber sobald ich meiner Seele nähertrete, bin ich blind. Ich verliere mein Augenlicht und kann mich bloß auf das Gefühl konzentrieren. Eine Seele kann schlecht sprechen. Meist sprichst du doch für deine Seele, nicht? Du hältst es für deine Seele, obwohl du doch nur Konturen gegen die Taschenlampe deiner Seele hälst und hoffst von ihr zu erfahren, ob der Gegenstand tatsächlich die Waffe ist, die du suchst und nicht das Messer, das den Plastik- statt den Stahlgriff hat. Aber sie sagt dir nichts. Du musst erfühlen, ob der Griff kalt wie Metall ist, oder wie Plastik im Vergleich etwas wärmer. Du darfst die Taschenlampe nicht halten. Es ist nicht dein Besitz. Es wird dir nicht gewährt. Nur manchmal ist deine Seele so freundlich und gibt dir kurz einen Hinweis auf die Farbe des Griffes. Aber genauso kann sie auch hinterhältig sein. Denn 'grau' wäre hier wohl nicht gerade die effektivste Antwort, oder? Deine Seele lässt etwas erscheinen, aber noch lange nicht so, dass du es hundertprozentig als real einschätzen könntest. Es ist deine Entscheidung, ob du danach greifst, weil du an seine Realität glaubst, oder ob du es sein lässt. Manchmal ergreifst du tatsächlich etwas, womöglich noch den richtigen Gegenstand, aber wenn du zu naiv oder einfach schlecht in diesem Spiel bist, greifst du danach und hast mal wieder nur Luft zwischen deinen nun verkrampften Fingern. Deine Seele ruft laut lachend "VERARSCHT!" und ganz plötzlich kann sie reden..
Du bist allein dort in dieser Dunkelheit. Deine Seele ist das Einzige, das dich von völliger Einsamkeit abhält. Deshalb brauchst du sie. Sie ist ein hinterhältiger Freund, aber das Einzige, das dich in deiner Rat- und Hilflosigkeit, die du hier unten hast, etwas mehr ans Licht navigieren könnte. Doch nur sie weiß, dass es dieses Licht nicht gibt. Es ist ihre Taschenlampe, die sie ständig an eine andere Stelle in diesen undefinierten Raum legt, nur um ihr perverses Spielchen immer weiter spielen zu können.
Ständig versuche ich mich selbst zu verstehen, suche Hilfe bei meiner Seele, glaube ihre Antworten, greife nach vorne, greife ins Leere und habe mich schon längst wieder selbst angelogen auf die verbittertste Art und Weise, auf der Suche nach mir selbst. Wer bin ich? Warum reagiere ich so, wie ich reagiere? Was hat welche Bedeutung für mich? Ich möchte anderen soetwas offenbaren. Ich möchte ihnen meine Menschlichkeit vermitteln. Ihnen auch endlich etwas erzählen können. Dass auch sie mal so über mich staunen, wie ich über sie. Dass sie mich etwas besser verstehen. Aber wie, wenn ich mich selbst nicht verstehe? Wie, wenn man einfach nicht fürs Spiel gemacht wurde? Wie...wenn man blind einfach verloren ist?

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Sooo, mal wieder ein recht kurzer Text, den ich vor gefühlten Ewigkeiten geschrieben habe :)
(außer die Beschreibung ;))
Aber er hat mich gerade berührt und deshalb...könnt ihr ihn jetzt vielleicht auch lesen. Wie dem auch sei:

~Lottilino

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