48. Aufbruch
»Timmi«, jammerte ich einmal wieder in der lächerlichsten Stimme, die ich drauf hatte.
»Jetzt komm schon. Wir kommen viel zu spät!«
Ich hörte Tim lachen.
»Ist gut, Kleiner. Wir haben noch Zeit. Unser Bus geht in sieben Minuten.«
Moment. Was?
»Sieben Minuten?«, empörte ich mich, »Tim! Das schaffen wir nie! Jetzt beeil dich!«
Wieder lachte Tim nur und legte mir beschwichtigend beide Hände auf die Schultern.
»Keine Sorge, Dino, ich bin schon fertig. Na komm jetzt, sonst verpassen wir den Bus noch...«
Ich machte mir gar nicht erst die Mühe, mich zu empören, wie er den Spieß umdrehte und Trat stattdessen aus der Wohnung in das Treppenhaus raus. Ich hörte Tim zu, wir er die Tür verschloss und trat dabei ungeduldig von dem einen Bein aufs andere. Ich spürte, wie er nach meiner Hand griff und wollte meine Finger gerade mit seinen verschränken, als er mein Handgelenk drehte, so dass die Handinnenseite nach oben zeigte und mir etwas hineindrückte. Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich es erkannte. Der Langstock.
»Tim? Was soll der Mist?«, empörte ich mich sofort.
»Tut mir leid, wir haben es eilig, keine Zeit, ihn zurück zu bringen«, grinste mein Freund frech. Ich war fassungslos.
»Du bist so...«
»Jaaaaa?«, lachte Tim, als ich verzweifelt nach einem passendem Adjektiv suchte.
»Doof.«, verkündete ich dann plump aus Mangel an Alternativen. Sofort verstärkte Tims Lachen sich.
»Für so etwas liebe ich dich einfach, Stegi.«, verkündete er. Ich musste, wenn auch widerwillig grinsen.
»Nö, ich dich nicht. Das mit der Liebe ist vorbei, du hast es dir verbockt.«, meinte ich bissig, strafte meiner Worte aber sofort Lügen, indem ich ihm bestimmt einen schnellen Kuss auf den Hals drückte. Beide lachten wir, jedoch wurde Tim plötzlich wieder ernst:
»Bitte, Stegi. Probier es wenigstens. Du wirst dich an den Langstock gewöhnen. Es kann dir so viel leichter gemacht werden. Ich will nicht, dass du alleine ohne den Blindenstock draußen unterwegs bist. Die Leute sind dumm und rücksichtslos, ich will dich nicht verlieren. Ich kann dich zu nichts zwingen, aber ich bitte dich. So lange du mich lässt werde ich dich ansonsten keinen Schritt alleine vor die Tür setzen lassen. Ich würde Sterben vor Sorge, wenn du alleine ohne Langstock unterwegs wärst. Bitte, Stegi. Du musst ihn ja nicht immer benutzen, aber bitte versuch es wenigstens.«
Ich seufzte auf.
»Heute? Ausgerechnet heute? Wie sieht das denn aus bitte? Ich will nicht, dass sie denken, dass ich so ein behinderter Spast bin.« Mein Herz schlug allein bei dem Gedanken an das Kommende schneller. Heute war das Abendessen, das Tim mit seinen Eltern organisiert hatte.
»Stegi, das würden sie niemals denken. Zum einen ist es kein Zeichen für Schwäche, den Langstock zu benutzen. Außerdem habe ich ihnen so viel von dir vorgeschwärmt, das können sie gar nicht denken.«
Sofort wurde ich rot.
»Wirklich?«, fragte ich unsicher.
»Wirklich.«
»Okay. Ich machs. Dir zuliebe. Aber bitte zwing mich nciht dazu, in Zukunft nur noch so rumzulaufen.«
»Nur wenn du alleine draußen bist. Anders werde ich dich keine Sekunde aus den Augen lassen«, drohte Tim ernst. Ich nickte nachgiebig.
»Okay. Okay, meinetwegen.«
»Danke, Stegi«, flüsterte Tim und drückte mich an sich, bis ich mich fast panisch wieder löste.
»Wir müssen los, Tim! Unser Bus!«
»Kommt erst in einer viertel Stunde«, ergänzte Tim. Kurz brauchte ich, zu begreifen, dann drehte ich mich mit fassungslosem Gesichtsausdruck zu ihm um.
»Dein Ernst? Du bist so mies!«, empörte ich mich und unterstrich meine Worte, indem ich meine Fäuste auf seine Brust regnen ließ. Tim hielt meine Handgelenke mühelos fest, was nicht nur daran lag, dass ich keineswegs viel Kraft in die Schläge setzte. Der Kontakt mit anderen Menschen war blind immer sehr kompliziert, gerade jetzt musste ich aufpassen, dass meine Fäuste tatsächlich dort landeten, wo sie sollten und nur dort. Ich wollte Tim auf keinen Fall wirklich weh tun. Wie könnte man Tim auch weh tun wollen? Tim war der liebste Mensch, den ich mir vorstellen konnte und ich könnte bei weitem keinen Grund nennen, den jemand haben könnte, um ihm weh zu tun. Höchstens vielleicht seine Sexualität, wenn jemand homophob war. Aber dann würde dieser jemand ja wohl genauso etwas gegen mich haben. Ja, eigentlich war unsere Beziehung das einzige, was man an ihm würde bemängeln können, wenn man etwas gegen Homosexualität hatte. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich tatsächlich das einzige war, das man an Tim bemängeln konnte, ich war das einzige, das man ihm als Schwachstelle würde auslegen können. Als mir das bewusst wurde, durchzog mich ein Stechen und ich zuckte zusammen. Es tat weh, über sich selbst als Schwachstelle, als Fehler zu denken. Ich versuchte mit aller Kraft, diesen Gedanken zu verdrängen. Nein, ich war kein Fehler, unsere Beziehung war nichts negatives. Ich konnte es in gewissem Maße nachvollziehen, wenn manche Menschen etwas gegen Homosexualität hatten, es war einfach etwas fremdes, etwas unbekanntes, etwas, was nicht ganz in ihr Weltbild passte und deswegen hatten sie Angst davor, hassten es regelrecht. Ja, ich konnte verstehen, warum Menschen so dachten, aber es war mir eigentlich egal. Ich wusste es besser, wusste, dass daran nichts abnormales war, dass es genauso Liebe war wie zu einem Mädchen. Für mich war es mehr Liebe als ich je für ein Mädchen empfunden hatte. Ich konnte Menschen verstehen, die mich, uns und alle Homosexuellen dafür hassten, dass wir waren, was wir waren, ich konnte es verstehen, aber ich hielt es für dumm. Es war einfach lächerlich, jemanden für seine Sexualität zu hassen. Das wäre wie wenn ich jemanden dafür hassen würde, dass er Heterosexuell ist, weil das nunmal nicht meiner Ansicht entspricht. Es war einfach dumm. Aber ich hasste diese Menschen nicht für ihre Ansichten, nein. Ich hatte Mitleid mit ihnen. Mitleid, dass sie so übermäßig beschränkt in ihrem Denken waren, Mitleid, dass es wohl nicht sonderlich gut mit ihnen gemeint worden war, als Intelligenz und Menschenverstand verteilt wurde. Mitleid für das, was sie waren. Und das unterschied mich von ihnen. Sie hassten mich für das, was ich war. Ich bemitleidete sie für das, was sie waren. Sie wünschten mir das Schlechteste, nichts als das Schlechteste, vielleicht sogar den Tod. Ich wünschte ihnen Einsicht und Besserung, selbst wenn es unmöglich schien. Ich wünschte ihnen ein besseres Leben, ein Leben, das nicht so beschränkt war. Ein Denken, das rational war. Ein Gefühl, das menschlich war.
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Hayho Leute!
Jaaaa, heute keine neuen Geschichtenvorschläge, ich werde bis morgen die Zahlen auswerten.
Nunja, wie vielleicht schon einige mitbekommen haben, bin ich momentan sehr im Zwiespalt:
1. Was haltet ihr von einem Lemon hier? Ja/Nein? Ich persönlich finde die Geschichte glaube ich etwas zu unschuldig dafür... Was meint ihr?
2. Fortsetzung... Okay, wie dringend wollt ihr, dass das hier weiter geht? Diese FF hat pro Kapitel 500 Aufrufe auf Fanfiktion.de und über 100 Aufrufe auf Wattpad. Ich habe mir, Likegeil wie ich bin, folgendes überlegt:
Wenn ihr es schafft, 50 Kommentare auf beiden Servern zusammen zu schreiben in denen ihr mir mitteilt, ob ihr weitere Kapitel wollt und was ihr euch darunter vorstellt, dann wird es auf jeden Fall weiter gehen. Ansonsten eher nicht. Ich weiß, das ist enorm viel, aber ganz im Ernst: 50 Kommentare auf über 600 Aufrufe? Die Fanfiktion hat allein auf Fanfiktion.de 146 Favoriteneinträge. Wenn auch nur ein drittel der Leute, die diese Geschichte jeden Tag lesen, sich hinsetzen und ein paar Minuten Zeit nehmen würden, hättet ihr es schon geschafft. Ich weiß, viele werden diese Aktion, diese »Erpressung« von mir mies finden, ich selbst täte es vielleicht auch. Aber ich will einfach sehen, was ihr könnt. Und Leute, ganz im Ernst: Das ist schafbar. Und jeder von euch genießt täglich diese Geschichte, ist das zu viel verlangt? Ich finde, es ist der einzige Weg, herauszufinden, ob es wirklich so gefragt ist, wenn man einfach nur fragt: Wollt ihr 'ne Fortsetzung?, wer sagt dann schon »Hmmm.... Nö«... Also. Ist das ein Deal?
Liebe Grüße, minnicat3
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