- Kapitel 6 -
„Bitte füllen sie das Anmeldeformular zügig aus und setzen sie ihre Unterschrift ans Ende des Dokuments", weist mich der rangniedere Dienstgrad monoton und gelangweilt an und wartet ungeduldig darauf, dass es weiter geht.
„Entschuldigen sie, doch das werte Fräulein ist blind falls es ihnen nicht aufgefallen sein mag", mischt sich Kairyan erneut ein während ich mir das Anmeldeformular genauer ansehe.
„Na und? Ist das mein Problem? Wenn das werte Fräulein nicht einmal in der Lage dazu ist das Anmeldeformular eigenständig auszufüllen hat sie hier beim Duell der magischen Künste nichts verloren", kontert der junge Mann hinter dem Schreibtisch schulterzuckend woraufhin Kairyan sich hinter mir anspannt.
Genervt seufzend schiebe ich ihn ein Stück zurück und schnappe mir anschließend den schwarzen Füllfederhalter.
„Ist schon gut, bitte verzeihen sie, Sir", gehe ich dazwischen und drehe mich in seichtem Winkel nach hinten. „Und du! Hör endlich auf damit allem und jedem zu erzählen, dass ich blind bin", zische ich Kairyan erbost zu ehe ich meine Unterschrift auf dem betreffenden Feld setze.
„Aber-", protestiert der Blondschopf entgeistert hinter mir, wird jedoch von meiner zu ihm hinaufschnellenden Hand unterbrochen. Ich halte ihm den Mund zu und schiebe mit der anderen Hand derweil das Anmeldeformular über den Tisch. „Bitteschön, Sir", meine ich und sehe ihn verwirrt das Dokument überfliegen.
„Hey! Was dauert denn so lange da vorn?", brüllt ein Magier weiter hinten. Unbeirrt starre ich weiterhin dem niederen Dienstgrad entgegen, der noch immer zu verstehen versucht, wie ich meine Unterschrift an die richtige Stelle setzen konnte.
„Geht das heute auch noch vorwärts?",
„Mädchen, es wollen sich auch noch andere für das Duell anmelden! Beeil dich ein bisschen"
Die Beschwerden werden immer lauter und fordernder während Kairyan sich erneut anspannt. Allmählich wird auch mir die Situation unangenehm. Wieso lässt man mich nicht einfach passieren? Ich habe die Formulare ordnungsgemäß ausgefüllt und die Schlange hinter mir wird nicht gerade kleiner.
„Passt euch etwas nicht?", vernehme ich die mir bekannte Stimme des braunhaarigen Schranks von zuvor. Verwirrt runzle ich die Stirn und schiele zur Seite. „Wenn einer von euch Knirpsen ein Problem damit hat zu warten, dann bin ich gern bereit demjenigen die Wartezeit zu versüßen", fügt er angesäuert hinzu und baut sich mit verschränkten Armen vor dem hinteren Teil der Schlange auf. Plötzlich wird es ruhig im Eingangsbereich des Stahlklotzes. Überrascht sehen Kairyan und ich uns um und entdecken den Braunhaarigen Miesepeter von zuvor, wie er aus dem Augenwinkel zu uns nach vorn schielt und ein kleines Grinsen auf seinen Lippen trägt.
„Du hast wirklich die Gabe schnell Freundschaften zu schließen, was?", flüstert Kairyan mit erhobener Braue während ich die Augen verdrehe und dem Muskelpaket noch einen letzten dankbaren Blick zuwerfe, auch wenn er ihn durch meine verdunkelten Brillengläser nicht sehen kann.
„In Ordnung, bitte begeben sie sich in den Wartebereich Nummer sieben. Sie erreichen ihn am schnellsten indem sie hier vorn rechts abbiegen und danach die zweite Abzweigung auf der linken Seite nutzen. Ich wünsche viel Erfolg", meldet sich nun endlich der junge Mann hinter dem Schreibtisch zu Wort und erntet ein dankendes Nicken meinerseits ehe ich mich auf den Weg mache.
„Hey Ember! Warte auf mich", ruft Kairyan mir nach woraufhin ich allerdings nur abwertend eine Hand in die Luft werfe.
„Wir sind wahrscheinlich sowieso nicht der gleichen Gruppe zugeteilt. Wir sehen uns dann später", entgegne ich ihm gleichgültig, da ich ihm meinen Dienst, den ich ihm für seine ehrenhafte Tat schuldete bereits erwiesen hatte und nichts weiter mit ihm zu tun habe.
Ich spüre mehrere Augenpaare auf mir, als ich den überdimensional groß wirkenden Eingangsbereich verlasse und den Richtungsanweisungen des niederen Dienstgrades folge. Während ich mich durch das Gänge Wirrwarr kämpfe schweifen meine Gedanken ab.
Die Menschen der Hauptstadt sind seltsam, stelle ich fest und frage mich, wieso Kairyan sich so an mich gehängt hat. Auch aus dem Muskelprotz werde ich nicht schlau. Erst pöbelt er mich an und danach setzt er sich für mich ein? Ich bin es gewohnt, dass manche Menschen sich aus Mitleid für mich einsetzen wenn sie mir nicht gerade mit Abneigung und Missgunst entgegen treten, doch bei den beiden habe ich nicht das Gefühl, dass das der Grund dafür gewesen ist. Dafür war Kairyan eindeutig zu frech und der riesen Affe eindeutig zu forsch mir gegenüber. Mitleid kann es also nicht sein, doch was war es dann?
Wieso mache ich mir überhaupt Gedanken darüber? Es spielt schließlich keine Rolle. Ich bin nicht hier um Freunde zu finden oder mich von der Gutherzigkeit der Menschen zu überzeugen. Dafür habe ich viel zu lange schon in die hässliche Fratze der Realität blicken müssen. Menschen sind niemals von Grund auf gut oder böse. Sie tragen beides in sich vereint und entscheiden sich entweder bewusst oder unbewusst für eine Seite. Je nachdem wem sie gegenüber stehen. Und weil das Leben eben genauso und nicht anders läuft habe auch ich mich vor langer Zeit für eine dieser Seiten entschieden.
Schließlich erreiche ich den mir zugeteilten Wartebereich und will bereits eintreten, als sich plötzlich eine Hand in mein Sichtfeld schiebt. Erschrocken zucke ich zurück und halte die Luft an. Wie angewurzelt bleibe ich einen Moment in dieser Pose stehen ehe ich meinen Blick unauffällig zur Seite gleiten lasse. Aus dem Augenwinkel erkenne ich den dunklen Mantel des braunhaarigen Schranks von zuvor. Verwirrt schiebe ich die Brauen zusammen.
„Zieh den Kopf ein, da hängt ein Balken direkt vor dir", erklärt er sein Verhalten woraufhin ich perplex nach vorn sehe. Tatsächlich hat sich eine der metallstreben gelöst und hängt schief von oben herab. Aufgrund meiner dunklen Brillengläser habe ich die Strebe überhaupt nicht gesehen und wäre wahrscheinlich mit voller Wucht dagegen geprallt. „Danke", murmle ich und ducke mich während ich über die Schwelle schreite.
Schwere Schritte folgen mir ins Innere des schummrig beleuchteten Raums während ich mich nach einem geeigneten Platz zum Warten umsehe. Ich habe kein Problem damit wenn die Leute um mich herum wissen, dass ich blind bin. Ich habe gelernt meinen Vorteil daraus zu ziehen, doch ich möchte auch nicht mehr Aufsehen erregen, als notwendig ist. Schließlich habe ich keine Ahnung wie stark die anderen Teilnehmer wirklich sind. Auch wenn ich mir meiner Fähigkeiten durchaus bewusst bin, so würde ich niemals den Fehler begehen meine Gegner zu unterschätzen. Dementsprechend möchte ich für eben genannte Fälle keine Zielscheibe abgeben und lieber im Hintergrund agieren.
Ich verziehe mich also in eine weniger überfüllte Ecke des Raumes und lehne mich gegen die Stahlwand hinter mir. Der braunhaarige Kerl stellt sich unweit neben mich. Ich akzeptiere seine Präsenz, da er mich eben vor einer vermutlich unschönen Beule bewahrt hat, doch habe nicht vor mit ihm ein Gespräch anzufangen, so wie es einige andere hier tun. Geflüster und Gemurmel ist zu vernehmen und dank meines guten Gehörs bin ich in der Lage einiges davon aufzuschnappen. Ich filtere die Gesprächsfetzen nach Wichtigkeit und lausche den Konversationen, die ich für relevant halte.
„Meinst du General Farren wird sich dieses Jahr wieder erst im letzten Moment für einen Teilnehmer entscheiden?", schnappe ich auf und hebe interessiert eine Braue. Über General Farren ist mir nicht sonderlich viel bekannt, da er für den westlichen Teil des Reiches zuständig ist. Alles, was ich weiß ist, dass er anscheinend nur die erlesensten Teilnehmer unter seine Fittiche nimmt, daher entscheidet er sich auch erst sehr spät für jemanden, den er während des Duells betreut.
„Höchstwahrscheinlich, doch der interessiert mich ohnehin nicht. Ich hoffe auf die Unterstützung von General Amaya. Sie ist meiner Meinung nach eine der besten Strateginnen des schwarzen Rings. Ich bin mir sicher, mit ihr an meiner Seite werde ich das Duell gewinnen", entgegnet der Magier und ballt dabei seine Hand zur Faust. Er sieht überzeugt davon aus, dass er die Chance hat hier zu gewinnen. „General Amaya? Mach dir keine Hoffnungen. Sie erwählte bisher nur Mädchen. Bei ihr wirst du wohl nicht landen können mein Lieber", lacht der andere lauthals auf weshalb auch der Braunhaarige neben mir seine Aufmerksamkeit auf die beiden unweit von uns entfernt richtet.
Ich schließe meine Augen für einen Moment und frage mich auf wessen Unterstützung ich eigentlich hoffe. Hoffe ich denn überhaupt darauf?
Meister Tarik lehrte mich alles, was er wusste, doch ob das ausreicht um auch ohne die Hilfe der Generäle zu gewinnen kann ich nicht einschätzen. Herannahende Schritte lassen mich meine Aufmerksamkeit ein Stück weit zurück auf das Geschehen um mich herum richten. Eine junge Magierin, kaum älter als ich schreitet mit erhobenem Kinn an mir vorbei und stolpert dabei über meine Füße. Empört und wütend blickt sie mir entgegen und beugt sich zu mir vor.
„Hey du! Mach gefälligst Platz wenn ich hier vorbei laufe", zischt sie angesäuert und mit erröteten Wangen. Ihr kleiner Taumler scheint ihr wohl unangenehm zu sein.
„Verzeihung, wenn du das nächste Mal deine Nase nicht so weit in die Höhe streckst wirst du sicherlich auch in der Lage dazu sein solchen Hindernissen auszuweichen", kontere ich zuckersüß während das Mädchen ihre Zähne aufeinanderpresst.
„Du..wie kannst du es wagen, für wen hältst du dich eigentlich?!", droht sie und tritt noch einen Schritt weiter auf mich zu. Ihr Gesicht ist mir nun so nahe, dass ich selbst in dem schummrigen Licht ihre Sommersprossen erkennen kann.
„Und für wen hältst du dich, dass du denkst du könntest hier solch eine Szene abziehen?", grätscht plötzlich der braunhaarige Schrank dazwischen während er ein Stück näher gekommen ist. Bedrohlich sieht er auf das Mädchen vor mir herab, die mittlerweile einen unbehaglichen Ausdruck auf dem Gesicht trägt.
„Misch dich da nicht ein, das geht dich überhaupt nichts an!", kontert sie und versucht dabei ihre Nervosität zu überspielen, doch ich kann ihren donnernden Herzschlag hören.
„Das hast nicht du zu entscheiden und jetzt verschwinde bevor ich dir Beine mache", zischt er woraufhin sich die Magierin für einen taktischen Rückzug entscheidet. Meiner Meinung nach auch die bessere Wahl für sie.
Mit zu schlitzen verzogenen Augen sieht er ihr hinterher ehe er seinen Blick auf mich richtet.
„Du ziehst Ärger wohl magisch an", spottet er woraufhin ich mit den Schultern zucke. „Ich wäre schon mit ihr fertig geworden. Ihr aufgeblasenes Getue war nur Show. Vermutlich ist sie einfach nur angespannt wegen des Duells", tue ich es ab und lächle dabei mein einstudiertes Lächeln. „Trotzdem vielen Dank, dass du eingeschritten bist. Wie schon gesagt, du bist wirklich sehr freundlich", füge ich hinzu und halte das Image des lieben blinden Mädchens aufrecht. Er hingegen sieht erneut verlegen zur Seite und schüttelt den Kopf dabei. „Pass in Zukunft besser auf dich auf. Sobald das Duell begonnen hat wird dir keiner mehr unter die Arme greifen", meint er und vergräbt seine Hände in den Manteltaschen.
„Das werde ich", entgegne ich und ernte erneutes Kopfschütteln seinerseits während er sich nun direkt neben mich an die Wand lehnt.
„Das schlimme ist ja, dass dir sogar solche Waschlappen, wie die Kerle dort vorn gefährlich werden können. Willst du hier wirklich mitmachen?", durchbricht er die kurze Phase der Stille und wartet ausdruckslos meine Antwort ab. „Ja", entgegne ich knapp.
„Du bist wahnsinnig", seufzt er resigniert.
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