- Kapitel 47 -

Plötzlich durchbrach entsetzliches Poltern die Stille der Portalreise, gefolgt von einer Erschütterung unermesslichen Ausmaßes. Augenblicklich wird mir klar, dass das nicht normal ist. Ich kann die Schwingungen und die Impulse nicht zuordnen. Zuvor war es mir unmöglich sie überhaupt wahrzunehmen und nun purzeln sie aus allen erdenklichen Richtungen auf mich ein. So viel Chaos und Verwirrung lässt meine Sinne verrücktspielen. Mir wird plötzlich speiübel. Ich fühle mich, wie ein Kind, welches beim Verstecken spielen zu lange im Kreis gedreht wurde bevor es anfangen darf zu suchen.

„Sir, was ist hier los?!", versuche ich Kalen zu erreichen und dabei nicht allzu panisch zu wirken. „Definitiv nichts Gutes, soviel steht fest. Wo genau bist du? Wir haben einige Übertragungsmonitore verloren. Ich kann dich nirgends sehen", murrt er, was dazu führt, dass mir tatsächlich nur noch übler wird.
„Ich weiß es nicht. Ich habe die zweite Aufgabe beendet und wurde durch den Teleportationskanal geschickt, um meine letzte Aufgabe anzutreten. Mehr weiß ich auch nicht", entgegne ich erstaunlich ruhig wenn man bedenkt, dass mein Frühstück gerade den Drang verspürt wieder nach draußen zu gelangen.
„So wie dir geht es gerade auch einigen anderen Teilnehmern..", murmelt er und lacht humorlos auf. „Ember, tippe sieben Mal auf den Mondstein, der in deinen Ring gefasst ist. Er sollte bläulich schimmern wenn du es richtig gemacht hast", weist er mich ernst an, woraufhin ich tue, wie mir gesagt wurde. Hastig tippe ich sieben Mal auf den Stein und werde binnen Sekunden von seinem blauen Schimmer umgeben.
„Und was jetzt?", frage ich abwartend.
„Du teleportierst dich", antwortet er knapp. „Du kannst allerdings keine weiten Strecken zurücklegen, weshalb momentan nur der Teleportationsraum in Frage kommt. Diese Teleportation funktioniert anders, als die Herkömmlichen. Sie verläuft ganz ohne Zaubersprüche. Du musst dir dein Ankunftsziel vor Augen führen, so stark du kannst daran denken, hast du verstanden? Der Mondstein reagiert auf deine Energie und deine Aura. Ich weiß, dass es das erste Mal für dich ist auf diese Weise Magie einzusetzen aber es ist momentan deine einzige Chance aus dem Teleportationskanal herauszukommen", erklärt er gehetzt woraufhin ich die Augen zusammenkneife. Ich muss mich beruhigen, einen klaren Kopf behalten.
„Sir, ich würde mich besser fühlen wenn sie mich hier rausholen könnten", gebe ich meine Bedenken preis und hoffe inständig darauf, dass Kalen binnen weniger Augenblicke vor mir erscheinen wird, mich an sich drückt und mich hier weg bringt.
„Aufgrund der Protalstörung kann ich mich nicht zu dir teleportieren. Nur derjenige, der das Portal zu Beginn der Etappe öffnete hat noch ein wenig Kontrolle darüber. General Resu ist allerdings gerade damit beschäftigt die Kanäle stabil zu halten, sodass ihr nicht im ewigen Nichts verschwindet. Ich und einige andere Generäle machen uns in Kürze auf den Weg zum Portalraum, um nachzusehen, was dort eigentlich vor sich geht. Versuche dich zu teleportieren und warte dort auf mich", entgegnet er zähneknirschend, ehe seine Stimme in meinem Kopf verstummt.

Mit einem mulmigen Gefühl starre ich auf den Ring, der mich noch immer mit seiner blau schimmernden Aura umgibt. Ich muss mir also nur vorstellen, wo ich hinmöchte und der Ring ermöglicht mir eine Teleportation ohne einen Zauberspruch? Ohne eine Teleportationsfläche? Von solch einer Art Magie habe ich noch nie gehört. Nicht einmal Meister Tarik hatte jemals erwähnt, dass das überhaupt möglich ist. Leider bleibt mir keine andere Wahl, als es zu versuchen. General Kalen, sowie auch die anderen haben keinerlei Möglichkeit zu uns Teilnehmern zu gelangen. Das muss ich wohl allein schaffen.

Angestrengt versuche ich mich an den Anfang der zweiten Etappe zu erinnern. An den hell erleuchteten Raum, der lediglich von einem riesigen Übertragungsmonitor erfüllt war. Es ist schwierig an einen großen, leeren Raum zu denken, von dem man eigentlich absolut nichts gesehen hat, bis auf beißendes Licht. So sehr ich mich auch anstrenge und bemühe, es will einfach nicht funktionieren. Wütend und frustriert raufe ich mir die Haare und schnaube.
„Komm schon!", brülle ich den Ring an, der lediglich weiter blau schimmert, fast so, als wolle er mich verhöhnen. „Was hab ich auch erwartet..schließlich habe ich diese Art von Magie noch nie eingesetzt", murmle ich genervt, da ich es für gewöhnlich vermeide Dinge oder Zauber anzuwenden mit denen ich nicht sonderlich vertraut bin. Seufzend verschränke ich meine Arme vor der Brust, während ich weiterhin in diesem endlosen Tunnel voller verschwommener Umrisse umherschwirre. Ich muss doch irgendetwas tun können? Habe ich dieses Mal denn tatsächlich keinen Plan, keine Alternative?

„Miss Akela!", erklingt plötzlich eine bekannte, tiefe Stimme unweit von mir entfernt. Verwirrt runzle ich die Stirn und sehe mich skeptisch um. Ich bin mir sicher, dass ich mir das nicht nur eingebildet habe. „Miss, sie sind unversehrt. Welch Glück", vernehme ich dieselbe Stimme erneut und hebe den Blick. Über mir schwebt General Veros mit gehetzter Miene.
„General Veros..", hauche ich und strecke meine Hand nach ihm aus.
„Miss Akela, ich bin erleichtert zu sehen, dass ihnen soweit nichts geschehen ist", meint er und ergreift meine Hand, um mich zu sich zu ziehen. Ich werde durch die Luft gezogen, gleite schwerelos, vorbei an den Umrissen hinauf zu ihm.
„Sir, was ist hier los? Wie konnten sie hier her kommen?", frage ich nervös, während er beide meiner Hände umfasst und mich somit an Ort und Stelle hält.
„Ich bin untröstlich, doch das kann ich ihnen leider auch nicht beantworten..Momentan weiß niemand genau was geschehen ist. Plötzlich sind einige Monitore ausgefallen und die Generäle haben keine Verbindung mehr zu ihren Teilnehmern aufnehmen können. Ich nehme an, ihnen erging es ähnlich. Alastairs Gesicht färbte sich kreidebleich vor Sorge. Er ist gemeinsam mit einigen anderen in den Teleportationsraum aufgebrochen, in der Hoffnung er würde sie dort finden", erklärt er mit bestürztem Ausdruck auf dem Gesicht und ignoriert meine zweite Frage komplett. Darauf konnte ich mich durch die ganzen auf mich einprasselnden Eindrücke nicht konzentrieren. Tausend Gedanken schwirren mir durch den Kopf. Unmerklich zuckt eine meiner Brauen. Die Generäle haben keine Verbindung zu ihren Schützlingen aufnehmen können? Ich habe doch noch vor wenigen Minuten selbst mit Kalen gesprochen. Wie kann das möglich sein? Sollte ich Veros davon berichten?

Dass ich mir darüber überhaupt Gedanken mache. Eigentlich ist es völlig logisch ihm davon zu erzählen. Möglicherweise kann man anhand meines Falls herausfinden, weshalb die anderen keine Verbindungen zu ihren Bindungspartnern herstellen konnten, doch irgendetwas in mir rät mir dringlichst davon ab. Ich kann nicht genau sagen, was es ist, doch irgendetwas sagt mir, ich solle diese Information lieber für mich behalten. Es ist eine Art Bauchgefühl, Instinkt.
Auf meine Instinkte zu hören war mitunter das Erste, was ich von Meister Tarik lernte. Bevor ich Agira verliehen bekam waren meine Instinkte das Einzige, was mich oftmals davor bewahrte in eine brenzliche Situation zu gelangen. Es wundert mich also nicht, dass mein Bauchgefühl noch immer recht sensibel und aufmerksam ist. Ich habe zwar noch keine Erklärung, doch ich beschließe auf mein Gefühl zu vertrauen und diese Information für mich zu behalten.

„Machen sie sich keine Sorgen, ich werde sie heil hier rausbringen, Miss", reißt mich seine Stimme aus meinen Gedanken, woraufhin ich eilig blinzle. Noch bevor ich etwas erwidern konnte surrte die ohnehin schon verschwommene Umgebung vor meinen Augen umher. Bunte Flecken und einige Lichtblitze prasselten völlig unvorbereitet und willkürlich auf mich ein, ehe wir plötzlich von tiefem Schwarz umgeben waren und die Hektik der letzten Sekunden wie eine Einbildung wirkte.

Wir stehen noch immer dicht beieinander. Seine Hände umfassen meine mit festem Griff und er scheint nicht darüber nachzudenken sie loszulassen. Es ist dunkel.
Nichtmals der große Monitor, von dem zuvor noch das beißende, grelle Licht ausging, ist zu sehen. Ich kann seichte Schwingungen wahrnehmen. Sich bewegende Impulse, die unsicher und vorsichtig umherirren. Ich runzle die Stirn, da ich zu Beginn der zweiten Etappe nicht in der Lage war überhaupt irgendetwas zu vernehmen. Jetzt die Schwingungen und Impulse zu spüren erscheint mir seltsam. Ich sollte auf jeden Fall vorsichtig sein, denn irgendetwas stimmt hier nicht. Ich suche den Raum systematisch nach General Kalen ab, doch weder von ihm noch von einem der anderen Generäle ist auch nur der Hauch einer Spur zu vernehmen.

„Wo ist General Kalen? Sie sagten doch, er würde hier sein, Sir", richte ich mein Wort an Veros, der sich mittlerweile ein wenig von mir entfernt hat.
„Er und die anderen müssten bereits hier sein. Ich weiß nicht was hier los ist", erklärt er, während ich mir sein schlagendes Herz genauer ansehe. Umgeben von dieser Dunkelheit sind die Umrisse und die davon ausgehenden Impulse deutlich zu erkennen.

Meister Tarik hatte mir vieles beigebracht, doch eines habe ich nie völlig meistern können – die Kunst der grinsenden Schlange. So nannte er die Technik, die es einem ermöglicht, die Lügen der anderen zu entlarven. In der Theorie ist diese Methode eigentlich recht simpel. Das Herz beschleunigt sein Tempo in etwa auf das doppelte wenn ein Mensch lügt. Es ist ein völlig natürlicher, nicht zu kontrollierender Prozess. Jeder Mensch, der nicht völlig frei von Moral und Gewissen handelt, durchläuft diesen Prozess. Menschen, die wie ich, die Impulstechnik beherrschen sind dadurch in der Lage das Beschleunigen des Herzschlags mitanzusehen und somit festzustellen, ob derjenige lügt oder nicht.
Leider beherrsche ich diese Technik nicht zu hundert Prozent. Es fällt mir schwer die Art der Beschleunigung einzuordnen. Ein allgemein hoher Blutdruck, vorangegangene Anstrengungen oder die gegebenen Umstände spielen hierbei eine entscheidende Rolle, die man nicht außer Acht lassen darf. Diese Vielzahl an zu beachtenden Faktoren bringt mich jedes Mal durcheinander, weshalb ich oftmals daneben liege wenn ich mich an der grinsenden Schlange versuche.

Auch dieses Mal kann ich nicht eindeutig sagen, ob Veros nun lügt oder nicht. Die Teleportation muss anstrengend gewesen sein, was seinen Puls natürlicherweise in die Höhe schnellen ließ. Andererseits ist die Situation, in der wir uns befinden, sicherlich auch nicht gerade beruhigend. Auch für ihn nicht.
Keiner weiß so recht, was hier vor sich geht. Es ist also eine schwierige Lage, was sein Herz ebenfalls zum Rasen bringen könnte.
Frustriert verdrehe ich die Augen, da ich einfach keinen klaren Schluss fassen kann und jeglicher weiterer Versuch reine Zeitverschwendung wäre. „Sollten wir nicht nach ihnen suchen?", frage ich nachdenklich und fasse mir dabei ans Kinn.
„In der Tat. Machen sie sich keine Sorgen, Miss. Ich werde mich sofort auf die Suche machen. Bitte bleiben sie hier. Ich könnte es mir nie verzeihen sollte ihnen etwas zustoßen", entgegnet er mir, während er einen Schritt auf mich zu macht.
„Aber, Sir ich-", protestiere ich, werde allerdings von ihm unterbrochen.
„Ganz zu schweigen, wie ich diesen Umstand Alastair erklären sollte..er würde mir vermutlich den Kopf abreißen. Deshalb bitte ich sie darum hier zu warten. Es ist sicherlich nichts Ernstes vorgefallen. Ich kann mir gut vorstellen, dass lediglich die Magieversorgung Probleme macht. Wahrscheinlich sind die Generäle bereits im Wartungsraum und kümmern sich darum", grätscht er dazwischen und schnippt mit den Fingern. Plötzlich erstrahlt eine kleine Leuchtkugel nur wenige Zentimeter über seiner Handfläche. Erstaunt hebe ich die Brauen und sehe ihn schmunzeln.
„Ich werde nachsehen gehen und bin sofort wieder zurück. Ich bin mir sicher, dass auch einige andere Teilnehmer in den Teleportationsraum zurückgefunden haben. Damit sie von ihnen gefunden werden können, lasse ich ihnen eine meiner Lichtkugeln zurück", erklärt er, ehe er erneut mit den Fingern schnippt und mit der anderen Hand nach meiner greift, um sie mit der Handfläche nach oben ausgestreckt zu positionieren.
„Ihrem Ausdruck nach wussten sie nicht, dass ich zur Klasse der Lichtmagier gehöre, liege ich da richtig?", fragt er leise lachend, woraufhin ich stumm nicke. „Nun..ich habe es tatsächlich nie erwähnt, nicht wahr?", fügt er noch immer lachend hinzu, während sich auch über meiner Handfläche ein warmes Licht in Form einer Kugel bildet.

Während ich fasziniert auf die kleine Leuchtkugel blicke entfernt er sich bereits schnellen Schrittes von mir. Auch seine Schwingungen verschwimmen immer mehr und verschmelzen mit denen der anderen Teilnehmer, die hier umherirren müssen. Ich kann nicht wirklich fassen, dass Veros tatsächlich zur Klasse der Lichtmagier zählt. Lichtmagier sind überaus beliebt im Königreich. Sie zählen zu den am meist geschätzten Magiern von allen, da sie bekannt für ihre hilfsbereite und liebenswerte Ader sind. Genaugenommen verkörpert Veros das genaue Gegenteil von Kalen. Kein Wunder, dass die Beiden sich so in den Haaren liegen. Unterschiedlicher kann man eigentlich nicht sein. Sie sind, im wahrsten Sinne des Wortes, wie Tag und Nacht.

Kopfschüttelnd beginne ich damit mich mithilfe der Lichtkugel umzusehen und nach anderen Teilnehmern zu suchen. Ich habe trotz der beruhigenden Worte seitens Veros ein ungutes Gefühl, was diese Situation angeht.

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