- Kapitel 22 -

„Nein..das ist nicht wahr!", vernehme ich Elianas Stimme brüchig während ich noch immer in völlige Dunkelheit gehüllt bin. Der Zauber des Psychics währt scheinbar noch immer.
„Du..du hast es nicht verdient zu siegen..du hast es nicht verdient! Ich sollte an dieser Stelle stehen! Ich..sollte dem Namen Akela Ehre bringen und nicht du!", zischt sie in einem Tonfall, den ich noch nie zuvor von ihr gehört hatte. Sie ist sauer, wahnsinnig sauer. Hastig richte ich mich auf und gehe in die Verteidigungsposition.

„Ich werde..", brüllt sie energisch und bündelt ihre Energie für einen weiteren Blitzhagelangriff. Ihr Zepter gibt eindeutige Schwingungen ab, die mir ganz und gar nicht gefallen. Meine werte Schwester war schon immer sehr explosiv, doch so wütend und aufgebracht, wie momentan, habe ich sie noch nie erlebt. Ich sollte mich auf alles gefasst machen. Ich bin nicht so weit gekommen nur um jetzt von jemandem, wie ihr, aus dem Spiel genommen zu werden – blind oder nicht.

Mit entschlossenem Gesichtsausdruck sehe ich ihr entgegen und schiebe meine Brauen zusammen.
„Ich werde dich-", entkommt es ihr nun schrill, wird jedoch abrupt unterbrochen.
„Sie werden überhaupt nichts, wertes Fräulein", erklingt eine mir unbekannte Stimme, die ich nicht zuordnen kann. Fieberhaft denke ich darüber nach wem diese äußerst angenehme Stimme wohl gehört, während scharfes Lufteinziehen meiner Schwester zu vernehmen ist.
„G-General..Alastair Kalen..sie?..", stammelt sie perplex ehe sich ihre Stimme zu einem leisen und undefinierbaren Hauchen verwandelt.
„Das einzige, was sie tun werden, ist sich in ihren jeweiligen Wartebereich zurück zu teleportieren, sobald das Siegelportal frei ist", fährt die tiefe und gleichzeitig melodische Stimme des Generals fort. Mir hingegen klappt der Mund auf während meine Augen sich weiten. Habe ich richtig gehört?
General Alastair Kalen?
Die sagenhafte Nummer Zwei, der großen Zwölf, steht momentan leibhaftig vor mir? Wenn das wirklich stimmen sollte, bedeutet dies dann dass..

„Aber Sir..hier liegt ein Fehler vor!", haspelt Eliana mit neugefundenem Selbstbewusstsein. „Dieses Mädchen dort hat nicht das Zeug dazu, als Siegerin anerkannt zu werden! Sie ist blind..sie-sie ist nicht würdig-", wettert meine Schwester zornig woraufhin er sie erneut unterbricht.
„Ach nein? Sie mag blind sein, doch soweit ich das mitansehen konnte, hat Miss Ember Akela ganz klar und deutlich den Sieg errungen. Folglich hat sie die erste Etappe für sich entschieden", entgegnet er ihr gezwungen freundlich, jedoch vernehme ich einen scharfen Unterton, der leise mitschwingt. „Wenn sie uns nun also entschuldigen würden..wir haben noch einen offiziellen Bindungsprozess zu vollziehen und ich wünsche keinerlei weitere Störungen. Erst recht nicht wenn sich die Angriffe gegen meinen Schützling richten. Habe ich mich klar ausgedrückt?", fügt er bestimmend hinzu woraufhin Eliana erneut die Luft einzieht bevor sie einen erschrockenen Laut von sich gibt.

Augenblicklich verspüre ich eine starke magische Barriere, die sich um mich herum aufbaut. Plötzlich vernehme ich keinerlei Schwingungen mehr, die über den Bereich der Barriere hinausgehen. Auch die Geräusche verstummen. Kein Wind mehr, der leise an meinen Ohren vorbeizieht, keine vor Wut zeternde oder vor Schreck schwer atmende Eliana mehr. Alles was ich nun vernehme sind die gleichmäßigen Atemzüge des Generals, der sich nun allmählich auf mich zubewegt.
Angespannt weiche ich ein Stück zurück und weiß nicht so recht, wie ich mich verhalten soll. Ich bin überwältigt von der Situation und kann keinen klaren Gedanken fassen. Ob es an der Erschöpfung, dem Adrenalin, welches durch meine Adern fließt oder der Tatsache, dass General Alastair Kalen vor mir steht, liegt kann ich nicht sagen. Ich glaube, dass alles davon eine Rolle spielt.

„Bitte verzeih meine Unhöflichkeit, Ember. Ich bin zwar kein Freund der überspitzten Höflichkeiten, doch ich bin leider noch überhaupt nicht dazu gekommen mich ordnungsgemäß vorzustellen", meint er freundlich und hat dabei ein Lächeln auf den Lippen, das ist deutlich herauszuhören. „Mein Name ist Alastair Kalen und ich werde von nun an dein treuer Begleiter sein, sofern du den Bund akzeptierst", fährt er fort und schnippt nebenbei mit den Fingern. Die Welt nimmt wieder Farbe an und Bilder meiner Umgebung zeichnen sich vor meinen Augen ab. „Bitte sei unbesorgt. Die magische Barriere des Siegels hält die neugierigen Blicke der Gaffer ab. Es ist weder sichtbar, noch hörbar, was sich im inneren dieses Kreises abspielt. Wir können unser Gespräch also völlig frei führen", erklärt er mit einem Räuspern, ehe er seine Lippen zu einem schelmischen Grinsen verzieht.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich General Kalen zu Gesicht bekomme, doch seit einigen Jahren ist es still um ihn geworden. Seine herausragenden Leistungen innerhalb des schwarzen Rings haben durchaus die Runde gemacht, doch ansonsten ist nahezu nichts anderes über ihn bekannt. Das Einzige, was man sicher weiß ist, dass seine Eltern vor einigen Jahren wohl verstorben sind und er es bevorzugt allein zu leben. Es ist bekannt, dass er noch einen Bruder hat, doch dieser wurde nach einem tragischen Unfall in einer Pflegeeinrichtung untergebracht und seither nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehenen oder erwähnt.

Ich habe ihn des Öfteren auf den großen Übertragungsmonitoren im Hintergrund stehen sehen, während General Sekurion einige Ankündigungen betreffend der derzeitigen Sicherheitsgefährdungen preisgab, doch es ist das erste Mal, dass ich seine Stimme höre. Seine pechschwarzen Haare wirken in dem seltsamen Licht des Siegels noch dunkler, die Gesichtszüge sind feiner, als sie auf den Monitoren zu sehen waren, weshalb er deutlich jünger erscheint, als ich anfangs schätzte und die Intensität seines Blicks ist wahrlich durchdringend. Es ist unverkennbar, dass ihn eine ganz eigene, düstere Aura umgibt, welche auch sein charmantes Lächeln nicht verbergen kann.

Überrumpelt von seinem unerwartet guten Aussehen bringe ich kein Wort heraus. Es ist nicht so, dass ich ihn vor dieser Begegnung nicht auch bereits als einen sehr schönen Mann eingestuft hätte, doch ihn tatsächlich vor sich stehen zu sehen ist noch einmal etwas völlig anderes.

„Du siehst überfordert aus", merkt er schmunzelnd an, woraufhin ich meinen abschweifenden Blick wieder auf ihn richte. „Hast du dir etwa jemand anderen erhofft?", fügt er provokant neckend hinzu und hebt dabei neugierig eine Braue. Seine Hände hat er mittlerweile hinter seinem Rücken verschränkt, doch wenn mich nicht alles täuscht habe ich schwarze Handschuhe gesehen, bevor er sie aus meinem Sichtfeld nahm. Erschrocken über seine unverschämt direkte Frage schüttle ich hastig den Kopf.
„N-Nein, Sir! Ich..hatte nur nicht einmal zu träumen gewagt von ihnen auserwählt zu werden", erkläre ich mein Verhalten und verneige mich respektvoll vor ihm, da er zu einem der mächtigsten Magier des Königreichs zählt.

Wie könnte ich über sein Erscheinen enttäuscht sein? Ich habe nicht einmal die Hoffnung geschürt überhaupt einen der zwölf Generäle von mir überzeugen zu können und nun steht die Nummer Zwei des schwarzen Rings vor mir. Seit Jahren hat ihn keiner mehr als Bindungspartner beim Duell der magischen Künste gesehen. Man erzählte sich sogar schon die wildesten Gerüchte. Niemals hatte ich damit gerechnet am Ende der ersten Etappe ausgerechnet auf ihn zu treffen. Ich hielt es sogar für wahrscheinlicher General Sekurion hier anzutreffen bevor ich es auch nur in Erwägung gezogen hätte an seinen Namen zu denken.
„Nun, wenn dem so ist bin ich höchst erfreut deine Erwartungen sogar übertroffen zu haben", entgegnet er mir leise lachend, schließt dabei die Augen und senkt den Kopf etwas. „Kommen wir nun zum offiziellen Part", meint er und fixiert mich erneut mit seinem durchdringenden Blick. „Ich denke es ist unnötig mich zu wiederholen, weshalb ich gleich zum Punkt komme. Akzeptierst du mich als deinen Begleiter?", stellt er mir erneut sehr direkt die Frage woraufhin ich erst einmal aufgeregt schlucke. Er scheint wohl nicht viel Zeit mit Worten zu verschwenden. Überrumpelt nicke ich und verbeuge mich erneut.
„Natürlich akzeptiere ich", füge ich sicherheitshalber hinzu und ernte ein zufriedenes Grinsen seinerseits. „Sehr gut, dann wären wir schon beinahe am Ende angelangt..doch zuvor will ich dir noch eine Frage stellen, wenn du erlaubst", entgegnet er mir woraufhin ich mich unweigerlich anspanne und den Blick anhebe. „Und ich möchte, dass du mir ehrlich antwortest", fügt er in demselben freundlichen Tonfall hinzu, doch seltsamerweise schwingt ein Hauch von Schalk mit. Verwirrt runzle ich die Stirn, nicke jedoch tonlos.
„Sag, Ember..bist du wirklich blind?", spricht er seine Frage langsam aus. Ich kann kein Misstrauen in seiner Stimmlage erkennen. Auch sein Puls schlägt ruhig und gleichmäßig. Er scheint absolut keine Hintergedanken zu haben oder er ist ein wahrer Meister darin seine Gedanken und Empfindungen verborgen zu halten.
„Ja, Sir, ich bin wirklich blind", beantworte ich die Frage ehrlich, wie verlangt, und ziehe mir die Brille von der Nase. Mit ergrauten Pupillen starre ich ihm entgegen und achte peinlichst genau auf seinen Puls, frage mich, ob er sich erhöhen wird oder nicht.

Eine kurze Phase der Stille kehrt ein ehe er sie bricht.
„In Ordnung", entgegnet er nachdenklich ehe ich mich nervös aufrichte.
„Wieso haben sie danach gefragt, Sir? Während der Anmeldung musste ich angeben, dass ich blind bin", stelle ich ihm die Gegenfrage und setze Agira erneut auf seinen alten Platz, um seine Reaktionen besser beurteilen zu können.
„Natürlich, dessen bin ich mir bewusst..ich wollte nur sichergehen, ob ich mit meiner Theorie richtig liege", meint er lächelnd und neigt den Kopf dabei etwas. Perplex öffnet sich mein Mund einen Spalt weit während ich ihn mustere.
„Ihre..Theorie?", wiederhole ich leise, woraufhin er mir einen wissenden Blick zuwirft.
„Du beherrscht die Impulstechnik, nicht wahr?", entgegnet er mir grinsend woraufhin sich meine Augen weiten. Er hat mich durchschaut, zweifelsohne. „Du musst darauf nicht antworten, schließlich war lediglich eine Frage vereinbart", schiebt er ruhig hinterher, als ich ihn für mehrere Sekunden anstarre ohne etwas zu sagen. Ich schüttle meinen Kopf, um mich aus meiner Starre zu lösen und seufze ergeben, da ich keine andere Möglichkeit sehe mich aus dieser Situation schlängeln zu können.
„Nein, ist schon in Ordnung. Sie haben mich erwischt. Es ist wahr. Ich habe das Lesen der Schwingungen erlernt", gestehe ich, behalte die Tatsache, dass ich durch mein Artefakt wahrhaftig sehen kann allerdings für mich. Meister Tarik hatte mir zur Genüge eingebläut, dass ich vorsichtig sein soll. Selbst wenn sich General Kalen für mich entschieden hat, so hege ich ein grundlegendes Misstrauen, welches sich selbstverständlich nicht gegen ihn persönlich richtet. Ich bevorzuge es einfach die Überhand zu behalten.

„Ich bin äußerst beeindruckt, da diese Technik sehr schwer zu meistern ist. Zumal sie ohnehin nur noch wenige Anhänger vorzuweisen hat. Dein Lehrmeister muss ein weiser Mann sein", lobt er, woraufhin mein Herz einen Satz macht.
„Keine Sorge, ich werde dein kleines Geheimnis für mich behalten. Schließlich stehe ich ab sofort auf deiner Seite", meint er und kommt dabei weiter auf mich zu.

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