- Kapitel 2 -
Fein und adrett zurecht gemacht, wie immer, sitze ich bekleidet mit einem dieser dümmlich aussehenden Rüschenkleidern am Tisch in meinem Zimmer und höre die leisen und eiligen Schritte des Dienstmädchens, welches dafür zuständig ist, die notwendigsten Dinge in meiner Reisetasche zu verstauen. Ich spüre die Anwesenheit meiner Eltern, die besorgt dabei zusehen, wie nach und nach ein Teil nach dem anderen in der Tasche verschwindet.
„Schätzchen willst du wirklich am Duell der magischen Künste teilnehmen? Dein Vater und ich wissen, dass du starke Fähigkeiten besitzt, jedoch musst du das doch niemandem beweisen. Du hast sogar das offizielle Verschonungszertifikat erhalten! Es hat deinen Vater eine Menge Beziehungen gekostet, um es vom königlichen Rat persönlich zu bekommen!", startet Mutter einen letzten Versuch mich von meiner Entscheidung abzubringen. Einfach unfassbar.
„Deine Mutter hat recht mein Engel. Dadurch, dass deine Schwester antritt ist es dir, unter den gegebenen Umständen deiner Situation, erlaubt das Duell abzulehnen - ohne, dass unser Ansehen dadurch gesellschaftlichen Schaden nimmt. Sei doch vernünftig und bleib zu Hause. Was wenn dir etwas zustößt? Dort bist du ganz auf dich allein gestellt. Nicht einmal deine Schwester darf dir unter die Arme greifen, das ist dir doch bewusst", pflichtet Vater ihr bei während ernsthafte Sorge in seinem Tonfall mitschwingt.
„Master, wenn ihr erlaubt würde ich gern frei zu euch sprechen dürfen", meldet sich nun der einzige Mensch in diesem Haus, der mich versteht und mir etwas bedeutet. „Ich halte Lady Embers Vorhaben ebenfalls nicht für ungefährlich, doch wenn es ihr sehnsüchtiger Wunsch ist sollten wir ihr nicht im Wege stehen. Sie scheint genügend Vertrauen in sich und ihre magischen Kräfte zu haben also sollten wir das ebenfalls tun, findet ihr nicht?", meint er und schubst meine Eltern somit geschickt und galant in die richtige Richtung. Ein kleines Grinsen legt sich auf meine Lippen, da ich wieder einmal beeindruckt von Meister Tariks manipulativen Fähigkeiten bin.
Ein tiefes und ergebenes Seufzen ist zu hören und ich spüre, wie sich meine Mutter in Bewegung setzt. Langsam schreitet sie auf mich zu. „Das letzte, was wir wollen, ist dir im Weg zu stehen mein Liebling. Wir sind nur so besorgt um dich. Ein blindes Mädchen sollte an keinem Duell teilnehmen wenn es die Wahl hat abzulehnen. Weißt du überhaupt was da alles auf dich zukommt?", entkommt es ihr verzweifelt.
„Dort wird dir nichts geschenkt Ember. All der Komfort und all die Fürsorge, welche du hier Tag für Tag genießen darfst werden dir dort nicht entgegen kommen. Das Duell der magischen Künste ist kein Kinderspiel und selbst für erfahrene und starke Magier sehr anspruchsvoll und gefährlich", erklärt Vater mir all die Dinge, die ich bereits seit Jahren weiß.
„Ganz zu schweigen davon wenn du keinen der zwölf Generäle auf deiner Seite stehen hast! Kind, ich bitte dich bleib zu Hause! Ist dir nicht klar, dass du deine Zauberkräfte verlieren könntest?!", bettelt Mutter nun den Tränen nahe. Vermutlich laufen ihr schon einige Tropfen über das Gesicht.
Es ist nicht so, dass ich ihnen nicht recht gebe. Mit allem, was sie eben aufführten haben sie absolut ins Schwarze getroffen. Familien adeliger Herkunft sind gesellschaftlich gezwungen am Duell teilzunehmen. Sie würden den Respekt und ihr Ansehen verlieren sollten sie es ablehnen, doch es gibt einige andere Gründe für mich an diesem Duell teilzunehmen, von denen meine Eltern nichts wissen. Um ehrlich zu sein wissen sie eigentlich überhaupt nichts.
Meine sogenannte Schwester, Eliana, ist mir bereits seit Kindertagen nicht sonderlich wohlgesonnen. Auch die anderen Kinder der restlichen Adelsfamilien hielten schon immer eine gewisse Distanz zu mir. Ich schob es anfangs auf meine Blindheit und darauf, dass man mit mir eben nicht so spielen konnte, wie man es mit Eliana konnte, doch je älter wir wurden, desto klarer wurde mir, dass es nicht einzig und allein daran lag.
Als ich schließlich vor zwei Jahren mein Artefakt verliehen bekam, bekam ich neben der Offenbarung meiner Magierklasse auch die Gabe zu sehen trotz Blindheit. Ich bemerkte, wie die anderen mich mit Abneigung, Missgunst oder Mitleid beäugten. Was auch immer ich getan hatte, was auch immer der Grund dafür sein mochte, es ist mir heute völlig egal. Ich habe gelernt auf eigenen Beinen zu stehen und mich um mich selbst kümmern zu können. Das alles habe ich Meister Tarik zu verdanken, meinem Lehrmeister, der mir bereits seit Kindertagen zur Seite steht und mich alles lehrt, was ich wissen und können muss, um zum einen, allein in dieser grausamen Welt klarzukommen und zum anderen, das Duell der magischen Künste für mich zu entscheiden.
Ich schiebe Agira demonstrativ weiter meinen Nasenrücken hinauf und sehe durch seine verdunkelten Gläser. Um mein Geheimnis zu wahren habe ich Agira seit jeher immer befohlen seine Gläser zu verdunkeln, da man ansonsten meine Augenfarbe erkennen kann. Schließlich darf noch niemand wissen, dass ich sehen kann. Auch Meister Tarik hält, mit Absicht unterschätzt zu werden, für die cleverste Strategie.
„Ich verstehe eure Sorge sehr gut, doch meine Entscheidung ist gefallen. Ich werde am Duell der magischen Künste teilnehmen. Ich habe magische Kräfte sowie ein Artefakt, somit erfülle ich alle Zulassungsbedingungen, oder etwa nicht? Wieso sollte ich dann also nicht teilnehmen?", richte ich meine Frage an meine Eltern und sehe aus dem Augenwinkel, wie Eliana an meinem Zimmer vorbeischreitet und plötzlich stoppt.
„Wieso nicht? Das kann ich dir verraten Schwesterchen. Weil du gnadenlos versagen, wenn nicht sogar sterben würdest. Willst du uns das wirklich antun? Willst du wirklich, dass wir deinen leblosen und toten Körper in einem Sarg beerdigen müssen?", redet sie mir ein schlechtes Gewissen ein und gibt vor unseren Eltern, die mitfühlende und besorgte große Schwester, doch dieses Spiel habe ich schon lange durchschaut.
„Ich bin gerührt von deiner Sorge um mich, Eliana, doch genau dasselbe könnte auch dir passieren. Nichts und niemand ist gefeit in diesem Duell, dessen solltest auch du dir bewusst werden", kontere ich ruhig und sehe, wie sie ihre Augen verdreht.
„Du vergisst, dass ich zumindest sehen kann wenn mich jemand, oder etwas angreift. Was machst du wenn du auf einen Luftmagier triffst? Dieser kann dich aus meterweiter Entfernung und von oben angreifen ohne, dass du merkst, wie dir geschieht", streut sie zusätzlich noch Salz in die Wunde.
Mutter bricht erneut in leisen Schluchzern aus und wirft sich gegen Vaters Brust. „Edward, tu doch etwas! Wir dürfen sie nicht gehen lassen", bettelt sie, doch Vater seufzt nur lang und ausgiebig.
„Es hat keinen Zweck..wir können sie nicht umstimmen und verbieten können wir es ihr auch nicht..sie hat leider völlig recht mit dem, was sie sagte. Sie erfüllt, trotz ihrer Blindheit, alle Bedingungen um zugelassen zu werden und da sie bereits zwanzig Jahre alt ist haben wir leider keine Entscheidungsgewalt mehr Liebling..", erklärt er ihr während eine tiefe Trauer in seinem Tonfall mitschwingt. Die Erkenntnis, dass ich tatsächlich am Duell teilnehmen werde scheint ihn allmählich zu übermannen.
„Nein! Wir dürfen das nicht zulassen! Sie wird sterben!", japst Mutter und wendet sich im nächsten Moment mir zu. „Bitte Ember..du bekommst alles was du willst, ich ermögliche dir alles was du begehrst mein Schätzchen, doch bitte bleibe hier, bleibe am Leben!", fleht sie verzweifelt.
Zugegeben, es bricht mir das Herz sie so zu sehen. Auch Vaters Gesicht war noch nie von solch tiefen Schatten der Frustration geprägt, doch ich kann nicht nachgeben, ich darf nicht einknicken.
„Es tut mir leid, doch ich kann nur auf eine deiner Forderungen klar antworten, und zwar das ich am Leben bleibe. Alles Weitere werde ich mir selbst ermöglichen Mutter", versuche ich so standhaft, wie möglich zu entgegnen und sehe sie zusammensacken.
„Das kann nicht sein..das darf nicht sein..ich verliere mein Kind..mein Kind!", murmelt sie apathisch und wird von Vater behutsam aus dem Zimmer geführt. „Wenn eure Sachen gepackt sind wartet bitte unten in der Eingangshalle. Ich möchte mich noch verabschieden..eure Mutter wird womöglich nicht in der Verfassung dazu sein..doch ich bin mir sicher, dass auch sie euch beiden Glück wünscht", richtet er sein Wort an Eliana und mich ehe er das Zimmer mit meiner völlig aufgelösten Mutter verlässt.
„Na super, vielen Dank auch! Ich wollte mich ordentlich von Mutter und Vater verabschieden. Sieh dir an was du wieder einmal angerichtet hast!", pöbelt Eliana mich mit verschränkten Armen an und verlässt ebenfalls mein Zimmer.
Meister Tarik und das Dienstmädchen, welches noch immer mit meiner Reisetasche beschäftigt ist, sind die einzigen, die sich noch mit mir im Raum befinden. Er schließt leise die Tür und kommt bedächtig auf mich zu. Seine Arme sind leicht ausgestreckt ehe er mich in eine Umarmung zieht. „Ich weiß, dass war hart..aber wenn es wirklich dein Wunsch ist am Duell teilzunehmen, dann lass dich auch von nichts und niemandem abhalten. Du bist stark und hast die letzten Jahre über hart dafür trainiert. Ich weiß, dass du das schaffen kannst. Mit Agira an deiner Seite wirst du nie im Dunkeln wandern, vertraue auf ihn und auf deine Fähigkeiten", redet er beruhigend auf mich ein und streicht mir behutsam über den Rücken. „Danke..Meister Tarik", bringe ich leise hervor, da mir allmählich bewusst wird, dass ich nicht nur meine Eltern sondern auch ihn hier zurücklasse sobald ich mich auf den Weg in die königliche Hauptstadt Adrastos mache.
„Nun zieh nicht so ein Gesicht. Das ist schließlich kein Abschied für immer. Du wirst zurückkommen und ich werde stolz auf dich sein, ganz egal wie das Ergebnis letztendlich ausfallen wird", schmunzelt er und sieht dabei sanft auf mich herab.
„Was wenn ich wirklich keinen der Generäle auf meine Seite ziehen kann? Ich meine..selbst wenn ich eine Etappe für mich entscheiden kann, heißt das nicht, dass der General, der sich für mich entscheidet mich auch wirklich betreuen will..es ist schließlich die Pflicht der Generäle den Etappensieger einem von ihnen zuzuteilen", äußere ich meine Sorge, die mich bereits seit gestern Nacht plagt. Meister Tarik hingegen schüttelt nur lächelnd den Kopf.
„Wenn du zeigst, was in dir steckt und die Generäle dein enormes Potential erkennen werden sie sich darum streiten an deiner Seite stehen zu dürfen", versichert er mir und schlägt mir dabei spielerisch gegen die Schulter, doch ich weiche seinem Schlag geschickt aus.
„Zu langsam", trieze ich schnippisch und ernte ein verlegenes Grinsen seinerseits.
„Was sagt man dazu..der Schüler übertrumpft den Lehrer..ein eindeutigeres Zeichen dafür, dass du bereit bist gibt es womöglich nicht"
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