- Kapitel 19 -

Schwer atmend wische ich mir das Blut, welches aus meinem Mundwinkel tropft mit meinem Handrücken ab und sehe starr nach vorn. Wie erwartet entdecke ich Kairyan, der sich gerade über den Copycatmagier beugt. Hastig lasse ich meinen Blick weiter gleiten und suche nach dem dritten Gruppenmitglied.

„Ach Emberlein..wieso konntest du nicht einfach dort bleiben, wo ich dich zurückgelassen habe? Jetzt wird es ungemütlich für beide von uns..ich möchte dir eigentlich nicht wehtun, weißt du?", lenken Kairyans Worte meine Aufmerksamkeit auf sich. Er sieht genervt zur Seite und hat dabei eine Hand in die Hüfte gestemmt.
„Achja? Inwiefern? Du und deine neuen Freunde habt versagt. Was habt ihr denn jetzt noch groß aufzuweisen?", provoziere ich grinsend und bringe mich in Kampfposition. Ich kann sehen, dass er bereits einige Kämpfe hinter sich hat. Sein Schlüsselbein weist mehrere Blessuren auf und auch sein Gesicht hat einige Kratzer abbekommen. Sein Blick wird ernst und er schiebt angestachelt seine Brauen zusammen, lässt sich nicht anmerken, wie erschöpft er tatsächlich ist.
„Du bist wirklich ziemlich mutig, das muss man dir lassen..", entgegnet er mir mit einem halben Schmunzeln. „..aber du wirst dich noch wundern", fährt er fort und sprintet auf mich zu. Die Schwingungen seiner Schritte sind so klar und deutlich zu vernehmen, dass ich ihn sogar ohne Agira auf meiner Nase problemlos erledigen könnte.

Kairyan springt nach oben und dreht seinen Körper um einige Grad während er sein Bein ausstreckt. Grinsend weiche ich seinem Tritt mit einem leichten Ausfallschritt aus und verpasse ihm noch im Vorbeiflug einen Schlag in die Magengrube. Er fällt auf den Boden und hält sich zischend die schmerzende Stelle, ehe er sich bereits wieder taumelnd aufrichtet. Im Normalfall hätte er sich wohl nicht so waghalsig auf mich gestürzt, doch da er denkt ich sei blind und würde ihn ohnehin nicht kommen sehen vernachlässigt er seine Deckung zu stark. Ohne zu zögern gehe ich nun von der Defensive in den offenen Angriff über. Es ist riskant, da meine Vitalpunkte bei solch einem Manöver ungeschützt sind, doch ich habe nicht vor ihn soweit vordringen zu lassen, dass er die Möglichkeit für einen Gegenangriff hat. Anders, als er, unterschätze ich meine Gegner nämlich nicht. Ich gehe lediglich kalkulierte Risiken ein.

Geschickt bringe ich meinen Körper in seine Nähe und hole mit meiner Faust aus. Ich treffe ihn auf Höhe des Brustbeines und vernehme ersticktes Hüsteln seinerseits. Das reicht mir allerdings noch nicht. Er muss den Preis seiner Unverschämtheit zahlen. Sie alle sollen für die Dreistigkeit meinen Lehrmeister so missbraucht zu haben bezahlen.
Ich gönne ihm keine Pause und gehe sofort zu meinem nächsten Angriff über und packe ihn an den herabhängenden Schultern. Fest umklammert ziehe ich seinen Oberkörper zu mir und hebe mein Bein an. Im angewinkelten Zustand trifft es mit voller Wucht auf Kairyans Gesicht und lässt augenblicklich Blut aus seiner Nase quillen. Wie ein nasser Sack fällt er auf die Knie und hält sich mit schmerzverzehrtem Gesicht den Kopf.
„Du..scheiße Emberlein..das habe ich nicht erwartet", bringt er gequält hervor und spuckt ein paar Blutstopfen aus, während ich hinter mir laute Schritte vernehme. Sie bewegen sich allerdings, anders als erwartet, nicht auf mich zu sondern von mir weg.

„Da hast du dir aber tolle Freunde gemacht", spotte ich derweil während von ihm noch immer ein leises Röcheln zu hören ist.
„Dieser Dreckssack..", spuckt Kairyan und sieht ihm zornig entgegen. „Was ist mit unserer Abmachung?!", brüllt er ihm hinterher, während der Psychic sich grinsend umdreht und uns zuwinkt. „Während ihr euch die Birne einschlagt hole ich mir den Etappensieg! Bis später ihr Hohlköpfe!", ruft er triumphal und sprintet eilig nach vorn.
„Hey Ember..", richtet Kairyan sein Wort an mich woraufhin ich zu ihm hinunter schiele. „..hol dir diesen Schwachmaten", meint er und sieht grinsend zu mir auf. Er hat sein Limit wohl erreicht. Der Kampf mit mir war zwar nicht sonderlich lang, doch er musste zuvor bereits zu viel einstecken.

Mit gehobenem Mundwinkel nicke ich ihm zu ehe ich mich bereits auf den Weg mache.
„Den Gefallen tue ich dir gern", sage ich zu mir selbst, während ich immer weiter zu ihm aufschließe. Der miese Kerl ist schnell. Seine drahtige Statur bietet ihm beim Davonlaufen wirklich einen enormen Vorteil. Dennoch möchte ich nicht mit ihm tauschen. Wer würde schon gern fürs Wegrennen bekannt sein wollen?

Der Feigling wirft einen Blick über seine Schulter und beschleunigt sein Tempo noch weiter.
„Mach dir keine Hoffnungen! Ich weiß von deinem kleinen Geheimnis. Denkst du wirklich du hättest eine Chance gegen mich?", ruft er mir verhöhnend zu, was mich wirklich wütend werden lässt. Auch ich lege noch einen Gang zu und lasse ihn dabei keine Sekunde aus den Augen. Plötzlich beginnt er ohne ersichtlichen Grund zu taumeln. Dabei fasst er sich schreiend an den Kopf und sinkt im nächsten Moment zu Boden.
„Mach, dass es aufhört!", schreit er unentwegt woraufhin ich stutzig mein Tempo drossle. „Es soll aufhören! Mach, dass es aufhört!", brüllt er, wie ein Geisteskranker und wirft seinen Kopf in den Nacken. Misstrauisch bleibe ich stehen und beobachte die Lage eine Weile bis ich mich in der Gegend umsehe. Irgendetwas oder irgendjemand greift ihn gerade an, doch ich kann nicht sagen wer oder was es ist.

Sicherheitshalber gehe ich in die Hocke und mache mich so klein, wie möglich. Nebenbei analysiere ich die umliegenden Schwingungen, die mich erreichen und versuche die gequälten Schreie auszublenden. Ich schließe meine Augen und lasse das Areal vor meinem geistigen Auge erscheinen. Der Psychic, der wenige Meter vor mir zusammengebrochen ist, erscheint als schwammiges Objekt mit Herzschlag. Ich lasse meinen geistigen Blick noch weiter schweifen, in der Hoffnung die Ursache für die sich abspielende Szene ausfindig zu machen.

Ich vernehme ein großes Hindernis unweit von uns entfernt. Dahinter befindet sich ein weiteres verschwommenes Objekt – mit einem Herzschlag. „Hab ich dich..", murmle ich zufrieden und öffne meine Augen wieder. Ein Felsbrocken aus Stein, der mir glatt entgangen wäre hätte ich mich nicht darauf konzentriert, bietet dem Angreifer perfekten Sichtschutz. Gerade als ich lossprinten will erhebt sich der Psychic und schüttelt verzweifelt den Kopf. „Nein! Ich kann das einfach nicht mehr!", brüllt er heiser und rennt im nächsten Moment blindlings gegen die magische Barriere rechts von ihm. Mit offenem Mund starre ich ihm hinterher und werde Zeuge dabei, wie er seinen Kopf mehrfach dagegen schlägt. Die dumpfen Klänge ergeben schwache Schwingungen, bis es schließlich still wird. Er sackt zu Boden und fällt mit blutender Stirn nach hinten.

Mit erhobenen Brauen verarbeite ich, was gerade passiert ist und versuche eine Erklärung dafür zu finden. Was für ein Angriff war das nur, dass es ihn so durchdrehen lassen hat? Schnell überschlage ich einige Theorien in meinem Kopf. Der Angriff richtete sich nicht gegen seinen Körper, der hätte sichtbare Schäden hinterlassen. Das heißt es kann nur psychischer Natur sein. Noch ein Psychic vielleicht?

Das Raten nimmt ein jähes Ende, als die Welt vor meinen Augen plötzlich dunkel wird. Alles ist in tiefes Schwarz getaucht, fast so, als hätte jemand den Lichtschalter ausgeknipst. Ich blinzle mehrfach, ziehe mir die Brille von der Nase nur um sie kurzdarauf wieder aufzusetzen. Irgendetwas stimmt hier nicht. Hat es etwas mit meinem Artefakt zu tun? Hat es etwas mit meinen Augen zu tun? Oder könnte es sein das..

„Du bist erstaunlich ruhig..für jemanden, der gerade mit einer seiner schlimmsten Ängste konfrontiert wird", erklingt eine mir unbekannte Stimme aus unweiter Entfernung, was mich aufhorchen lässt. Krampfhaft versuche ich mein geistiges Auge einzusetzen, doch ich vernehme einfach keine Umrisse. Meine Umgebung, die sich sonst immer durch verschwommene, schwammigartige Objekte gezeigt hat bleibt dunkel. Dennoch kann ich die Schwingungen um mich herum deutlich spüren. Ich kann sie nur nicht sehen, was mich allerdings nicht davon abhält einzuschätzen woher sie kommen.

„Ach, ist das so?", frage ich ausdruckslos und begebe mich erneut in Kampfposition.
„Du willst kämpfen? Trotz der gegebenen Umstände?", höre ich ihn lachend fragen woraufhin ich lediglich stumm nicke. Jedes überflüssige Geräusch stört meine Sinneseindrücke weshalb ich sie auf das Minimum reduziere.
„Äußerst kühn von dir, doch ich habe nicht vor auch nur einen Finger zu rühren", meint er daraufhin schmunzelnd und bleibt kurz vor mir stehen. „Was hältst du von einem Deal?", schlägt er nun vor weshalb ich irritiert meine Brauen hebe. „Pass auf, ich erkläre es dir. Es sind nur noch wir beide übrig. Vor uns ist niemand mehr, was bedeutet, dass einer von uns früher oder später auf das Siegel stoßen wird", beginnt er während ich prüfe, ob er die Wahrheit spricht.
Ich kann tatsächlich keinerlei Schwingungen wahrnehmen, was allerdings nicht automatisch heißt, dass er recht hat.
„Woher willst du wissen, dass wir beiden die einzig Übriggebliebenen sind?", stelle ich ihm nun die Frage auf die er mit einem leisen Lachen reagiert. „Nun, weil ich seit Beginn des Duells schon an der Spitze stehe", entgegnet er frech. Ich kann sein süffisantes Grinsen förmlich heraushören. „Also, um auf meinen Deal zurückzukommen..lass uns beide nach dem Siegel suchen und später entscheiden, wer letztlich als Sieger hervorgeht..was meinst du?", bietet er mir äußerst selbstüberzeugt an während ich spottend auflache.
„Und wieso um alles in der Welt solltest du meine Hilfe dabei wollen? Von der Tatsache, dass ich dir nicht vertraue, mal abgesehen", kontere ich und ernte ein gespielt erschöpftes Seufzen.
„Du bist bislang die Einzige, die sich nicht mit meiner Magie stoppen ließ. Deine mentale Widerstandsfähigkeit ist zu groß. Außerdem..sehen vier Augen mehr als zwei, nicht wahr?", meint er frech grinsend woraufhin ich über seine Worte nachdenke.

Wer weiß wie weit das Siegel noch entfernt ist. Das einmal beiseitegeschoben, ist das Areal einfach zu groß, um es vom Boden aus komplett überblicken zu können. Sein Argument ist tatsächlich logisch und sollte er mich eben nicht angelogen haben, scheint seine Magie mir wirklich nichts anhaben zu können. An seiner Stelle würde ich meinem Kontrahenten ebenfalls solch ein Angebot unterbreiten. Ganz nach dem Motto
Kannst du deinen Gegner nicht besiegen, werde sein Freund

Die Frage ist nur, wie er am Ende gewinnen möchte. Ich bin mir sicher, dass er noch ein Ass im Ärmel hat, doch ich beschließe dieses Risiko einzugehen.

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