15

»Du hast mit diesen Typen gepokert! Ich gehe mal davon aus, dass du schlau genug warst, nicht deinen richtigen Namen zu verwenden! Wolltest du ernsthaft abwarten, bis die restliche La Familia eintrudelt?« Eve redete sich richtig in Fahrt. ›Scheiße, Scheiße, Scheiße‹, jammerte dagegen ihre innere Stimme. Das Taxi, mit welchem sie diesmal fuhren, bog in eine der Boulevard-Meilen ein. Mit den letzten heimkehrenden Nachtschwärmern mischten sie sich unter den erwachenden morgendlichen Berufsverkehr. »Hey!«, brüllte sie den Fahrer an. »Den Umweg können Sie sich sparen! Links runter und an der zweiten Ampel nochmal links.«

Chris schwieg eisern, seit sie den Club überstürzt verlassen hatten. Durch den Nebeneingang huschten sie in U's Wohnung. Am Himmel zeigten sich erste Sonnenstrahlen, doch in Eve legte sich tiefste Finsternis auf ihr Gemüt. Wie sollte sie das noch fünf Tage durchstehen?

In dem kleinen Gästezimmer konnten sie sich nicht aus dem Weg gehen. Der Groll, der in Chris brodelte, war ihm deutlich anzumerken. Die Präsenz dieses Mannes war so schon überwältigend, jetzt erdrückte sie Eve regelrecht.

Er kickte sich die Schuhe von den Füßen und pfiff die Lederjacke über einen Stuhl. Unschlüssig lief Eve zum Bett und zog sich die Perücke vom Kopf.

»Willst du mich jetzt mit Schweigen bestrafen? Ich weiß wirklich nicht, wer dieser Typ war.« Als sie sich umwandte, stand Chris direkt hinter ihr, die schwere Pistole lässig in seiner Hand neben dem Oberschenkel baumelnd. Eve wurde blass und plumpste erschrocken rückwärts auf die Matratze. Er trat auf sie zu, entsicherte die Waffe und drückte sie ihr in die zitternden Hände. Dann ging er vor ihr auf die Knie, fasste nach dem Lauf und richtete ihn auf seine eigene Brust.

»Ich habe keine Lust darauf zu warten, im Schlaf wieder eins über den Schädel zu kriegen. Also, wenn du mich loswerden willst, dann erledige das jetzt! Du musst nur abdrücken. Ich bin mir sicher, U hilft dir, meine Überreste zu Barbeque zu verarbeiten.«

»Was?«, hauchte Eve, unfähig sich zu rühren. Das Gewicht der Glock zog ihre Hände nach unten.

»Höher.« Gelassen korrigierte Chris die Ausrichtung der Waffe. »Du musst auf die Brust zielen, dann triffst du mit Sicherheit etwas Wichtiges.«

Eve konnte keinen klaren Gedanken fassen. ›Scheiße, Scheiße, Scheiße‹, dröhnte der Monolog ihres Gewissens in ihrem Kopf. Ihre innere Stimme war auch schon fantasiereicher gewesen. Vollkommen ruhig kniete Chris vor ihr. Die langen Arme leicht geöffnet, wartete er geduldig darauf, dass sie den Abzug betätigte. Er lieferte sich ihr aus, legte sein Leben in ihre Hände. Eve wagte nicht zu atmen. Jemanden zu erschießen, stand nicht auf ihrer 10-Dinge-die-ich-erleben-will Liste. Im Gegensatz zu ihren eiskalten Händen fühlte sich die Pistole erstaunlich warm an. ›Seine Wärme‹, schoss es ihr durchs Hirn. Chris hatte die Waffe am Körper getragen, an seinem lebendigen, atmenden Körper.

»Du bist ja völlig verrückt!«, flüsterte sie mit belegter Stimme. Wahnsinnige Angst lähmte jeden Muskel in ihr. Was, wenn sie aus Versehen zuckte und dieses Ding in ihrer Hand losging?

Chris ließ diese Gefahr völlig kalt. »Ich bin verrückt? Was willst du von mir Eve? In einem Moment machst du mich an und im nächsten tust du, als wäre ich für dich ein vollkommen Fremder.«

»Nimm sie weg!« Eve bekam keine Luft mehr durch ihren zugeschnürten Hals. »Nimm sie weg und nimm dir das Geld und verschwinde!«

»Che cazzo! Was interessiert mich das Scheiß Geld!«

Keiner von ihnen rührte sich. Eve starrte stumm in sein scharf geschnittenes Gesicht. Chris hatte seine unnahbare Maske fallen lassen und sie konnte den Sturm der Verzweiflung in den düsteren graublauen Wogen seiner Iris toben sehen.

Draußen vor dem Diner hielt ein Lieferfahrzeug. Mit einem lauten Knall schloss sich eine Autotür. Eve ließ die Waffe fallen und schlug sich quieckend die Hände vor die Augen. Nach einigen keuchenden Atemzügen wagte sie es, durch die Finger zu blinzeln. Chris kniete weiterhin mit hängendem Kopf vor ihr, die Waffe lag unbeachtet auf dem weichen Flokatiteppich.

»Ich ziehe das Unglück an wie ein Magnet«, flüsterte sie und legte ihm die Hand an die zuckende Wange. »Ich will nicht, dass du so endest wie ...« Sie sprach den Namen ihres ehemaligen Partners nicht aus, da ihr bewusst wurde, dass sie in den letzten Stunden nicht einen Gedanken an Dennis verschwendet hatte.

* * *

Chris hob den Kopf und blickte in Eves traurige Augen. Diese unergründlichen, tiefen Seen, in denen er jedes Mal völlig hilflos ertrank. Sein innerer Kompass war defekt, die Nadel hatte den Norden verloren und richtete sich nur nach dieser Frau, die ihn vermutlich nach Strich und Faden belog.

Es war ihm egal.

»Du siehst müde aus«, sagte er leise und empfand dasselbe. Was gäbe er darum, diese gähnende Leere verschwinden zu lassen und sich nicht mehr so kaputt zu fühlen. So flatterhaft und zerbrechlich Eve wirkte, sie war alles, was ihm Halt gab. »Versuch, ein bisschen zu schlafen.«

Eve rieb sich über die feuchten Wangen und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Sicher träume ich dann nur total wirres Zeug.«

»Hm, frag mich mal.« Chris begann ihre Stiefel aufzuschnüren. »Wir sind schon ein verkorkstes Pärchen.«

»Sind nicht alle reichen Leute irgendwie verkorkst?« Eve wackelte mit den nackten Zehen und Chris ertappte sich bei der Vorstellung, ihre kleinen Füße zu massieren. »Hast du gar keine Idee, was du mit deinem Anteil anstellen möchtest?«, fragte sie.

»Es gibt Dinge, die kann man nicht mit Geld kaufen.«

»Ja.« Eve ließ sich in die Kissen fallen und starrte die Decke an. »Du musst nicht auf dem Teppich schlafen. Ich verspreche auch, nicht über dich herzufallen.«

Ihre Worte entlockten ihm ein Schmunzeln, aber er würde den Teufel tun, dieses Versprechen ebenfalls abzugeben.

Das Bett war groß genug für zwei erwachsene Menschen. Trotzdem streckte sich Chris am äußersten Rand aus und behielt auch seine Sachen an. Nur zur Vorsicht. »Erzähl mir von deinem Traum. Willst du wieder eine Bar aufmachen?«

Eve rollte sich auf die Seite und er spürte die Bewegung der Matratze. Ihre Finger malten kleine Kreise auf das Laken. Er dachte daran, wie sich diese Finger angefühlt hatten, in seinen Haaren, auf seinen Schultern, auf seiner Brust, genau auf der Stelle über seinem Herzen.

»Ja, das möchte ich wirklich.«

Worum ging es gerade? Ach ja, ihr Traum, nicht seiner, der gerade in nicht jugendfreie Gefilde abdriftete. Chris drehte sich ebenfalls und schaute zu Eve. Aber nicht auf die Finger, die in seinen Gedanken über seinen Körper strichen. Auch nicht auf diese einladend vollen Lippen, oder den verführerisch runden Ansatz ihres Busens, oder den nackten Streifen weicher Haut über dem Bund ihrer Leggings. Stöhnend schloss er die Augen und konzentrierte sich nur auf ihre Stimme.

»Aber ich will nichts hypermodernes. Mir schwebt ein ehrliches, rustikales Ambiente vor. Ein Tresen aus dunklem, abgegriffenem Holz und glänzenden Messingzapfhähnen, die man ständig polieren muss. Eine kleine Speisekarte, ich bin keine so begnadete Köchin. Verbrannte Würstchen, blutige Steaks, einfache Burger mit bescheidenen Beilagen. Dafür eine Getränkekarte, dick wie das Telefonbuch. Mit Biersorten aus der ganzen Welt und guten Spirituosen. Ach ja, und Live-Musik ... hey, hörst du mir überhaupt zu?«

»Jedes Wort«, murmelte Chris. »Mit Salat auf dem Burger kannst du ruhig sehr zurückhaltend sein.« Er beging den Fehler, seine Augen zu öffnen. In ihre zu sehen. Tief Luft zu holen. Eves ganz eigenen Duft einzuatmen.

Wie von selbst hob sich seine Hand. Federleicht berührten seine Fingerspitzen ihre Wangen, die augenblicklich rosig erblühten. Nur ein Kuss, sagte er sich. Nur ein kleiner, unschuldiger Gute-Nacht-Kuss.

Eve empfing ihn mit offenen Armen. Ehe er sich versah, lag er halb auf ihr. Seine Hände entwickelten ein Eigenleben und bekämpften Häkchen, Schnüre, Reißverschlüsse. Sein Mund presste sich auf ihre Lippen und Eve war mit vollem Eifer dabei. Hungrig und fordernd zog sie ihn näher, noch näher und doch nicht nah genug. Ihre Hände fuhren unter sein Shirt und zerrten es voller Ungeduld nach oben. Hilfsbereit erledigte er den Rest, während Eve sich bereits an seinem Hosenbund zu schaffen machte. Begeistert sprang ihr sein erigierter Schwanz entgegen. Oha! Hätte er lieber erwähnen sollen, dass er auf U's Unterwäsche dankend verzichtet hatte?

Eves Augen weiteten sich, dann erhellte ein erwartungsvolles Leuchten ihr Gesicht. Unbewusst leckte sie sich die Lippen. Die Temperatur seines Blutes wechselte von siedend heiß zu atomarer Kernschmelze. Chris war sich darüber im Klaren, dass er mit dem falschen Körperteil dachte, aber hey – sein Hirn war sowieso gerade im Generalstreik.

»Warte!«, keuchte Eve. ›Nein!‹, schrie sein bestes Stück, doch Chris stützte sich auf seine Unterarme und hielt sich gehorsam zurück. Eve hielt die Zügel und wenn sie jetzt die Knarre holte, um ihn doch noch zu erschießen, würde er mit Freuden sterben.

Sie robbte zum Nachttisch und griff nach einer bunten Schachtel. Im Eiltempo machte sie kehrt und er registrierte erfreut, dass sie sich auf dem Rückweg die Leggings samt Höschen von den Beinen strampelte.

»U hat uns da was hingestellt.«

Viel Spaß und seid nicht so laut!, stand auf einem herzförmigen Post-it, das auf der Maxipackung Kondome klebte.

»144 Stück?« Chris grinste. Sein männliches Ego jubelte vor Begeisterung.

»Versprich nichts, was du nicht halten kannst«, säuselte Eve herausfordernd und angelte sich eines der bunten Tütchen. Chris sah ihr zu und sog scharf die Luft ein, als sie seinen pochenden Schaft umfasste und behutsam den Gummi überzog. Sein Herz trommelte gegen seinen Brustkorb, als wolle es hindurchbrechen und ebenfalls in Eves Hände hüpfen.

»Langsam, wir haben Zeit«, murmelte er heiser. Chris legte die Hände um Eves Gesicht und zog sie zu einem langen Kuss an sich. Seine Zunge erforschte ihren Mund, lockte ihre zu einem sinnlichen Tanz. Ihr Atem vermischte sich und sie verschmolzen zu einer untrennbaren Einheit. Seine Hände strichen über ihre heiße Haut, wollten jeden Zentimeter von ihr berühren. Ihre kleinen, festen Brüste passten perfekt in seine Handflächen. Mit dem Daumen umkreiste er ihre Nippel, spürte, wie sie sich unter seinen Fingerspitzen aufrichteten. Eve stöhnte an seinem Mund. Oder stöhnte er an ihrem? Chris wollte mehr von ihr, wollte alles in sich aufnehmen. Ihren Geruch, ihren Geschmack, das Gefühl ihrer seidenweichen Haut. Bedächtig folgte sein Mund der Spur seiner Hände, küsste den hämmernden Puls an ihrem Hals, knabberte an ihrem Schlüsselbein. Vorsichtig sog er die empfindlichen Spitzen ihrer Brüste zwischen seine Lippen, ließ die Zunge um sie kreisen, erst um die eine, dann um die andere. Seine Hand streichelte über ihre Rippen, glitt tiefer, fand die weichen Locken zwischen ihren Beinen. Eve wand sich stöhnend unter ihm, reckte ihm ihr Becken entgegen. Seine Finger teilten ihre Scham und tauchten tief in ihre Spalte. Eve war mehr als bereit. Mit leichtem Druck rieb er über ihre Knospe. Er wollte nichts überstürzen.

Doch Eve hatte andere Pläne. Sie spreitzte weit ihre Schenkel, schlang ihm die Beine um die Hüften und schob ihr feuchtes, heißes Geschlecht an seine harte Erektion. Ihre Hand griff nach seinem zuckenden Schwanz und dirigierte ihn dorthin, wo sie ihn haben wollte. Als nächstes spürte er ihre Enge, den süßen Druck von allen Seiten, der sein Lustgefühl ins unermessliche steigerte. Sie bog den Rücken durch, klammerte sich an seine Schultern und rollte das Becken. Er nahm ihren Rhythmus auf, steigerte das Tempo und penetrierte sie mit harten Stößen. Dabei schob er sie durch die Kissen bis zum Ende des Bettes. Eve keuchte lustvoll und reckte die Arme über den Kopf, um sich an der Umrandung abzustützen. Ihre wippenden Brüste lockten seinen Mund und Chris beugte sich zu ihnen, ohne seine kraftvollen Bewegungen zu unterbrechen.

Er spürte die kommenden Kontraktionen ihres nahenden Orgasmus und war ebenso kurz davor, den erlösenden Punkt zu erreichen. Es würde perfekt sein.

»Sag meinen Namen«, hauchte er atemlos an ihrem Busen. »Sag meinen Namen.« Er wusste selbst nicht, wo das jetzt herkam. Er wusste nur, er wollte eins sein mit ihr. Ein komplettes Wesen und kein umhertreibendes, fehlerhaftes Bruchstück. »Sag meinen Namen, Eve.« Ein Zittern lief durch ihren Körper, doch es war kein befreiender Höhepunkt. Chris roch ihre Tränen, bevor er ihre nassen Augen sah. Der Rausch der Lust verebbte, so hoch wie er eben noch geflogen war, so tief stürzte er zurück in den Abgrund der Verzweiflung.

»Ich weiß ihn nicht.«

Scheiße aber auch. Warum musste sie ausgerechnet jetzt ehrlich zu ihm sein?

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