43. Checkmate!
♪ Don't stop me now - Queen
Niall
Äußerlich total entspannt, doch innerlich aufgewühlt bis zum Letzten, studierte ich den Gesichtsausdruck des Mafioso, welcher eine Mischung aus Wut, Empörung, Erstaunen und gleichzeitig Unsicherheit darstellte. Ich war in sein Haus eingedrungen, dessen Eingang durch eine Alarmanlage gesichert wurde. Ein Ding der Unmöglichkeit, es sei denn, man kannte den Code, der einem den Zutritt zur Höhle des Löwen gewährte.
Honey hatte mir diesen verraten, wie so viele andere wichtige Dinge auch.
Ein seltsames Glimmen tauchte in Nicholas' blauen Augen auf, als ich mir einen Schluck Limonade genehmigte, die ich aus seinem Kühlschrank entnommen hatte. Und dann legte er los.
„Ich habe dich gefragt, wie zum Teufel du hier herein kommst?", herrschte er mich erneut an, womit er meinen Sarkasmus regelrecht provozierte.
„Durch die Tür."
Mit wenigen Schritten überbrückte er den Abstand zwischen uns und stand Sekunden später genau vor mir. Doch bevor er ein Wort sagen konnte, kaufte ich ihm den Schneid ab.
„Setz dich doch, Nicholas. Ich bin schon eine Weile hier und froh, dass du mir endlich Gesellschaft leistest."
Aufmerksam beobachtete ich, wie er Luft holte, gleichzeitig schwoll die Ader an der Seite seines Halses mächtig an und mit hochrotem Gesicht donnerte er mir die nächsten Sätze entgegen.
„Soll das eine Verarsche werden? Wer hat dir den Code zugesteckt? Oder haben deine Freunde von der Polizei diesen etwa geknackt?"
Langsam stellte ich das Glas auf dem Beistelltisch neben der Couch ab.
„Das wird alles andere als eine Verarsche, Nicholas. Ich möchte nämlich Klartext mit dir reden."
„Zum letzten Mal, Niall. Wie bist du hier hereingekommen?"
Es musste ihn wirklich sehr beschäftigen, dass ich so ohne weiteres in sein Heim eindringen konnte, eine Tatsache, die mich zusehends amüsierte. Allerdings wollte ich ihn nicht länger hinhalten und antwortete demnach darauf.
„Weißt du, Nicholas, eine gute Bekannte hat mir den Code verraten."
„Das kann nur Honey gewesen sein", knurrte er noch immer mit hochrotem Kopf, der einer Tomate alle Ehre gemacht hätte.
Nicholas ließ mich nicht aus den Augen, er hatte die Ledermappe, welche ich neben dem Sessel platziert hatte, gerade entdeckt.
„Also, was willst du, Niall? Einen neuen Vertrag aushandeln?"
„Der Alte ist hinfällig, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest", gab ich mit einem angedeuteten Grinsen von mir. „Ich habe meinen Teil erfüllt und jetzt müsst ihr mich ziehen lassen."
Ein gespieltes Seufzen entwich seiner Kehle. „Da wäre noch eine Kleinigkeit, wir brauchen dich noch, Niall."
Spätestens jetzt wurde es Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen.
„Willst du mich erpressen? Mit dem Video, dass du von Honey und mir besitzt? Und mit den Spielschulden, die ich beim Pokern gemacht habe? Nur zu, Nicholas, sag mir, was du möchtest."
„Was ich möchte?" Sein heiseres Lachen erklang in meinen Ohren. „Was ich möchte, ist leider nicht maßgeblich."
Verwirrt runzelte ich die Stirn. „Was meinst du damit?"
Anstatt auf meine Frage zu antworten, sagte er ruhig: „Warte hier, ich komme gleich wieder."
Zum ersten Mal kam es mir in den Sinn, dass es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war, alleine hierher zu kommen. Harry, der einzige Mensch, der von diesem Vorhaben wusste, befand sich mit Honey auf dem Weg nach Vermont. Er konnte mir nicht zu Hilfe eilen, sollte ich diese benötigen.
Was, wenn Nicholas Verstärkung rief und man mich abmurkste, bevor ich ihm darlegen konnte, dass ich die russische Mafia quasi in meiner Hand hielt?
Nervös tastete ich nach der Waffe, die ich unter dem Jackett versteckt hielt. Hoffentlich musste ich sie nicht einsetzen, das wäre fatal.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis Nicholas wieder zurückkehrte. In seiner rechten Hand hielt er ein Stück Papier, das ich, als er näher kam, als einen Schuldschein identifizierte. Mein Name stand darauf, sowie der Betrag, den ich der Mafia schuldete.
„Und nun?", fragte ich ruhig, obwohl mir das Herz bis zum Hals schlug.
Mit jeder Minute wurde es spannender zwischen uns, im Moment duellierten wir uns nur mit Blicken, doch dies würde sich bald ändern.
„Vielleicht erinnerst du dich daran, Niall. Ich habe dir einmal gesagt, dass du mir vertrauen sollst, was die Spielschulden angeht."
Ungläubig schaute ich zu, wie Nicholas den Schuldschein vor meinen Augen in mehrere Teile zerfetzte. Wie kleine Schmetterlinge flatterten sie zu Boden und blieben auf den teuren Marmorfliesen liegen.
„Geld bedeutet nichts, zumindest nicht in diesem Fall", sprach er, mit einer gewissen Erhabenheit in seiner Stimme, die mich erstaunt aufschauen ließ.
Meine Erwartungen dahingehend waren ganz anders gewesen, trotzdem besaß er noch immer das Video mit Honey. Und deswegen musste ich nun die Karten auf den Tisch legen.
„Fein", sagte ich sarkastisch, „der Schuldschein ist hin aber ihr habt mich noch immer in der Hand."
„Das ist eine andere Sache. Wir möchten, dass -."
„Stopp!", fiel ich ihm ins Wort. „Es ist mir egal, was ihr möchtet, ich lasse mich nicht von der Mafia erpressen. Deine Party am Samstag, kannst du dir in den Hintern schieben, ich komme auf jeden Fall nicht. Und dieses Video interessiert mich einen Scheiß! Denn ich habe etwas viel Besseres in der Hand."
Mit diesen Worten griff ich nach der Ledermappe, holte sie Papiere hervor und überreichte sie Nicholas. Selbst wenn er sie zerfetzte, es gab mehrfache Kopien und zur Not hatten wir Honeys Aussage.
Genüsslich betrachtete ich sein Gesicht, das zusehends blasser wurde.
„Wo hast du das her? Wo zum Teufel-." Er hielt inne, denn er konnte eins und eins zusammenzählen und wusste mit Sicherheit, wer mir diese Unterlagen zugespielt hatte.
„Wenn du mich nicht gehen lässt, Nicholas", sagte ich eindringlich, „dann flattert dir eine Anzeige wegen Geldwäschegeschäften ins Haus. Und bevor du auf die dumme Idee kommst, mich abknallen zu wollen, es existieren noch mehrere Kopien. Sie befinden sich alle in den Händen von Alistairs Team."
Das war der Moment, in dem er vollkommen ruhig wurde. Beinahe war es schon unheimlich, Nicholas so dasitzen zu sehen. Entspannt lehnte er sich in seinem Sessel zurück, lächelte und sagte: „Ich hätte es wissen müssen, Niall. Jemand wie du kämpft mit allen Mitteln, auch wenn sie unfair sind. Schade, dass du zur falschen Fraktion gehörst. Es wäre mir eine Ehre gewesen, dich in unsere Gruppe aufzunehmen."
Ein wenig umständlich kramte er eine Zigarillo Schachtel aus der Tasche seines Jacketts und zündete sich eines der Stäbchen an.
„In meinem ganzen Leben hätte ich niemals gedacht, dass es jemand schaffen würde, meinen Vater auszutricksen", sprach er, noch immer total gelassen.
„Deinen Vater? Ihr macht doch gemeinsame Sache, oder nicht?" Meine Augen folgten seinem Blick, der zu der riesigen Fensterfront hinausging. Fast schon verbittert erklang seine Stimme in meinen Ohren.
„Ich bin nur der Brigadier, Niall. Mein Vater, der Wor, bestimmt alles. Wenn ich nicht das tue, was er verlangt, bekomme ich eine Strafe auferlegt."
Im ersten Moment dachte ich, dass er mich auf den Arm nehmen wollte, doch als ich den Ausdruck in seinen Augen erkannte, da wusste ich, Nicholas sprach die Wahrheit. Dumpf starrte er nach draußen, wo die Mittagssonne die Stadt in eine beißendes Licht tauchte.
„Du willst mir jetzt nicht ernsthaft erzählen, dass es dir etwas ausmacht, Geld an deinen Vater zu bezahlen, oder?", erkundigte ich mich leicht verwundert.
Schließlich besaß er genügend davon. Nicholas schwamm nur so in den Moneten.
„Ich habe nicht über Geld gesprochen, Niall. Wenn das meine Strafe wäre, hätte ich diese ohne Murren hingenommen. Ich wollte dich ziehen lassen, doch er forderte mehr. Und ich konnte nicht dagegen angehen. Denn er würde mir das wegnehmen, was mir am meisten bedeutet."
Bevor ich den nächsten Gedanken zu Ende bringen konnte, redete er weiter.
„Er hätte mir Anastasia weggenommen. Das wäre meine Strafe gewesen."
Ich schluckte, da meine Kehle sich langsam zuschnürte und als Nicholas sich erhob, blieb ich einfach reglos sitzen. Es fühlte sich an, als hätte man mir mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen und deshalb nahm ich nur am Rand wahr, dass er mit einem Foto in der Hand zu mir zurückkehrte. Erst als Nicholas dieses auf meinem Schoß platzierte, fiel die Erstarrung von mir ab.
„Sie ist das Ebenbild ihrer Mutter. Ich konnte es meinem Kind und auch mir nicht antun. Anastasia ist alles, was ich habe. Alles, was mir von Ekaterina noch geblieben ist. Ich würde sie niemals wiedersehen, wenn ich die Regeln meines Vaters missachte."
Bitter erklangen seine Sätze in meinen Ohren, ich starrte auf das Bild der wunderschönen Frau und plötzlich regte sich etwas in mir. Ich würde alles für Kieran tun, so wie Nicholas alles für Anastasia tat.
„Es tut mir leid, Niall, aber ich wollte es gerne anders haben. Leider wurde mein Vorschlag nicht angenommen. Aber nun hat auch er keine andere Wahl. Die Offenlegung dieser Konten und die Geldwäsche würde ihm das Genick brechen."
Noch immer saß ich fassungslos da und lauschte seinen folgenden Worten.
„Im Prinzip habe ich nichts anderes getan als du, Niall. Ich habe mein Kind beschützt, darin sind wir uns gleich. Deshalb werde ich dir nie einen Vorwurf machen, dass du uns quasi ausgetrickst hast. Ich hoffe nur, dass Honey in Sicherheit ist, denn mein Vater wird ihr an den Kragen wollen."
„Das ist sie", erwiderte ich ruhig, in der Hoffnung, dass Harry die Blondine bald in Vermont abliefern würde. Von dort aus ging ihre Reise weiter – vermutlich nach Europa.
„Was wird dein Vater jetzt tun, außer nach Honey zu suchen?", stellte ich die Frage in den Raum.
„Nicht viel. Er wird toben und sich darüber ärgern, dass der neue Vertrag mit dir nicht zustande kam. Aber er wird dich und deine Familie in Ruhe lassen. So lauten unsere Gesetze, Niall."
Für einen Moment blickte ich in seine Augen, die mich keineswegs feindselig, sondern eher anerkennend musterten. Und in jener Sekunde sah ich es glasklar: Nicholas und ich waren vom gleichen Schlag. Wir nahmen uns nichts, denn wir kämpfen für unsere Familie, für das, was uns am Herzen lag. Der einzige Unterschied bestand darin, dass er in einer anderen Welt lebte. Vielleicht hätten wir Freunde werden können, wenn es sich anders verhalten hätte. Lediglich seine Avancen Sienna gegenüber, verhinderten dies. Doch auch in diesem Punkt wollte ich Klarheit schaffen.
„Warum hast du meine Frau angegraben?", fragte ich geradeheraus.
Er schaute mir direkt in die Augen, als er antwortete. „Das habe ich nicht, Niall. Sienna war für mich immer nur eine nette und sehr verständnisvolle Gesprächspartnerin. Ich schätze sie als Mensch und ebenso ihre Ansichten. Sie ist eine Person, vor der ich sehr viel Achtung habe, das solltest du wissen. Manchmal fehlt mir einfach der Umgang mit einem weiblichen Wesen aber ich habe sie immer nur als gute Freundin betrachtet, mehr nicht."
Kurz starrte ich auf die Kopien, da vernahm ich seine Stimme erneut.
„Du darfst gehen, Niall. Es gehört zu meiner Aufgabe, die Dinge mit meinem Vater zu regeln. Doch du bist nun frei. Ich wünsche dir und deiner Familie alles Gute für die Zukunft."
Ich konnte nicht fassen, was gerade geschah. Nicholas gab mich wirklich frei. Fast hätte ich ihm noch die Hand geschüttelt, doch das verkniff ich mir in letzter Sekunde. Schnell erhob ich mich aus dem Sessel, aber als ich den ersten Schritt machte, rief er mir etwas hinterher.
„Bevor du gehst, Niall, möchte ich dich noch um etwas bitten."
Was wollte er nun von mir? Sofort versteifte ich mich, räusperte mich kurz und setzte zu einer Antwort an.
„Und was ist das?"
Ein sanftes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er sprach.
„Dein kleiner Junge und mein kleines Mädchen sind gute Freunde geworden. Es sind Kinder, die noch nicht wissen, in welche Welt sie gehören und dass wir so verschieden sind. Ich würde mir wünschen, dass Anastasia sich von Kieran verabschieden darf. Wie es in unserer Sippe Brauch ist, wird sie ihm ein kleines Geschenk geben, damit er sie nicht vergisst."
Wie angewurzelt blieb ich stehen, dachte kurz nach und kam binnen Sekunden zu der Überzeugung, dass dies nichts Schlechtes sein konnte.
„Das geht in Ordnung. Wo sollen sie sich verabschieden?"
„Ich komme nachher zu euch. Ihr müsst gewiss packen und keine Angst, ich werde außer Anastasia niemanden mitbringen. Und ich habe auch nichts dagegen, wenn deine Freunde von der Polizei anwesend sein sollten."
Mit einem Nicken untermauerte ich meine Worte. „Also bis dann, Nicholas."
Nachdenklich verließ ich das Haus. Es fühlte sich an, als hätte ich eine Schlacht gewonnen, die eigentlich gar nicht stattfinden sollte. Ein Kampf, der auf sonderbare Art und Weise sein Ende gefunden hatte. Seit ewig langer Zeit konnte ich wieder frei atmen, eine tonnenschwere Last fiel von meinem Herzen.
Tausend Gedanken schossen durch meinen Kopf, als ich in Richtung U-Bahn marschierte und plötzlich aus heiterem Himmel mit jemandem zusammenprallte.
„Louis? Was machst du denn hier?"
Mein Freund war ganz leger in Jeans, einem grauen Hoddie sowie einer schwarzen Lederjacke darüber, gekleidet. Er trug eine Sonnenbrille, die man am heutigen Tag sehr gut vertragen konnte und sein Grinsen wurde dermaßen breit, dass ich nicht anders konnte und meine Mundwinkel sich nach oben verzogen.
„Was wohl? Du glaubst nicht wirklich, dass ich dich nicht weiterhin überwache, oder? Außerdem hat mir ein kleiner Vogel gezwitschert, dass du heute hier sein sollst."
„Lass mich raten, der Vogel hat Locken."
„Nun ja, Kurze, aber er hat welche."
„Harry ist ein Miststück, er sollte dicht halten", mokierte ich mich, während wir weitergingen.
Aber Louis ging gar nicht darauf ein, sondern fragte lediglich: „Wie ist es gelaufen, Niall? Ist alles ok?"
Im Eiltempo klärte ich ihn über die wichtigsten Dinge auf, nämlich, dass ich nun ein freier Mann sei und Nicholas seinem Vater die Kopien, die ich besessen hatte, vor die Füße warf.
„Das klingt gut, dann können wir die Rückreise nach London planen. Alistair wird entzückt sein."
Als wir die Station erreichten, begleitete mich Louis weiterhin. Anscheinend wollte er sicher gehen, dass ich heil nach Hause gelangte. Während der Fahrt sprachen wir jedoch kein Wort, erst als wir kurz vor unserem Haus standen, richtete ich eine Frage an ihn.
„Sag mal, woher wusstest du immer, wo ich mich aufhielt?"
„Durch Mose."
Augenverdrehend sah ich ihn an. „Verarschen kann ich mich alleine."
„Im Ernst, Niall. Mose, also eigentlich M.O.S.E, ist die Abkürzung für ein neues Überwachungssystem. Mobile Observation System Entry. Es wurde in den USA entwickelt und wird derzeit noch getestet. Netzwerkmitarbeiter, wie ich einer war, durften daran teilnehmen. Ich habe Mose mit Hilfe der E-Mails auf deinem Handy installiert."
Meine Kinnlade fiel nach unten und einem inneren Drang folgend, verpasste ich Louis eine Kopfnuss.
„Aua! Für was war das denn?"
„Dafür, dass du so hinterhältig bist! Erst diese dummen E-Mails, die mich erschreckt haben und nun das."
Für einen Moment starrten wir uns an, dann brachen wir beide in lautes Gelächter aus.
„High Five, Bruder", verlangte er, eine Aufforderung, der ich prompt nachkam.
Anschließend betraten wir das Haus, wo wir durch Sienna empfangen wurden. Ihre Freude, Louis zu sehen, war riesengroß und als wir ihr erklärten, dass unser Umzug nach London und einem neuen Leben nichts mehr im Weg stand, da begann sie hemmungslos zu weinen. Da es sich jedoch um Freudentränen handelte, konnte ich gut damit umgehen.
Fürsorglich nahm ich sie in meine Arme und drückte meine Lippen auf ihr glänzendes Haar, das angenehm duftete.
„Bald sind wir zuhause, Baby", flüsterte ich ihr ins Ohr.
„Ich – ich freue mich so, Niall."
Ihr leises Schluchzen verstimmte nach und nach, langsam beruhigte sie sich wieder, was ich zum Anlass nahm, die Sache mit Nicholas und Anastasia zu erklären. Ich hatte ihm versprochen, dass die Kinder sich voneinander verabschieden durften und dies wollte ich unter allen Umständen halten.
Während ich Sienna darüber in Kenntnis setzte, dass der Mafioso bald mit seinem Töchterchen vor unserer Tür stehen würde, führte Louis ein Gespräch mit Liam. Wortfetzen drangen zu mir herüber, die meine Laune zusehends verbesserten.
„Rückflug – Alistair skypen – El kommt auch hierher."
Alles was ich aufschnappte, klang ganz nach meinem Geschmack und somit gelang es mir, Sienna vollständig zu beruhigen.
„Ich werde es überleben, dass er hier auftaucht", sagte sie zum Schluss und reckte ihr Kinn anmutig in die Höhe.
Diese Frau ließ sich niemals unterkriegen, ein Wesenszug, den ich schon immer an ihr bewunderte.
„Papi!" Kieran kam die Treppe hinunter gerannt und war sich in meine Arme. Fest drückte ich ihn an mich, küsste seine zarten Bäckchen und streichelte über sein dunkles Haar.
„Na, Großer, wie war es heute im Kindergarten?"
„Super! Ich habe ein neues Bild gemalt!", berichtete er enthusiastisch. „Willst du es sehen, Papi?"
„Na klar."
Kieran zog mich in sein Zimmer, damit ich sein neuestes Werk begutachten konnte. Dieses zeigte ein kleines, dunkelhaariges Mädchen mit einem Hund, der Myles recht ähnlich sah.
„Das ist Tia und das ist Myles", verkündete unser Sohn stolz.
Als ich die Zeichnung eingehend betrachtete, wurde mir plötzlich klar, dass er Anastasia wirklich sehr vermissen würde. Umso besser fühlte es sich an, Nicholas Bitte zugestimmt zu haben. Die Kinder würden sich heute ein letztes Mal sehen, das war gewiss und danach würden sich ihre Wege nie wieder kreuzen.
Siennas Seele tat es gut, dass Liam, Sophia und Eleanor sich vor Nicholas in unserem Haus einfanden, somit fühlte sie sich sicher. Auch Kieran begrüßte unsere Freunde, er war außer Rand und Band, weil plötzlich so viel Besuch da war. Und wie zu erwarten, horchte er Louis über Freddie aus.
„Es geht ihm gut und er freut sich schon, dich bald wieder zu sehen", antwortete mein Freund lächelnd.
Wie sehr musste er sich darauf freuen, seinen Sohn endlich wieder in die Arme schließen zu können? Ich hätte mir nie vorstellen können, derart lange von Kieran getrennt zu sein. Es würde mich seelisch zermürben, meinen kleinen Jungen monatelang nicht zu sehen, doch Louis' Job brachte solche Dinge zwangsweise mit sich. Ich bewunderte ihn dafür.
„Wieso bald?", fragte unser Sohn neugierig.
„Weil ihr morgen Abend nach London fliegt", erklärte Louis ruhig.
„Juchu! Dann kann ich Alistair und Rosie und Maggie besuchen!"
Kierans Begeisterungsfähigkeit kannte wirklich keine Grenzen, jedoch war ihm nicht bewusst, dass es ein Abschied von New York sein würde. Aber das konnten wir ihm später noch erklären.
Gerade als ich es mir eben Liam auf dem Sofa bequem gemacht hatte, ertönte die Klingel und kurze Zeit später stand Nicholas mit Anastasia an der Hand im Flur. Kieran stürmte den beiden sofort entgegen und umarmte das kleine Mädchen, das ebenfalls ihre zarten Ärmchen um ihn legte.
„Ihr müsst euch jetzt verabschieden", sagte Nicholas, nachdem er mir zur Begrüßung kurz zugenickt hatte; eine Geste, die ich erwiderte.
„Weil wir nach London fliegen?", erklang Kierans erstaunte Stimme.
„Ja, so ist es", erwiderte ich zögerlich.
„Papi, wie lange bleiben wir denn dort?"
Er machte große Augen, als er mich anschaute.
„Für immer, Kieran."
„Aber ich darf doch mal wieder nach New York fliegen, um Tia zu besuchen? Oder sie kann doch zu uns nach London kommen?"
Mein Blick kreuzte Nicholas' und für einen Moment wusste keiner von uns beiden, was er sagen sollte. Dann ging der Mafioso vor den Kindern in die Hocke, nahm ihre kleinen Hände in die seinen und sprach: „Jemandem Lebwohl zu sagen, ist immer schwer. Anastasia, gib Kieran sein Geschenk, das ihn immer an dich erinnern soll."
Sie starrte ihren Vater an und wusste genau, was dies zu bedeuten hatte, denn die kleinen Tränen in ihren hübschen Augen verrieten den Zustand ihres Herzens. Langsam streckte sie ihre zierliche Hand aus, öffnete diese und übergab Kieran eine silberne Münze, die er zunächst stumm entgegennahm. Er betrachtete diese genau, lächelte und sagte plötzlich: „Warte, Tia. Du bekommst auch etwas von mir."
Dann stob er davon, um mit einem Blatt Papier zurückzukehren. Gespannt beobachtete ich, wie er sich auf den Boden setzte, das Blatt in die Hand nahm und einen Papierflieger daraus bastelte, den er Tia anschließend überreichte.
„Der ist für dich. Ich hoffe, du magst ihn."
Blicke sagten in diesem Moment mehr als tausend Worte, denn die Kleine begann augenblicklich zu strahlen, obwohl sich noch immer Tränen in ihren Augen befanden.
„Danke", nuschelte sie leise.
Unser Sohn tat etwas, was ich noch nie bei ihm beobachtet hatte. Er küsste Tia auf die Wange; ein herzhafter kleiner Schmatzer unter Kindern, eine Geste, die sie strahlen ließ, obwohl sie traurig war.
Kieran würde erst in den nächsten Tagen richtig realisieren, was dieser Abschied wirklich bedeutete, denn als Nicholas mit Anastasia ging, sprach er: „Ich werde ihr noch ganz viele Papierflieger basteln, jedes Mal, wenn wir uns verabschieden müssen."
Seufzend nahm ich seine Hand, in der sich die Münze befand. Er musste diese aus seiner Hosentasche herausgeholt haben.
„Die ist schön, Papi. Was ist das?"
„Ein russischer Rubel, damit kannst du in Russland einkaufen gehen."
„Da, wo Dimitri herkommt?"
Nur alleine die Erwähnung dieses Namens erinnerte mich daran, warum wir überhaupt in New York hatten leben müssen, warum dies alles hier passiert war.
„Ja, genau dort", antwortete ich leise, während ich versuchte den Gedanken an den Russen zu verdrängen. Überhaupt wollte ich all das los sein, womit ich während der letzten Monate konfrontiert wurde. Nichts davon würde in unserem neuen Leben Platz haben, denn jetzt kamen wir an die Reihe.
Lächelnd und mit Kieran an der Hand, betrat ich das Wohnzimmer, wo man uns prüfend anschaute. Als ich kurz nickte, atmeten alle geschlossen auf und Eleanor sagte: „Lasst uns Party machen, jetzt, da wir alle zusammen sind."
„Hey", maulte Sophia, „Harry fehlt noch und es kann dauern, bis er hier ist."
Kaum hatte sie diesen Satz ausgesprochen, meldete sich Louis' Handy.
„Wenn man vom Teufel spricht", sagte er grinsend und nahm das Gespräch entgegen.
„Hallo Harry, was gibt es denn?"
Hoffentlich war alles gut gegangen.
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Nun bin ich echt gespannt auf eure Kommentare. Wie denkt ihr jetzt über Nicholas? Hättet ihr das vermutet? Nach dem letzten Kapitel wart ihr gespannt wie ein Flitzebogen, nun bin ich es. Ich würde so gerne eure Gesichter während des Lesens sehen, glaubt mir.
Ich danke euch so sehr für euren Support zu der Black-Reihe - ohne euch wäre sie nur halb so toll.
Ich hoffe, ihr freut euch auf das nächste Kapitel. Leider kann ich noch nicht genau sagen, wann es kommt. Rechnet mal am Dienstag damit.
LG, Ambi xxx
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