19. The Inner Circle


♪ Steal my Girl – One Direction


Niall

Mit einem lauten Knall schlug Harry die Tür zu seinem Apartment hinter sich zu, bevor er mich anschnauzte.

„Verdammt, Niall! Bist du eigentlich komplett wahnsinnig geworden?"

„Wieso?"

„Du kannst doch nicht einfach vor meiner Wohnung auftauchen! Was, wenn die Mafia dich beschattet? Dann sind wir beide am Arsch!"

Mit einem fetten Grinsen im Gesicht ließ ich mich auf den großen Sessel im Wohnzimmer fallen, dessen Sprungfedern auch schon bessere Tage gesehen hatten. Jedenfalls fühlte es sich an, als ob ich gleich darin versinken würde.

„Ich bin so oder so am Arsch", erwiderte ich leichthin, was ihn dazu veranlasste, mit den Augen zu rollen. „Außerdem", fuhr ich fort, „brauchst du keine Bedenken wegen der Mafia zu haben. Marx hat mich in die 115. Straße gebracht. Ich habe ihm erzählt, dass ich mich mit dem Pfarrer treffe, der für das dortige Gemeindehaus und die Obdachlosenspeisung zuständig ist. Er ist dann weggefahren, da wir vereinbart hatten, dass ich mich melde, wenn ich abholbereit sein sollte. Also mach keinen Stress, du Transe."

Diese Bezeichnung hatte ich mir nicht verkneifen können. Harry sah einfach zu heiß in den Klamotten aus.

Mit einer unwirschen Bewegung riss er sich die blonde Perücke vom Kopf, schnaufte kurz und sagte dann: „Ich will wirklich hoffen, dass man dich nicht beschattet."

„Keine Sorge, ich kenne Marx' Terminplan. Er muss gleich zu Nicholas fahren, um Anastasia zum Kinder- Taekwondo- Kurs zu bringen."

„Krass", ließ Harry verlauten, der sich gerade die Pumps von den Füßen streifte.

„Ich werde nie verstehen, wie die Weiber darin laufen und sogar tanzen können", knurrte er.

„Ich auch nicht, wenn es dich tröstet."

„Hattest du jemals solche Dinger an den Füßen? Sie tun weh wie die Sau, sind furchtbar unbequem und -."

„Du glaubst, du läufst auf rohen Eiern", vollendete ich seinen Satz. „Ja, ich hatte schon einmal Pumps an den Füßen. Damals habe ich mich an Halloween als Frau verkleidet."

Harry begann sofort zu lachen. „Du bist immer für eine Überraschung gut, Niall. Aber jetzt sag mal, hast du meinen Auftritt im Park gesehen?"

„In der ersten Buschreihe und es war total geil, sag' ich dir. Weder Romanow, noch Sienna haben Verdacht geschöpft und Kieran wohl auch nicht."

Harry blickte mich melancholisch an, gleichzeitig breitete sich ein Lächeln in seinem Gesicht aus.

„Er ist so groß geworden und ich freue mich, dass ich mich ihm nun auf diese Art und Weise nähern kann. Ich vermisse ihn sehr, und auch Sienna."

Das war mein Stichwort.

„Was denkst du über sie und Romanow?", wollte ich wissen.

Leicht neigte Harry den Kopf zur Seite. Als das Licht auf sein Antlitz fiel, bemerkte ich das makellose Profil meines Freundes. Auch als Frau sah er durchaus hübsch aus.

„Weißt du Niall, ich denke nicht, dass Sienna dich einfach so, aus heiterem Himmel, betrügen würde. Allerdings weiß ich nicht, wie Romanow zu diesem Thema steht. Aber das werde ich noch herausfinden."

Nachdenklich streifte er sich die Handschuhe über seine langen Finger, kratzte sich am Bein, und meinte: „Ich muss mich schnell umziehen. Diese Strumpfhose bringt mich um. Wenn du was trinken willst, der Kühlschrank ist voll."

Es tat gut, sich mit Harry unterhalten zu können und vor allem in einer Wohnung zu sein, die nicht mit Wanzen gespickt war. Unser Gespräch würde demnach etwas intimer ausfallen.

Seufzend erhob ich mich aus dem Sessel, der ein lautes Knarren von sich gab. Hoffentlich brach er nicht gleich zusammen.

Der Weg führte mich direkt in die winzige Küchennische, deren Kühlschrank mit Magneten aller Art zugepflastert war. Darunter befanden sich bunte, beschriftete Zettel. Unschwer konnte ich Harrys Handschrift darauf erkennen. Was er wohl dort alles notierte?

In mich hineingrinsend, holte ich ein Bier aus dem Kühlschrank, denn danach war mir jetzt zumute, und brachte gleich ein zweites für Harry mit.

Kaum hatte ich die Dose geöffnet und den ersten Schluck genommen, tauchte mein Freund wieder auf. Er trug einen bequemen, schwarzen Jogginganzug der Marke Yves Saint Laurent, was mich leicht schmunzeln ließ. Die Schminke in seinem Gesicht war verschwunden auch die falschen Wimpern fehlten.

„Jetzt fühle ich mich wieder wie ich selbst", seufzte er erleichtert, um anschließend nach der Bierdose zu greifen.

Der Schaum umrandete seinen Mund, als er diese wieder abstellte und bewirkte, dass ich erneut grinsen musste.

„Sag mal", begann Harry, „wie kommst du eigentlich auf die dumme Idee, dass Sienna sich vielleicht nach einem anderen Mann umschauen könnte?"

Bevor ich antwortete, nahm ich erneut einen Schluck aus der Bierdose.

„Keine Ahnung. Es geht eher darum, dass ich ihm nicht traue. Er umgarnt sie, verstehst du?"

„Nun ja", erwiderte mein Gegenüber grinsend, „vielleicht solltest du sie mal wieder härter rannehmen. Damit sie gar nicht erst auf die Idee kommt, über einen anderen Mann nachzudenken. Falls du verstehst, was ich meine."

Natürlich tat ich das.

„Ich bin nicht auf den Kopf gefallen, aber hemmungslosen Sex in einer Bude zu haben, die Tag und Nacht von der Mafia abgehört wird, ist gar nicht so einfach", erklärte ich seufzend.

Harrys mitleidiger Blick lag auf mir, als er seine nächste Frage stellte: „Heißt das, ihr habt keinen Sex mehr?"

„Nein, das nicht, aber nicht mehr so oft wie früher. Ich kann mich einfach nicht entspannen, wenn ich weiß, dass die Mafia ständig dabei zuhört."

„Verstehe."

Sein Smartphone in der Hand, begann Harry auf dem Display auf und ab zu scrollen.

„Ich wollte dir noch etwas zeigen. Ich hatte es doch hier -, warte, ich hab's gleich", murmelte er leise, während ich mich erdreistete, einfach aufzustehen und über seine Schulter zu blicken.

Doch Harry drehte blitzschnell das Handy zur Seite.

„Ich schicke es dir, sonst ist doch die Überraschung hin", meinte er verschmitzt grinsend, wobei seine grünen Augen vor Freude leuchteten.

Was immer er damit meinte, ich schob es in diesem Augenblick beiseite.

„Es ist echt schön, bei dir zu sein", seufzte ich, während ich das Gefühl genoss, mit meinem Freund ein Bier trinken zu können, ohne dass Nicholas plötzlich auftauchte und mir die Laune verdarb.

„Für mich ist es auch schön, mal nicht alleine zu sein. Ich vermisse Maggie."

„Das glaube ich dir. Weiß Alistair immer noch nichts davon?"

„Nein, und er wird es auch jetzt nicht erfahren, denn sie kommt mich nach Weihnachten besuchen."

„Hier in Harlem?", fragte ich erstaunt, worauf Harry lächelte.

„Ja und nein, denn ich habe für zwei Nächte ein Hotel gebucht, das in Midtown Manhattan liegt, denn sie soll ja auch ein bisschen Luxus genießen. Es ist sozusagen mein Geschenk für sie."

„Das ist aber süß."

Harry war so ein liebenswerter Mensch und gerade deshalb bereute ich meine Entscheidung nicht, ihn als Patenonkel für Kieran genommen zu haben. Und so wie es im Moment aussah, bekam er unseren Sohn nun öfter zu Gesicht. Zwar anders als normal, doch das spielte keine Rolle – zumindest nicht für Harry.

„Sag mal, wie konntest du beim Poker eigentlich so viel Geld verlieren?"

Auf diese Frage hatte ich gewartet.

„Weißt du, Poker ist ein Glücksspiel, aber ich habe den Verdacht, dass die Mafia etwas manipuliert. Sie zocken sicher mit gezinkten Karten und ich bin der Blöde. Dieser Daniel hat schon jede Menge gewonnen."

„Gehört er zur Mafia?"

„Ich glaube nicht, aber ich werde Nicholas demnächst danach fragen. Daniel wirkt eher wie ein biederer Buchhalter auf mich und nicht wie jemand, der in illegale Geschäfte verwickelt ist", erwiderte ich.

„Vielleicht können wir ihn im Auge behalten", sinnierte Harry vor sich hin. „Ich werde mit Liam und Sophia sprechen."

„Das ist eine gute Idee."

Harry klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter, als er sagte: „Wir kriegen das hin, Niall, ganz sicher."

„Weißt du, was das Schlimme daran ist?", brachte ich hervor.

Seine grünen Augen fixierten mich gründlich. „Nein, was?"

„Dass Romanow ständig sagt, ich soll ihm vertrauen. Aber wie kann ich das, wenn ich dauernd verliere?"

„Keine Ahnung, was er damit bezwecken will, aber ich wette, Alistair lässt ihn so gut es geht durchleuchten. Vielleicht finden wir dann die Antworten, die wir brauchen."

Seufzend erhob ich mich aus dem Sessel.

„Ich muss jetzt leider gehen, sonst schöpft Marx noch Verdacht", sagte ich und leerte meine Bierdose.

„Ok, es war schön, dass du hier warst. Lass dich mal wieder blicken, wenn es klappt."

„Ich könnte es jeden Montag einrichten, wenn Anastasia zum Training geht."

„Das klingt super."

Wir verabschiedeten uns mit einem Schulterklopfen, bevor ich seine Wohnung verließ, um schnell zum Pfarrgemeindehaus zu laufen. Von dort aus rief ich Marx an, der keine zehn Minuten später mit der schwarzen Limousine angerollt kam, um mich nach Hause zu fahren.

Dort angekommen, begrüßte ich zunächst Sienna, Kieran und Myles, um anschließend das Schlafzimmer aufzusuchen. Als ich auf dem Bett saß und Harrys Nachricht las, begann ich kurz zu grinsen und zog mich dann um.

„Niall, das Essen ist fertig!", hörte ich Sienna wenige Augenblicke später rufen.

„Ich komme gleich!"

Es wurde ein entspanntes Abendessen, obgleich ich mir mehrmals das Lachen verbeißen musste, als das Thema Park zur Sprache kam.

„Da war eine Frau, die hatte eine Stimme wie ein Mann. Aber sie war lustig und nett und hat Tia und mir Muffins geschenkt!", erzählte Kieran begeistert.

„Wirklich? Das klingt toll", antwortete ich lächelnd.

Mit aller Kraft versuchte ich nicht an Harry in seinem Drag Queen Outfit zu denken, doch glücklicherweise klingelte in diesem Moment mein Handy.

Es war Nicholas, der mich sprechen wollte.

„Hallo, John, ich störe doch hoffentlich nicht?"

„Nein, ich war gerade fertig mit Abendessen."

Was wollte er jetzt schon wieder? Eine neue Pokerrunde, deren Ausgang es vorsah, dass ich vollkommen im finanziellen Ruin landete?

Sienna spitzte sofort ihre Ohren, sobald sie den Namen meines Gesprächspartners vernahm.

„Also, Nicholas, was gibt es?"

Die Überraschung war ganz auf meiner Seite, als er eine Einladung aussprach.

„Ich gebe am kommenden Samstag eine Party und würde mich sehr freuen, wenn Jenny und du sich die Ehre geben."

Mein Magen macht eine halbe Drehung nach links. Die Gastfreundschaft der Mafia, ich durfte sie nicht ablehnen.

„Natürlich kommen wir. Wir kümmern uns um einen Babysitter für Kieran, also sollte es kein Problem sein."

Für diesen Job hatte ich bereits Liam und Sophia im Hinterkopf und davon würde ich auch nicht abgehen. Ich wollte unsern Sohn in Sicherheit wissen, wenn wir uns auf Romanows Party vergnügten.

„Fein, das freut mich. Es beginnt um acht Uhr und Marx kommt euch abholen."

„Ok, wie ist die Kleiderordnung?"

„Formell."

Fast hatte ich mir das gedacht. Sienna würde es sicher freuen, ein hübsches Kleid anziehen zu können, während ich mir erneut eine Krawatte oder Fliege um den Hals binden musste. Aber was tat man nicht alles für die Mafia?

Nachdem ich das Telefonat mit Nicholas beendet hatte, erklärte ich meiner Frau den Sachverhalt. Wie zu erwarten, freute sie sich riesig über die Einladung auch darauf, dass sie sich schick machen durfte.

Ich konnte es ihr nicht verübeln, denn es lag doch eine ganze Weile zurück, dass wir beide uns in Schale geworfen hatten, um uns auf einer Party die Ehre zu geben. Der letzte Anlass dieser Art, an den ich mich erinnern konnte, war wohl die Silvesterparty in Oceanside.

Wie zu erwarten, gab es in den kommenden Tagen für Sienna nur ein Thema: Ein passendes Kleid zu finden. Glücklicherweise hatte sie in Sophia eine Verbündete, die ihr mit Rat und Tat zur Seite stand.

Ich wollte mich überraschen lassen und mischte mich demnach nicht ein, denn meine Gedanken schweiften in eine ganz andere Richtung. Nicholas hatte mich inzwischen wissen lassen, dass ich dem inneren Kreis der Mafia vorgestellt werden sollte. Und genau darin begründete sich der Anlass dieser Party, der ich mit gemischten Gefühlen entgegen sah.

Je näher der Samstag kam, desto unruhiger wurde ich.

Wie vereinbart, holten Liam und Sophia unseren Sohn gegen fünf Uhr ab. Er durfte dort zu Abend essen und ich war mir sicher, dass die beiden ihn gut beschäftigen würden.

„Wir bringen ihn dann morgen wieder", erklärte Sophia zum Abschied.

Für mich gab es nichts Schöneres, als unseren Sohn in der Obhut unserer Freunde zu wissen. Entspannen konnte ich mich jedoch an diesem Abend nicht.

Geplagt von Vorwürfen bezüglich der Schulden beim Pokern, sowie der Tatsache, dass ich ein verzwicktes Lügengerüst um mich herum aufgebaut hatte, fiel es mir schwer, eine lockere Haltung an den Tag zu legen, als Marx uns pünktlich um halb acht abholte.

Auch Sienna war aufgeregt, doch ihre Nervosität lag in einem völlig anderen Bereich. Sie freute sich darauf, neue Menschen kennenzulernen, was ich ihr nicht verübeln konnte. Immerhin pflegten wir im Moment nur zu Liam, Sophia und Nicholas Kontakt, wobei Letzterer mir ein Dorn im Auge war. Heraushängen lassen durfte ich das jedoch keinesfalls, sonst würde meine Frau am Ende noch misstrauisch werden.

Wir hatten nicht einmal eine Ahnung, wo besagt Party stattfand, doch wie immer war auf Marx Verlass. Er brachte uns sicher und pünktlich zum Ziel.

Als ich aus dem Wagen spähte, erkannte ich ein edel aussehendes Townhouse, welches unseres um zwei Etagen überragte. Der Bauart nach zu urteilen handelte es sich definitiv um ein älteres Gebäude, doch ich ging davon aus, dass es von innen neuwertig anzuschauen war. Und ich sollte mich nicht getäuscht haben.

Kaum hatten wir den Wagen verlassen und die Stufen bis zur Haustür erklommen, betätigte ich die Klingel und wurde kurze Zeit später durch Nicholas begrüßt.

„Willkommen bei mir zuhause", sagte er lächelnd, bevor er einen Handkuss bei Sienna andeutete.

Am liebsten hätte ich ihn dafür in den Hintern getreten, aber ich machte gute Miene zum bösen Spiel und ließ außer einem leichten Räuspern nichts heraus.

„Danke für die Einladung", meinte ich und schritt mit meiner Frau an der Hand an ihm vorbei, um die Atmosphäre des Hauses auf mich wirken zu lassen.

Den Ausdruck 'wunderschön' hielt ich noch für untertrieben. Das dunkle Parkett bildete den perfekten Kontrast zu den hellen Wänden und Decken. Die Möbel mussten ein Vermögen gekostet haben und auch die Kücheneinrichtung wirkte unsagbar teuer. Luxus soweit das Auge reichte, aber dennoch fehlte hier der protzige, aufgesetzte Stil, den ich generell nicht mochte.

Aber Nicholas gehörte zu den Leuten mit Geschmack, das war unschwer zu erkennen.

„Fühlt euch wie zuhause. Ich werde euch jetzt mit den anderen Gästen bekannt machen", plapperte er, während ich mich weiter umschaute.

Außer Suka, Toba und Marx, der gerade in die Küche ging, kannte ich keine Menschenseele, mit Ausnahme des Gastgebers natürlich. Insgesamt waren, grob geschätzt, um die dreißig Leute anwesend, Männer und Frauen gemischt.

„Komm, John, ich stelle dir meine engsten Geschäftspartner vor."

Mit diesen Worten führte Nicholas mich an einen runden Tisch, an dem vier Männer saßen, die mich eingehend musterten. So, als wollten sie sich mein Gesicht haargenau einprägen.

Von rechts nach links gehend, wurde ich mit den Herren bekanntgemacht, die wohl für die Bereiche Waffenschmuggel, Drogenhandel, Geldwäsche und Prostitution tätig waren. Zumindest konnte ich mir das denken.

Gus, Mason, Rick und Corey lauteten ihre Namen. Ich stellte mich als John vor, obwohl mir bewusst war, dass sie meinen richtigen Namen kannten.

„Jenny sieht heute umwerfend aus", flüsterte Nicholas mir zu, worauf ich ihm am liebsten einen Hieb in die Seite verpasst hätte. Langsam reichte es mir.

„Ich weiß", erwiderte ich leicht arrogant, um meinen Ärger zu überspielen.

Insgeheim musste ich Nicholas jedoch Recht geben, denn Sienna sah wirklich hinreißend aus.

Sie trug ein schwarzes, ärmelloses Kleid, dessen weicher Stoff ihre Rundungen betonte. Ich liebte es an ihr, denn es traf haargenau meinen Geschmack. Edel und elegant, aber trotzdem ein wenig frech. Das Kleid entsprach ihrem Wesen.

Ihr offenes, langes Haar glänzte im Licht und ihre blauen Augen leuchteten, während sie sich angeregt mir einer Dame unterhielt, die ein knallblaues Kleid mit einem Bolerojäckchen trug.

„Das ist Milli", erklärte Nicholas, als er meinen leicht skeptischen Blick bemerkte. „Sie besitzt eine Galerie in Greenwich Village."

„An der du garantiert beteiligt bist", warf ich ein.

„Nein. Nicht jeder, der heute Abend hier ist, wird durch mich finanziert. Ich habe auch Freunde, die unabhängig von mir sind", raunte er leise.

„Das freut mich. Also für deine Freunde."

Schmunzelnd reichte Nicholas mir ein Glas Champagner.

„Hier, John. Trinke und entspanne dich. Ich will dir nichts Böses."

„Nun ja, ich schulde deinem Verein immerhin fünfhundert Dollar", gab ich leicht bissig zurück. „Und wer weiß, wie viel sich im Laufe der nächsten Zeit noch ansammeln wird."

Nachdenklich nippte er an seinem Champagner. „Du vertraust mir nicht, oder? Dabei ist nichts einfacher als das."

„Würdest du jemandem vertrauen, der dich als Mittel zum Zweck einsetzt?", konterte ich gelassen.

„Wenn er kinderlieb ist, dann schon."

Manchmal hasste ich Nicholas für seine sarkastische Ader, doch da mein Humor ähnlich geprägt war, musste ich in diesem Fall sogar lachen.

„Wo ist Tia eigentlich?", fragte ich einen Atemzug später.

„Oben, in ihrem Zimmer. Sie schläft, oder zumindest sollte sie das tun."

„Ganz alleine? Ist niemand da, der auf sie aufpasst, wenn sie plötzlich aufwachen sollte?", wunderte ich mich.

Lächelnd wies Nicholas auf eine junge Frau mit honigblonden, langen Haaren. Sie trug ein goldenes, rückenfreies Kleid, welches perfekt zu ihrer Haarfarbe passte. Um ihr linkes Handgelenk drapierte sich das Band eines Babyphones, während sie mit dem rechten ein Tablett mit Sektgläsern balancierte.

„Die Gastgeberin?", fragte ich spöttisch, erntete jedoch nur ein Kopfschütteln.

„Du wirst sie irgendwann näher kennenlernen, aber nicht heute Abend. Sie gehört sozusagen zu unserem inneren Kreis, dem du vorhin vorgestellt wurdest. Hin und wieder passt sie auf meine Tochter auf, wenn ich verhindert bin."

Nach und nach lernte ich auch die Menschen kennen, die nicht zu diesem inneren Kreis und wohl auch nicht zur Mafia gehörten. Nicholas umgab sich scheinbar gerne mit Geschäftsleuten, die keine Ahnung von seinem wahren Treiben hatten.

Dazu gehörte Milli, die Galeriebesitzerin, Jack, der pensionierte Golf-Profi, Christina, eine Frau mittleren Alters, die einen Schmuckladen auf dem Broadway besaß, Adam, der Broker, Cornelius, der eine Versicherungsagentur leitete sowie diverse andere Gäste, deren Namen ich mir nicht alle merken konnte.

Alles in allem war es ein sehr gelungener Abend, der mir weniger Magendrücken bereitete, als ursprünglich gedacht. Sienna amüsierte sich prächtig und als wir gemeinsam am Buffet standen und unsere Teller mit den köstlichen Speisen bestückten, erzählte sie mir begeistert von Milli.

„Ihr gehört eine Galerie in Greenwich Village und sie sucht jemanden, der ihr ein paar Stunden in der Woche zur Hand geht."

Es klang, als ob ihr das zusagen würde.

„Und du hast Interesse daran?", hakte ich lächelnd nach.

„Nun ja, du weißt, wie vernarrt ich in meine beiden Bilder von Thomas Fabry bin. Ich könnte mir durchaus vorstellen, in einer Galerie zu arbeiten und mich mit den schönen Kunstwerken zu umgeben", erklärte Sienna lachend.

Ich hauchte einen sanften Kuss auf ihre Wange.

„Dann tu es, Baby. Versuche es einfach."

„Weißt du, was das Beste ist? Der Kindergarten ist gar nicht weit weg und dann könnte ich Kieran sogar manchmal selbst abholen."

Sie klang so unendlich begeistert, ihren blauen Augen leuchteten voller Energie und ich widerstand im letzten Moment der Versuchung, sie hemmungslos, vor allen Leuten zu küssen.

Sollte die Party im Haus des Mafia Bosses doch etwas Gutes bewirkt haben?

Falls Sienna dadurch einen Job ergattern konnte, musste ich Nicholas eigentlich dankbar sein. Denn Milli war nicht an ihn gebunden, wenn man seinen Aussagen Glauben schenken durfte.

„Milli möchte, dass ich am Montag in ihrer Galerie vorbeischaue", erklärte Sienna, bevor sie auf einen freien Platz an einem der Tische zusteuerte, damit wir dort das Essen genießen konnten.

„Das klingt super und du solltest es auf jeden Fall versuchen", meinte ich lächelnd.

Just in diesem Moment gesellte sich Nicholas zu uns. Innerlich seufzend stellte ich mich darauf ein, dass er Sienna gleich mit Komplimenten überhäufen würde, was mich zur Weißglut brachte. Es wurde allerhöchste Zeit, ihr zu zeigen, wer sie begehren durfte und wer nicht.

„Nick? Anastasia ist gerade aufgewacht. Du solltest besser zu ihr gehen."

Die honigblonde Frau stand abwartend und mit dem Babyphone in der Hand neben Nicholas, der sich sogleich erhob.

„Ihr entschuldigt mich. Ich bin gleich wieder da", sagte er lächelnd, bevor er in Begleitung der jungen Dame nach oben verschwand.

„Er ist so ein toller Vater", hörte ich Sienna beinahe schon schwärmerisch sagen.

„Ach, ich etwa nicht?", gab ich brüskiert zurück, worauf sie mich erstaunt musterte.

„Das habe ich nie gesagt." Mit diesem Satz legte sie ihre Hand beschwichtigend auf mein rechtes Knie. „Nimm doch nicht alles so persönlich."

Mein Herz raste vor Eifersucht. Ich wollte nicht, dass sie Nicholas Romanow mochte und bewunderte. Doch wie sollte ich das jemals ändern, ohne ihr die Wahrheit zu sagen?

Es gab genau zwei Wege, um meine Frau wieder enger an mich zu binden und im Bruchteil einer Sekunde entschied ich mich für den einen.

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Das ist einer der sanfteren Cliffhanger würde ich mal behaupten. Was wird Niall jetzt wohl tun?

Sorry @HSAlexandra72 aber ich musste deinen Ausdruck "in der ersten Buschreihe" einfach verwenden, weil ich ihn zu geil fand.

Ich hoffe, ihr mochtet das Kapitel und möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für die unglaubliche Resonanz zum letzten Kapitel bedanken. Ich habe so über eure Kommentare gelacht, das glaubt ihr nicht! Leider wird es nicht immer so lustig zugehen.

Das nächste Update kommt am Sonntag.

LG, Ambi xxx

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