Tiziano
Es war vollbracht. Monatelang hatte ich an diesem Gemälde gearbeitet, immer wieder die Komposition und den Einfall des Lichts optimiert, bis es endlich meinen Vorstellungen entsprach. Es zeigte ein Motiv aus der Bibel, anders war es nicht möglich, kirchliche Auftraggeber zu gewinnen, die über die notwendigen Mittel verfügten, um mich und meine Kunst zu bezahlen. Sie waren nicht gerade großzügig, doch konnte ich sie stets davon überzeugen, dass die Arbeitsstunden, die Qualität der Farben, die Auswahl der Modelle letzten Endes zu einem perfekten Ergebnis führen würden. So auch dieses Mal. Sie standen zu viert vor der riesigen Leinwand und murmelten sich irgendwelche Dinge zu, die mich nicht interessierten. Sie deuteten hierhin und dorthin, bewunderten mal die Gestaltung des Himmels über der Szene, mal die Sättigung der roten Farbe. Keiner von ihnen schien etwas zu bemerken, dachte ich. Offenbar waren sie vollkommen ignorant oder gaben es vor zu sein.
Für mich aber war es nur allzu deutlich zu erkennen: Die Darstellung des schlafenden Sklaven im Tempel des Salomo war mehr als lebensecht. Hingegossen auf purpurfarbenem Umhang und dem Fell eines Wolfes lag er nackt, wie der höchste Gott ihn geschaffen hatte dar. Der elfenbeinfarbene Leib mit vollkommenen Proportionen nur dort verhüllt, wo es die Sinnenfeindlichkeit der Kirche für so ein Werk gebot. Sein jugendlich starker Leib vollkommen makellos, das schöne Gesicht wie im Traum an die Hand gelegt. Das Rot des Stoffes über seinen Lenden wurde wiederaufgenommen auf den Rundungen seiner leicht geschwollenen Lippen und seinen erhitzten Wangen. Wären meine Geldgeber nicht so überfromm gewesen, hätte es ihnen auffallen müssen. Der Jüngling auf dem Bild hatte sich eben noch der höchsten Lust hingegeben, mir hingegeben. Bei der Erinnerung daran versuchte ich, nicht zu lächeln.
Es war am helllichten Tag gewesen und alles hatte sich wie von selbst gefügt. Tiziano, so hieß er, war ein junger Kerl, den ich auf der Suche nach geeigneten Modellen in einem der Armenviertel der Stadt entdeckt hatte. Er war mir aufgefallen, weil er trotz seines niederen Standes eine natürliche Anmut besaß, die noch nicht durch irgendeine schnöde Arbeit besudelt worden war. Vermutlich war er nicht von hier und erst kürzlich vom Land gekommen, um sein Glück in Rom zu suchen. Ein besseres Leben konnte ich ihm als Muse eines Künstlers natürlich bieten und noch etwas anderes hatte mir gleich vorgeschwebt. Mein Mund auf seinem Mund, meine Stöße, die seinen Lippen die entzückendsten Laute entlocken würden, die ihn erbeben ließen. Sein Wimmern im Augenblick höchster Lust! Ich besaß einen untrüglichen Spürsinn für meinesgleichen. Es hatte also keine Eile.
Ganz im Gegenteil und obwohl er ganz offenkundig anderes erwartete, ließ ich es mir nicht nehmen, erst alle seine Vorzüge genauestens in Skizzen und unterschiedlichen Posen zu erkunden. Manchmal begannen wir früh am Morgen und ich stellte fest, dass ihm die verbleibende Kühle der Nacht gar nichts ausmachte, wenn er sich auszog und sich bereitlegte. An anderen Tagen arbeiteten wir so lange, dass meine Dienerschaft ihm kleine Mahlzeiten reichte, nach denen ich die genaue Position seiner selbst, des Stoffes, des Fells erst wieder herstellen musste. Dabei kam ich ihm manches Mal so nah, dass es ein Leichtes gewesen wäre, ihn in diesen Momenten zu verführen. Ich legte seinen Arm über seine Schulter, ich bettete ihm ein Bein um, drapierte den Purpur über seiner Nacktheit. Ich vermied es, seinen erwartungsvollen Blick zu erwidern, doch ich gewahrte die leiseste Veränderung seines Atems, das Erröten seiner Haut, die unterdrückte Erregung seines Gemächts. Ich wollte ihn noch reifer als reif für die lang ersehnte Ernte. Er sollte betteln darum, dass es endlich geschieht. Und es sollte ihn nichts scheren, dass wir verbotene Früchte genossen.
Längst hatte ich seinen Namen herausgefunden: Tiziano - wie passend! Das Schicksal hatte ihn hierher verschlagen, weil es für ihn als jüngsten Sohn eines Bauern nichts zu erwarten gab als minderwertige Landarbeit, die er gewohnt war und seine Muskeln hatte gedeihen lassen. Nach allem, was ich über solche bäuerlichen Verhältnisse wusste, wäre es für einen so stattlichen Burschen wie ihn eine ebenso einfache wie lohnende Aufgabe gewesen, die einzige Tochter eines anderen Bauern zu ehelichen. Dies kam aus längst naheliegenden Gründen jedoch nicht in Frage. Schön und jung, wie er war, wären auch weit wohlhabendere Gönner als ich an ihm interessiert gewesen, doch wenn mich nicht alles täuschte, zog er mich ihnen vor. Den Grund dafür gab es allein noch herauszufinden.
Dann endlich geschah es. Er sprach kein einziges Wort, was auch nicht notwendig war. Sein Blick sagte alles. Die Mittagssonne tauchte mein Gemälde und seinen Körper in ein gleißend goldenes Licht und wenn ich genau hinsah, dann erkannte ich einen silbrigen Schimmer von Schweiß auf seiner perfekten Haut. Ihm war - uns war warm. Beim nächsten Hinsehen hatte er das rote Laken ebenso zur Seite geschoben wie den Pelz und mit seinen bernsteinfarbenen Augen forderte er mich geradezu flehend heraus. Ich widerstand nicht länger, legte Pinsel und Palette fort und befreite meinen Oberkörper, indem ich erst meinen Malerkittel und gleich dazu mein Hemd über den Kopf abstreifte. Mein unerwartet zielgerichtetes Handeln und auch mein Anblick ließen den hübschen Tiziano kurz nach Luft schnappen. Es waren Überraschung und Vorfreude zugleich, denn was ich ihm zu bieten hatte, konnte er zuvor nur erahnen. Es entzückte mich sehr, ihn so willig und so beeindruckt zu finden.
Im hinteren Teil des Ateliers, wo sie sich befand, hörte ich, wie einer meiner Diener die Tür schloss. Sie kannten meine Anweisungen diesbezüglich: sollte sich eine fleischliches Vergnügen anbahnen, seht zu, dass niemand, schon gar kein Pfaffe hereinkommt ...
Tiziano blinzelte kaum merklich bei dem Geräusch, alsdann vergaß er alle Scheu. Er streckte seine Arme nach mir aus, um mich darin zu empfangen. Gleichzeitig zog er mich zu sich nieder, wie ich mich auf ihn legte. Er jauchzte auf, dann fanden sich unsere Münder, er drängte sich an mich, unsere Glieder verschlangen sich ineinander, unsere Hände liebkosten des anderen Haut, erkundeten seinen Leib. Es war noch genussvoller, als ich es mir in all den Modellsitzungen ausgemalt hatte. Seine Leidenschaft war für mich entbrannt und er ließ ihr freien Lauf. Wir stöhnten, rieben uns aneinander, tauschten die gierigsten Blicke und Küsse.
Endlich zerrte er an dem Stoff meiner Hosen, der uns noch von der äußersten Hingabe trennte. Erst ließ ich ihn, dann löste ich mich hastig von ihm, stand auf, um mich vollständig zu entblößen und suchte zwischen Farben und Pinseln die gewisse Phiole, die unserer Lust nun dienlich war. Wie im Triumph kehrte ich zu ihm zurück, der sich in all seiner Schönheit, trunken vor Verlangen, auf dem Fell räkelte. Sein Körper wie aus Marmor, bezeugte bereits unser bisheriges Liebesspiel. Eine deutliche Röte lag auf seiner Brust, an seinem Hals bildeten sich die rötlichen Male meiner Liebesbisse und sein pulsierendes Geschlecht hieß mich wie alles andere willkommen. Er schaute zu mir, als ich mich ihm mit meiner vollen, mächtigen Erektion näherte, und abermals vernahm ich sein Jauchzen. Er war bereit, er wollte es, so wie ich es bei unserer ersten Begegnung für mich entschieden hatte: ganz, tief und zügellos.
Im Nu kniete ich mich vor ihn, zwischen seine muskulösen und zugleich geschmeidigen Schenkel, schob sie auseinander, gönnte ihm und mir eine mehr als ausreichende Menge wohlriechenden Öls aus meiner Phiole, dann warf ich sie hinter mich, wo sie klirrend zersprang, was Tinziano auflachen ließ. Er reckte sich mir entgegen, fasste nach den Zipfeln des roten Lakens, während ich mich nun vorschob, eindrang, weiterschob, bis es mir wie ihm den Atem nahm. Ich gab ihm ein wenig Zeit, um sich an meine Härte zu gewöhnen und als ich merkte, wie er entspannte, setzte ich mit ersten Schüben ein. Zurück, vor, Ti - zi - a - no und wieder vor.
Wie ich zunächst die Beherrschung behielt, obwohl mich die Wonneschauer meiner Lust zunehmend um den Verstand brachten, ist mir rätselhaft. Vielleicht widerstrebte es mir, ein so wunderschönes Geschöpf, diesen Bauernburschen, der meine Kunst so beflügelte, mit grober Gier zu behandeln. Und so war ich mir mit jedem Stoß gewiss, dass er höchst willkommen war. Ein jeder einzelne ließ den Burschen unter mir beben, wimmern, sich genüsslich winden. Unsere Herzen rasten, unser Blut rauschte, doch gab es schließlich kein Halten mehr. Immer und immer wieder trieb ich mich in ihn hinein, keuchte seinen Namen, fühlte seine Hitze, bis er sich mit einem Mal aufbäumte. Zugleich schlang er seine Arme um meine Schultern, hob sich mir ganz entgegen, ergoss sich zwischen unseren heißen, feuchten Leibern und übersäte meinen Hals, mein Gesicht mit Küssen. Nur zwei kraftvolle Schübe genügten, dann kam auch für mich der erlösende Moment mit einem Gefühl von Glückseligkeit und Schwindel. Ich konnte nicht klarsehen, schon gar nicht denken und brauchte ein paar nachlässige Stöße, um mich zu fangen.
Dann erkannte ich das erfüllt lächelnde Gesicht meines erschöpften Geliebten. Er war noch schöner als je zuvor. Seine wilden Locken strich ich ihm verspielt zur Seite, küsste ihn, dieses Mal voller Zärtlichkeit. So legten wir uns gemeinsam nieder, noch immer erhitzt, doch nun ließen wir uns Zeit für süße Nichtigkeiten. Ich streichelte ihm beruhigend die Brust, in der sein Herz noch immer zu schnell pochte. Er fuhr die Konturen meiner Lippen mit dem Zeigefinger nach, sodass ich zu guter Letzt das Bedürfnis hatte, etwas zu sagen.
„Bleib, wenn du mich magst. Mit dir möchte ich ein Kunstwerk schaffen, wie es die Welt noch nicht kennt."
Er lächelte und schließlich gab er mir den besten Kuss.
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