Poesie

********** nur eine kleine Szene, die am ehesten hierher passt **********


Als ich die Augen aufschlug, drangen bereits die Sonnenstrahlen eines klaren Wintertags durch die fehlenden Lamellen der Fensterläden dieses äußerst bescheidenen Etablissements, in welches ich ihm ohne Zögern gefolgt war. Bei allem, was ich über solche jungen Männer, die aus Gelegenheit der Prostitution nachgingen, wusste, wäre es genauso gut möglich gewesen, dass man mich am heutigen Morgen zusammengeschlagen in einer Seitengasse des Montmartre fand, als dass ich in einem zerwühlten Bett aufwachte. Ich blinzelte den Schlaf fort und sah, wie er am Fenster stand, so herrlich nackt, wie ihn ein Gott, an den ich nicht mehr zu glauben wagte, geschaffen haben musste. Lässig hielt er etwas in der Hand und - las!

Siedend heiß kamen mir die trivialen Verse wieder in den Sinn, die ich nach unserem erschöpfenden Akt der Fleischeslust bei Kerzenschein auf einem Fetzen Papier notiert hatte. Aus alter Gewohnheit.

Wie sehr genoss ich deine Lust?

Sag, ob du schon gehen musst.

Dich Jüngling muss ich wiederseh'n,

bevor noch Tag und Nacht vergeh'n.

Deine Lippen, deine Lenden,

konnten endlich Trost mir spenden...

Eilig bat ich ihn, diese peinlichen Worte nicht ernst zu nehmen, sie wegzulegen.

„Warum?", entgegnete er und lächelte dabei lausbubenhaft.

„Es sind die Hirngespinste eines Dummkopfes."

„Du bist nicht dumm, nur weil du letzte Nacht gekriegt hast, was du wolltest."

Damit hatte er recht. Mir war noch gar nicht in den Sinn gekommen, dass er neben anderen nur allzu offensichtlichen Vorzügen auch über einen wachen Geist verfügte. Nun, wie er selbst andeutete, hatten wir die Nacht nicht mit Konversation verbracht.

Er war mir gleich aufgefallen, denn unter all den lärmenden Gestalten, all den flatternden Kleidern, dem betrunkenen Gelächter und dem Zigarrenrauch, erschien er als das einzig Schöne. Es mochte seine Jugend gewesen sein. In meinem Alter lag das nahe. Auch seine Gestalt, als sei er die lebendig gewordene Statue aus der antiken römischen Sammlung des Louvre, erweckte mein Interesse - und meine Begierde. So nahm ich mir vor, ihn anzusprechen, sobald er mit seinem Bauchladen in meine Nähe kam. Er hatte Tabak im Angebot, doch seine Körpersprache sowie etwas Ruchloses in seinen Augen, verhießen mehr. So kaufte ich etwas von seinen Rauchwaren und kam auf den Punkt, fragte ihn geradeheraus, was er für eine ganz spezielle Gefälligkeit verlangte. Er lächelte verheißungsvoll und nannte den Preis.

„Ich glaube, ich weiß, wer du bist", verkündete er, kam vom Fenster zurück zu mir, setzte sich auf die Bettkannte, griff nach meiner Hand und führte sie an seinen Mund. Da war noch etwas Tinte an Daumen und Zeigefinger, die er schamlos ableckte.

„Du bist dieser Poet, du warst ..."

Mein Blick ließ ihn innehalten, noch bevor ich ihm gebot, er solle den Namen eines Verstoßenen nicht aussprechen. Es würde nichts ändern und konnte Unglück bringen.

„Nun," fand er, „dann müssen wir uns einen neuen Namen für dich ausdenken."

Jetzt lächelte ich und bot ihm eine Zigarette an.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top