Die Nacht des Wolfes

Tage, Jahre, Jahrhunderte, alle zerrinnen sie wie Sand in einem Stundenglas und nichts bleibt mir, außer innerer Leere. Was interessieren mich Kriege, Katastrophen oder angeblicher Fortschritt? Das Einzige was für mich zählt, ist die Jagd. Der letzte Kick, der mir geblieben ist. Dabei rede ich nicht vom Töten, nein, wenn es so weit ist, interessiert mich das Opfer schon nicht mehr. Ich rede davon, es zu wittern, aufzuspüren, zu umlauern, herauszufinden, ob es willig ist und wenn nicht, es dahin zu bringen. Ich rede davon, vollkommen von einem vernunftbegabten Wesen Besitz zu ergreifen, es zum Zweck der eigenen Lust zu gebrauchen und es dann im Moment der höchsten Ekstase auszulöschen. Nicht, weil ich es will oder kann, sondern, weil ich es muss. Es ist meine wölfische Natur, die mich dazu zwingt.

Dennoch empfinde ich, höchst selten jedoch, so etwas wie Mitleid oder Reue.

An jenem Abend lief ich ziellos durch die Gassen Sohos. Längst machte ich mir nicht mehr die Mühe, eine Vollmondnacht vorzubereiten. Das ist wohl der einzige Vorteil dieser „modernen Zeit", wie sie genannt wird. Menschen verschwanden zu jeder Zeit spurlos und unerklärlich. Aber heutzutage sind viele von ihnen wie ich auf der Suche nach einem Abenteuer, einem One-Night-Stand oder einer Nacht des Vergessens. Die Hemmungen früherer Jahrhunderte sind von ihnen gewichen. Das macht es leicht, beinahe zu leicht. Gerade in einer Stadt wie London.

Als ich den Club betrat und mich der Bar mit ihren Spiegeln näherte, sprang er mir sofort ins Auge. Zum einen, weil er so verdammt attraktiv war, zum anderen, weil er den anderen Mann wildgestikulierend von sich stieß. Seine Wut, sein Temperament passten zu seinem roten Haar und machten mich an. Keine Ahnung, worum es ging. Vielleicht war das sein Freund, mit dem er gerade einen Streit hatte oder es war irgendein aufdringlicher Typ, den er gehörig abblitzen ließ. Letzteres würde mir nicht passieren. Ich kannte meine Wirkung auf junge Kerle. Also setzte ich mich dreist auf den Barhocker neben ihm, lehnte mich lässig auf die Bar und fixierte ihn mit dem Blick wie die Beute, die er war.

Sein „Verpiss dich!", machte mich nur noch schärfer. Ich mag es, wenn sie erst widerspenstig sind.

„Was ist heute los? Steht mir ‚mach mich blöde an' auf der Stirn geschrieben?", fuhr er mich genervt an, als ich ihm demonstrativ nicht gehorchte, mich vor ihm halb über den Tresen legte und dem Barkeeper ein Zeichen gab. Ich musste grinsen. Er war wirklich gereizt.

„Warum gibst du mir keine Chance?", gab ich zurück. „Wenn ich nicht dein Typ bin, kannst du aufstehen und gehen."

„Ich war zuerst hier."

Er warf mir einen zornigen Blick zu, doch in seinen grünen Augen blitzte noch etwas anderes auf, das mir klar verriet, dass ich Chancen bei ihm hatte: Neugierde.

„Das ist eine Bar in einem Club. Nicht dein Schlafzimmer. Wenn du willst, dass ich abhaue, musst du den Rausschmeißer rufen."

Er rollte mit seinen faszinierenden Augen, tat jedoch nichts. Es hatte gefunkt.

„Was soll das? Du hast mitgekriegt, dass ich meinem Freund gerade 'ne Szene gemacht habe. Lass mich in Ruhe."

„Sorry. Ich dachte, der Typ hat dich belästigt. Das war dein Freund? Läuft gerade nicht gut, was?"

Ich rückte noch näher an den rothaarigen Heißsporn ran, um so zu tun, als würde mich das interessieren, was da zwischen den beiden war. Das funktioniert immer. Auffordernd hob ich eine Braue. Der Barkeeper brachte ihm und mir je einen Drink wie er vorher schon hatte.

„Du bist ganz schön hartnäckig", fand er nun, aber sein Blick wurde weicher. „Niall ist ein echter Arsch und kann mir gestohlen bleiben."

„Ist es aus?" Die Frage war rein rhetorisch. Aufgebracht, wie er war, hatte er natürlich mit diesem Kerl Schluss gemacht. Zu meinem Vorteil.

„Hat schon zu lange gedauert. Ja."

Als Nächstes sah er mich an und ich registrierte, wie sich seine Körperhaltung veränderte. Er richtete sich etwas auf und wandte sich mir zu. Das Eis war gebrochen und ich gefiel ihm. Das verrieten auch seine weit geöffneten Pupillen.

„Und? Willst du ihm nachweinen oder hast du was nachzuholen?" Meine Frage war mehr eine Aufforderung und als diese verstand er sie auch.

„Magst du tanzen?"

„Tanzen als Vorspiel macht mich scharf."

„Na, dann komm."

Kaum deutete er mit einem Kopfnicken in Richtung Tanzfläche, da war er auch schon auf dem Weg dorthin. Ich folgte zwei Schritte hinter ihm, denn so konnte ich einen ersten Blick auf seine Kehrseite erwischen und was sich in seiner engsitzenden, schwarzen Lederhose abzeichnete, gefiel mir sehr. Voller Vorfreude leckte ich mir bereits die Lippen.

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Er begann sogleich, sich zur Musik zu bewegen. Und ja, das konnte er, richtig gut und sexy sogar. Er hatte Rhythmus und Körpergefühl. Dazu war er beweglich und nicht schüchtern. Ich tat es ihm gleich, allein schon, um ihm zu beweisen, dass es sich für ihn lohnen würde, wenn wir es miteinander trieben. Der Song war irgendeine x-beliebige Tanznummer und die Laser der Lightshow blendeten meine lichtempfindlichen Raubtieraugen, doch das minderte nicht das berauschende Gefühl, dass die Jagd begonnen hatte.

„Wie heißt du?", verlangte er zu wissen, als er an mich ran tanzte und so dicht vor mir, dass wir uns nur knapp nicht berührten, einen Circle Turn nach dem anderen mit erhobenen Armen ausführte.

Ich musste nicht nachdenken: „Killian. Und du?"

Er drehte sich weiter, wobei mir auffiel, wie sich die Muskeln seines Oberkörpers unter seinem schlichten weißen T-Shirt abzeichneten, wenn er sich dabei streckte.

„Luke!"

Zusammen mit seinem Namen schenkte er mir ein Lächeln, welches mir einen regelrechten Stich versetzte. Er war temperamentvoll, heiß, ein Bewegungstalent, verdammt attraktiv und bald tot.

Der letzte Gedanke verflog, so schnell wie er gekommen war, als wir begannen, nicht nur für Show, sondern miteinander zu tanzen. Ich umkreiste ihn, so nah, dass sich unsere wiegenden Hüften immer wieder wie zufällig berührten. Mir wurde heiß und heißer, denn überdeutlich konnte ich seinen Geruch wahrnehmen, jetzt, wo er in Fahrt kam. Diese köstliche Mischung aus Aftershave, süß-herbem Schweiß und Hormonen, die einem den Verstand rauben kann, wenn man das ist, was ich bin.

Dann, bevor ich es begreifen konnte, war Luke plötzlich hinter mir. Er schob mir seine Arme von hinten unter meinen Armen durch, verschränkte die Hände über meinem Nabel und zog mich an sich. Wir wurden zu einer einzigen, drehenden, vor und zurück wiegenden Bewegung. Sein Kinn lag auf meiner Schulter, sein heißer Atem kitzelte mein Ohr und er ließ mich wissen, dass er mich wollte. Nicht mit Worten, aber mit seinem Tanz, seinen Hüften, seinen Händen, die unter mein Shirt wanderten. Bei allen Dämonen! Es sollte genau umgekehrt sein, doch so wie er sich meiner bemächtigte, gefiel es mir.

Ich legte den Kopf in den Nacken und wandte mich ihm zu.

„Wo?" Mehr brauchte ich nicht zu fragen.

Mittlerweile war ich so erregt, dass wir uns dringend einen Platz suchen sollten, wo wir übereinander herfielen.

„Gleich hinten, draußen", lautete die Antwort und eh ich michs versah, zog er mich mit sich.

Da begriff ich, was er vorhatte. Es ging vorbei an anderen Tänzern, durch einen Gang, bis zum Notausgang, der in einen Hinterhof führte. Kaum waren wir im Freien, da hörte ich seinen Atem umso lauter.

„Da wären wir", stellte er keuchend mit einem Lächeln fest.

Ich wagte einen Blick gen Himmel, wo man den Vollmond hinter Wolken erahnen konnte. Mir selbst war er nur allzu gegenwärtig, denn mein Blut dröhnte und hämmerte in meinen Adern. Nicht mehr lange und mit meinem Höhepunkt käme die für Luke totbringende Verwandlung. Zwischen hohen Backsteinmauern, Kisten und allerlei Gerümpel. Doch konnte er das nicht ahnen. Im Nu drückte ich ihn an die Wand, sodass sich unsere Leiber endlich aneinander reiben konnten. Er lachte auf, dann packte er mich rechts und links an meinem Schopf und zog mich in einen gierig verlangenden Kuss. Ich schmeckte sogleich Blut, so heftig ging er ran.

Nach der ersten Überraschung pressten sich unsere Münder nur noch wilder aufeinander, unsere Zungen begannen, sich forsch zu erkunden und wir beide verlangten mehr. Meine Hände packten ihn am Kragen seines T-Shirts, das ich ihm mit einem Ruck entzweiriss. Es kümmerte ihn nicht. Dicht gedrängt wie wir waren, sah ich nichts von seinem Oberkörper, doch ich spürte seine festen Muskeln an meinem. Unablässig küsste er weiter, stöhnte und ich spürte deutlich durch unsere Hosen, wie sich seine Erektion hart gegen meine drückte. Es war regelrecht schmerzhaft und doch so lustvoll! Ohne Vorwarnung riss ich mir mein Hemd vom Leib, schob mich wieder vor und suchte mit meinen Händen einen Weg in seine Hose. Als ich den Zipper gefunden und weit genug geöffnet hatte, befreite ich seinen Penis, erkundete und massierte ihn. Luke stöhnte in unseren Kuss, dann suchten endlich auch seine Hände nach meinem Hosenbund, um ihn zu öffnen und mich auf gleiche Weise zu verwöhnen. Sein Griff war beherzt, zielsicher und er wusste, wie man eines Mannes Lust bis zum Äußersten steigert. Heiße und kalte Schauer liefen über meinen Körper und zentrierten ihre Wirkung dort, wo der heiße Rothaarige sein Spiel mit mir trieb. Wenn das so weiter ginge, käme ich in seiner Hand.

„Ho, Luke!", versuchte ich halbherzig ihn zu bremsen.

Er verstand das anders.

„Hast du was dabei?", brachte er atemlos heraus.

Zu perplex, um zu antworten, nickte ich nur. Da ließ er mich los, fasste hinten in meine Hosentaschen und fand, wonach er suchte. Als ich begriff, spürte ich kurz ein heißes Prickeln, dann ein leichtes Schwindeln, so sehr überkam mich nun die Erwartung. Ja. Ich wollte es auch. Er sollte mich nehmen, jetzt und hier. Ja verdammt! In kürzester Zeit hatte er sich vorbereitet und mit einem Blick aus seinen grünen Augen holte er sich die Gewissheit, dass ich willig war.

„Dann dreh dich um", wies er mich an.

Und ich gehorchte. Mein Atem beschleunigte sich schlagartig, als ich mich mit den Unterarmen vorn an der Wand abstützte. Das Nächste überließ ich ihm. Er schob mir die Hose hinunter und die kalte Abendluft traf meinen entblößten Po zuerst, dann beugte sich Luke über mich und brachte sich in Position. Ich spürte seinen heißen Atem in meinem Nacken, als er noch einen Moment zögerte und mir die Hände um die Hüften legte.

„Jetzt mach", gab ich ihm mein Okay und hielt die Luft an.

So schob er sich vor, langsam aber stetig. Für den Bruchteil einer Sekunde durchfuhr mich ein Schauern und Prickeln, dann war er vollständig eingedrungen. Ich verdrängte die Überlegung, wie lange es her war, dass ich es so von jemandem gewollt hatte, dann ging es los. Der erste und zweite Schub waren noch zaghaft und erinnerten mich daran, dass ich atmen musste. Dann, als er sicher schien, dass ich nehmen konnte, was er mir gab, begann er den Takt und die Intensität seiner Stöße zu steigern. Meine eigene Lust brach sich so völlig Bahn. Ich begann mich unter ihm zu winden und zu wimmern. Schauer über Schauer jagten durch meinen Leib und mein Blut rauschte in den Ohren. Gierig langte ich mit einer Hand hinter mich, packte ihn an seinem Rotschopf und zog ihn über der Schulter in einen Kuss, der nicht weniger hemmungslos war als das Liebespiel, dem wir uns hingaben. Immer wieder trieb er sich in mich hinein, ließ mich beben, mich ihm entgegenstrecken, da merkte ich, dass meine Knie weich wurden und plötzlich schmeckte ich abermals Blut auf meinen Lippen. Blut. Das brachte mich genug zur Besinnung, um zu tun, was notwendig war. Nein! Mit einem kräftigen Ruck zog ich an seinem Haar, was ihn aufheulen ließ. Überrascht fluchte er.

„Verdammt, spinnst du?!"

Kurz hielt er inne, da ging auch schon alles ganz schnell. Ich schlug ihm den Kopf an die Wand. Es reichte, um ihn gleich besinnungslos zusammensacken zu lassen. So gingen wir gemeinsam zu Boden. Er ächzte benommen, ich wand mich unter ihm, befreite mich von ihm und rappelte mich auf meine unsicheren Füße. Kurz betrachtete ich ihn, wie er da auf dem Asphalt lag. Bewusstlos, hilflos, fast nackt, blutend, selbst so noch faszinierend schön, aber vor allem noch lebendig. Jemand würde ihn finden und sich um ihn kümmern.

Ich wandte mich schweren Gemüts ab und ging ein paar Schritte. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich mit ein paar Handgriffen um mich selbst zu kümmern. Und wie immer, wenn mein Höhepunkt zur Zeit des Vollmonds kam, erwachte der Wolf mit all seiner grausamen Macht, übermannte mich, gab mir seine Gestalt und hetzte mit mir durch die Nacht. Wieder war ich einsamer als zuvor.

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