44. Letters
Seth
Bereits seit einigen Tagen hatten wir nichts mehr von Sienna gehört, weder Harvey noch ich. Normalerweise meldete sie sich wenigstens bei einem von uns beiden, um ein Lebenszeichen von sich zu geben. Doch als ich versuchte, sie gestern zurückzurufen, startete eine Ansage mit dem Hinweis, dass die gewählte Rufnummer nicht vergeben sei. Ich flippte total aus und nachdem Harvey mich ein wenig beruhigt hatte, rief ich Gwenny an. Sie fiel natürlich aus allen Wolken, als ich ihr dies erzählte.
„Vielleicht hast du dich verwählt?", lautete ihre Aussage, welche ich jedoch sofort dementierte.
„Nein, das kann nicht sein, denn Siennas Nummer ist ja in meinem Handy eingespeichert."
„Warte, ich rufe sie mal an, ok?"
Auch Gwennys Bemühungen scheiterten, denn als sie mich fünf Minuten später wieder zurückrief, konnte sie genau das bestätigen, was mir widerfahren war. Langsam begannen wir uns Sorgen zu machen, alle drei. Harvey schlug schließlich vor, nach Greenwich zu fahren, um nach dem Rechten zu sehen. Doch niemand öffnete uns dort die Tür. Da ich jedoch einen Ersatzschlüssel besaß, den ich selbstverständlich mitgenommen hatte, betraten wir die Wohnung auf eigene Faust. Auf den ersten Blick wirkte alles normal und nichts schien zu fehlen. Sogar der Glaswürfel, welchen wir ihr zu Weihnachten geschenkt hatten, stand an seinem Platz. Ebenso hing das Bild aus Alexander Rossis Galerie über der kleinen Kommode im Flur. Aber als Harvey ins Badezimmer lief, stellte er fest, dass solche Dinge wie Zahnbürste und Hygieneartikel nicht mehr vorhanden waren. So, als hätte sie eine Reise angetreten.
Gwenny, die inzwischen auch eingetroffen war, weil es ihr keine Ruhe ließ, konnte sich ebenfalls keinen Reim daraus machen.
„Ich verstehe das nicht", sagte ich. „Sienna hat keinerlei Andeutungen gemacht, dass sie vielleicht wegfahren möchte."
„Wir müssen zur Polizei gehen", warf Harvey ein.
„Damit müssen wir bis morgen warten", erklärte ich. „Denn sie greifen das erst auf, nachdem jemand vierundzwanzig Stunden verschwunden ist."
„Aber das ist sie doch!", kam es von Gwenny.
„Nein, für die Polizei ist sie das erst ab morgen Abend, denn wir haben heute erst ihr Verschwinden festgestellt", meinte ich und fuhr mir nachdenklich durch das Haar.
Die Angst um meine kleine Schwester schnürte mir langsam die Kehle zu.
Sienna und ich hatten uns immer gut verstanden und besonders in letzter Zeit. Sicher reagierte ich anfangs entsetzt bezüglich ihrer Schwangerschaft, doch das hatte sich im Laufe der Zeit gelegt. Nun war ich an dem Punkt angelangt, dass ich es nicht mehr erwarten konnte, Onkel zu werden. Und vielleicht wuchs gerade deswegen meine Sorge zu einem unendlich riesigen Berg heran. Was, wenn meiner Schwester etwas zugestoßen war?
„Hör zu Seth, ich werde morgen bei euch vorbeischauen und dann beratschlagen wir, was wir tun. Wir können ja zu dritt zur Polizei gehen, falls sie sich bis dahin nicht gemeldet haben sollte", schlug Gwenny vor.
„Das klingt vernünftig", meinte Harvey, in dessen Augen bereits die Tränen glänzten. „Hoffentlich ist meinem Schnuckelchen nichts passiert." Unendlich leise und traurig kamen die Worte über seine Lippen.
„Ok, Gwenny, so machen wir es. Wann willst du bei uns sein?"
„Sagen wir gegen fünf. Ich werde morgen ein bisschen eher von der Arbeit nach Hause gehen."
In dieser Nacht schlief ich sehr schlecht, dachte ständig an Sienna. Seit unsere Eltern sich getrennt hatten, hielten wir zusammen wie Pech und Schwefel und egal welches Problem sie mit sich herumtrug – sie war immer zu mir gekommen, um zu reden. Selbst die Schwangerschaft, deren kurioses Entstehen mich die Haare raufen ließ, hatte sie mir gebeichtet.
Nachdem ich mich unzählige Male im Bett herumgewälzt hatte, stand ich mitten in der Nacht auf und lief in die Küche, um eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank zu holen. Als ich die klare, prickelnde Flüssigkeit in ein Glas goss, beschlich mich plötzlich ein ungutes Gefühl. Was, wenn sie diesen Mann gefunden hatte? Den Vater ihres Kindes?
Die Stimme in meinem Kopf flüsterte mir etwas zu, das ich nicht hören wollte. „Dann wird alles anders."
Am nächsten Tag hatte ich zunächst zwei Kundentermine zu bewältigen, welche bis zum frühen Nachmittag andauerten. Gegen halb drei betrat ich unser Apartment, in der Hoffnung, dass Harvey oder Gwenny vielleicht inzwischen etwas von Sienna gehört hatten. Zu meiner Überraschung vernahm ich mehrere Stimmen, eine weibliche und zwei männliche. Die weibliche gehörte Gwenny, daran gab es nichts zu zweifeln; eine der männlichen konnte ich Harvey zuordnen, doch die dritte Stimme war mir gänzlich unbekannt.
Neugierig betrat ich das Wohnzimmer, wo ich einen kleinen, dicklichen Mann auf einem unserer Sessel sitzen sah. Harvey und Gwenny hingegen belegten ihre Plätze auf der Couch. Stirnrunzelnd ging ich auf das Szenario zu und als Harvey mich erblickte, schoss er einem Pfeil gleich vom Sofa hoch.
„Endlich bist du da, Seth!"
„Was ist denn hier los? Wir haben Besuch?" Mein Blick fiel auf den fremden Kerl, der mit einem hellen Anzug bekleidet war.
Er erhob sich nun, reichte mir seine Hand und stellte sich höflich vor.
„Ich bin Alistair Kirkland und Sie müssen Seth Roberts sein, wenn ich nicht irre."
„Der bin ich."
Neugierig musterte ich ihn. Seine wachen, braunen Augen zeugten von einer immensen Intelligenz, die mir sofort auffiel. Sein ernster Gesichtsausdruck gefiel mir in diesem Zusammenhang überhaupt nicht und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er wegen Sienna hier verweilte.
„Mr Kirkland, was kann ich, oder besser gesagt, was können wir für Sie tun?"
Meine Stimme klang merkwürdig belegt, als ich zu Gwenny schaute. Hatte sie nicht erst gegen fünf hier vorbeikommen wollen? Etwas stimmte ganz und gar nicht, das gab mein Gefühl mir deutlich zu verstehen.
„Setz dich erstmal hin", wies mein Lebensgefährte mich an.
Sein Tonfall ließ erahnen, dass er ziemlich aufgeregt war und auch Gwenny konnte man eine gewisse Unruhe förmlich ansehen.
„Was ist hier los?" Meine Augen wanderten zu Mr Kirkland, der in alle Seelenruhe zwei Umschläge aus seinem Jackett zog.
„Bitte, Mr Roberts, ich möchte Ihnen etwas erklären, bevor ich Ihnen den Brief, welcher für Sie und Ihren Lebensgefährten bestimmt ist, aushändige. Der andere ist für Miss Bail."
Er machte eine kurze Pause, bevor er mit seiner Rede fortfuhr.
„Sienna hat diese Briefe vor einigen Tagen verfasst."
Das war der Moment, in dem ich zu frösteln begann. Angstschweiß stand auf meiner Stirn, weil ich plötzlich glaubte, dass sie sich etwas angetan haben könnte und es sich bei dem Schriftstück um einen Abschiedsbrief handelte.
„Bitte", begann ich, „sagen Sie mir, was mit meiner Schwester passiert ist."
Mr Kirklands Stimme wirkte ruhig und sehr gefasst, als er zu einer Erklärung ansetzte.
„Sienna geht es gut. Sie befindet sich in Sicherheit. Wir haben Sie in unser Zeugenschutzprogramm aufgenommen, weil es der Wunsch unseres Klienten und natürlich auch ihr eigener war. Leider darf ich Ihnen nicht sagen, wo sie sich aufhält, nur so viel: Sie müssen sich keine Sorgen machen. Das, was Sie Ihnen zum Abschied sagen wollte, steht in diesen Briefen."
Es herrschte eine beinahe schon gespenstische Stille im Raum, nachdem er den letzten Satz beendet hatte und ich sah, wie bei Gwenny die ersten Tränen flossen.
Zeugenschutzprogramm! Dieses Wort hallte in meinem Kopf und machte mir bewusst, dass mein Albtraum sich nun erfüllte. Sienna hatte ihn gefunden.
Mit zitternden Händen griff ich nach dem Umschlag, den Mr Kirkland mir überreichte und welcher an Harvey und mich adressiert war. Ich erkannte die Handschrift meiner Schwester sofort. Ohne Umschweife gesellte sich mein Lebensgefährte zu mir und Sekunden später begannen wir beide zu lesen.
Lieber Seth, lieber Harvey,
es tut mir unendlich leid, dass ich das, was ich euch sagen will, auf diesem Weg tun muss. Aber es gibt keine andere Alternative. Schon in wenigen Tagen werde ich London verlassen und in ein fremdes Land reisen. Zum jetzigen Zeitpunkt weiß ich noch nicht einmal wohin.
Bitte sucht nicht nach mir, denn ihr werdet mich nicht finden. Ich habe eine neue Identität bekommen, genau wie Fionn, mein Mann. Ihr habt richtig gelesen, ich bin verheiratet.
Es tut mir in der Seele weh, dass dies ohne eure Anwesenheit geschah, doch es musste sein. Ich hätte mir nichts sehnlicher gewünscht, als eines Tages von Seth an den Altar geführt zu werden und von Harvey die schönste Hochzeitstorte aller Zeiten geschenkt zu bekommen. Ich liebe euch beide so sehr, ihr seid zusammen mit Gwenny die wichtigsten Menschen in meinem Leben.
Dir Seth möchte ich sagen, dass du der beste Bruder bist, den man sich nur vorstellen kann. Wir hielten zusammen wie Pech und Schwefel, du warst immer für mich da, auch wenn ich Mist gebaut hatte, so wie in diesem Swinger Club.
Dennoch ist gerade daraus etwas entstanden, das ich nicht mehr missen möchte: Mein ungeborenes Kind. Es wächst stetig in mir heran und lässt mich spüren, wie schön es ist, Mutter zu werden. Nun bin ich an einer Stelle angekommen, an der ich meine Tränen nicht mehr verbergen kann. Ich weiß, dass ihr dieses Baby niemals in euren Armen halten werdet und dies zerreißt mir das Herz. Ihr könnt mir glauben, das ist das Letzte was ich wollte und doch kann ich es nicht verhindern. Ich musste mich entscheiden und meine Wahl fiel auf Fionn, den Mann den ich liebe und ich wünschte, ihr könntet ihn eines Tages kennenlernen. Er liebt mich wirklich, daran braucht ihr nicht zu zweifeln, denn er hat seinen Glauben für mich aufgegeben. Er wurde evangelisch, damit wir heiraten können und in der Lage sind, unser Kind zusammen aufzuziehen. Das wollte ich euch wissen lassen, damit ihr begreift, wie sehr wir einander lieben und dass jeder von uns etwas aufgeben musste, was ihm sehr wichtig war.
Für mich ist es das Leben mit euch, dem engsten Teil meiner Familie. Ich werde euch so sehr vermissen, alle beide. Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, als du Seth, mir Harvey vorgestellt hast. Ich hatte dich Harvey, sofort ins Herz geschlossen. Deine fröhliche, unbekümmerte und gleichzeitig liebevolle Art, das ist es, was dich ausmacht. Bitte bleibe immer so. Verliere dein fröhliches Lächeln nicht, denn ich bin nicht tot, sondern nur außerhalb eurer Reichweite.
Und du Seth, bitte vergiss niemals wie wichtig du mir warst und immer noch bist. Wir haben so Vieles miteinander durchgestanden, aber nun muss ich euch beiden Lebwohl sagen.
Auch wenn wir uns vielleicht nie wieder sehen, meine Liebe zu euch wird immer da sein, bis zu meinem letzten Atemzug.
Bitte vergesst mich nicht, denn ich werde euch auch niemals vergessen.
Ich liebe euch von ganzem Herzen, Sienna.
Tränen liefen über Harveys und meine Wangen. Stumm hielten wir einander fest, wie zwei Schiffbrüchige in der stürmischen See, die zu ertrinken drohten. Ich würde meine kleine Schwester nie wieder sehen, niemals mehr ihr Lachen hören, das Funkeln ihrer blauen Augen und die Wärme in meinem Herzen spüren, wann immer sie mich umarmte.
Sienna war weg.
Für uns nicht mehr existent und doch lebte sie. Zusammen mit einem Mann, der sie wirklich lieben musste. Doch dies war in jenem Augenblick nur ein schwacher Trost für mich, denn ich konnte es nicht so einfach verkraften, sie vielleicht für immer verloren zu haben, einen Menschen, den ich von Herzen liebte.
Ein lautes Schluchzen drang plötzlich in meine Ohren und bewirkte, dass ich den Kopf hob. Es war Gwenny, die völlig am Boden zerstört auf dem Sofa saß. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet und ihre Hände zitterten so stark, dass ich glaubte, sie würde jeden Augenblick einen Kollaps erleiden. Und obwohl mein eigener Schmerz mich beinahe innerlich zerriss, konnte ich nicht mitansehen, wie Gwenny litt. Ich wollte sie in meine Arme nehmen, um ihr zu sagen, dass sie immer bei uns willkommen war, auch ohne Sienna. Doch kein Laut kam über meine Lippen. Harveys Körper hörte langsam auf zu beben, während er seine Tränen trocknete. Als er ebenfalls in Gwennys Richtung blickte, erhob er sich und ging auf sie zu. Wortlos schlossen die beiden sich einander in die Arme und ich folgte dieser Geste.
Zu dritt standen wir nun da, versunken in unserer Trauer. Hilflos klammerte sich Gwenny an mich.
„Seth, ich kann das nicht", schluchzte sie.
Behutsam streichelte ich über ihr Haar. „Was kannst du nicht?", flüsterte ich mit tränenerstickter Stimme.
„Nicht..., nicht lesen... Ich habe nur die ersten beiden...Sätze gelesen. Bitte lies es mir vor..."
Ihre Stimme zitterte ebenso sehr wie ihr schlanker Körper. Noch immer hielt sie den Brief in ihren zarten Händen, doch ich fühlte mich nicht in der Lage, das zu tun, was Gwenny von mir verlangte. Aber es gab jemand anderen in diesem Raum, der das tat. Alistair Kirkland.
Ohne zu zögern ließ er sich von Gwenny das Schriftstück reichen und wies uns mit einer freundlichen Geste zum Sitzen an. Mit klopfendem Herzen nahm ich meinen Platz links neben der besten Freundin meiner Schwester ein, während Harvey sich an ihre rechte Seite gesellte. Mr Kirkland, der im Sessel saß, kam nun seiner Aufgabe nach.
Liebe Gwenny,
erinnerst du dich noch an den Augenblick, in welchem wir uns zum ersten Mal trafen? Ich werde nie vergessen, wie einsam ich mir in diesem Internat vorkam, wo alles neu und ungewohnt für mich war. Doch dann bist du aufgetaucht und fragtest mich nach meinem Namen. Du kamst mir vor wie ein kleiner Rauschgoldengel, der sich meiner annahm. Aus diesem Engel wurde meine beste Freundin. Jemand, den ich immer an meiner Seite haben wollte. Doch nun muss ich dich verlassen. Ich wünschte, es wäre nicht wahr, ich wünschte, ich könnte dich mitnehmen.
Erinnerst du dich noch, als du mir gesagt hast, dass du mir wünschst ich würde mich in einen Mann verlieben, mit dem ich bereit wäre, bis ans andere Ende der Welt zu gehen? Das ist nun passiert. Ich habe Fionn gefunden, den Vater meines ungeborenen Kindes. Wie es dazu kam, soll Alistair dir erklären. Aber du musst eines wissen: Wir lieben uns und er bringt für mich genauso viele Opfer wie ich für ihn.
Es tut mir unendlich leid, dass ich dich in den letzten Wochen so oft angelogen habe. Ich war niemals bei Paula in Brighton. An besagtem Wochenende habe ich Fionn an einem geheimen Ort besucht.
Inzwischen sind wir Mann und Frau, und auch die Tatsache, dass du nicht dabei sein konntest, als ich heiratete, nagt an mir. Du wirst unser Baby niemals sehen und in deinen Armen halten können. Es tut so weh, daran zu denken, dass ich dich zurücklassen muss und du vermutlich nie wieder Teil meines Lebens sein wirst.
Bitte verzeih mir, dass ich diesen Weg gehe, aber ich kann nicht anders, obwohl es mir unendlich wehtut, auf die Menschen zu verzichten, die jedoch immer in meinem Herzen sein werden.
Kannst du dich erinnern, als ich dich bat, mir zu versprechen, dass du mich immer lieben würdest, egal was ich tue? Damals wusste ich bereits, dass ich mit Fionn gehen würde. Ich wollte dir damit sagen, dass meine Entscheidung nichts mit dem zu tun hat, was ich für dich fühle. Du wirst immer meine beste Freundin sein, bis zum Ende meines Lebens, egal, ob wir uns jemals wiedersehen.
Bitte weine nicht zu sehr, sondern schau nach vorne. Lebe dein Leben, aber vergiss mich nicht. Du wirst immer in meinem Herzen sein, mein kleiner Rauschgoldengel. Und ich hoffe, dass du eines Tages so einen Mann triffst, wie ich ihn in Fionn gefunden habe. Du wirst mir immer fehlen, genauso wie ich dir.
Ich liebe dich von ganzem Herzen, Sienna.
Gwendolyn weinte so sehr, dass ich meinen eigenen Schmerz für eine Sekunde vergaß. Sienna und sie waren wie Schwestern, sie waren ein Herz und eine Seele. Doch nun war alles vorbei. Unsere Leben würden nie wieder die gleichen sein. Es war hart, es tat weh und dennoch fühlte ich, dass Sienna auf eine Art und Weise glücklich war, wie es keiner von und jemals vermutet hätte. Sie wurde Mutter und befand sich nun an der Seite eines Mannes, den sie liebte.
Ich wollte, dass meine Schwester glücklich war und wenn dies der Preis dafür sein sollte, dass ich sie niemals wiedersehen würde, dann musste ich das hinnehmen, so schwer es mir auch fiel.
Als Alistair Kirkland sich räusperte, schauten wir alle zu ihm.
„Sie wissen nun Bescheid", begann er seine Rede. „Und ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach für Sie ist. Für alle drei nicht."
Er sah uns der Reihe nach an, als wüsste er genau, was in unseren Köpfen vorging.
„Meine Aufgabe ist es nun, Sie kurz darüber zu informieren, wie Sienna Fionn gefunden hat. Sie wollte, dass ich das tue", fuhr er fort.
Aufmerksam nahm ich seine nächsten Worte in mir auf. Staunend hörte ich zu, wie Sienna eines Tages auf Rosie, Alistairs Frau traf, die ihren Mann letztendlich davon überzeugen konnte, sich mit Sienna in Verbindung zu setzen.
„Als ich Sienna zum ersten Mal begegnete, da fragte ich sie, warum sie Fionn finden wollte. Ihre Antwort war ehrlich und sehr deutlich. Sie sagte, dass sie ihn lieben würde und er ein Recht darauf habe, zu erfahren, dass sie schwanger von ihm sei. Das hat mich beeindruckt und wissen lassen, dass sie meinem Jungen nichts Böses wollte. Außerdem ließen wir Sienna eine Woche lang überwachen. Wir mussten sicher gehen, dass sie clean war, wie man in unserer Sprache sagt. Nachdem es keine Auffälligkeiten in dieser Hinsicht gab, sprach ich mit Fionn, der sich bereit erklärte, sie empfangen zu wollen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch keine Ahnung von ihrer Schwangerschaft. Aber er nahm es sehr gut auf, dass er Vater wird und entschloss sich nach reiflicher Überlegung, seinen Glauben zu wechseln, damit er auf legale Art und Weise mit Sienna zusammen sein konnte. Er liebt sie, das kann ich Ihnen versichern."
Mr Kirkland machte durchaus einen vertrauenswürdigen und sehr kompetenten Eindruck auf mich. Ich hatte nicht die leisesten Zweifel an seinen Worten. Trotzdem musste ich noch eine Frage stellen.
„Wie gut kennen Sie Fionn?"
Er lächelte, als er antwortete. „Gut genug um zu wissen, dass er ein feiner Kerl ist, durch und durch. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen."
„Und was ist, wenn man sie findet?", platzte Harvey heraus.
„Dann werden sie erneut umziehen müssen. Aber daran wollen wir jetzt nicht denken, denn solche Dinge kommen sehr selten vor", versuchte Mr Kirkland uns zu beruhigen.
Auch Gwenny meldete sich jetzt zu Wort. „Dürfen Sie uns denn sagen, wenn das Baby da ist?"
Der kleine, dicke Mann schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. „Natürlich! Fast hätte ich das vergessen zu erwähnen. Sie werden selbstverständlich informiert, sobald das Kind auf der Welt ist. Und auch, wenn noch mehrere dazukommen sollten."
„Ich wünschte, das Würmchen wäre schon geboren", ließ Harvey sich vernehmen.
Sanft streichelte ich meinem Lebensgefährten über den Rücken. Ich wusste, wie sehr gerade er sich auf das Baby gefreut hatte. Harvey war ein Kindernarr und hätte Siennas Abkömmling nach Strich und Faden verwöhnt. Doch leider würde dies niemals mehr passieren.
Mr Kirkland ließ uns noch wissen, dass wir uns um nichts zu kümmern brauchten, was Siennas Wohnung anging. Diese würde von seinen Mitarbeitern ausgeräumt werden, wobei wir einen Teil der persönlichen Dinge erhalten sollten. Auch die Kündigung des Arbeitsvertrages hätte man bereits veranlasst. Es musste ein sehr professionelles Team sein, welches an seiner Seite arbeitete. Nachdem er sich von uns verabschiedet hatte, setzten wir uns auf das große Sofa. Zuerst sprach keiner ein Wort, jeder musste erstmal sacken lassen, was geschehen war.
„Was machen wir denn jetzt?" Gwennys Stimme zitterte, als sie diese Frage stellte. „Ich komme mir so verloren vor. Ich liebe Sienna, das werde ich immer tun. Oh Gott, es ist alles meine Schuld."
Tränen liefen ihre Wangen hinab, während sie die Hände vor das Gesicht schlug.
„Gwenny, es ist nicht deine Schuld", sagte ich sanft. „Es lag nicht in unserer Hand. Vermutlich sollte dies alles passieren, damit sie ihr eigentliches Glück findet. Nur wenn wir es auf diese Art und Weise sehen, können wir auf Dauer damit leben."
Ich wusste nicht, woher ich diese Kraft nahm, die tief aus meinem Innersten herausströmte.
„Wir alle werden Sienna nie vergessen, das weiß ich. Aber wir sollten das tun, was sie nun auch tut. Unsere Leben leben, so gut es geht. Du gehörst für immer zu uns, Gwenny und wir möchten, dass das so bleibt."
Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und sagte: „Danke, Seth. Auch ihr werdet immer ein Teil meines Lebens sein. Ich wünschte nur, ich könnte Sienna noch einmal sehen."
„Ich glaube, das wünschen wir uns alle", murmelte Harvey leise schniefend.
Langsam stand ich auf und ging zum Fenster. Die Sonne schien und tauchte die Stadt in ein wunderbares Licht. Sienna hatte London immer geliebt und ich hoffte, dass sie in ihrer neuen Heimat annährend so glücklich sein würde wie hier. Ich wünschte ihr das von ganzem Herzen.
„Lebwohl, Sienna",flüsterte ich leise unter Tränen. „Ich werde dich nie vergessen und für immerlieben."
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Hallo ihr lieben, es wird allerhöchste Zeit für ein neues Update.
Ich hoffe, das Kapitel aus Seths Sicht hat euch gefallen. Einige fragten ja bereits danach und ich wollte euch seine Gefühle und Reaktion nicht vorenthalten.
Das nächste Update kommt nicht vor dem 10. September, denn ich bin ab Sonntag eine Woche in Toronto.
LG, Ambi xxx
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