39. Prisoners


Dustin


Mit total überhöhter Geschwindigkeit rasten wir durch die Stadt. Ace, der hinter dem Lenkrad des Porsches saß, hielt dieses so fest umklammert, dass das Weiße aus seinen Fingerknöcheln hervortrat. Hochkonzentriert verfolgte er den aufgemotzten, schwarzen Van, den wir unbedingt erreichen mussten, bevor es zu einer Katastrophe kam. Unser Klient schwebte in dieser Sekunde in Lebensgefahr.

„Mach dich bereit, Newbie", knurrte Ace. „Gleich kannst du zeigen, was du gelernt hast."

Mein Puls beschleunigte kurz, als ich seine Worte vernahm. Jetzt wurde es ernst. Ohne einen Ton zu sagen, griff ich nach meiner Maschinenpistole des Herstellers Heckler & Koch, welche die Kurzbezeichnung MP7 führte. Ich liebte sie abgöttisch.

Dieses überaus handliche Arbeitsgerät vereinte nämlich die Vorteile mehrerer Waffentypen. Das Gewicht und die Handhabung einer normalen Maschinenpistole mit der Durchschlagskraft eines Sturmgewehrs. Mit ihren zweiundvierzig Zentimetern Länge und dem geringen Kraftaufwand, den man verwenden musste, um sie zu benutzen, war das Teil auch für das einhändige Feuern und bedingt auch für verdecktes Tragen geeignet.

Letzteres konnten wir uns im Moment sparen, aber auf das einhändige Feuern kam es genau jetzt an. Das Magazin der MP7 war mit vierzig Patronen bestückt, das sollte wohl reichen, um unsere Widersacher zu stoppen. Großzügigerweise hatte ich heute auf den Schalldämpfer verzichtet, sodass unser Einsatz jede Menge Lärm veranstalten würde. Aber dies tat er auch bereits ohne Schießerei. Das ständige Quietschen der Reifen, wenn wir durch eine Kurve droschen, erzeugte von Natur aus eine gewisse Geräuschkulisse, die wohl jeder wahrnahm.

„Ok, Kleiner, wir nähern uns dem Feind. Ich werde versuchen, so nah wie möglich ranzufahren, ohne uns in Gefahr zu bringen. Den Rest musst du dann tun."

Der Rest, wie Ace sich nonchalant ausdrückte, bestand darin, den schwarzen Van unter Beschuss zu nehmen. Dafür eignete sich die MP7 mehr als hervorragend.

„Das werde ich", erwiderte ich knapp und konzentrierte mich vollends auf das bedrohlich wirkende Auto, welches immer näher in mein Blickfeld rückte.

Wenn Ace etwas wirklich gut konnte, dann war das einen Wagen mit halsbrecherischem Tempo durch eine Straße zu prügeln. Manchmal hegte ich den leisen Verdacht, dass er heimlich an illegalen Autorennen teilnahm, um seine Skills diesbezüglich zu verbessern.

Ohne ein Anzeichen von Nervosität malträtierte er weiterhin das Gaspedal und einer Rakete gleich schossen wir in Richtung des Vans. Das war der Augenblick, in welchem ich ins Spiel kam. Meine MP7 in der Hand, lehnte ich mich ein Stück aus dem Fenster, dessen Scheibe bereits heruntergelassen war und nahm den Van ins Visier. Dank dem aufgesetzten Zielfernrohr würde es ein Kinderspiel sein, die Munition in den Bestimmungsort zu jagen, nämlich die Reifen.

Wir mussten die Mafia unbedingt davon abhalten, an den dunkelgrauen Bentley heranzukommen. Dass sie diesem gefährlich nahe waren, sah ich in jener Sekunde. Sie befanden sich kurz davor, das Auto zu rammen und schossen gleichzeitig darauf. Obwohl das Gefährt als kugelsicher galt, war höchste Gefahr im Verzug. Der Van konnte den Bentley mühelos gegen eine Hausmauer drücken und würde als Sieger hervorgehen. Dann brauchten die Typen, die der Mafia angehörten, nur noch aus dem Auto zu springen und unseren Klienten, sowie Norman einfach abzuknallen.

„Schiiiiiiiiiiiiiiiiiiieß, Dustin!", drang Ace' lautes Sprechorgan in meine Ohren.

Eiskalt betätigte ich den Abzug der Waffe, so wie man es mir in der Ausbildung beigebracht hatte. Wir wurden darauf getrimmt, möglichst keine Gefühle hochkommen zu lassen, sobald eine Schießerei im Gange war. Trotzdem katapultierte sich mein Adrenalinspiegel wie von Geisterhand nach oben. Er zwang mich immer weiter zu machen, bis drei von vier Reifen platt waren, obwohl der Fahrer des Vans bereits nach dem zweiten Treffer die Kontrolle über das Auto verlor. Dieses kam von der Fahrbahn ab, wobei es jedoch unglücklicherweise gegen das Heck des Bentleys prallte, welcher dadurch gewaltig ins Schlingern geriet. Hoffentlich behielt Norman die Nerven.

Während ich beobachtete, wie der schwarze Van letztendlich gegen eine kleine Mauer krachte und sich anschließend beinahe schon elegant überschlug, um dann auf der Seite liegen zu bleiben, versuchte Ace den Porsche weiterhin auf der Spur zu halten. Gott sei Dank befanden wir uns mittlerweile auf einer der Seitenstraßen in einem Distrikt, der etwas außerhalb lag. Die Verkehrssituation war eher als ruhig zu bezeichnen, wenn man von unserer wilden Verfolgungsjagd und den beiden Lastkraftwagen, die fluchtartig nach links abgebogen waren, absah. Norman musste absichtlich hierher gefahren sein, denn er kannte London wie seine Westentasche.

Mit qualmenden Reifen kam unser Dienstwagen schließlich nach einer hundertachtzig Grad Wendung quer auf der Straße zum Stehen. Sofort sprang Ace heraus, ging hinter dem rechten Kotflügel in Deckung und zielte mit seiner Waffe auf den Van, in welchem sich im Moment nichts regte. Ich hingegen duckte mich, um den Porsche in gebückter Haltung zu verlassen. Dabei geriet ich ins Stolpern und fiel der Länge nach auf den Asphalt.

„Fuck!", stieß ich hervor.

Erst gestern Abend hatte ich meinen heißgeliebten Mantel aus der Reinigung geholt, der jetzt natürlich wieder beschmutzt wurde.

Noch bevor ich mich aufgerappelt hatte, ertönten mehrere Polizeisirenen, deren Klänge im Sekundentakt lauter wurden. Schnell stieß ich mich vom Boden ab und rannte in Richtung des Bentleys, der in Sichtweite mit leicht eingedelltem Kofferraum halb auf dem Bürgersteig und halb auf der Straße stand. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass der Van binnen kürzester Zeit durch unzählige Polizisten umzingelt wurde. Da Ace sich in deren Nähe aufhielt und ich durch die Sperre, welche mit unglaublicher Geschwindigkeit um den Van errichtet worden war, nicht mehr so einfach durchkam, sah ich es als meine Aufgabe, nach unserem Klienten sowie nach Norman zu schauen.

Keuchend traf ich neben dem gepanzerten Fahrzeug ein, um festzustellen, dass Norman hinter dem Lenkrad verweilte. Er schien sich eine Platzwunde am Kopf zugezogen zu haben, war aber Gott sei Dank ansprechbar. Stöhnend wischte er sich das Blut von der Stirn, während ich den hinteren Teil des Wagens in Augenschein nahm. Als ich feststellte, dass von Fionn jede Spur fehlte, begann mein Herz in die Hose zu rutschen. Wo zum Teufel steckte er?

„Norman, hast du Fionn gesehen?", brachte ich schärfer als geplant hervor, worauf der Angesprochene den Kopf schüttelte.

„Ich dachte, er liegt hinten, auf der Rückbank."

„Da ist er nicht!"

„Verdammte Kacke!", fluchte der Hüne. „Ich hab nicht mitbekommen, dass er entwischt ist."

„Kann es vielleicht sein, dass er aus dem Wagen geschleudert wurde?", sprach ich meinen Gedanken laut aus.

„Dann müsste er hier irgendwo auf der Straße liegen", brummte der Kleiderschrank auf zwei Beinen und versuchte sich aus dem lädierten Auto zu schälen.

Das Blut tropfte auf seine Klamotten sowie auf die Straße und ließ ihn aussehen, wie ein Schwein, das in letzter Sekunde dem Metzger entwischt war. Bei dem Versuch, einen Schritt vorwärts zu laufen, fasste er sich sogleich an den Kopf, um zu sagen: „Ich glaube, mir wird schwindelig."

Ein eindeutiges Indiz, dass er sich vermutlich eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte.

„Wie müssen einen Krankenwagen rufen", sagte ich und wollte mein Handy aus der Manteltasche herausfischen. Doch Norman wehrte ab.

„Such nach Fionn, ich werde schon nicht verrecken. Kopfverletzungen bluten einfach wie verrückt. Und wo steckt Dixon? Der müsste doch auch noch hier sein?"

„Er ist vorne, bei den Polizisten, die die Straße abgesperrt haben und sich um die Überreste der Mafiosi kümmern."

„Ab mit dir!" Norman wies mit seinem Kopf in jene Richtung, in der er Fionn wohl vermutete.

„Sag Ace Bescheid, ok?"

„Das mache ich."

Sofort spurtete ich los, wobei ich nicht die leiseste Ahnung hatte, ob ich nach rechts, links, oder lieber geradeaus laufen sollte. Instinktiv suchte ich nach einem Gebäude, in welchem man sich vielleicht verstecken konnte. An Fionns Stelle hätte ich das nämlich getan.

Außer einigen schäbig aussehenden Häusern entdeckte ich jedoch auf den ersten Blick nichts, worauf ich mich eingelassen hätte, um mich unsichtbar zu machen. Trotzdem gab ich nicht auf. Das Bild wandelte sich nach einiger Zeit, als ich die Straße entlang rannte, und statt der Häuser tauchte eine große, verwaist wirkende Fabrikhalle vor meinen Augen auf. Die zum Teil eingeschlagenen Fenster ließen vermuten, dass diese wirklich nicht mehr benutzt wurde. Hoffentlich trieben sich hier keine zwielichtigen Gestalten herum, die Fionn überfallen wollten oder ihm gar nach dem Leben trachteten.

Eins stand fest: Sollte ich hier jemals wieder heil herauskommen, würde ich Norman kräftig den Hintern versohlen. Mit der Hilfe meiner Kollegen wohlbemerkt, denn alleine hatte ich keine Chance gegen den Kleiderschrank.

Fluchend eilte ich der Fabrik entgegen, denn zu allem Überfluss fing es auch noch an zu regnen. Ich hatte nicht den leisesten Schimmer, in welcher Gegend ich mich befand, aber im Moment war dies auch unwichtig. Es galt Fionn zu finden und sein Leben zu schützen. Hoffentlich war er nicht verletzt.

Endlich erreichte ich das Gebäude, mit klatschnassen Haaren, sowie verdreckten Schuhen, da sich ringsum Pfützen auf dem schlammigen Boden gebildet hatten. Es war mucksmäuschenstill in der Fabrikhalle, denn bis auf den plätschernden Regen, der seinen Weg durch die zersplitterten Fensterscheiben suchte, hörte ich rein gar nichts.

„Fionn?" Besorgt rief ich seinen Namen. „Fionn, wenn du hier drin bist, dann melde dich. Ich bin's, Dustin."

Mit Sicherheit würde er meine Stimme erkennen. Doch nichts tat sich. Komischerweise war ich mir jedoch sicher, am richtigen Ort zu sein. Mein Bauchgefühl hatte mich noch nie betrogen. Nachdenklich ging ich zuerst nach links. Leere Regale bildeten unendlich lange Reihen und versperrten die freie Sicht nach vorne. Hin und wieder rief ich nach Fionn, bekam aber keine Antwort.

Nachdem ich sämtliche Gänge erfolglos inspiziert hatte, sah ich mich nochmals genauer um. Dabei entdeckte ich einen Kellerabgang.

„Macht Sinn, da unten nachzuschauen", murmelte ich vor mich hin, während ich die Stufen vorsichtig hinabstieg.

Da es keine einzige Lichtquelle gab, griff ich nach meinem Handy, um die Taschenlampe zu benutzen.

„Mist", fluchte ich, als ich feststellte, dass das Display gesplittert war.

Vermutlich passierte dies bei meinem Sturz aus dem Porsche. Hektisch fummelte ich an dem Teil herum, in der Hoffnung, dass es noch zum Telefonieren zu gebrauchen sein würde, doch dieser Wunschtraum zerplatzte wie eine Seifenblase. Es funktionierte rein gar nichts mehr. Jetzt konnte ich nicht einmal mehr meine Kollegen erreichen und umgekehrt. Aber ich wollte nicht aufgeben und tastete mich vorsichtig an der Wand entlang. Je tiefer ich in den Keller vordrang, desto dunkler wurde es um mich herum und letztendlich konnte ich gar nichts mehr sehen.

„Fionn?", rief ich nochmals. „Wenn du hier bist, dann melde dich. Ich bin's, Dustin."

„Dustin?"

Es war eindeutig seine Stimme, die ich hörte und mir fiel regelrecht ein Stein vom Herzen. Aufgeregt tastete ich mich weiter nach vorne, bis ich schließlich gegen einen Körper prallte, der sich für eine Sekunde anspannte.

„Sorry", sagten wir beide gleichzeitig und atmeten erleichtert auf.

„Bist du ok?", erkundigte ich mich, worauf Fionn ein „Ja, bin ich", zur Antwort gab.

„Gott sei Dank. Und jetzt erkläre mir mal, warum du geflüchtet bist?"

„Weil ich dachte, dass die Mafia mich gleich niederballern würde. Aber verrate mir lieber, wie du hierher kommst."

„Wir waren direkt hinter dem schwarzen Van, dessen Reifen ich zerschossen habe", erklärte ich stolz.

„Du hast eine Waffe dabei?" Seine Erleichterung war förmlich zu hören.

„Ja, eine MP7."

„Das beruhigt mich jetzt echt", kam es von Fionn.

Es brachte mich ein wenig durcheinander, dass wir uns nicht sehen konnten und deshalb machte ich einen Vorschlag.

„Lass uns nach oben gehen, da ist es heller. Und könntest du vielleicht die Taschenlampe an deinem Handy anschalten? Außerdem müsste ich mal kurz telefonieren, um Alistair Bescheid zu sagen, dass ich dich gefunden habe."

„Ähm", machte Fionn. „Damit kann ich leider nicht dienen. Ich habe mein Handy verloren, als Norman diese Drehung auf der Straße hingelegt hat. Vermutlich liegt es irgendwo im Wagen. Aber ich wollte auch nicht danach suchen, sondern einfach nur aus der Gefahrenzone entkommen."

„Fuck!", entfuhr es mir.

Alistair würde höchstwahrscheinlich Amok laufen, wenn er erfuhr, dass ich mein neues iPhone geschrottet hatte und deshalb nicht in der Lage war, Entwarnung zu geben.

„Was ist denn mit deinem Handy?", erkundigte sich Fionn argwöhnisch.

Inzwischen hatten wir die Treppe nach oben erklommen. Als ich ihm das lädierte Teil unter die Nase hielt, seufzte er leicht.

„Oh je, das sieht nicht gut aus. Ich hoffe, deine Kollegen wissen wo du bist?"

„Nein. Wir müssen uns jetzt alleine durchschlagen. Aber das kann ja nicht so schwer sein."

„Ist Norman ok?", stellte Fionn seine nächste Frage.

„Ja, es geht ihm gut, mach dir keine Sorgen. Er hat einen ziemlich harten Schädel und wird die Platzwunde schon verkraften."

„Gott sei Dank, ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, weil ich einfach so angehauen bin. Aber bin echt in Panik geraten", erklärte er.

Unendlich froh darüber, dass Fionn nichts passiert war, klopfte ich ihm kurz auf die Schultern und sagte: „Ales in Ordnung, aber jetzt lass uns gehen, von der Mafia haben wir nichts mehr zu befürchten. Die befinden sich im Gewahrsam der Polizei."

Eigentlich hatte ich erwartet, dass er sich aufgrund dieser Aussage komplett entspannen würde, doch das tat er nicht. Sein Gesichtsausdruck wirkte irgendwie gehetzt.

„Was hast du denn?", fragte ich stirnrunzelnd.

„Sienna. Ich weiß nicht, ob sie in Sicherheit ist. Bei Gericht ist herausgekommen, dass die Mafia meine Kreditkartendaten angezapft und so herausgefunden hat, dass ich einen Swinger Club besucht habe. Alistair hat wohl jemanden beauftragt, der überprüfen sollte, ob man dadurch auf eine Verbindung zwischen Sienna und mir gekommen ist."

„Soweit ich weiß, sollte Freya sich darum kümmern", erwiderte ich. „Aber das Blöde ist, dass wir im Moment niemanden erreichen können, um das herauszufinden."

Ein tiefes Seufzen entwich Fionns Kehle. Er tat mir unendlich leid, vor allem, weil ich mal wieder alles verbockt hatte.

„Ist Freya deine Kollegin?"

Mit einer fahrigen Handbewegung strich ich die Locken aus meinem Gesicht, bevor ich antwortete.

„Ja, und außerdem Ace' One-Night-Stand."

„Aha." Fionn blickte mich mit großen Augen an und mir wurde bewusst, dass ich einfach zu viel redete, wenn ich nervös war. Eigentlich sollte ich die Namen meiner Mitstreiter gar nicht preisgeben.

„Hast du Feuer?", fragte Fionn plötzlich, als wir die Fabrikhalle verlassen hatten und auf der Straße standen.

„Ja, warte."

Nachdem er sich eine Zigarette angezündet hatte, tat ich das Gleiche mit einem Zigarillo. Einträchtig liefen wir nebeneinander her, ohne zu wissen, in welche Richtung wir eigentlich marschieren sollten. Wir konnten ja nicht einmal eine Handy App benutzen, welche uns den Weg wies. Immerhin erinnerte ich mich noch daran, aus welcher Straße ich gekommen war.

„Wir sollten hier entlang gehen", sagte ich und zog Fionn am Ärmel, damit er mir folgte.

Mein Gesicht hellte sich auf, als ich plötzlich mehrere Polizeibeamte sah, welche die Straßensperren bewachten. Wenn wir Glück hatten, waren Ace und Norman ebenfalls noch vor Ort.

„Gott sei Dank, gleich ist alles ok", meinte ich, worauf Fionn schneller zu laufen begann.

„Stopp! Sie können hier nicht durch!" Die barsche Stimme des größten Beamten ertönte in unseren Ohren.

„Entschuldigung, wir müssen hier durch! Ich gehöre zu einer Spezialeinheit", erklärte ich. „Und dies ist mein Klient."

„Name und Dienstausweis", brummte der unfreundliche Typ.

„Archer, Dustin Archer."

Beim Versuch, den Dienstausweis aus der Innentasche meines Mantels zu ziehen, fiel es mir jedoch wie Schuppen von den Augen. Sämtliche meiner Papiere befanden sich in meiner Jacke, die zuhause am Garderobenständer hing. In der Eile hatte ich heute Morgen vergessen, diese in den Mantel zu stecken.

„Tut mir leid, aber ich habe meine Brieftasche zuhause vergessen", entschuldigte ich mich. „Aber Sie können das ja schnell überprüfen."

„Wir werden gleich etwas anderes überprüfen, Freundchen."

Die Augen des Beamten weiteten sich für einen kurzen Augenblick, bevor ich brutal an den Handgelenken gepackt wurde. Als ich etwas Kaltes spürte, schrie ich entsetzt auf.

„Nehmen Sie mir sofort die Handschellen ab!"

Lächelnd sagte der Kotzbrocken: „Sie kommen jetzt erstmal mit auf das nächste Revier. Keinen Ausweis und unerlaubter Waffenbesitz, das sind Gründe genug."

„Was?! Nein! Das ist meine Dienstwaffe!"

Empört schnaubte ich, als er nach meiner MP7 griff.

„Er ist wirklich Polizist und er hat mir das Leben gerettet", mischte Fionn sich nun ein, worauf der Kollege des Holzkopfs sich zu ihm drehte.

„Wie ist Ihr Name?"

„Ähm..."

Ich sah, dass er überlegen musste und hoffte inbrünstig, dass er jetzt nicht seine neue Identität preisgeben würde.

„Fionn Ryan."

Ein Stein fiel von meinem Herzen, er hatte es kapiert.

„Können Sie sich ausweisen?"

„Nein, ich habe meine Papiere nicht dabei.

Für einen Moment schloss ich meine Augen. Jetzt saßen wir echt in der Scheiße. Mir war sehr wohl bewusst, dass Alistair Fionns Ausweise mit sich herumschleppte, den alten und den neuen.

„Hören Sie", begann ich, „rufen Sie Alistair Kirkland an, der kann Ihnen alles erklären."

„Alistair Wen?"

„Kirkland, er ist mein Boss."

„Nie gehört, den Namen. Außerdem kann das jeder behaupten."

Unsanft wurde ich in ein Polizeiauto gestoßen und Fionn durfte neben mir Platz nehmen. Auch ihm hatte man inzwischen Handschellen angelegt, was mir unglaublich leidtat. Er hatte schon so viel durchmachen müssen und jetzt setzte diese Witzfigur von Polizist noch eins obendrauf. Diesem Penner würde ich ein Disziplinarverfahren aufhalsen, das stand fest.

Im Polizeirevier angekommen, wurden wir beide in eine Zelle verfrachtet. Noch während der Fahrt hatten die Beamten Fionns Personalien überprüft und natürlich existierte er nicht, was die Sache noch schlimmer machte. Da half selbst die Tatsache nichts, dass mein Name tatsächlich im Computer auftauchte. Ich konnte mich nicht ausweisen, das war der springende Punkt.

„So schnell kann es gehen", sagte Fionn sarkastisch. „Vorhin saß ich noch im Zeugenstand eines Gerichts und jetzt in einer Gefängniszelle."

„Es tut mir leid, ok?"

„Ich mache dir keinen Vorwurf, Dustin", kam es zurück. „Wenn, dann muss ich mir selbst an die Nase fassen. Ich hätte einfach nicht weglaufen sollen und auf Alistairs Team vertrauen."

Die Traurigkeit in seiner Stimme machte mich verrückt. Ich ahnte, dass er sich wahnsinnige Sorgen um Sienna machte und wollte unbedingt etwas tun, um ihn aus dieser Situation herauszuboxen.

Seufzend ließ ich mich auf der Bank neben ihm nieder. Fionn musterte mich gründlich, um dann zu fragen: „Was trägst du da eigentlich für einen feinen Zwirn?"

„Falls das eine Anspielung auf meinen Mantel sein sollte, für den habe ich zwei Jahre lang gespart. Er ist von Yves Saint Laurent."

Er stieß einen leisen Pfiff aus, bevor er zu grinsen begann. „Steht dir gut", meinte er. „Aber er sieht reichlich verdreckt aus."

„Das ist passiert, als ich vorhin gestolpert bin. Dabei habe ist mein Handy auch zu Bruch gegangen, womit die ganze Misere anfing", seufzte ich.

Zu meiner Überraschung begann Fionn zu lächeln.

„Weißt du, Dustin, du bist echt ein feiner Kerl. Schade, dass ich zu euren Klienten gehöre, denn ich wäre gern mit dir befreundet."

„Das kann ich nur zurückgeben", erklärte ich grinsend.

Ich hätte ihn mir wirklich als Freund vorstellen können, zumal wir uns auch im gleichen Alter befanden. Uns trennten nur einige Monate voneinander. Das wusste ich ziemlich genau, da ich seinen neuen Ausweis hatte anfertigen dürfen. Als ich nachdenklich auf das kaputte Displays meines Handys blickte, kam mir plötzlich eine Erleuchtung.

„Hey!", rief ich durch die Gitterstäbe. „Wir haben das Recht, einen Anruf zu tätigen. Davon würden wir jetzt gerne Gebrauch machen!"

Gemächlich schlenderte einer der Beamten in unsere Richtung.

„Das geht klar", lauteten seine Worte.

Man reichte mir ein Telefon durch den Metallzaun, der uns umgab. Mit einem leisen Aufatmen nahm ich dieses entgegen, um sofort eine Nummer zu wählen. Ich war bereit, mir das größte Donnerwetter meines Lebens abzuholen. Und sollte ich nach dieser Aktion aus der Truppe fliegen, würde ich auch das hinnehmen. Denn mir war heute etwas gelungen, auf das ich sehr stolz war und was ich nie vergessen würde: Ich hatte Fionns Leben gerettet. Nur darauf kam es an.

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Hallo meine Lieben, endlich ist das neue Update da. Es tut mir leid, dass es so lange gedauert, ich hoffe, ihr seid trotzdem noch dabei und habt es genossen.

Was sagt ihr zu Dustins Tollpatschigkeit? Und wen wird er wohl anrufen, um aus der Zelle zu gelangen? Denkt ihr, das wird ein Nachspiel für ihn haben, oder wird Alstair das einfach so durchgehen lassen?

Danke an alle, die hier lesen, voten und kommentieren.

LG, Ambi

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