34. Unreal
Sienna
Die Stunden mit Seth und Harvey flogen nur so dahin. Manchmal wünschte ich, die Zeit einfach anhalten zu können, in der nächsten Sekunde sehnte ich jedoch das kommende Wochenende herbei. Ich konnte es kaum erwarten, Fionn in Irland zu besuchen. Doch vorher hatte ich noch eine spannende Sache hinter mich zu bringen. Die Ultraschalluntersuchung bei meiner Frauenärztin.
Meine Aufregung war groß, als ich am Montagmorgen im Behandlungsraum lag und erwartungsvoll in Richtung Monitor blickte.
„Es ist alles in bester Ordnung, Sienna. Machen Sie sich keine Gedanken, das Baby entwickelt sich völlig normal."
Erleichtert atmete ich auf.
„Möchten Sie wissen, was es wird? Man kann es nämlich sehen."
„Nein!" Entschieden kam das Wort über meine Lippen. Ich würde mir erst sagen lassen, welches Geschlecht das Baby hatte, wenn Fionn und ich gemeinsam einer Ultraschalluntersuchung beiwohnen durften.
„Ok, dann nehme ich das so zur Kenntnis." Die Frauenärztin schmunzelte und zwinkerte mir zu. „Wir sehen uns in vier Wochen wieder und bis dahin wünsche ich weiterhin alles Gute."
Stolz nahm ich das neue Bild der Ultraschalluntersuchung in Empfang, um dieses im Mutterpass zu verstauen. Ich konnte darauf rein gar nichts erkennen, was das Geschlecht betraf, was die Sache umso einfacher machte.
Mit einem Lächeln auf den Lippen traf ich im Büro ein, denn heute würde ich die Karten auf den Tisch legen. Eigentlich hatte ich dies schon letzte Woche tun wollen, doch ich fühlte mich nicht in der Lage dazu, da meine Gedanken nur um Fionn kreisten. Jetzt war ich ein wenig gefestigt und betrat das Büro meines Chefs mit dem Mutterpass in der Hand. Wie zu erwarten fiel mein Boss aus allen Wolken, als ich ihm die freudige Mitteilung machte.
„Das kommt jetzt aber unerwartet aber ich gratuliere dir natürlich!", sagte er einigermaßen überrascht.
„Danke. Ich bin jetzt in der vierzehnten Woche, es dauert also noch, bis das Baby kommt. Und ich werde nach der Geburt erstmal zuhause bleiben."
Dieser Satz kam relativ leicht über meine Lippen.
„Ja, das verstehe ich. Dann verdient der Vater wohl sehr gut?"
„Allerdings tut er das."
In Wahrheit hatte ich noch immer keine Ahnung, wie das Gehalt eines Pfarrers aussah, aber ich ging davon aus, dass es für uns drei vorerst reichen würde. Im Moment hatte ich meine Ansprüche mächtig nach unten geschraubt, denn die Sicherheit unserer aller Leben stand noch immer vor den materiellen Dingen. Dafür konnte ich auf so einen Scheiß wie Gucci Handtaschen gerne verzichten.
„Du solltest keine Überstunden mehr machen, Sienna", wies mein Boss mich an. „Und wenn du dich nicht gut fühlst, lässt du mich das bitte wissen, ok?"
Manchmal vergaß ich, dass er selbst Vater zweier Kinder war und mit Sicherheit wusste, dass eine Schwangerschaft nicht unbedingt einem Zuckerschlecken gleichkam.
„Danke, das werde ich", erwiderte ich, bevor ich sein Büro verließ.
Noch vier Tage und ich würde Fionn wieder in Irland besuchen, dafür nahm ich die Arbeit gerne als Ablenkung in Anspruch.
Am Abend erwartete mich jedoch eine Überraschung. Alistair meldete sich bei mir, gerade als ich es mir auf dem Sofa gemütlich machen wollte.
„Hallo, Sienna, wie geht es Ihnen?"
Im ersten Moment dachte ich, er würde unseren Trip nach Irland absagen und deshalb erwiderte ich etwas angespannt: „Bis jetzt ging es mir noch gut."
Sein kurzes Lachen, sowie sein anschließender Kommentar ließen mich allerdings schmunzeln.
„Sie klingen gerade wie meine Tochter, die sagt sowas auch immer zu mir."
„Wirklich?"
„Ja, wirklich. Also es besteht kein Grund, dass Sie sich aufregen müssen. Ich rufe lediglich an, um Ihnen mitzuteilen, dass wir gewisse Dinge beschleunigen müssen. Ich brauche ihren Namen, den Sie sich hoffentlich ausgesucht haben, denn Sie werden schon am Freitagmorgen mit dem neuen Pass nach Irland reisen, um Fionn dort zu heiraten."
Das Smartphone entglitt beinahe meiner Hand, als ich das hörte.
„Wir werden am Freitag schon heiraten? Oh Gott, ich habe nichts anzuziehen!"
Nun begann Alistair schallend zu lachen. „Wie meine Tochter", entfuhr es ihm erneut, nachdem er sich wieder beruhigt hatte.
„Heute ist Montag, geht das denn so schnell mit dem neuen Ausweis?"
„Ich bitte Sie, ich habe fähige Mitarbeiter."
Beinahe wäre mir der Satz „So fähig, dass diese im Dunkeln gegen einen Schubkarren rennen", herausgerutscht. Ich konnte mich gerade noch beherrschen.
„Also, Sienna, wie möchten Sie gerne heißen?"
Darüber hatte ich mir noch nicht wirklich Gedanken gemacht, da ich dies hatte mit Fionn besprechen wollen. Fieberhaft überlegte ich, denn der neue Name sollte nicht zu ausgefallen sein. Aus irgendeinem nicht erklärlichen Grund dachte ich gerade an meine Englischlehrerin aus früheren Zeiten und erwiderte: „Ich möchte Brenda heißen, wie meine alte Lehrerin."
„Fein, Brenda klingt gut."
Alistair schien durchaus zufrieden zu sein.
„Wie heißt denn Ihre Tochter?" erkundigte ich mich.
„Marina, aber alle nennen sie nur Maggie."
„Das ist ein hübscher Name."
„Danke, Rosie hat ihn ausgesucht und ich hatte nichts dagegen einzuwenden", plapperte er drauflos. „Die Kleine ist völlig aus der Art geschlagen. Rosie hätte es gerne gesehen, wenn Maggie Polizistin geworden wäre, aber was macht unsere Tochter? Fällt durch die Aufnahmeprüfung bei der Polizeischule. Absichtlich natürlich, das hat sie mir später gestanden."
„Wirklich?" Ich schaute ihn mit großen Augen an, um dann zu fragen: „Und was macht sie jetzt beruflich?"
„Sie wird Lehrerin."
„Aber das ist doch auch ein schöner Beruf."
„Ja, vor allem wenn man Kinder so gern hat, wie Maggie es tut."
Je länger ich Alistair kannte, umso lieber mochte ich ihn. Sicher war er ein sehr liebevoller Vater und irgendwie hoffte ich, dass Fionn später genauso sein würde.
„Machen Sie sich keine Sorgen, ich kümmere mich um alles, was mit der Hochzeit in Zusammenhang steht. Ich benötige noch ihre Ringgröße. Sie können diese übrigens ganz leicht ausmessen, vorausgesetzt Sie besitzen einen passenden Ring."
Zum Glück konnte ich einen Vorweisen, welchen ich nun von meinem Finger zog, um anschließend nach einem Lineal zu suchen, damit ich die Maße an Alistair weitergeben konnte. Zufrieden brummte er vor sich hin.
„Gut, dann wäre das ebenfalls geklärt."
Noch immer konnte ich nicht fassen, dass ich am Freitag heiraten würde, aber da dies für das Zeugenschutzprogramm wohl unerlässlich war, nahm ich es hin. Ich hatte nicht einmal einen Antrag von Fionn bekommen, was mich innerlich seufzen ließ.
„Wir fliegen morgens um neun, also vergessen Sie nicht Urlaub einzureichen", mahnte Alistair.
„Das wird kein Problem sein", erwiderte ich mit fester Stimme.
Nach dem heutigen Gespräch mit meinen Boss sollte nichts dagegen sprechen und falls er sich doch quer stellte, zog ich es in Erwägung, mich sogar krank zu melden.
„Muss ich sonst noch irgendetwas beachten?", erkundigte ich mich.
„Nein, das war es von meiner Seite aus."
Nachdem wir uns voneinander verabschiedet hatten, sank ich zurück in das Sofakissen. Fionn und ich würden am Freitag heiraten – das klang so unwirklich und fühlte sich komisch an.
„Goodbye, Sienna Roberts", murmelte ich vor mich hin.
Als mein Blick den Glaswürfel streifte, in welchem Seth und Harvey zu sehen waren, schlug sich ein Hauch von Melancholie auf meinem Gemüt nieder. Ich würde die beiden unsagbar vermissen. Für einen Moment schloss ich meine Augen, versuchte an nichts zu denken, doch urplötzlich tauchte Fionns Gesicht in meinem Kopf auf.
Er ließ mich nicht mehr los, so lange, bis ich an diesem Abend im Bett verschwand. Und als ich am nächsten Morgen aufstand, galt mein erster Gedanke ihm. Der Countdown für unsere Hochzeit lief, doch das Schlimmste war, dass wir vorher nicht einmal miteinander reden konnten. Anstatt mich für das Büro anzukleiden, durchforstete ich meinen Kleiderschrank nach einem geeigneten Outfit für das Standesamt. Vermutlich würden mir die Sachen, die dafür in Frage kamen, gar nicht mehr passen, denn die Wölbung meines Bauches nahm wöchentlich zu. Seufzend schloss ich die Schiebetür wieder. An einer Shoppingtour kam ich wohl nicht vorbei, zumal ich ein richtiges Brautkleid haben wollte.
Gleich nach Feierabend machte ich mich auf den Weg zur Oxford Street, um nach einem Kleid Ausschau zu halten. Dort gab es die meiste Auswahl und die freundlichsten Verkäuferinnen Londons. Außerdem waren mir alle einschlägigen Geschäfte bestens bekannt.
Es fühlte sich komisch an, dies alles ohne Gwenny zu tun, denn normalerweise hätte sie mir bei einem solchen Unterfangen zur Seite gestanden. Noch kurioser war allerdings der Gedanke daran, dass meine beste Freundin im Sommer hätte heiraten sollen und dahingehend schon alles geplant gewesen war, bevor es zwischen Tony und ihr zum Bruch kam. So schnell änderten sich die Dinge manchmal.
Seufzend stand ich vor der Auswahl an Brautkleidern, die mich beinahe erschlug. Wie sollte ich hier das Passende finden ohne durchzudrehen? Fest stand nur eines: Ich wollte kein weißes, sondern ein champagnerfarbenes Kleid.
„Kann ich Ihnen behilflich sein?"
Die nette Stimme neben mir gehörte zu einer freundlich wirkenden Verkäuferin, so wie ich es in der Oxford Street gewöhnt war.
„Ja", erwiderte ich ohne Umschweife. „Ich brauche ein champagnerfarbenes Hochzeitskleid, möglichst nicht zu eng, denn ich bin in der vierzehnten Schwangerschaftswoche."
„Wann findet denn die Hochzeit statt?"
„Am Freitag."
Ihr erstauntes Gesicht ließ mich schmunzeln, aber sie verkniff sich jeglichen Kommentar, was jedoch ihre Professionalität zeigte. Und diese bekam ich nun in vollem Umfang zu spüren. Ehe ich mich versah, stand ich in einer der großen Umkleidekabinen, mit vier unterschiedlichen champagnerfarbenen Kleidern. Die nette Verkäuferin, Daisy, wie ihr Namensschild verriet, half mir beim An- und Ausziehen. Gerade zwängte ich mich in das dritte Kleid, als mein Handy sich meldete. Zuerst wollte ich es ignorieren, doch mein Bauchgefühl forderte mich dazu auf, einen Blick auf das Display zu riskieren. Als ich den Namen Anonym aufleuchten sah, wusste ich Bescheid.
„Hallo, hier spricht Sienna", meldete ich mich sogleich, in diesem Kleid feststeckend, das ein kleines bisschen zu eng war.
„Sienna, geht es Ihnen gut? Sie klingen so erschöpft?", vernahm ich Alistairs Stimme.
„Ich probiere gerade Brautkleider an", schnaufte ich völlig fertig.
„Womit wir auch schon beim Thema wären", erklärte mein Gesprächspartner.
Gespannt hörte ich zu, was er nun von sich gab.
„Ihr zukünftiger Ehemann möchte gerne wissen, welche Farbe die Trauringe haben sollen. Gelb, Weiß,- oder Rotgold."
Es kostete mich genau zwei Sekunden, um eine Antwort zu formulieren: „Rotgold."
„Sehr schön, dass Sie so entschlussfreudig sind", kam es prompt von Alistair.
„Ich habe ja auch nicht viel Zeit, um darüber nachzudenken", lautete mein beinahe schon ironischer Kommentar, den er mit einem herzlichen Lachen quittierte.
„Oh Gott, ich weiß sowieso nicht, wie wir das alles hinkriegen sollen", stieß ich nervös hervor.
„Machen Sie sich keine Sorgen, alles wird perfekt klappen."
Ich wollte hoffen, dass er Recht behielt.
Nachdem ich das Handy wieder weggesteckt hatte, bemühte sich Daisy, mich aus dem Brautkleid zu befreien, welches wie eine zweite Haut an mir klebte. Jetzt musste ich noch ein einziges anprobieren, um mich dann zu entscheiden.
Nach einem kurzen Aufatmen gab ich mir einen Ruck und griff nach dem schlichten, aber durchaus ansprechenden Kleidungsstück. Das Oberteil bestand aus einer Korsage, welche mit kleinen Strass Steinchen verziert war und die wirklich nur die Brust bedeckte. Ab da fiel der Stoff locker nach unten, sodass man meinen kleinen Baby Bauch nicht erkennen konnte und dieser auch nicht eingeengt wurde. Ich fühlte mich in diesem Kleid sofort wohl, denn es passte wie angegossen. Selbst an der Länge brauchte nichts geändert zu werden.
„Das nehme ich", sagte ich strahlend, worauf Daisy zufrieden nickte.
„Es steht Ihnen auch am besten, wenn ich das mal so sagen darf", tat sie ihre Meinung kund. „Aber nun brauchen Sie noch passende Schuhe und eine kleine Handtasche, vorzugsweise einen Beutel, sowie ein paar Handschuhe."
Fast hätte ich vergessen, wie viele Accessoires eine Braut benötigte. Daisy beriet mich auch in dieser Angelegenheit bestens und so kam es, das ich mit zwei großen Tüten bepackt aus dem Geschäft stiefelte; völlig fertig und mit leerem Magen verstand sich. Zum Glück ließ die U-Bahn nicht lange auf sich warten und ehe ich mich versah, traf ich in Greenwich ein. In meinem Apartment angekommen, bestellte ich mir eine Pizza, welche eine halbe Stunde später geliefert wurde.
Noch immer fühlte es sich surreal an, am Freitag zu heiraten, da nützte auch der Anblick des Brautkleids nichts, welches nun im Schlafzimmer hing. Bevor ich an diesem Abend zu Bett ging, betrachtete ich dieses nochmals eingehend. Als ich meine Finger über den weichen Stoff gleiten ließ, begann ich leicht zu zittern.
Ich heiratete einen Mann, den ich kaum kannte. Unsere Namen waren nicht echt, und unser ungeborenes Kind in einem Swinger Club entstanden. Auch wo sich unser zukünftiger Wohnsitz befand, entzog sich noch immer meiner Kenntnis. Das Einzige, was wirklich Sinn an der ganzen Geschichte machte, war, dass ich Fionn liebte. Aber ich würde nicht mit ihm, sondern mit James Edwards verheiratet sein, einem Mann, dessen wahre Identität verborgen bleiben musste.
„Da wird man echt krank im Kopf", murmelte ich vor mich hin, als ich das Kleid wieder vorsichtig im Schrank verstaute. Noch zwei Tage, dann wurde es richtig ernst.
Wenn ich geglaubt hatte, bis Freitag nichts von Alistair zu sehen oder zu hören, täuschte ich mich jedoch gewaltig. Gleich am nächsten Morgen, bevor ich zur Arbeit ging, rief er mich erneut an, um sich zu erkundigen, aus welchen Blumen mein Brautstrauß bestehen sollte. Ich entschied mich für einen Mix aus champagnerfarbenen und zartrosa Rosen, passend zu meinem Kleid. Da dieser bestimmt mit Grünzeug verziert wurde, stach der Strauß trotzdem hervor.
Um ehrlich zu sein beneidete ich Alistair nicht, denn er musste sich wirklich um alles kümmern, aber auch dies schien zu seinem Job zu gehören. Außerdem hatte ich nicht den Eindruck, dass es ihn großartig störte, eine Hochzeit für seinen Klienten vorbereiten zu müssen.
„Fein, wir sehen uns dann am Freitag, Sienna. Sie werden um acht Uhr abgeholt."
Die nächste Sache, die ich regeln musste, war Gwenny und auch Seth und Harvey zu verkünden, dass ich erneut ein Wochenende alleine verbringen wollte. Glücklicherweise erhielt meine beste Freundin eine Einladung ihres Cousins zu dessen Verlobung. Seth hingegen besuchte mit Harvey eine Vernissage mit anschließendem Abendessen. In dieser Hinsicht hatte ich das Glück dieses Mal wirklich auf meiner Seite, denn niemand wollte etwas mit mir unternehmen.
In aller Ruhe trat ich meine Reise nach Irland am Freitagmorgen an. Der Wagen stand bereits vor der Tür, als ich das Haus verließ, um mich direkt zum Flughafen zu bringen. Alistair erwartete mich bereits vor einem Learjet und begrüßte mich freudig. Aus lauter Sorge, das Brautkleid könnte vielleicht zerknittert werden, hatte ich dieses nicht in den Koffer, sondern in einem Kleidersack gepackt, welcher über meinem Arm hing. Diesen nahm Alistair mir jedoch sofort ab, bevor er mich zum Einsteigen aufforderte.
Wenige Minuten später befanden wir uns in der Luft. Zu meiner Überraschung flogen wir dieses Mal nicht nach Cork, sondern nach Kerry, was Alistair damit erklärte, dass die Routen zum Ziel hin und wieder gewechselt wurden, um keine Routine aufkommen zu lassen.
„Unregelmäßigkeiten ist das, was es etwaigen Verfolgern schwer macht", erklärte er.
Seufzend lehnte ich mich im Sitz zurück, wissend, dass mein Leben vermutlich nie wieder normal sein würde.
„Sind Sie schon aufgeregt, Sienna?", holte mich seine Frage prompt aus den Gedanken.
„Und wie!"
Er stieß ein lautes Lachen aus. „Warum sollte es Ihnen anders ergehen, als mir damals? Ich habe mir fast in die Hosen gemacht, als ich Rosie heiratete."
Ich liebte ihn dafür, dass er so ehrlich war und immer versuchte, mich aufzumuntern und ich war mir sicher, dass er für Fionn das Gleiche tat. Alistair war unser Licht in der Dunkelheit, ihm konnten wir bedingungslos vertrauen.
Der winzige Flughafen Kerry versetzte mich in Erstaunen, ebenso Alistairs Erklärung, dass unsere Reise vorerst in Killarney endete. Tatsächlich benötigen wir nur zwanzig Minuten, um unser Ziel zu erreichen. Alistair parkte den Mietwagen vor einem Friseursalon und als ich ihn verwundert anschaute, sagte er lässig: „Ihr Frauen müsst doch vor der Hochzeit zum Friseur gehen, oder nicht?"
Was sollte ich darauf noch erwidern? Er hatte natürlich Recht, obwohl ich nicht damit gerechnet hatte, dass er an solche Dinge dachte. Mein Besuch beim Friseur beinhaltete sogar noch das Make-up. Während ich mich verschönern ließ, telefonierte Alistair – ich vermutete mit Fionn – und verschwand sogar zwischendurch kurzzeitig.
Nach zwei Stunden war mein Styling beendet und als ich mich im Spiegel betrachtete, jubelte ich innerlich. Es sah einfach nur perfekt aus.
„Sie sollten sich jetzt umziehen", forderte die Chefin des Salons mich lächelnd auf, als Alistair mit dem Kleidersack über dem Arm durch die Tür gelaufen kam. Ohne Umschweife geleitete mich die nette Dame in einen Raum, der ansonsten nur den Angestellten zugänglich war. Dort half sie mir sogar das Brautkleid anzuziehen.
„Ich wünsche Ihnen viel Glück", sagte sie zum Abschied.
„Dankeschön."
Mir wurde mulmig zumute, als ich auf Alistair zuging, der heute einen feinen schwarzen Anzug, kombiniert mit einem blütenweißen Hemd, sowie einer weißen Fliege trug. Das nächste, was mir an ihm auffiel, waren die weißen Handschuhe, die er sich überstreifte, bevor wir nach draußen gingen. Dort erwartete mich die nächste Überraschung. Anstatt des Mietwagens stand plötzlich eine weiße Stretch Limousine vor dem Friseursalon.
„Oh Gott, ich fasse es nicht!", rief ich erstaunt.
„An solch einem Tag sollte alles perfekt sein, oder nicht?" Er zwinkerte mir zu, als er die hintere linke Tür für mich aufhielt.
„Einsteigen, Sienna, sonst kommen Sie noch zu spät zu Ihrer eigenen Hochzeit."
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen.
Während Alistair die Limousine durch die Straßen steuerte, wurde ich zusehends nervöser. Sorgsam taxierte ich den Brautstrauß, der neben mir auf der Rückbank lag und dessen Farben genauso waren, wie ich es gewünscht hatte.
„Wir fahren jetzt direkt zum Standesamt", ließ Alistair verlauten, als er meinen unruhigen Blick bemerkte. „Fionn, oder besser gesagt James, wartet dort auf uns."
Mit jeder Sekunde begann mein Herz schneller zu schlagen, mein Mund trockener zu werden und die Innenflächen meiner Hände feuchter.
Als ein großes, historisch anmutendes Gebäude in meinem Blickfeld auftauchte, wusste ich, dass wir unser Ziel erreicht hatten. Der Wagen kam zum Stehen und in der gleichen Sekunde erblickte ich Fionn, der nervös von einem Fuß auf den anderen trat. Doch als er in meine Richtung schaute, begann er zu strahlen. Für einen Moment schloss ich meine Augen, bevor ich aus der Limousine stieg.
Fionn kam auf mich zugelaufen, sein Anblick machte mich stumm, denn er sah in seinem schwarzen Smoking einfach umwerfend aus. Auch ihm schien es die Sprache verschlagen zu haben, denn er schaute mich einfach nur an, ohne ein Wort zu sagen. Erst, als Alistair ein kleines Schmuckkästchen aus seinem Jackett holte, kam Leben in Fionn.
„Du siehst absolut toll aus, Sienna", flüsterte er leise.
„Du auch."
Ein wenig verlegen blickte ich in seine blauen Augen, die leicht wässrig wirkten, ebenso wie meine. Es war eben doch nicht so einfach zu heiraten, vor allem nicht, wenn man gar nicht richtig darauf vorbereitet war.
Als Fionn mir seinen Arm bot, hakte ich mich bei ihm ein und wir gingen gemächlichen Schrittes zum Eingang, begleitet durch Alistair, der alles im Griff zu haben schien. Er öffnete sämtliche Türen für uns, geleitete uns zum richtigen Raum und hatte alles parat. Unsere Ausweise, sowie die Trauringe, welche er dem Standesbeamten übergab, als dieser danach fragte. Als ich die Ringe erblickte, glaubte ich zu träumen. Fionn hatte genau meinen Geschmack getroffen.
Das gegenseitige Anstecken der Trauringe erforderte unsere komplette Aufmerksamkeit, denn wir beide zitterten so sehr, dass wir die wertvollen Schmuckstücke beinahe fallen ließen. Schließlich klappte es doch noch ohne Probleme und als wir uns küssen durften, spürte ich, wie die Nervosität erneut von mir Besitz ergriff. Gerade hatte ich James Edwards geheiratet, doch ich küsste Fionn Ryan – und das würde sich niemals ändern.
Vom Standesamt ging es daran direkt zum Killarney Park Hotel.
„So, Kinder, hier ist euer Domizil für die heutige Nacht", erklärte Alistair verschmitzt grinsend. „Wir werden jetzt gemeinsam Essen, dann kutschiere ich euch noch zum Torc Wasserfall, um Fotos zu machen, bevor ich euch wieder hier abliefere. Ich hoffe, die Suite ist für euch ok."
„Ja", erwiderten wir beide gleichzeitig.
Fionn ergriff meine Hand, kurz bevor wir ausstiegen und sagte leise: „Danke, dass du mich auf diesem schweren Weg begleitest."
Kleine Tränen standen in meinen Augen, als ich antwortete: „Ich würde mit dir bis ans Ende dieser Welt gehen."
Wir besiegelten unsere Aussagen mit einem langen Kuss, der schließlich von Alistair unterbrochen wurde.
„Ich will mich ja nicht beschweren, aber ich habe Hunger. Knutschen könnt ihr nachher noch genug."
Lachend lösten wir uns voneinander, um das beeindruckende Fünf- Sterne- Hotel zu betreten. Es fühlte sich komisch an, als Brenda und James Edwards einzuchecken, doch daran würden wir uns gewöhnen müssen. Allerdings besaß ich noch immer meinen alten Ausweis, der neue befand sich nach wie vor in Alistairs Besitz.
Da unser Gepäck durch einen der Angestellten in die Suite gebracht wurde, konnten wir sofort zum Essen schreiten. Es erübrigte sich zu erwähnen, dass dieses ausgezeichnet schmeckte. Außer dem guten Essen faszinierte mich die Tischdekoration, welche aus kristallklaren Steinen bestand, die wie Diamanten aussahen. Auf jedem Teller befand sich außerdem eine Praline, verziert mit Trauringen.
„Das ist so süß", wisperte ich mit Tränen in den Augen.
„Bedanken Sie sich bei Ihrem Mann", erwiderte Alistair grinsend. „Er hat das Essen ausgesucht und sich bezüglich der Dekoration beraten lassen."
Als meine Augen zu Fionn gingen, schenkte er mir ein zaghaftes Lächeln und mein leise gemurmeltes „Danke", beantwortete er mit einem „Bitte, gern geschehen."
Wir stießen mit Champagner an, wobei Alistair nur einen winzigen Schluck zu sich nahm, da er noch Autofahren musste.
Nach dem Fünf-Gänge-Menü war ich satt bis zum Anschlag, doch Alistair hatte noch eine kleine Hochzeitstorte als Überraschung bestellt, welche anschließend aufgetischt wurde. Er bestand sogar darauf, dass Fionn und ich diese anschnitten und verteilten. Auch die Torte schmeckte ausgezeichnet, aber bereits nach einem kleinen Stück hatte ich das Gefühl, zu platzen. Fionn erging es zum Glück nicht besser und deswegen waren wir sehr dankbar, dass Alistair zum Aufbruch drängte und wir uns am Torc Wasserfall ein wenig die Füße vertreten konnten.
Mit seiner Kamera in der Hand dirigierte er uns immer in die entsprechenden Positionen, um so viele Bilder wie möglich zu schießen.
„So, das war's für heute", verkündete er, als meine Lachmuskeln vor Überbeanspruchung beinahe kurz vorm Einfrieren waren.
„Gott sei Dank", hörte ich Fionn seufzen, „ich kann nicht mehr."
Während der Rückfahrt zum Hotel kuschelte ich mich ganz nahe an Fionn, meinen frischgebackenen Ehemann. Es kam mir immer noch unreal vor, aber ich würde mich mit der Zeit schon daran gewöhnen.
„Geht es dir gut, Sienna?", flüsterte er mir ins Ohr, was ich mit einem „Ja, ausgezeichnet", beantwortete.
„Das ist schön. Was macht das Baby?"
„Ich habe ein neues Bild dabei."
„Super!" Das Strahlen seiner blauen Augen wirkte unglaublich auf mich und jenem Moment wurde mir klar, dass er der perfekte Vater sein würde.
Als Alistair uns wenig später vor dem Hotel ablieferte, verabschiedete er sich mit folgenden Worten: „Genießt eure Hochzeitsnacht und die verbleibenden Stunden hier im Hotel. Ich komme euch morgen um elf Uhr abholen."
Den Weg zu unserer Suite fanden wir durchaus alleine. Diese befand sich in der obersten Etage, welche wir mit dem Aufzug erreichten. Fionn ließ jedoch nicht zu, dass ich einen Schritt im Gang lief. Ganz nach Tradition trug er mich über die Schwelle und ließ mich vorsichtig auf dem Bett nieder.
„Wow! Es ist absolut toll hier!", entfuhr es mir, als ich den Raum in Augenschein nahm.
Alles war aufeinander abgestimmt. Die Möbel, die Tapeten, die Gardinen und auch sonstige Dekorationen. Hier ließ es sich auf jeden Fall gut aushalten. Fionn, der sich neben mir niedergelassen hatte, nahm mich in seine Arme und wisperte: „Das hoffe ich doch, denn ich habe das Hotel ausgesucht."
„Echt? Ich dachte Alistair."
„Nein, er sollte nur so tun als ob."
„Das ist so süß von dir, Fionn und wir beide haben wohl den gleichen Geschmack was diese Dinge angeht."
„Sieht wohl so aus."
Vorsichtig strich er eine Haarsträhne aus meinem Gesicht. „Und wo ist jetzt das Bild von unserem Nachwuchs?"
„In meiner Handtasche."
Fionn staunte wie groß der Fetus im Vergleich zum ersten Ultraschall Foto wirkte und er freute sich riesig, als er hörte, dass nach wie vor alles in Ordnung war.
„Ich bin so froh, dass es euch beiden gut geht", meinte er augenzwinkernd.
Wir versanken in einem endlosen Kuss, der so heiß wurde, dass ich mich am liebsten sofort ausziehen wollte. Doch das tat Fionn für mich, denn seine Finger suchten den Weg zum Reißverschluss des Kleides, welcher sich im Rücken befand. Ich half ein wenig nach, damit es schneller ging. Außerdem machte ich mir an seinem Smoking zu schaffen. Die Hälfte unserer Klamotten lag binnen kürzester Zeit verstreut auf dem Boden und als wir uns komplett ausgezogen auf dem Bett räkelten, sagte Fionn: „Wow, dein Bauch ist echt größer geworden."
„Ich habe das Gefühl, er wächst jeden Tag", jammerte ich.
„Das macht nichts, denn du bist verdammt sexy damit."
Nach diesem Satz beugte er den Kopf nach unten, berührte mit seinen Lippen meinen Bauch und flüsterte: „Hallo Baby, hier ist dein Daddy. Mummy und ich sind ab heute verheiratet, ich hoffe, das gefällt dir."
Und wieder schmolz ich fast dahin, als ich ihn so reden hörte. Niemand würde je mit Fionn konkurrieren können und meine Entscheidung, diesen Weg mit ihm zu gehen, fühlte sich in diesem Moment total richtig an. Auch wenn das Zeugenschutzprogramm uns zu dieser Hochzeit zwang, die Liebe konnte man uns nicht vorschreiben. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass unsere Gefühle auch in der Zukunft bestand haben würden.
Nach einem wunderschönen Tag, sowie einer perfekten Nacht holte Alistair uns am nächsten Vormittag wie angekündigt um elf Uhr ab. Sein Gesicht wirkte ernst, als er uns begrüßte und kaum saßen wir in seinem Wagen, sollten wir auch erfahren warum.
„Es gibt Neuigkeiten."
Wir beide horchten sofort auf.
„Der Typ, der den Mord in Hackney begangen hat, wurde endlich gefasst. Das heißt, du musst am Montag in London zur Gegenüberstellung antreten, mein Junge."
Als ich nach Fionns Hand griff, spürte ich regelrecht die Anspannung seines Körpers und hörte Sekunden später seine Stimme, die einen festen Klang aufwies.
„Nun denn, lass uns die Penner fertigmachen."
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Hallo meine Lieben, endlich ist ein neues Update da. Fionn und Sienna sind nun verheiratet, wie findet ihr das?
Ich hoffe, die Hochzeit hat euch gefallen, auch wenn die Umstände nicht optimal waren. Aber ich denke, die haben mit Alistairs Hilfe das Beste daraus gemacht. Normalerweise bin ich nicht der Typ, der Hochzeiten beschreibt, es sei denn sie sind anders - und diese war es nun echt. Ohne Gäste, ganz im Geheimen.
Was glaubt ihr passiert bei der Gegenüberstellung in London?
Danke für euer Feedback zu dieser Geschichte.
LG, Ambi xxx
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