21. House Search
AD an KW/DA/CP/AJ/FH: „Treffen uns in einer halben Stunde zur Operation Hausdurchsuchung. Bitte bestätigen."
KW an AD: „Bestätigt."
FH an AD: „Bestätigt."
CP an AD: „Bestätigt."
AJ an AD: „Bestätigt."
AD an DA: „Hör auf dir am Pillermann rumzuspielen und bestätige gefälligst!"
DA an AD: „Bestätigt: Habe aufgehört mir am Pillermann rumzuspielen."
AD an DA: „Das gibt Rache, Newbie."
DA an AD: „Uh, jetzt habe ich Angst."
AD an DA: „F.Y."
Ace
Nachdem ich die Nachricht an unsere Truppe versendet und von allen, einschließlich unserem zerstreuten Newbie, Dustin, die Bestätigungen erhielt, machte ich mich auf den Weg nach Harrow.
Es war Freitagabend, kurz vor Mitternacht. Für manch einen mochte diese Zeit ungewöhnlich klingen, doch für uns waren das mitunter ganz normale Arbeitszeiten. Vor allen Dingen, wenn es darum ging, die Wohnungen oder Häuser unserer Klienten auf den Kopf zu stellen.
Das Wort Hausdurchsuchung entsprach zwar nicht so ganz dem Kern des Ganzen, denn wir suchten nicht nach verdächtigen Hinweisen, sondern nach Dingen, die unser Klient vielleicht noch benötigte. Im Gegenzug ließen wir alles verschwinden, was auf seine alte Existenz hindeuten konnte.
Da ich seit drei Jahren unter Alistairs Fuchtel stand, und mein Vorgänger rausgeworfen wurde, weil er nicht gründlich genug gearbeitet hatte, war ich nun zum Dienstältesten in unserer Truppe aufgestiegen. Ich besaß die Macht, wenn Alistair nicht anwesend war. Und im Moment konnte ich das voll und ganz genießen, denn der kümmerte sich um die arme Sau, die jetzt ein neues Leben gestrickt oder gebacken bekam, je nachdem, welchen Ausdruck man bevorzugte.
Der Mann tat mir echt leid, denn hätte ich alles zurücklassen müssen, oder mich für irgendjemand entscheiden sollen, der Teil meines neuen Lebens werden durfte, hätte es massig Probleme gegeben. Ohne Max, meinen kleinen Sohn, würde ich nicht leben wollen – wohl aber ohne seine Mutter.
Freya war ein Biest, das mich gelinkt hatte und zu allem Übel noch weiterhin meine Kollegin. Zwar arbeitete sie jetzt nur auf Teilzeitbasis, da sie sich auch um Max kümmerte, doch es war schon ätzend, sie noch immer in unserer Truppe zu haben. Aber sie war eine hervorragende Agentin, weshalb Alistair in dieser Hinsicht nicht mit sich verhandeln ließ.
Als ich vor einigen Monaten den Vorschlag brachte, Freya zu versetzen, hätte er mich beinahe kastriert. Gute Leute in unserem Beruf waren eben sehr schwer zu finden. Da Freya mit mir gevögelt hatte, als wir beide betrunken waren und behauptete, sie hätte die Pille genommen, entschied ich mich damals den blöde Gummi nicht überzuziehen – was fatale Folgen haben sollte. Sie wurde schwanger.
Natürlich liebte ich Max, der in jener Nacht entstanden war, abgöttisch und ich musste auch zugeben, dass sie ihre Sache als Mutter ziemlich gut machte, trotzdem würden wir keine richtigen Freunde mehr sein. Ich akzeptierte sie als die Mutter meines Sohnes und als eine fähige Arbeitskollegin – das war aber auch schon alles.
Eigentlich hatte ich sie heute Abend für die richtige Drecksarbeit im Haus vorgesehen, doch da unser Newbie so frech zu mir gewesen war, wollte ich ihm einen gehörigen Dämpfer verpassen. Mit Ace Dixon konnte man so nicht umspringen, das würde der kleine Dustin lernen müssen.
Alistair stand in diese Beziehung auf jeden Fall auf meiner Seite und auch auf Kyle und Avril konnte ich durchaus zählen. Bei Cara sah das schon anders aus, wenn man bedachte, dass sie meine Ex-Freundin war. In grauer Vergangenheit hatte es mal tiefe Gefühle zwischen und gegeben, doch jetzt gingen wir fast wie Fremde miteinander um, obwohl Cara mich von allen wohl am besten kannte.
Und dann gab es da noch Michelle, meine derzeitige Lebensgefährtin, die glücklicherweise in einem völlig anderen Bereich arbeitete. Wenn man es genau betrachtete, steckte ich stets zwischen den Launen dreier Frauen fest. Ein Wunder, dass ich so gut den Überblick behielt, aber das sollte auch weiterhin so bleiben. Fehler konnte man sich in unserem Job einfach nicht erlauben und da Alistair sich hundertprozentig auf mich verließ, musste ich doppelt aufpassen.
Wie bei solchen Hausdurchsuchungen üblich, parkte ich meinen Wagen eine Querstraße weiter und lief dann zum Zielort. Umso wenig Aufsehen wie möglich zu erregen, war ich ganz lässig gekleidet. Eine graue Jogginghose, ein weißes Shirt, ein dunkelblauer Hoodie, sowie meine geliebten Adidas Sneakers gehörten heute zu meinem Outfit.
Während ich gemächlich über den Asphalt marschierte, zündete ich mir eine Kippe an. Das musste noch sein, bevor es losging, denn in den Häusern und Wohnungen unserer Klienten herrschte für uns striktes Rauchverbot. Und wenn man bedachte, dass wir heute Nacht ein komplettes Haus, vom Keller bis zum Dachboden, durchforsten mussten, würde es ganz schön lange dauern, bis ich meinen Nikotinspiegel wieder auffüllen durfte.
Hoffentlich enthielt die Bude nicht allzu viel Gerümpel, sonst waren wir echt am Arsch und würden es in einer Nacht nicht schaffen. Vor Sonnenaufgang musste nämlich alles erledigt sein, da man uns so gut wie möglich nicht in der Nähe des Hauses sehen sollte. Bis jetzt hatte es dahingehend niemals Probleme gegeben und ich hatte dafür zu sorgen, dass dies auch heute so ablief.
Der Erste, der am Ort des Geschehens eintraf, war Kyle. Wie immer zeichnete er sich durch seine Pünktlichkeit aus, er stand bereits in den Startlöchern, als ich um die Ecke bog. Somit beschleunigte ich meine Schritte, um ihn so schnell wie möglich zu erreichen.
„Avril kommt auch gleich", erklärte er mit gedämpfter Stimme, worauf ich nickte.
Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, wie Cara von der gegenüberliegenden Straßenseite auf uns zumarschierte, das lange Haar unter einem Beanie versteckt. Es sah noch immer süß aus, wenn sie so etwas trug, das stellte ich gerade fest. Wütend über meine eigene Wahrnehmung, schnickte ich meine Kippe in den Gulli und schaute mich in der Dunkelheit um. Avril war inzwischen eingetroffen und endlich tauchten auch Freya und Dustin auf. Letzterer wirkte voller Tatendrang, was mir ein diabolisches Grinsen entlockte. Heute Nacht würde er seinen Meister finden, nämlich mich.
„Da wir nun alle da sind, kann es endlich losgehen", sagte ich mit einem Blick in die Runde.
Wie üblich wich Cara diesem aus, während Freya mich anglotzte, als würde sie mich fressen wollen. Ich überging ihr Verhalten einfach, obwohl es mir missfiel, denn Streit gehörte einfach nicht an unseren Arbeitsplatz. In dieser Hinsicht agierten wir sehr professionell.
In aller Seelenruhe holte den Schlüsselbund, welchen Alistair mir hatte zukommen lassen, aus meiner Jackentasche, um das kleine, schmiedeeiserene Tor, welches in den Vorgarten führte, aufzuschließen. Die Truppe folgte mir anstandslos und somit standen alle parat, als ich die Haustür öffnete. Schnell hintereinander betraten wir den Flur und schauten uns zunächst kurz um.
„Die Jacken werde an der Garderobe aufgehängt, damit sie nicht im Weg sind", maßregelte ich Dustin, der gerade im Begriff war, seine schwarze Jacke mit sich herumzutragen.
Mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck kehrte er auf der Stelle um und hängte das Kleidungsstück am Garderobenständer auf, so, wie der Rest es auch tat. In meiner sportlichen Umhängetasche, welche ich mit ins Wohnzimmer nahm, befanden sich außer meinem Proviant, ohne den ich die Nacht nicht überleben würde, mehrere Listen, die Alistair mir per E-Mail geschickt hatte. Diese beinhalteten Schriftstücke und Gegenstände, welche unbedingt aus dem Haus entfernt und an ihn weitergeleitet werden sollten. Im Normalfall handelte sich dabei um Dinge, die für den Klienten wertvoll waren, egal, ob es sich nun um einen ideellen Wert drehte oder eher um einen, den man zu Geld machen konnte; zum Beispiel wertvoller Schmuck. Weiterhin mussten alle Unterlagen, welche der Vermögensverwaltung – oder Veräußerung dienten, sichergestellt werden.
„So, Leute", begann ich mit einem Blick in die Runde. „Ich werde jetzt die Listen verteilen, die Alistair mir hat zukommen lassen. Bitte lenkt euer Augenmerk besonders auf diese Dinge. Sollte euch etwas anderes in die Hände fallen, was euch wichtig erscheint, so zeigt es mir, damit ich dann entscheiden kann, was damit geschieht."
Ich räusperte mich kurz, bevor ich mit meiner Rede fortfuhr.
„Die Rollläden bleiben wie immer geschlossen, damit kein Licht nach außen dringen kann. Alistair hat bereits veranlasst, dass die Fenster ohne Rollos, wie das auf dem Dachboden, speziell präpariert wurden, damit man den Lichtschimmer nicht sehen kann. Also braucht ihr euch darüber keine Gedanken zu machen. Es wird nicht geraucht und wenn wir hier fertig sind, nimmt jeder seinen Müll mit. Essensreste, Dosen und sowas."
Im Prinzip wussten alle, wie das ablief, nur unser Newbie nicht und deswegen erklärte ich die Sache ausführlicher als sonst. Dustin hörte auch aufmerksam zu, das musste man ihm lassen. Nachdem ich jedem eine Liste ausgehändigt hatte, verkündete ich, wo die einzelnen Mitarbeiter ihre Arbeit verrichten sollten. Diese Einteilung oblag einzig und alleine dem anwesenden Truppenleiter, also meiner Wenigkeit.
„Freya, du nimmst dir bitte den Dachboden vor."
Die Angesprochene nickte, wobei sich ein Grinsen auf ihren Lippen bildete. Der Dachboden war nicht die schlechteste Wahl, denn für gewöhnlich waren die meisten Leute zu faul, ihr Gerümpel über eine enge Treppe noch oben zu schleppen. Meist befanden sich auf den Dachböden nur alte, gammelige Holzbretter oder Ziegelsteine. Trotzdem musste auch hier nachgeschaut werden, ob sich nicht doch etwas darunter verbarg, was für uns von Wichtigkeit hätte sein können.
Sogleich erinnerte ich mich an meine erste Hausdurchsuchung, bei welcher ich mir den Dachboden hatte vornehmen dürfen. Damals fand ich dort eine Kiste mit wertvollem, altem Schmuck und fragte mich, wie man diesen ausgerechnet dort aufbewahren konnte. Die Entscheidung, Freya auf den Dachboden zu schicken, kam nicht von ungefähr, denn damit verschwand sie für eine gewisse Zeit aus meinem Blickfeld. Somit hatte ich meine Ruhe und musste mir nicht ständig ihr vorwurfsvolles Gesicht anschauen.
„Kyle und Avril, ihr nehmt euch bitte die Räume im ersten Stock vor", bestimmte ich weiterhin.
Die beiden waren ein gutes Team, das hervorragend zusammenarbeitete. Außerdem verrichteten sie ihre Tätigkeit stets gewissenhaft, was es einfach für mich machte, die beiden vollkommen selbstständig arbeiten lassen.
„Cara, du bleibst hier bei mir im Erdgeschoss", verkündete ich, was mir sofort einen bösen Blick von Freya einbrachte.
Was zum Teufel hatte die Alte für ein Problem? Cara und ich waren seit Jahren getrennt, ich lebte mit einer anderen zusammen aber Freya stellte sich an, als sei ich ihr Eigentum. Und das nur, weil wir einen gemeinsamen Sohn hatten. Sie sollte mal runterkommen von ihrem hohen Ross und einsehen, dass wir ansonsten keine Gemeinsamkeiten teilten. Ihre Blicke ignorierend, wandte ich mich nun an Dustin.
„Du gehst in den Keller."
Als er mich fragend anschaute, sagte ich nur: „Auch dort müssen wir alles durchkämmen, denn es gibt Menschen, die sogar an diesem Platz wichtige Unterlagen und dergleichen aufbewahren."
Das entsprach zwar nicht unbedingt einer Lüge, aber es kam der Wahrheit auch nicht sehr nahe. Im Keller nach Dingen suchen zu müssen, war das Ekelhafteste überhaupt. Sich zwischen Spinnweben, Kellerasseln und sonstigem Getier bewegen zu dürfen, sowie jeden noch so verdreckten Winkel zu durchsuchen, hasste jeder von uns.
Newbie wurde nun dazu verdammt. Er sollte lernen, wie die Hierarchie funktionierte. Man benahm sich einfach nicht frech dem Truppenleiter gegenüber und schon gar nicht, wenn man ein Neuling war. Natürlich würde ich später kurz bei ihm vorbeischauen, um mich an seinem verdeckten Anblick zu erfreuen, aber das wusste Dustin natürlich nicht. In mich hineingrinsend, jedoch mit einer aufgesetzten coolen Mine, überreichte ich unserem Neuling die Listen.
„Viel Spaß", wünschte ich allen, um anschließend auf dem Sofa im Wohnzimmer meinen Platz einzunehmen.
Dort vertiefte ich mich kurz in die vor mir liegende Liste, als ich durch Caras Stimme abgelenkt wurde.
„Dieser verdammte Wandsafe geht nicht auf", beschwerte sie sich, worauf ich mich erhob, um ihr zu Hilfe zu kommen.
„Lass mich mal ran."
„Das letzte Mal, als du das zu mir gesagt hast, ist die Waschmaschine ausgelaufen", kam es prompt von der hübschen Dunkelhaarigen.
„Daran kannst du dich noch erinnern", meinte ich ein wenig verlegen.
„Allerdings kann ich das. Es ist ja nicht so, dass ich alles, was unsere Vergangenheit betrifft, in meinem Kopf ausgelöscht hätte."
Gut, das zu wissen, denn ich hatte immer geglaubt, dass Cara sämtliche Erinnerungen, die uns beide betrafen, einfach so in einer Schublade verschwinden ließ. Scheinbar hatte ich mich dahingehend wohl getäuscht.
„Na siehst du, der Safe ist auf und weit und breit keine Wasserpfütze in Sicht", scherzte ich, was Cara ein kleines Schmunzeln entlockte.
Während sie den Papierstapel herausholte, nahm ich wieder meinen Platz auf der Couch ein und widmete mich der Liste. Zu meiner großen Überraschung stellte ich fest, dass Alistair sämtliche Unterlagen bezüglich des Grundbesitzes persönlich zugeschickt bekommen wollte. Normalerweise kümmerte sich eine spezielle Abteilung darum, doch er würde vermutlich seine Gründe haben, welche ich niemals hinterfragte. Alistair war ein alter Fuchs und mit sämtlichen Wassern gewaschen, was sein Metier anging. Wir alle konnten von ihm lernen und deshalb versuchte ich, mir die relevanten Dinge immer wieder einzuprägen.
„Sind da irgendwelche Grundbuchauszüge dabei? Wenn ja, kannst du die gleich mal rüberwachsen lassen", meinte ich und begann gleichzeitig in meiner Tasche zu wühlen, um eine Dose Red Bull herauszufischen.
Es würde eine lange Nacht werden, die ich jedoch mit Hilfe dieser Droge mühelos herumzukriegen gedachte.
„Moment, ich schau mal nach", hörte ich Cara sagen, während sie den Stapel durchforstete.
„Lass dir Zeit, das Zeug läuft nicht weg, gehe es lieber gründlich durch", mahnte ich, um anschließend meine Sneakers abzustreifen und die Füße auf den Tisch zu legen. So fühlte ich mich am wohlsten, selbst bei der Arbeit.
Mit meinem Netbook auf dem Schoß machte ich mich daran, den Raum zu skizzieren, die Möbelstücke einzuzeichnen und aufzulisten, sowie hin und wieder auf Caras kleines, wohlgeformtes, knackiges Hinterteil zu starren, welches sie mir immer dann entgegenstreckte, wenn sie sich kurz bückte, um ein loses Blatt Papier aufzuheben, das versehentlich heruntergefallen war. Insgesamt passierte ihr das dreimal, was mich ein wenig amüsierte.
Plötzlich kam Kyle ins Zimmer gelaufen und lenkte die Aufmerksamkeit auf sich. In seinen Händen trug er zwei dicke Aktenordner.
„Was gefunden?", fragte ich lässig.
„Ja, das ganze Zeug über die Grundstückseigentümer."
„Her damit."
Ich riss ihm förmlich die Ordner aus der Hand und begann sofort darin zu blättern. Es interessierte mich, warum Alistair diesen Kram unbedingt haben wollte, anstatt die Papiere an die entsprechenden Leute zu leiten, die dafür zuständig waren. Es gehörte nicht zu unseren Aufgaben, Häuser und Grundstücke zu verkaufen, wir kümmerten uns um ganz andere Dinge.
„Thomas und Margaret Harker waren einst die Eigentümer", murmelte ich vor mich hin. „Dann starb Margaret und ihr Anteil des Besitzes ging an ihren Ehemann Thomas. Dieser vererbte alles an Fionn Ryan, sein Patenkind."
Nun war ich zwar im Bilde, was die Verflechtungen des Erbes anging, doch ich konnte mir noch immer nicht vorstellen, was Alistair damit anstellen wollte. Da dies allerdings zurzeit nicht relevant war, versah ich die beiden Ordner mit roten Aufklebern. Dies bedeutete, dass diese mitgenommen werden mussten, um unverzüglich dem Boss übergeben zu werden.
Die Zeit verging und der Stapel für Alistair wurde größer, obgleich sich die Dinge, welche mit gelben Aufklebern versehen waren, schneller vermehrten. Alte Fotoalben kamen zum Vorschein, die jedoch nicht aufgelistet waren und somit erstmal außen vor blieben.
Cara sortierte die Bankunterlagen und fand außerdem den Zugangscode zum Online Banking unseres Klienten, welcher ordentlich im Safe verstaut worden war. Immerhin dachte der Junge mit, das musste man ihm lassen. Überhaupt waren die Sachen alle relativ ordentlich sortiert, ich hatte schon weitaus schlimmere Hausdurchsuchungen hinter mich gebracht, was diese Dinge anging. Die nächste Stimme holte mich erneut aus meinen Gedanken.
„Der Dachboden ist fertig, Ace, da gab es nicht allzu viel zu tun", meinte Freya, die sich nun zu mir auf das Sofa gesellte.
Missmutig schaute ich zu ihr. „Dann geh hoch und hilf Avril und Kyle", antwortete ich und wandte mich wieder den Bankunterlagen zu.
Beleidigt zog Freya wieder ab und ich atmete erleichtert auf. Im ersten Stock gab es noch genügend Arbeit, denn dort befanden sich drei Zimmer, sowie ein Bad, das ging aus Alistairs Unterlagen hervor. Bevor ich das Netbook zuklappte, warf ich einen Blick auf die Uhr. Dustin war bereits seit über einer Stunde alleine im Keller. Langsam wurde es Zeit, ihm einen Besuch abzustatten.
„Ich bin dann mal unten, nach dem Newbie schauen", ließ ich Cara wissen, bevor ich in meine Sneakers schlüpfte und den Raum grinsend verließ, um gemächlich zum Treppenabgang, welcher in den Keller führte, zu schlendern.
Als ich auf der obersten Schwelle stand, hörte ich es bereits rumoren. Es klang, als wurde Dustin den kompletten Keller auseinander nehmen. Was immer er gerade dort anstellte, wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.
Leise schlich ich mich nach unten und folgten dem Schein des schwachen Lichts, welches aus einem der Kellerräume in den dunklen Gang hineinfiel. Vorsichtig pirschte ich mich heran, verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete, wie Dustin einen alten, halbvermoderten Schrank zur Seite rückte und anschließend auf allen Vieren auf dem Boden herumkroch, um nach etwas zu suchen, was sich vermutlich darunter befand.
Mit dieser Aktion versaute er sich auf jeden Fall seine schwarze Jeans und das komische bunte Hemd, das er heute trug. Dieser Junge litt echt an Geschmacksverirrung, was den Kleidungsstil betraf, das musste ich ihm schleunigst austreiben.
„Na, Newbie, hast du was Aufregendes gefunden?"
Er zuckte nicht zusammen, sondern blieb ziemlich gelassen, was ich als ein gutes Zeichen wertete, schließlich benötigen wir in unserer Truppe keine Angsthasen.
„Da ist was drunter gefallen", presste er hervor, ließ sich jedoch nicht beirren, weiter nach dem Gegenstand zu suchen.
Mächtig gespannt darauf, was nun zum Vorschein kommen würde, ging ich in die Hocke, um besser nachschauen zu können, nach was er eigentlich schaute.
„Das ist nur eine alte Münze", sagte ich, als Dustin das schwach blinkende Geldstück in seinen Händen hielt.
„Ja", grinste er, „aber es ist eine sehr besondere alle Münze, mit einem beträchtlichen Wert."
Dies schien sein Spezialgebiet zu sein, jeder von uns zeichnete sich durch eines aus.
„Das ist eine alte römische Münze", erklärte Dustin grinsend. „Sie ist ungefähr zehntausend Pfund Wert."
„So ein altes Teil?"
„Ja. Sie steht auf der Liste, allerdings mit dem Zusatz, dass sie hier im Haus verloren gegangen sein soll."
Beeindruckt zog ich die Augenbrauen nach oben.
„Du hast deine Sache gut gemacht, Newbie, auch wenn du aussiehst, wie ein Schwein, so verdreckt und stinkend. Es wird Zeit, dass du eine Dusche nimmst, wenn du zuhause bist."
Auf Dustins Stirn befand sich eine Dreckspur, ebenso wirkten seine Hände, als hätte er versucht, den Boden damit zu säubern. Doch seine grünen Augen strahlten immens, als er auf die Münze schaute. Ich kannte diesen Blick genau. Es fühlte sich toll an, bei seiner ersten Hausdurchsuchung etwas Wertvolles zu entdecken. Zufrieden klopfte ich ihm auf die Schulter.
„Komm, lass uns nach oben gehen", forderte ich ihn auf.
Einträchtig stiegen wir die Kellertreppe nach oben, wo uns der Rest der Truppe im Wohnzimmer empfing. Interessiert begutachten alle die Münze, welche nun in einem kleinen Plastikbeutel verstaut wurde. Diesen versah ich mit einem roten Aufkleber, denn die Münze gehörte zum persönlichen, wertvollen Besitz unseres Klienten und war demnach an Alistair weiterzuleiten.
„Wir haben die Klamotten in Kisten gepackt, sie sind mitnahmebereit, das Gleiche gilt für die Schuhe", erklärte Avril, was ich mit einem „Okay", zur Kenntnis nahm.
„Ich habe mir das Arbeitszimmer vorgenommen, den Laptop eingepackt, sowie seine Arbeitsbücher."
Nachdem Kyle das ausgesprochen hatte, überreichte er mir eine Bibel.
„Die steht ganz oben auf der Liste, also sollte sie unverzüglich zu Alistair gelangen", sagte er.
„Ich weiß, dass er Theologie studiert hat", fügte ich hinzu.
Es war mir schleierhaft, wie ein junger Mann katholischer Priester werden konnte und freiwillig auf den Sex und die Frauen verzichtete. Aber jeder sollte tun und lassen, was ihm beliebte.
Diese Tatsache machte mich ziemlich neugierig auf unseren Klienten, doch ich würde ihn nicht zu Gesicht bekommen. Alistair war der Einzige, der ihn im Moment sehen durfte. Doch vielleicht würde sich später eine Gelegenheit finden, Fionn Ryan zu begegnen.
Nach vier Stunden erfolgreicher Suche, sowie Aufräumaktion veranstaltete ich den letzten, abschließenden Rundgang durchs Haus, begleitet von Kyle, der ebenso wie ich Ausschau danach hielt, ob wir auch nichts vergessen hatten.
Sämtliche Bilder an den Wänden waren verschwunden, die Schränke geleert, zumindest was die persönlichen Dinge des Klienten betraf. Im Keller lagerten noch alte Autoreifen, doch die landeten auf der Entsorgungsliste, welche ich ins Handy eintippte, während wir das Haus noch einmal inspizierten.
„Okay, sieht sauber aus", äußerte ich und nickte Kyle zu.
„Gut, wer holt den Transporter?", fragte dieser.
„Immer der, der fragt", entgegnete ich grinsend.
„Bin schon unterwegs."
Vier Uhr morgens war eine ausgesprochen gute Uhrzeit, um mit dem Wagen in der Straße vorzufahren. Alles schlief noch und niemand kümmerte sich darum, dass mehrere Kisten aus dem Haus getragen und in einem Van verstaut wurden.
Das Auto wirkte mit seinen abgedunkelten Scheiben wie das Fahrzeug einer Verbrecher-Gang. Doch das entsprang purer Absicht. Niemand sollte schließlich auf die Idee kommen, dass hier Staatsdiner am Werk waren, welche die Existenz eines Mannes verschwinden ließen, der nun einem Zeugenschutzprogramm angehörte. Falls man uns trotzdem sehen sollte und das Kennzeichen des Wagens notierte, um dieses der Polizei mitzuteilen, würden die Ermittlungen logischerweise im Sande verlaufen.
Zufrieden mit dem Verlauf unserer Aktion, zündete ich mir vor dem Haus eine Zigarette an und wartete, bis Kyle mit dem Van auftauchte. Wir begannen die Kisten darin zu verstauen, wobei Dustin uns zur Hand ging. Lediglich die Frauen unserer Truppe durften sich nun ausruhen, oder nur leichte Kisten tragen.
Ich händigte Cara meinen Autoschlüssel aus und bat sie meinen Wagen zu holen, damit ich dort die dringlichen Sachen für Alistair bunkern konnte. Nachher würde ich ihm eine Nachricht schicken und auf weitere Anweisungen warten.
Gut gelaunt, weil unser Newbie seine Feuertaufe so gut hinter sich gebracht hatte, fuhr ich nach Hause, um dort den Wagen in der Garage zu parken. Die beiden Kisten ließ ich im Kofferraum, doch die Unterlagen bezüglich der Grundstückseigentumsrechte, die wertvolle Münze, eine Gitarre und die Bankdokumente, nahm ich an mich.
Wenn man Fionn Ryans Klamotten aus meinem Wagen klaute, was sehr unwahrscheinlich war, wäre das nicht schlimm. Doch diese Dokumente durften nicht in falsche Hände geraten. Alistair vertraute mir zu hundert Prozent, deswegen durfte ich die Sachen auch mit nach Hause nehmen.
Da ich nicht schlafen konnte, kochte ich mir einen Kaffee, ließ mich auf dem Sofa nieder und begann nochmals alles durchzuforsten. Für einen vierundzwanzigjährigen Theologiestudenten konnte unser Klient mit einem ausgezeichneten finanziellen Hintergrund aufwarten.
Er besaß ein Haus mit Grundstück in London-Harrow, diverse Wertpapiere, sowie Bargeldbestände und diese alte Münze, welche ich nun aufmerksam betrachtete. Alistair würde alles zu Geld machen lassen, was man verkaufen konnte und unserem Klienten somit den bestmöglichen Start in sein neues Leben ermöglichen.
Solche Dinge waren enorm wichtig, vor allem, wenn man keinen überdurchschnittlich gut bezahlten Job vorweisen konnte. Im Internet informierte ich mich, was ein katholischer Priester verdiente, um einen Überblick zu bekommen. Es klang besser als erwartet, doch das Geld würde ihm auf jeden Fall eine gute Starthilfe sein. Vielleicht entschied er sich auch dafür, zukünftig einen anderen Beruf auszuüben. Aber das würde Alistair uns wissen lassen, denn wir waren für die Beschaffung der Unterlagen zuständig.
Gefälschte Zeugnisse der Schulen und Arbeitgeber, Lebensläufe, Ausweise, um all dies kümmerte sich unsere Truppe. Und wenn es die Situation erforderte, überwachten wir unseren Klienten auch, um ihnen die optimale Sicherheit zu bieten. Dies alles legte jedoch Alistair fest, er hielt die Fäden in seiner Hand.
Nachdenklich holte ich mein Handy aus der Hosentasche und schickte eine Nachricht an meinen Boss.
„Hausdurchsuchung abgeschlossen. Habe die Sachen für dich bei mir zuhause gebunkert. Erbitte weitere Anweisungen."
Zwei Minuten später erfolgte die Antwort: „Ich hole sie nachher ab. Komme gegen zwei Uhr nachmittags."
„Ok, thanks and over."
Schlief dieser Mann eigentlich irgendwann einmal?
Seufzend ließ ich mich auf das Sofa zurücksinken, als mein Blick auf die Akustik Gitarre fiel. Unser Klient schien musikalisch zu sein, bestimmt vermisste er das Teil schon. Es war so ziemlich der einzige Gegenstand, außer seinen Klamotten, den er in sein neues Leben mitnehmen würde.
Das schrille Läuten der Türglocke weckte mich abrupt. Verschlafen rieb ich mir die Augen, erhob mich und ging mit gemächlichen Schritten zur Tür. Als ich in Alistairs grinsendes Gesicht schaute, wurde mir bewusst, wie lange ich geschlafen hatte. Es war zwei Uhr nachmittags.
„Na, Ace, alles klar? Du siehst müde aus", meinte Alistair und zwängte sich an mir vorbei.
„Ich bin müde", erwiderte ich nur und folgte meinem Boss ins Wohnzimmer.
„Gute Ausbeute, was?", stellte Alistair erfreut fest, als er die Dokumente begutachtete, welche ich für ihn mitgenommen hatte.
„Ja, es ist alles da, was du angefordert hast, obgleich ich nicht weiß, was du mit den Unterlagen bezüglich des Grundbesitzes anfangen willst."
Letzteres hatte ich mir nicht verkneifen können zu sagen, doch wie zu erwarten stieß Alistair nur ein meckerndes Lachen aus.
„Ich will sie mir ansehen", bemerkte er dann trocken, worauf ich ein wenig genervt die Augen rollte.
„Ich dachte, du wolltest damit deine Wände tapezieren", zog ich meinen Boss auf.
Zum Glück verstand er Spaß, doch er rückte trotzdem nicht mit irgendwelchen Informationen diesbezüglich heraus.
„In meinem Wagen sind noch ein paar Kisten", ließ ich ihn wissen, während er einen Teil der Dokumente schnell überflog.
„Die laden wir gleich um, Ace. Wie hat es übrigens mit deinen beiden Frauen geklappt?", erkundigte er sich um selben Atemzug.
Entspannt kreuzte ich die Arme vor der Brust, bevor ich antwortete: „Die eine habe ich auf den Dachboden verfrachtet und die andere durfte mir im Wohnzimmer Gesellschaft leisten. So hatte ich meine Ruhe. Oh, und Newbie musste in den Keller."
Alistair stieß ein kurzes Lachen aus. „Du besitzt gute Führungsqualitäten", meinte er.
Dann nickte er mir zu, um mir zu verstehen zu geben, dass ich ihm beim Umladen der Listen behilflich sein sollte.
„Wie geht es unserem Klienten eigentlich?", erkundigte ich mich, als ich die Gitarre vorsichtig auf der Rückbank von Alistairs Wagen platzierte.
„Den Umständen entsprechend relativ gut. Seine Gehirnerschütterung klingt langsam ab, aber die Prellungen machen ihm noch zu schaffen. Allerdings sollte dies kein Hinderungsgrund sein, um am Montag, oder spätestens am Dienstag in unser neues Domizil aufzubrechen."
„Gut, das heißt, er braucht den neuen Ausweis so schnell wie möglich."
„Exakt."
„Fein, sag mir den Namen, das Geburtsdatum und eine Adresse, die wir angeben sollen. Ach ja und vergiss das Foto nicht."
„Das habe ich bereits dabei und ebenso seinen alten Ausweis, der dann ins Archiv zu den Akten kommt", sagte Alistair und händigte mir das Dokument gleichzeitig aus.
Schnell warf ich einen Blick darauf, der mich prompt schmunzeln ließ.
„Sieht gut aus, der Bursche. Wie soll er denn jetzt heißen?"
„James Edwards."
„Okay, ich werde alles so schnell wie möglich erledigen. Morgen Abend hast du den neuen Ausweis."
Mein Boss bedachte mich mit einem erstaunten Blick. „Morgen Abend erst? Du wirst langsam, Dixon."
„Ich habe mir gedacht, dass unser Newbie den neuen Ausweis anfertigen darf und der wird garantiert länger brauchen."
Alistairs meckerndes Gelächter erklang noch in meinen Ohren, nachdem er die Wohnung längst wieder verlassen hatte. Konzentriert machte ich mich daran, eine Nachricht an meine Kollegen zu senden.
AD an KW/DA/CP/AJ/FH: „Treffen uns in zwei Stunden im Headquarter. Operation läuft."
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Hallo ihr Lieben, endlich ein neues Update für Black Room.
Ihr habt nun Alistairs Truppe kennengelernt, was haltet ihr von ihnen?
Mögt ihr Ace? Und was haltet ihr von Dustin, dem Newbie?
Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen und freue mich über eure Kommentare. :)
Danke für euren Support!
LG, Ambi xxx
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