05. Chains

Pünktlich um fünf vor zwölf betätigte ich am Weihnachtsfeiertag die Klingel am Haus, in welchem sich Seth und Harveys Apartment befand. Als ich kurze Zeit später, nach einer herzlichen Begrüßung durch Seth, in der großen Wohnung stand, um meinen Mantel abzulegen, bemerkte ich den köstlichen Duft, welcher aus der Küche direkt in meine Nase strömte. Harvey hatte sich vermutlich mal wieder selbst übertroffen, was das Essen anging.

Mit Geschenken beladen führten meine Schritte mich jedoch zunächst in den Wohnbereich, wo der dezent geschmückte Tannenbaum stand. Unter diesem befanden sich bereits etliche, in rotes, grünes und goldenes Glanzpapier gehüllte Präsente. Man konnte ziemlich genau erkennen, welche davon Harvey eingepackt hatte, denn dies beherrschte er ebenso gut wie das Kochen und Backen. Schmunzelnd legte ich meine Päckchen dazu und gesellte mich dann zu Seth, der gerade eine Flasche Rotwein öffnete.

„Du magst doch Merlot, oder?"

„Sicher", antwortete ich und nahm auf einem der bequemen Lederstühle am Tisch Platz.

Ich war so gespannt, was die beiden zu ihren Geschenken sagen würden und hoffte, dass sie es zu schätzen wussten, wie viele Gedanken ich mir darum gemacht hatte, statt irgendeinen Unsinn zu kaufen.

„Sienna, Schätzchen!" Harvey kam mit einer großen Schüssel in der Hand aus der Küche gelaufen und strahlte über das ganze Gesicht, als er mich erblickte. „Schön, dass du da bist, dann können wir gleich mit dem Essen beginnen."

„Ich habe mich angestrengt, nicht zu spät zu kommen", warf ich lachend ein, worauf Seth erwiderte: „Und das, nach einem feucht-fröhlichen Abend mit Gwenny."

„Es war nicht schlimmer als letztes Jahr", entgegnete ich, bevor ich an meinem Glas nippte.

Der Rotwein schmeckte wirklich ausgezeichnet. Als sich mein Blick in das Glas, auf die dunkelrote Flüssigkeit richtete, wanderten meine Gedanken urplötzlich in den Black Room. Eine Woche und zwei Tage würde ich auf mein Treffen mit Fionn in der Dunkelheit warten müssen. Es kam mir vor wie ein Albtraum, so lange davon fernzubleiben. Jemand, der diese Erfahrung noch niemals gemacht hatte, konnte mich vermutlich nicht verstehen. Dieser Raum und auch Fionn, übten eine magische Anziehungskraft auf mich aus, welcher ich mich nicht entziehen konnte.

„Sienna, träumst du?"

Harveys Stimme riss mich unbarmherzig zurück in die Realität.

„Sorry, ich war gerade in Gedanken", murmelte ich.

„Das haben wir gemerkt", sagte Seth trocken und schickte sich an, Harvey meinen Teller zu reichen, damit die Verteilung der Vorspeise beginnen konnte.

Die Hummercremesuppe schmeckte wirklich köstlich und ich lobte Harvey gebührend dafür. Anschließend wurde ein gemischter Salat mit Kresse, sowie einem besonderen Dressing serviert.

„Was ist in diesem Dressing? Das ist super!", rief ich aus.

„Himbeeressig und Walnussöl", erklärte Harvey verschmitzt grinsend.

Die beiden waren echte Gourmets, was durch den Hauptgang nochmals verdeutlicht wurde. Dieser bestand aus einem großen Truthahn, der mit Harveys spezieller Hackfleischfüllung sicher jeden Kochwettbewerb gewonnen hätte. Und natürlich durfte der flambierte Plumpudding nicht fehlen. Zum Nachtisch verdrückten wir Vanilleeis mit heißen Himbeeren, vermutlich weil das eine meiner Lieblingsspeisen war und Harvey mir eine Freude machen wollte. Er liebte es, mich zu bemuttern.

„So, und jetzt kümmern wir uns um die Geschenke, nicht, dass sie noch verrotten", scherzte Seth nach dem Essen und schritt sofort zur Tat.

Wie zu erwarten freute er sich riesig über das Golfspiel.

„Danke, Sienna, das ist echt cool! Ich wusste gar nicht, dass du dich noch daran erinnert hast", bedankte er sich freudig, umarmte und küsste mich.

„Doch, das habe ich."

Als Harvey Sekunden später das irische Kochbuch erblickte, stieß er einen wahren Freudenschrei aus.

„Schätzchen, das fehlte noch in meiner Sammlung! Komm her und lass dich drücken!"

Und schon bekam ich einen Kuss, sowie eine herzliche Umarmung, die ich erwiderte.

„So, Schwesterchen, hier sind deine beiden Geschenke." Seth überreichte mir zwei Päckchen, die ich grinsend entgegennahm.

Gespannt darauf, was die beiden sich in diesem Jahr hatten einfallen lassen, öffnete ich das erste.

„Oh, wie süß, das ist wundervoll!" Strahlend betrachtete ich den Glaswürfel, welcher ein Foto in 3D Laser Optik enthielt. Seth und Harvey waren deutlich zu erkennen. Ich fand die Idee sehr schön, zumal ich den Glaswürfel überall platzieren konnte, wo es mir gerade beliebte.

„Damit du nicht vergisst, wie wir aussehen", scherzte Seth grinsend, dessen braune Haare am heutigen Tag genauso frisiert waren, wie auf dem Bild im Glaswürfel.

Wie oft hatte ich mir früher gewünscht, die gleiche Haarfarbe zu besitzen wie Seth, aber ich als begann, meine Haare zu färben, stellte ich sehr schnell fest, dass mir das dunkel Rot am besten stand. Die Natur musste sich also etwas dabei gedacht haben, mich mit diesem Farbton auszustatten.

„Nun mach schon das andere Päckchen auf", nötigte mich Harvey geradezu, was ich mit einem Grinsen tat.

„Ihr Mistkerle", zischte ich, begleitet durch ein Lachen, als ein Buch zum Vorschein kam, denn ich verstand durchaus Spaß.

„Wie backe ich den perfekten Mann?", las ich laut vor, worauf Harvey mit den Schultern zuckte und Seth so tat, als sei er nicht anwesend.

„Wessen Idee war das?", fragte ich.

„Harveys, der ist doch für das Backen zuständig", meinte mein Bruder lässig.

„Ihr seid echt unmöglich." Ich lachte immer noch, da ich es den beiden nicht übel nahm.

Seit Jahren musste ich mir anhören, wie traurig es sei, dass ich keinen festen Freund hatte und es war Seth, der meine Freunde mit gewissen Vorzügen am wenigsten tolerierte. Aber er konnte nichts dagegen tun, denn ich war dreiundzwanzig und lebte mein eigenes Leben. Allerdings wollte ich die beiden niemals an meinen Abenteuern im Black Room teilhaben lassen. Dies war und blieb mein Geheimnis bis in alle Ewigkeiten.

Wir verlebten eine wunderschöne Zeit zusammen und als ich mich am späten Abend ins Gästezimmer legte, schlief ich sofort ein. Es war Tradition, dass ich am ersten Weihnachtstag bei Seth und Harvey nächtigte, da wir den Boxing Day ebenfalls gemeinsam verbrachten. Zudem gestaltete sich unser Frühstück am Morgen des Selbigen stets lustig.

„Wer kommt denn heute noch?", erkundigte ich mich, als Harvey mich anwies, den Tisch für fünf Personen zu decken.

„Christina und Evelyn", erwiderte er. „Die kennst du doch."

Und ob ich die beiden Frauen kannte. Es handelte sich hierbei um eine Lesben-Pärchen, mit welchem mein Bruder und sein Lebensgefährte seit vielen Jahren eng befreundet waren. So verlebte in den Tag in netter Gesellschaft, denn es lag mir fern, Menschen für ihre sexuelle Gesinnung zu verurteilen. Für mich kam es einzig und alleine auf den Charakter an.

Als ich mich am späten Abend von allen verabschiedete, drückte Seth mich an sich und sagte: „Denk an unsere Silvesterparty. Wir haben Gwenny auch schon eingeladen und sie hat zugesagt."

Seth und Harvey gaben jedes Jahr eine Silvesterparty in ihrem großzügigen Apartment und ich durfte da keinesfalls fehlen.

„Soll ich irgendwas mitbringen?", erkundigte ich mich, bevor ich mich zum Gehen wandte.

„Nein, Schwesterchen, es ist für alles gesorgt. Du kannst auch hier schlafen, wenn du möchtest."

„Also wie immer", erwiderte ich grinsend, bevor ich mich anschickte, die Wohnung endgültig zu verlassen.

Als ich am Montagmorgen vor dem Kalender in der Küche stand, strich ich, wie in den letzten Tagen auch, das Datum des vorangegangen Tages aus. So ließ es sich einfacher zählen, wie lange ich noch auf das Date mit Fionn im Black Room warten musste. Wenn ich meine Augen schloss und mich auf nichts anderes konzentrierte, konnte ich die Berührung seiner Finger spüren. Sofort machte sich ein Kribbeln in meinem Unterbauch bemerkbar.

„Sienna, hör auf zu träumen", sagte ich laut zu mir selbst und schüttelte dabei den Kopf. „In sechs Tagen kannst du wieder alles genießen und keine Feiertage sind mehr in Sicht, die die Dates vermiesen können."

Manchmal tat es gut, sich selbst zu beruhigen, so wie in diesem Fall. Schließlich benötigte ich für die Arbeit im Büro einen klaren Kopf, denn obwohl ich die Schlacht für die Beförderung vermutlich schon gewonnen hatte, wollte ich trotzdem alles geben.

„Kämpfen bis zum Schluss", lautete meine Devise, die ich niemals brach.

Deshalb arbeitete ich auch in der letzten Woche des Jahres wie gewöhnlich mit Volldampf, während der Rest meiner Kollegen es etwas langsamer angehen ließ. Doch das störte mich nicht. Umso schneller verging nämlich die Zeit bis zum Silvesterabend, den ich herbeisehnte, nicht zuletzt deswegen, weil ich Gwenny endlich wieder zu Gesicht bekommen würde. Sie hatte nämlich das letzte Wochenende in Schottland, bei ihrem Freund verbracht.

Als wir am Silvestermorgen zusammen telefonierten, erklärte sie, dass Tony nach London gekommen sei, um an der Feier teilzunehmen. Ich hatte diesen Lackaffen erst einmal zu Gesicht bekommen und hielt überhaupt nichts von ihm. Für meinen Geschmack wirkte er viel zu schleimig und arrogant. Er war eine billige Pierce Brosnan Kopie, mehr nicht. Aber ich musste ihn wohl oder übel am letzten Abend des Jahres ertragen.

Wenn man mich fragte, ging es zwischen ihm und Gwenny sowieso nicht mehr lange. Irgendwann würde sie es satt haben, dass sie eine Fernbeziehung führte, da er keinesfalls nach London ziehen wollte. Ich hätte diesem Affen schon längst einen Tritt in das Gesäß verpasst, doch Gwenny war einfach viel zu geduldig, wenn es um solche Dinge ging.

Da es sich um eine richtig tolle Party handelte, die mir bevorstand, machte ich mich entsprechend zurecht. Zu meinem schwarzen Minikleid trug ich das passende Make-up, sowie hochhackige Pumps. Außerdem durfte der entsprechende Schmuck nicht fehlen. Der Knaller des Outfits bestand aus meinen neuen Ohrringen, die ich erst kürzlich erstanden hatte. Diese waren der neueste Schrei: Ein kleiner Stecker am linken Ohr und passend dazu ein langer Ohrring am rechten.

Zufrieden mit meiner Erscheinung, schnappte ich die kleine Reisetasche, in welcher sich mein Schlafanzug, Hausschuhe, ein Kulturbeutel, sowie Kleidung für den nächsten Tag befanden, und verließ meine Wohnung. Dank der Pünktlichkeit der öffentlichen Verkehrsmittel, traf ich um kurz nach halb acht bei Seth und Harvey ein. Da ich der erste Gast war, suchte ich nach einer liebevollen Begrüßung das Gästezimmer auf, um meine Sachen darin zu bunkern. Anschließend half ich Harvey in der Küche bei den letzten Vorbereitungen. Der Lebensgefährte meines Bruders trug am heutigen Abend ein rotes Hemd, sowie eine schwarze Hose und schwarze Lackschuhe, was seine schwarzen Haare noch besser zur Geltung brachte.

„Du siehst super aus, Harvey", machte ich ihm ein Kompliment, worauf er zu strahlen begann.

„Danke, Sienna, mein Schätzchen, du aber auch", flötete er.

Manchmal hatte ich den Eindruck, dass ich Seth und Harvey als meinen Eltern-Ersatz ansah. Harvey spielte die Rolle der fehlenden Mutter und Seth den Vater, den ich ebenso vermisste. Als es an der Tür läutete, wischte ich diese Gedanken allerdings beiseite und lief mit schnellen Schritten zur Eingangstür, um die Gäste zu begrüßen.

Zu meiner Freude handelte es sich um Gwenny und zu meinem Leidwesen hatte sie Tony tatsächlich mitgebracht. Bis zur letzten Sekunde hatte ich darauf gehofft, dass er vielleicht doch noch nach Schottland geflogen war, aber leider erfüllten sich meine Wünsche dahingehend nicht. Da es in der Hausbar jedoch nicht an Scotch und anderen alkoholischen Getränken mangelte, würde ich den Lackaffen irgendwann im Suff besser ertragen, als in nüchternem Zustand.

„Hey, Gwenny." Sofort fiel ich meiner besten Freundin um den Hals und begrüßte Tony notgedrungen, der eine Flasche Champagner in seinen Händen hielt, die ich ihm sogleich abnahm.

„Danke, ich werde sie an Harvey weiterreichen, der ist für sowas zuständig", meinte ich und war froh, auf diese Art und Weise kurz in die Küche verschwinden zu können, um Tonys schleimigem Grinsen zu entgehen. Zwar tat es mir leid für Gwenny, aber ändern konnte ich es nicht. Glücklicherweise befanden sich binnen einer Stunde ungefähr dreißig Leute in der Wohnung und da Tony nicht der Typ war, der wie eine Klette an Gwenny klebte, verbrachten wir nun etwas Zeit miteinander.

„Wer ist denn dieser blonde Typ, mit den hellen Boots?", erkundigte sich meine beste Freundin neugierig.

„Das ist Alexander Rossi. Ihm gehört eine Kunstgalerie in London und Seth kümmert sich um die Software seines Büros", erklärte ich, bevor ich einen großen Schluck Champagner nahm.

Das angenehme Prickeln des Getränks in meinem Mund, ließ mich plötzlich an Fionn denken. Nur, dass dieser ein anderes Prickeln in meinem Körper auslöste. Wie gerne hätte ich jetzt seine Hände überall an meinem Körper gespürt. Ob er wohl auch die Zeit im Black Room vermisste?

„Sag mal, Sienna, hast du eigentlich über diese Sache mit Fionn nochmal nachgedacht?" Als Gwenny die Frage an mich richtete, starrte ich sie ein wenig fassungslos an. Gerade spukte der Ire in meinem Kopf umher und sie brachte die Sprache auf ihn. Seltsam, wie manchmal alles zusammenpasste.

„Ja, das habe ich", antwortete ich mit fester Stimme. „Ich treffe ihn am Sonntag wieder im Black Room."

„Sienna." Gwenny legte ihre Hand auf meinen Arm. „Hast du dir das auch gut überlegt? Ich habe echt Angst um dich", gestand sie freimütig, worauf ich jedoch nur lachte.

„Das brauchst du nicht. Der Raum wird Kameraüberwacht und außerdem haben wir nur Sex, mehr nicht", flüsterte ich leise, damit es kein anderer hörte.

Ihr Seufzen war nicht zu überhören. „Ich möchte nicht eines Tages von Schottland nach London zu deiner Beerdigung reisen müssen."

Es dauerte genau drei Sekunden, bevor ich diesen Satz verinnerlichte.

„Schottland? Von was zum Teufel redest du?"

Als meine beste Freundin ihre Hand ausstreckte, sah ich den Ring. Und obwohl ich wusste, was dies bedeutete, wollte ich es nicht wahrhaben. Er nahm mir Gwenny weg, dieser Bastard!

„Tony hat mir am Boxing Day einen Antrag gemacht und ich habe ja gesagt. Ich bin verlobt, Sienna!"

Sie strahlte über das ganze Gesicht, während ich Mühe hatte, meine Tränen zurückzuhalten. Es würde nicht gutgehen, ich hatte das im Gefühl.

„Heißt das, du wirst nach Schottland ziehen?", würgte ich hervor.

De Kloß in meinem Hals wuchs zu einer immensen Größe heran.

„Ja." Sie nickte zur Bekräftigung. „Komm schon, mach nicht so ein Gesicht. Du würdest das auch für den Mann tun, den du aufrichtig liebst."

„Pah", stieß ich hervor, „ich würde niemals für einen Mann mein jetziges Leben aufgeben und wenn du einen Funken Verstand hättest, würdest du es auch nicht tun", herrschte ich Gwenny an. „Wir haben uns immer geschworen, unabhängig zu bleiben, aber du tust genau das Gegenteil. Du unterwirfst dich ihm!"

Hart kamen diese Worte über meine Lippen, ich war maßlos enttäuscht, dass Tony seinen Willen bekam. Er weigerte sich seither, nach London zu gehen, da seine Familie mehrere Ländereien, sowie ein Gut in Schottland besaß. Dass er auf diesem Gut nicht mitarbeitete, sondern alles seinen Brüder überließ, zeugte nicht gerade von besonderem Interesse am Familienbesitz. Er war nur scharf auf das Geld, aber die Finger wollte er sich nicht schmutzig machen. Gwenny hatte mir in der Vergangenheit einfach zu viel erzählt, als dass ich hätte unvoreingenommen reagieren können.

„Sienna, Süße. Bitte versteh mich doch. Ich liebe Tony und er liebt mich. Irgendwann wirst auch du heiraten, glaub mir."

„Aber nicht mit dreiundzwanzig!"

„Also wenn wir im Sommer heiraten, bin ich bereits vierundzwanzig und das war meine Mum auch, als sie unter die Haube kam", erwiderte Gwenny.

Er musste ihr eine Gehirnwäsche verpasst haben, anders konnte ich mir ihr Verhalten nicht erklären.

„Ich möchte gerne, dass du eine meiner Brautjungfern wirst, außerdem wollte ich mit dir mein Brautkleid aussuchen. Aber das hat noch ein wenig Zeit, denn wir heiraten erst im Juni."

Ich befand mich gerade in einem schlechten Film, zumindest kam es mir so vor.

„Und wann gedenkst du nach Schottland zu ziehen?"

„Erst kurz vor der Hochzeit. Schließlich brauche ich erst einen neuen Job."

Immerhin wollte sie das Arbeiten nicht aufgeben, oder vielleicht war der billige Pierce Brosnan Verschnitt gerade darauf aus. Sie arbeitete und er lebte. Passen würde es auf jeden Fall zu ihm.

Als Gwenny mich plötzlich umarmte, musste ich schon wieder schlucken. Meine beste Freundin würde bald nach Schottland ziehen. Dies erinnerte mich an Paula, meine zweitbeste Freundin, die für ihren Typen nach Brighton gegangen war. Seitdem sahen wir uns nur noch sehr selten. Mit Gwenny würde es ebenso passieren, das wusste ich.

Das neue Jahr begann für mich unsagbar traurig und wäre Alexander Rossi nicht gewesen, hätte ich mich sicher zu Tode gelangweilt, da Tony sich irgendwann zu Gwenny gesellte. Bei Alexander handelte es sich um einen jungen, gutaussehenden Mann, der intelligent und vor allem alles andere als schleimig war. Als mein Blick auf seine blonden Haare fiel, dachte ich unweigerlich an Fionn. Noch zwei Tage und ich würde ihn endlich wieder spüren können.

~~~

Zuerst fühlte es sich fast so komisch an wie beim ersten Mal, als ich am Sonntag um neun Uhr den Raum betrat, dessen Türen sich geräuschlos hinter mir schlossen. Sofort machte sich ein beklemmendes Gefühl bemerkbar. Vielleicht lag es daran, dass ich zwei Wochen und zwei Tage Pause hatte machen müssen.

Ich schloss meine Augen und versuchte gelassen ein- und auszuatmen, um die vollkommene Konzentration der anderen Sinne zu erlangen. Und es klappte tatsächlich einwandfrei. Als ich seine leisen Schritte hörte, begann ich zu lächeln.

„Fionn?"

„Ich bin hier, Sienna."

Langsam tastete ich mich an der Wand entlang, in jene Richtung, aus der seine Stimme zu mir drang. Als unsere Hände sich schließlich berührten, schien eine Last von mir abzufallen und die Beklemmung wich einer Erleichterung. Die Dunkelheit bedrückte mich nicht mehr, sie öffnete sich vor mir und ließ mich neue Wege erschließen. Fionn war dabei mein Licht.

Behutsam wanderten seine Finger an meinen Seiten entlang, was mir ein Kichern entlockte.

„Frohes neues Jahr, Sienna", flüsterte er mir ins Ohr.

Sein Atem kitzelte meinen Nacken und ließ mich binnen Sekunden vergessen, wie schlecht das neue Jahr eigentlich für mich begonnen hatte.

„Dir auch ein frohes neues Jahr, Fionn", wisperte ich leise.

Ich wollte vergessen, was mich bedrückte, doch dazu gehörte es auch, dass ich mich sicher fühlte. Und nach unserer letzten Konversation musste ich ihn wissen lassen, wie es mir ging, wenn er solche beängstigenden Dinge von sich gab. Also fasste ich mir ein Herz und begann zu sprechen.

„Du hast mir Angst eingejagt", sagte ich leise.

„Ich? Wieso denn das?"

Fionn war sich wohl keiner Schuld bewusst.

„Ich bin nach unserem letzten Treffen mit dem Taxi nach Hause gefahren, nachdem du von Jack the Ripper gesprochen hattest", klärte ich ihn auf.

„Wirklich?" Sein raues Flüstern bescherte mir prompt eine Gänsehaut.

„Ja, wirklich. Und ich möchte keine Angst haben, ich möchte Spaß mit dir haben", erklärte ich nun ein wenig selbstbewusster.

Sogleich verwandelte sich dieses Selbstbewusstsein jedoch in Unsicherheit, als ich seine nächsten Worte vernahm.

„Glaubst du an das Böse, Sienna?", flüsterte er mit rauer Stimme.

Für eine Sekunde hielt ich den Atem an. Wollte er mir etwa erneut Angst einjagen? Dem musste ich unbedingt entgegenwirken, denn ich stand nicht auf Psychospiele.

„Ja, ich glaube, dass es in irgendeiner Form existiert", antwortete ich mit fester Stimme.

„Und warum?" Fionn lehnte seinen Körper leicht gegen meinen, sodass ich nun die Wand berührte, was ziemlich merkwürdige Empfindungen in mir hervorrief.

Einerseits fühlte ich mich bedrängt, andererseits jedoch fühlte ich mich sicher. Würde er mich beschützen können, wenn etwas Schlimmes passierte? Ich schluckte kurz, bevor ich antwortete.

„Weil es sonst keine Morde, Vergewaltigungen und Verbrechen im Allgemeinen gäbe."

„Das ist eine gute Antwort, Sienna. Aber wenn du an das Böse glaubst, dann solltest du auch an das Gute glauben, denn das ist das Pendant dazu."

„Natürlich glaube ich auch an das Gute, was denkst du denn?", wies ich ihn zurecht.

Er sollte nicht denken, diese Spielchen mit mir weiterführen zu können, denn dafür war ich nicht gemacht. Seine weichen Lippen befanden sich direkt an meinem linken Ohr, als er wisperte: „Das ist perfekt, denn ich gehöre zur guten Seite, Baby. Das weißt du doch, oder?"

Eine Gänsehaut jagte über meinen Rücken, denn ich war mir nicht sicher, ob ich ihm vertrauen konnte. Wie auch immer schien Fionn zu spüren, was in mir vorging. Behutsam legte er seine Arme um meinen Körper, gerade so leicht, dass sein Griff mich nicht einengte, aber fest genug, dass ich das Gefühl bekam, ich würde mich auf ihn verlassen können.

„Lass uns nach oben gehen", raunte er in mein Ohr, „und ich zeige dir, wie sehr ich dir vertraue, Sienna."

Das hieß dann wohl, dass wir heute etwas Neues ausprobierten, wogegen ich generell nichts einzuwenden hatte. Fionns Andeutung bezüglich des Vertrauens, das er mir wohl entgegenbrachte, beeinflusste meine Entscheidung positiv.

„Ok, ich bin dabei", sagte ich.

Seine rechte Hand hielt meine linke fest umklammert, als wir uns mit den freien Händen an der Wand entlang tasteten, bis wir das Geländer der Treppe fühlten. Wie schon beim ersten Erkundungsgang ging ich voraus, damit Fionn mich notfalls auffangen konnte, falls ich stürzen sollte. Doch so vorsichtig, wie ich die einzelnen Stufen nahm, war davon auszugehen, dass nichts dergleichen geschah. Trotzdem atmete ich erleichtert auf, als wir oben angekommen waren.

Zwei Schritte vorwärts und ich versank in der Matratze, was erneut ein komisches Gefühl in meinem Magen auslöste. Doch das gab sich, als ich mich hinsetzte und auf Fionn wartete.

„Was machst du denn?", fragte ich in die Dunkelheit hinein.

„Ich wühle in der Kiste", kam es wie selbstverständlich zurück.

Sekunden später folgte ein „Ah, ich hab's gefunden!", was mich ziemlich neugierig machte. Was würde er wohl der Kiste entnommen haben?

Als seine Hand kurz über meine streichelte, zuckte ich leicht zusammen. Jede Berührung durch ihn löste ein immenses Kribbeln in mir aus, so als ob mein Körper es nicht erwarten konnte, ihm nahe zu sein. Erwartungsvoll und mit klopfendem Herzen, registrierte ich, dass er etwas in meine Hand drückte. Etwas Weiches, das sich toll anfühlte; es handelte sich dabei um einen Seidenschal, wie ich mühelos feststellten konnte.

„Ich möchte, dass du meine Hände damit fesselst und am Gitter festmachst", erklärte Fionn mit ruhiger Stimme. „Dann bin ich dir größtenteils hilflos ausgeliefert. Du kannst mit mir tun, was du möchtest, denn ich vertraue dir."

Ich atmete tief durch, bevor ich ein „Ok, das mache ich", von mir gab.

Konzentriert umfasste ich seine beiden Handgelenke mit meinen Händen und versuchte in der Dunkelheit den Seidenschal darum zu schlingen. Es klappte relativ gut, doch als ich versuchte, seine Hände an das Gitter am Kopfende der Matratze zu fesseln, hatte ich meine Probleme. Schließlich schaffte ich es nach dem dritten Versuch, was Fionn ein erfreutes: „Super, jetzt kannst du loslegen", entlockte.

Ein zufriedenes Lächeln umspielte meine Lippen, als ich meine Hände langsam und vorsichtig über seinen gut gebauten, schlanken Körper gleiten ließ, bis diese am Bund der Boxershorts stoppten.

„Ich glaube, die sollten wir ausziehen", wisperte ich und setzte das Vorhaben sogleich in die Tat um.

„Vorsicht, Sienna, das Kondom steckt im Bund", meinte Fionn lachend.

„Ok, dann muss ich es wohl jetzt suchen."

Ein wenig hilflos tastete ich auf der Matratze herum, bis ich schließlich das kleine Päckchen fand. Sorgsam legte ich dies zur Seite, es würde bald zum Einsatz kommen. Die Tatsache, dass Fionns Hände nun gefesselt waren, bedeutete, dass ich es ihm überziehen durfte, ein Gedanke, der mich vor Erregung fast durchdrehen ließ. Doch zunächst widmete ich mich anderen Teilen seines Körpers.

Behutsam platzierte ich einige Küsse auf seine Brust und ließ dann meine Lippen in Richtung seines Bauchnabels wandern. Je weiter ich nach unten gelangte, desto erregter wurde er. Schließlich stöhnte er auf, als meine Lippen seine Erektion umschlossen. Ich durfte tun und lassen, was ich wollte, dies hatte er mir klar und deutlich zu verstehen gegeben. Mir stand gerade der Sinn danach, ihn zu verwöhnen und gleichzeitig mit ihm zu spielen. Fionn sollte spüren, dass er mir wirklich vertrauen konnte.

Er schien meine Bemühungen sichtlich zu genießen, denn sein Stöhnen wurde heftiger, was mich jedoch nur noch mehr anspornte.

„Sienna", keuchte er plötzlich, was mich dazu brachte, ruckartig den Kopf zu heben. Heute hatte ich nämlich nicht vor, ihn auf diese Art und Weise zum Höhepunkt zu bringen, ich wollte seine Empfindungen nur in die Höhe puschen, bis er es fast nicht mehr aushielt. Dass er nahe daran war, hörte ich nur zu deutlich.

„Baby, wenn du nicht gleich aufhörst", schnaufte Fionn mit schwacher Stimme, was mich dazu veranlasste, nach dem Kondom zu greifen.

„Ganz ruhig, Süßer, wir machen gleich weiter", versprach ich und versuchte das Ding aus der Packung zu fummeln.

„Kriegst du es hin, Baby?", vernahm ich seine leicht gequälte Stimme.

Es erstaunte mich immer wieder, wie stark sein Gehörsinn arbeitete, denn er wusste genau, was ich tat.

„Ja, es geht", erwiderte ich und rollte gleichzeitig das Kondom vorsichtig über seine Erektion.

Mit einem süffisanten Grinsen, welches er leider nicht sehen konnte, richtete ich mich kurz auf, um schnell meinen Slip auszuziehen und dann meine Reiterposition auf ihm einzunehmen. Fionn stöhnte lustvoll auf, als ich mich zu bewegen begann und plötzlich vermischte sich mein Keuchen mit seinem. Meine Emotionen wurden dermaßen in die Höhe gepuscht, dass ich innerlich beinahe durchdrehte. Es fühlte sich so gut an, ihn in mir zu spüren und gleichzeitig die Kontrolle über das Geschehen zu haben.

Jegliche Ängste oder Zweifel, welche sich jemals in mir aufgebaut hatten, warf ich nun über Bord. Fionn war perfekt für mich und meine Bedürfnisse. Er ließ mir Freiheiten und ergriff trotzdem irgendwie Besitz von mir.

Mit halb geschlossenen Augen fühlte ich das Feuer in mir brennen, das mich fast aufzehrte und schließlich explodierte – im gleichen Augenblick wie er es auch tat.

Meine Hände zitterten, als ich mir den Schweiß von der Stirn wischte und langsam von ihm hinunter glitt.

„Du bist heiß, Sienna", vernahm ich Fionns Flüstern an meinem Ohr, als ich mich neben ihn legte, damit meine Atmung sich regenerieren konnte.

„Du auch", wisperte ich zurück und lächelte, als ich seine Lippen auf meiner Stirn spürte.

„Entfesselst du mich bitte wieder?", hörte ich ihn sagen, wobei seine Stimme noch immer etwas holprig klang.

„Sicher."

Es dauerte eine volle Minute, bis Fionn wieder frei war, doch nur wenige Sekunden, bis ich rücklings auf der Matratze lag, um seine Stimme erneut zu hören, die leise flüsterte: „Und jetzt Baby, solltest du mir vertrauen."

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Hallo meine Lieben, ich dachte es wäre mal wieder Zeit für ein Update.

Wie hat euch die Szene zwischen Sienna und Fionn im Black Room gefallen? Und denkt ihr, Sienna sollte ihm vertrauen?

Was haltet ihr davon, dass Gwenny heiraten und nach Schottland ziehen möchte?

Danke für eure Kommentare und Votes, das ist sehr lieb von euch.

LG, Ambi xxx

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