..~Stimmen der Erinnerungen~..
"Habt ihr auch von dem Mord gehört, der mit dieser Amaterasu Party in Verbindung gebracht wird? Ich habe vor einigen Wochen eine Einladung bekommen, bin aber nicht hingegangen, weil mir das zu merkwürdig erschien. Wie man sieht, war das die richtige Entscheidung" plapperte Ryoga und nahm sich eine Coke aus dem kleinen Kühlschrank, hinter der Bar.
Shunsuke nickte ihm zu. "Ich habe es auch in den Nachrichten gesehen. Schon gruselig, denn ich hatte auch vor einiger Zeit eine Einladung erhalten. Eigentlich wollte ich dorthin, aber mir kam etwas dazwischen" kicherte er und wackelte mit den Augenbrauen auf und ab. Ryoga schmunzelte und reichte seinem Kollegen eine Dose mit dem süßen Getränk, von dem er nie genug bekam.
Ryoga stupste Kei an, der schon die ganze Zeit Gedankenverloren auf einem Stohhalm herum kaute. Verwirrt blickte er ihn aus seinen dunklen Augen an. "Wo warst du denn mit deinen Gedanken" fragte der ältere und schob auch ihm eine Coke zu. Shunsuke haute ihm auf die Schulter. "Ich weiß wo seine Gedanken hin rennen. Du bist gestern nicht mehr in den Club zurück gekommen. Hattest du eine angenehme Zeit mit, na du weißt schon wem" grinste er spitzbübisch.
"Sie wollte mit mir, besser gesagt aus mir Kunst machen. Aus meinen Tätowierungen etwas neues kreieren, wie sie meinte. Jedoch war ich zu kitzelig. Da sie eh nicht besonders gute Laune hatte, stoppte sie irgendwann und warf mich raus. Also nein, so angenehm war es nicht" grummelte Kei und guckte missmutig in sein Glas.
Shunsuke und Ryoga warfen sich einen zerknirschten Blick zu. Die beiden wussten ja, das es um mehr ging, da die beiden Hosts an der Tür gelauscht hatten.
Mit dem Strohhalm tippelte Kei sich an der Lippe herum. Seine Gedanken kreisten nur um Charlie, er machte sich wirklich Sorgen um sie. Zwar versprach ihm dieses kleine zickige Weib, heute ihren Vater aufzusuchen, doch erschien ihm ihr Verhalten nicht Gesund zu sein. So einen Stimmungswandel hat er bei noch niemandem gesehen.
"Sag, war Charlotte früher eigentlich öfter mal depressiv? Ich meine du kennst sie länger als ich und kannst sie wohl besser einschätzen" richtete er jetzt seine Frage an seinen besten Freund. Shunsuke nippte gerade an seinem Glas und guckte ihn verwundert an. "Wie kommst du denn auf so etwas" fragte er ungläubig. Stark seufzend überlegte Kei, wie er es erzählen konnte, ohne die Krankheit von Hiro zu erwähnen. Er hatte es seinem Chef versprochen und daran versuchte er sich zu halten. "Sagen wir mal so, in ihrem Privatleben hat sich etwas zugetragen, was sie sehr aus der Bahn geworfen hat" antwortete er wahrheitsgemäß.
Wieder warfen sich Ryoga und Shunsuke einen vielsagenden Blick zu. Der ältere mit dem dunklen teint und dem Bärtchen, in dem er sich gerne herum zupfte, richtete das Wort direkt an seinen Freund. "Kei wir wissen von Hiro's Krankheit. Du und er wart gestern so entsetzlich laut, alle konnten hören, wie ihr euch wegen seiner Tochter gestritten hattet. Als es abrupt leiser wurde, da wurden wir neugierig und haben vielleicht etwas gelauscht" gab er jetzt kleinlaut zu. Kei wollte empört etwas erwidern und öffnete schon den Mund, jedoch atmete er nur etwas erleichtert aus, denn eigentlich war es gut, das sie es wussten.
"Was hat sie getan. Wie hat sie sich verhalten" fragte Shunsuke nun. Sein Freund zuckte kurz mit den Schultern, erzählte ihnen aber alles, was er mitbekommen hatte und wie sich Charlie verhielt.
Nachdenklich betrachtete Shunsuke seinen besten Freund und zwirbelte in seinem braunen verwuscheltem Haar herum. "Wenn ich ehrlich sein soll, ich habe keine Ahnung, warum sie so emotional und depressiv reagiert. Ich meine damit, das ich es noch nie erlebt habe. Früher schien sie immer sehr stark zu sein. Wobei ich glaube, das es einige Momente gab, in denen es vielleicht so gewesen sein könnte. Ich erzählte dir ja schon, das sie es damals nicht leicht hatte, aufgrund ihres Übergewichtes. Nach außen schien sie das gut weg zu stecken, aber ich erinnere mich, das es Tage gab, an denen sie nicht zur Schule kam, nachdem man sie gemobbt hatte. Du solltest vielleicht einmal mit Hiro darüber sprechen, wenn du dir solche Sorgen machst. Er kann dir mit Sicherheit mehr erzählen".
Kei nickte stumm, rutschte weniger galant vom Barhocker herunter und ging schnurstracks zu Hiro's Büro. Seine beiden Freunde und Kollegen guckten ihm nach, bis sich Ryoga zu Shunsuke beugte und ihm zuflüsterte. "Habe ich noch mehr verpasst? Normalerweise macht er sich doch keine großen Gedanken um seine Affären". Shunsuke grinste verräterisch "Du hast recht. Aber......". Er zog das letzte Wort extrem in die Länge, machte eine dramatische Pause und fuchtelte theatralisch mit seinen Händen herum. "........unser lieber Kei hat noch nicht ganz gerafft, das er sich verliebt hat. Das ist ein wenig amüsant. Ich frage mich, wann es bei ihm Klick macht"? Jetzt stieg auch Ryoga mit ein und lachte verschwörerisch. "Wie wäre es mit einer Wette"?
Ohne auch nur einmal zu klopfen, stürmte Kei in Hiro's Büro. Der hatte sich gerade genüsslich eine Zigarette angezündet und verschluckte sich vor Schreck. Wild hustend hüpfte er auf seinem Sessel herum. "Seit wann bist du so unhöflich? Klopfe gefälligst Junge" röchelte er.
Kei hatte seinem Chef schon erzählt, das seine Tochter heute vorbei kommen wolle. Aber ihn darauf anzusprechen, ob sich diese Frau öfters so verhält, auf den Gedanken kam er bis eben nicht. "Darf ich dich etwas persönliches fragen"? Er druckste etwas verhalten vor dem Schreibtisch herum und senkte kurz den Blick.
Hiro kniff die Augen zu zwei schmalen Schlitzen zusammen. "Um was geht es" fragte er grummelnd. Kei setzte sich auf einen der kleinen Sessel, die für Gäste bereit standen. "Es geht um Charlotte" nuschelte er kurz. Stark seufzend stieß der ältere einen Schwall Rauch aus seinem Mund. "Um wen auch sonst? Ich habe dir schon gesagt, wie ich dazu stehe. Da gibt es nichts mehr zu diskutieren" zischte er ihn an. Sein Host schüttelte mit dem Kopf "Darum geht es nicht. Ich wollte dich fragen, ob es früher oft vorkam, das sich deine Tochter so emotional an etwas geklammert hat, das sie depressiv wurde und vielleicht sogar........." Kei stoppte kurz und überlegte, ob es gut wäre seine Bedenken offen auszusprechen. "Vielleicht sogar über schlimmeres nachdachte? Das sich meine kleine Lotusblüte etwas antun könnte" vollendete Hiro nun den Satz und Kei nickte betreten.
Binnen Sekunden wurde Hiro's Gesicht von Sorgenfalten umrahmt. "Ich hatte dich nicht umsonst gebeten nach ihr zu sehen. Irgendwie hatte ich den Verdacht, das sie die Neuigkeit meiner Krankheit, emotional aus der Bahn wirft. Ich bin nicht gut in derartigen Dingen. Mich hat es schon überfordert, das sie zu weinen begann. Sie war schon früher öfters etwas depressiv. Meine Tochter konnte nie verstehen, das es einigen Menschen nicht reicht, wenn jemand nett zu ihnen ist. Wir sind doch alle zu sehr auf Äußerlichkeiten fixiert und beschränkt. Das musste sie oft am eigenen Leib erfahren. Es war eine harte Zeit für meine kleine Tochter, aber nie verlor sie ihr Lächeln. Dennoch gab es auch schlimme Tage, in denen sie sich ihrem Schmerz über all dies hingegeben hatte. Meine Frau war diejenige, die es jedes mal aufs neue schaffte, sie aus diesem Zustand heraus zu holen. Ich hingegen war nur ein stummes Mobiliar, in diesen Zeiten".
Bedächtig lauschte Kei der Erzählung seines Chefs und nickte ab und zu. Er wusste zwar nicht genau was er sich erhoffte, aber vielleicht konnte Hiro ihm etwas raten. Wobei der wohl den Teufel tun würde. Jedoch keimte etwas Hoffnung in ihm auf, denn normal redete sein gegenüber sehr selten über sein Privatleben.
Hiro's Gesichtszüge wurden trauriger. "Nie hatte sie daran gedacht sich etwas anzutun. Bis auf das eine mal" sagte er und stockte. Kei bekam große Augen und mochte kaum atmen. Sein Chef nahm einen tiefen Atemzug, ehe er weiter erzählte. "Es war kurz vor Joyce tragischem Unfall. Vielleicht drei Wochen vorher, da kam Charlotte aufgelöst von der Schule. Sie weinte die ganze Zeit und sperrte sich in ihr Zimmer ein. Zuerst wollte sie nicht einmal mit ihrer Mutter reden, bis sie dann doch etwas sagte. Sie wolle sich umbringen, um der Gesellschaft einen erhabenen Dienst zu leisten. Denn sie sei nicht mehr als eine fette Belastung, eben dieser unserer Gesellschaft. Specki Mampftonne dürfe es nicht gestattet sein, dieselbe Luft zu atmen wie normale Menschen. Ja ich glaube so hatte sie sich damals ausgedrückt. Wobei sie vorher niemals so geredet hatte. Ich weiß nicht wer ihr so etwas schändliches ins Gesicht sagte, aber es war schwer sie aus ihrem emotionalen Tief heraus zu ziehen. Das einzige was ich noch weiß ist, das sie einem Jungen in der Schule einen Talisman den er wohl verlor, zurück geben wollte".
Bei dieser Geschichte wich Kei jegliche Farbe aus seinem Gesicht. Sein Herz raste und ihm wurde unerträglich heiß. Er wurde immer stiller und verschmolz fast mit dem Sessel, auf dem er saß.
Wenig später stand der Host im Waschraum, vor dem Spiegel und stierte sich angewidert an. In seiner Hand hielt er einen kleinen roten Stoffbeutel. Er legte ihn beiseite und drehte den Wasserhahn voll auf, danach wusch er sich sein Gesicht mit eiskaltem Wasser. Mit beiden Händen stützte er sich dann auf dem mit dunklen Marmor versehenen Waschtisch, neben dem Waschbecken auf. "Das kann doch nicht wahr sein" murmelte er fast atemlos.
Wieder schaute er in den Spiegel. Die Wassertropfen rannen sein Gesicht hinab. Wie hypnotisch blickte er sich in seine tief dunklen Augen und versuchte eine Erinnerung abzurufen, die nun über zwölf lange Jahre zurück lag.
Ich habe seit damals nicht mehr daran gedacht. Warum auch? Zwei Wochen war ich erst an der neuen Schule. Ich hatte gerade Shunsuke kennengelernt, der in meinem Jahrgang war. Auf Anhieb waren wir uns sympathisch. Da wusste ich aber nicht, das er mit Charlotte befreundet war. Woher sollte ich das auch wissen? Er hatte nie darüber gesprochen. Nur mal angedeutet, das er neben Makoto mit noch jemand aus der Mittelstufe befreundet sei. Nie hatte er sie wirklich erwähnt.
Je mehr ich mich zurück erinnere, desto klarer wird dieser eine Tag. Rückblickend erinnere ich mich wieder, das ich mich mit Yuna treffen wollte. Ja die hübsche Yuna. Es hieß, sie würde jeden ran lassen. Jedoch kam es gar nicht dazu, denn bevor ich mich heimlich in die Sporthalle schleichen konnte, hielt mich jemand zurück.
Sie berührte zaghaft meinen Arm und ich drehte mich erschrocken zu ihr herum, als sie mir mit ihrer leisen Stimme zu verstehen gab, stehen zu bleiben. Ich weiß noch wie schüchtern sie mich angesehen hatte. Oder sollte ich lieber sagen, kaum angesehen. Sie guckte fast die ganze Zeit auf den Boden. Ihre Kleidung war ihr bestimmt zwei Nummern zu groß und ich wusste sofort, das sie damit ihr Übergewicht zu verstecken versuchte.
"Du hast das vorhin auf dem Weg hier her verloren" flüsterte sie halb und hielt mir meinen O-Mamori, den kleinen rötlichen Stoffbeutel, den mir meine Mutter schenkte, als ich noch ein Kind war, unter die Nase. Ich war so überrascht, das ich sofort in meine Hosentasche griff und meinen Talisman tatsächlich nicht vorfand. Rasch nahm ich ihn entgegen und lächelte ihr dankbar zu.
Stimmt, da blickte sie zu mir auf und trotz ihres Gewichtes, sah ich in ein niedliches Gesicht mit diesen glitzernden grünen Augen. Auf ihren Lippen zeichnete sich ein leichtes Lächeln ab, das sofort verschwand, als zwei Typen aus meinem Jahrgang hinter der Sporthalle zum Vorschein kamen und herum johlten. "Wen haben wir denn da? Der Schönling trifft sich heimlich mit der schwabbel Gaijin. Das ist ein brüller" schrie er schon fast.
Witzig ist, ich kann mich kaum an ihn erinnern, aber sein hyänenhaftes Lachen werde ich niemals vergessen. "Na haben wir euch beim knutschen gestört" brüllte er laut. Das war der Moment, wo ich meinen Schutzpanzer anlegte und sofort und ohne nachdenken drauf los plapperte.
"Denkt ihr ich küsse Specki die Mampftonne? Es ist ja schon widerlich, das sie dieselbe Luft atmet wie ich. Los verschwinde und leiste der Gesellschaft einen erhabenen Dienst, indem du keine fette Belastung mehr bist und aufhörst zu existieren"! Ich schubste sie von mir fort und blickte kaltherzig in ihre vor entsetzen geweiteten Augen, die sich in Sekundenschnelle mit Tränen füllten.
Wie konnte ich das nur vergessen? Habe ich es wohlmöglich nur verdrängt, weil ich mich selbst dafür gehasst habe? Ich hatte ihr mit purer Absicht weh getan, nur um besser da zu stehen. Warum habe ich sie nach all den Jahren nicht erkannt?
Mit der flachen Hand schlug Kei mehrfach gegen den Spiegel. "Ich bin so ein beschissener Vollidiot"! Am liebsten würde er den Spiegel zerschlagen, doch konnte er sich gerade noch zurückhalten. "Wie konnte ich das nur vergessen"? Wieder und wieder echoten ihm seine eigenen Worte, die er damals zu Charlie sagte in seinem Kopf. Wütend über sich selbst presste er seine Lippen aufeinander, um nicht laut herum zu schreien.
Unterdessen saß Charlie inmitten ihrer Skizzen und suchte fieberhaft nach einer Notiz. "Boah wie sieht es eigentlich hier aus? Kannst du nicht aufräumen.....Charlie? Wo habe ich nur diese blöde Nummer hingelegt? Wenn ich das sofort erledigt hätte, dann würde ich nicht.....oh da ist sie ja"! Jetzt strahlte sie wie ein Honigkuchenpferd über beide Backen, als sie das kleine Stück Papier in ihren Händen hielt. Sie stapfte im Raum auf und ab, wuselte sich wild in ihrem langen Haar herum und überlegte, was sie zu ihr sagen soll. Als sie an ihrem Wandschrank vorbei lief, fiel ihr ein starker Lavendel Geruch auf, den sie vorher nicht wahr genommen hatte. Kurz rümpfte sie die Nase "Ich hasse Lavendel"! Darüber machte sie sich aber momentan eher weniger Sorgen. Noch immer grübelte sie darüber, wie das Gespräch beginnen könnte.
Ihr Gesicht verzog sich zu einer beleidigten Schnute. "Ach keine Ahnung, ich sage ihr einfach, das sie......". Sie beendete ihren eigenen Satz nicht, da ihr ein Flyer auffiel, der erst heute mit der Post kam. Charlie nahm den kindlich gestalteten Flyer in die Hand und las sich kurz die wenigen Sätze durch. Es handelte sich um einen Flyer, eines extra für behinderte Kinder eingerichtetes Kinderheim. Die sich wohl durch Spenden Gelder finanzieren. Ein sanftes Lächeln zeichnete sich auf den Lippen der Chaos Künstlerin aus. Jetzt wusste sie genau, was sie Clara auftragen würde.
So wählte sie eilig die Nummer, die sich auf der Notiz befand und wartete ab. Es dauerte einen Moment, bis jemand das Gespräch entgegen nahm.
"Hallo" erklang die genervte Stimme ihrer Tante. Charlie atmete kräftig durch, um sich zu beruhigen. Ihr Herzschlag verdoppelte sich sofort, wenn sie auch nur ihre Stimme hörte. "Wer ist denn da" fragte Clara ungeduldig. "Ich bin es" erwiderte Charlie nun. Ein Seufzen und Räuspern war zu hören. "Ach nein, meine kleine Künstlerin meldet sich auch mal wieder. Was willst du, Geld? Das kannst du gleich vergessen, du verdienst doch genug mit deinen 'Werken', um es mal höflich auszudrücken". Die Stimme ihrer Tante klang wie immer gehässig.
Augenrollend setzte Charlie sich auf ihre Veranda und zerknüllte dabei vor Wut fast den Flyer. "Ich kann nicht klagen, das stimmt. Aber Geld ist das richtige Stichwort. Rate mal wo ich mich derzeitig befinde"? Genervt stöhnte Clara in den Hörer hinein. "Was weiß ich, in Timbuktu? Honolulu Sonne putzen? Sag schon, was soll das? Du haust einfach ab und meldest dich fast sieben Jahre nicht und dann kommt aus heiterem Himmel ein Anruf. Also wo bist du und was habe ich damit zu tun" schnaufte die Schwester ihrer Mutter ungehalten.
Charlie unterdrückte ein kleines gehässiges Lachen. "Wenn du schon so liebreizend fragst. Ich bin in Japan, bei meinem Vater" antwortete sie und hörte, wie sich ihre Tante fast verschluckte. "D...Du bist in Japan? Aber ich dachte du willst das Land der Schlitzaugen nie mehr betreten"! Trotz dieser Überraschung konnte sich Clara die nächste gehässigkeit nicht verkneifen.
Ihre Nichte lachte nur müde über diese Beleidigung. "Ach weißt du was? Ich habe keine große Lust mich mit dir auf deinem Niveau zu unterhalten. Eigentlich habe ich so oder so kein Verlangen danach, deine Stimme zu hören. Darum höre jetzt einfach gut zu. Du hast mich all die Jahre hintergangen und nicht nur Unterhalt, sondern auch noch Schulgeld und Studiengebühren von meinem Vater gefordert und einkassiert. Ich habe davon nie etwas gesehen, bzw. habe ich die Schule abgebrochen und nicht studiert. Ich habe mich immer gewundert, warum du so ein gutes Leben führen konntest. Jetzt weiß ich es"! Am anderen Ende brach ihre Tante in lautes Gelächter aus. "Was willst du jetzt machen? Das Geld einfordern? Die jämmerlichen Briefe deines japsen Vaters zurück? Ich habe sie verbrannt. Du kannst mir gar nichts, du verlogenes Stück"!
Eigentlich fand Charlie es sehr schade, das Clara sie nicht sehen konnte. Ihr Grinsen glich dem des Grinch, der gerade Weihnachten gestohlen hatte. "Halte einfach den Mund. Ich glaube denken gehört nicht zu deinen stärken. Wenn du meinen Vater kennen würdest, dann wüsstest du, das er akribisch Buch führt. Er hat noch jeden einzelnen Schnipsel der letzten zwölf Jahre. Von Unterlagen des Gerichts, über Briefe und Gesprächsaufnahmen, der Telefonate mit dir. Ich mache dir einen Vorschlag liebste Tante. Da ich ja bis zu meinem achtzehnten Lebensjahr bei dir gewohnt habe, kannst du bis zu dem Zeitpunkt die Kohle behalten. Aber was danach auf dein Konto geflossen ist, steht dir nicht zu. Wie ich von meinem Vater erfahren habe, hat er bis vor einem Jahr noch die Gebühren für mein imaginäres Studium beglichen. Zudem hat er noch kräftig für mein Wohl sorgen wollen. Warte ich revidiere. Für dein Wohl. Ich verlange von dir, das du bis Ende nächster Woche 50.000 EUR anweist. Die Daten wohin, schicke ich dir per Email. Denn das Geld geht nicht an mich, sondern wird eine Spende für Kinder, die es nötiger haben". Ihre Worte waren klar und ließen keinen Widerspruch zu. Dennoch plusterte sich ihre Tante künstlich auf.
"Bist du total wahnsinnig geworden? Wie soll ich denn in so kurzer Zeit so viel Geld auftreiben" schrie Clara in den Hörer hinein. Charlie lachte kurz auf. "Das ist mir mal richtig egal. Nehme einen Kredit auf, oder was auch immer. Ich werde mich nächste Woche dort melden und bekomme ich eine nicht zufriedenstellende Rückmeldung, werde ich dich verklagen und dann ist Schluss mit lustig. Ach und es ist ja klar, das mein Name im Verwendungszweck stehen wird, neben Spende. Ich werde das prüfen. Also dann sage ich mal lebe wohl und ich hoffe dich nicht mehr hören oder sehen zu müssen"!
Ehe ihre Tante noch etwas erwidern konnte, hatte sie das Gespräch schon beendet und atmete erleichtert durch. "Dann wollen wir mal ins Black Lotus, das schaffst du schon. Reiß dich einfach zusammen" sprach sich Charlie selbst Mut zu, stand auf, schloss die Verandatür und ging danach hinaus.
Vor dem Club begegnete sie ihrer Freundin Makoto. "Na holla, da ist ja Rotkäppchen" lachte die junge Japanerin herzlich. Verwirrt guckte Charlie sie an. "Wie meinst du das denn jetzt" fragte sie. Makoto zupfte ihr an der Bluse herum. Mit geschmeidigen Schritten umrundete sie ihre alte Schulfreundin und schnalzte etwas mit der Zunge. "Sieh dich doch an. Ich kenne da jemand, dem wird das sehr gefallen und der sitzt drinnen im Club. Hast du etwas geplant" fragte sie und sah Charlie auffordernd an. Die hatte gerade ein riesiges Fragezeichen im Gesicht und guckte an sich herunter.
Sie empfand sich nicht wirklich aufreizend angezogen, in ihrer weißen Carmenbluse, mit der feinen kleinen Spitze und der roten Jeans. Dazu trug sie noch weiß-rote Chucks. Wieder bedachte sie Makoto mit einem fragenden Blick. "Was stimmt denn nicht mit mir"? Ihre Freundin lachte herzhaft, was ihre schönen Mandelförmigen Augen zum strahlen brachte. "Ach Charlie. Du solltest dich endlich mal mit anderen Augen betrachten. Du bist unglaublich süß und das sagt dir ein Manga Mädchen. Wir haben das doch erfunden. Wegen uns heißt es doch immer Kawaii" zwinkerte sie ihr zu.
Mit offenem Mund starrte Charlie Makoto nur an und fragte sich innerlich was nur los war. "Eehh ja, alles klaro. Was anderes, ist mein Vater im Club" meinte sie jetzt und ihre Freundin nickte bejahend. "Gut dann werde ich mal reingehen". "Okay, wir sehen uns dann. Ich habe noch einen Termin wegen dem Shooting morgen" erwiderte Makoto, drückte Charlie ein Küsschen auf die Wange und ging lachend zu ihrem Wagen. Noch immer verwirrt guckte Charlie ihr nach, bis sie kurz mit dem Kopf schüttelte und hinein ging. "Waren die hier immer schon so merkwürdig drauf" nuschelte sie sich zurecht.
Im Club hatte sich Kei wieder zu seinen beiden Freunden an die Bar gesetzt. Bis zum Schichtwechsel dauert es noch eine Weile und so vertreiben sie sich etwas die Zeit. "Nächstes Wochenende Party bei mir. Wie im letzten Jahr. Seid ihr dabei" warf Shunsuke seine Frage in die Runde. Ryoga klatschte fröhlich in die Hände "Sicher doch. Darauf freue ich mich schon lange" grinste er. Kei drehte den kleinen roten Stoffbeutel gedankenverloren in seinen Händen herum und bekam nichts von dem mit, was die beiden gerade besprachen. Ihnen blieb es natürlich nicht verborgen, das ihr Freund sehr schweigsam war, seitdem er das Büro von Hiro verlassen hatte.
Ryoga wollte ihn gerade ansprechen, als ihm Charlie auffiel, die gerade den Gästeraum des Black Lotus betrat. "Wen haben wir denn da"? Seine dunkle Stimme wurde noch ein wenig tiefer, als seine Worte den Mund verließen. Neugierig wen er gemeint haben könnte, reckte Shunsuke seinen Kopf in die Höhe und über Kei hinweg. Er grinste verwegen, als er Hiro's Tochter entdeckte und gab Ryoga mit einem Handzeichen zu verstehen, das er auf Kei's Reaktion aufpassen solle. "Meine Güte Charlie. Ich frage mich immer wieder, wie du deinen Hintern in so eine Jeans bekommst. Da kommt man als Mann ganz schön in Bedrängnis" brüllte er fast durch den halben Club, ungeachtet dessen, das sich auch Gäste hier aufhielten.
In sekundenschnelle hob Kei seinen Kopf und wirbelte auf dem Barhocker herum, so das er fast herunter fiel. Ryoga konnte sich ein Lachen kaum verkneifen "Wie ein Erdmännchen" kicherte er leise. Charlie kniff ihre Augen genervt zusammen und stampfte auf Shunsuke zu. "Willst du dir eine einfangen? Ich kenne keine Gnade" maulte sie ihn an und hielt ihm ihre kleine Faust unter die Nase, was er nur mit einem Lächeln quittierte.
Eilig stopfte Kei den kleinen Stoffbeutel in seine Hosentasche und musterte Charlie währenddessen. Ihr langes dunkelblondes Haar, die verirrten Strähnen, die ihr Gesicht umrahmten. Diese vollen glänzenden Lippen, die ihn förmlich einluden sie zu küssen. Das niedliche Gesicht, was wieder strahlte. Nichts war mehr übrig, von der desolaten Stimmung der letzten Tage. Sie schien wie immer zu sein. Er ließ seine Augen genauestens über jeden Zentimeter ihres Körpers gleiten, bis sich seine Libido meldete und vergessen waren sämtliche Gedanken. Verfluchtes Mädchen, das machst du extra. Fluchte er innerlich. Shunsuke bekam eine innige Umarmung von ihr, auch wenn sein Mundwerk zu laut gewesen war. Ryoga begrüsste sie kurz, ließ Kei dabei aber kaum aus den Augen. Dieser hingegen klebte mit seinen Blicken regelrecht an der jungen Frau. Sie bemerkte seine glühende Aufmerksamkeit, errötete kurz und lächelte ihm zu. "Hallo Kojiro" begrüßte sie ihn.
Fast schmachtend erwiderte er dieses Lächeln. Seine dunklen Augen versanken in ihren grünen Augen. Beide sahen sich einfach nur an. "Hallo Charlotte, ich hoffe es geht dir besser" antwortete er recht heiser. Shunsuke und Ryoga guckten gespannt zwischen den beiden hin und her, die sich gerade mit Blicken regelrecht verschlingen wollten. Es herrschte eine elektrisierende Stimmung zwischen den beiden, was niemandem verborgen blieb.
"Danke, ja es geht mir besser" sagte sie. "Ich gehe dann mal zu meinem Vater" fügte sie noch hinzu. Kei nickte kurz. Shunsuke ging einige Schritte mit ihr zum Büro und wurde eindringlich dabei von Kei beobachtet. Etwas Eifersucht stieg in ihm auf, als sie seinen besten Freund lachend in eine erneute Umarmung zog. Zähneknirschend wandte er seinen Blick ab und guckte in Ryoga's amüsiertes Gesicht. "Was ist denn so witzig" grummelte er ihn an. Noch immer kräuselten sich die Lippen seines Kollegen "Ach gar nichts. Obwohl, hättet ihr mich nicht eher darüber aufklären können, das Hiro's Tochter keine Japanerin ist? Wäre mal sehr angenehm gewesen" meckerte er jetzt. Kei zuckte nur mit den Achseln.
Nachdem Charlie im Büro ihres Vaters verschwand, gesellte sich Shunsuke breit grinsend zu seinen beiden Freunden. "Was hattest du denn noch mir ihr zu bereden" fragte Kei leicht muffig. Überrascht, über den leicht aggressiven Ton seines besten Freundes, hob er eine Augenbraue an. Statt ihm zu antworten, grinste er jetzt Ryoga an "Ich habe es dir gesagt. Her mit der Kohle, oder brauchst du noch mehr Beweise"? Lachend zog dieser ein paar Scheine aus seiner Tasche und drückte sie ihm in die Hand. Kei beäugte das Ganze eher skeptisch, denn er wusste nicht im geringsten worum es gerade ging. Jetzt guckte Shunsuke ihn wieder an. "Ich habe sie nur zu meiner Party nächste Woche eingeladen. Mehr war da nicht. Eifersüchtig mein Freund" fragte er leicht provokant.
Kei schnappte kurz nach Luft. Sein Herz klopfte verräterisch in seiner Brust. Erst jetzt erkannte er selbst das es tatsächlich stimmte und fühlte sich ertappt. Er wollte sich jedoch keine blöße geben und prustete empört herum. "Warum sollte ich? Sie kann tun und lassen was sie möchte" gab er jetzt von sich.
Nachdem sich Charlie einige Zeit im Büro ihres Vaters aufgehalten hatte, kamen beide hinaus und Hiro führte seine Tochter jetzt komplett durch den Club, um ihr alles genau zu zeigen und zu erklären. So fasste Kei es jedenfalls auf, als er jeden ihrer Schritte beobachtete.
Ihm fiel wieder ihr geschmeidig erotischer Gang auf. Sofort blendete er alles um sich herum aus. Seine Augen hafteten sich auf ihre, für ihn viel zu verführerische Kehrseite, die in der roten engen Jeans sehr zur Geltung kam. Sie macht mich einfach wahnsinnig.
Beide warfen sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit, glühend heiße Blicke zu. Die Luft brannte fast im Club. Nur ein blinder würde nicht erkennen, was zwischen den beiden abging. Schmunzelnd beobachteten Ryoga und Shunsuke ihren Freund, der die beiden schon lange nicht mehr wahr nahm. "Ich kann ihn sogar verstehen. Sie ist eine wirklich interessante Frau. Irgendwie gleichen ihre Bewegungen gerade der einer Raubkatze. Wirklich interessant" flüsterte Ryoga Shunsuke zu.
Natürlich blieb es auch Hiro nicht verborgen, wie Kei seine Tochter anstierte. Er schenkte seinem Host den giftigsten und angsteinflößensten Blick, den er drauf hatte. Das zeigte nicht nur bei Kei Wirkung, selbst die anderen erschauderten erschrocken und drehten sich lieber weg.
Irgendwann hielt Kei es nicht mehr aus. Für den Moment waren seine zwölf Jahre alten Erinnerungen, die er wieder aus der Schublade geholt hatte, vergessen. Er passte den perfekten Moment ab, wann Charlie alleine war und zog sie einfach mit sich. Hastig riss er die Tür zum Ankleideraum auf und schubste sie hinein. Mit einem klick verriegelte er die Tür hinter sich. Charlie guckte ihn perplex an. "Was sollte......". Zu mehr kam sie nicht, denn Kei griff nach ihr und zog sie mit einem Ruck an sich. Ihr blieben die Worte im Hals stecken, die sie ihm entgegen schleudern wollte, als sie in seine tief dunklen Augen sah. Was sie vorfand, war ein Blick in seine Seele. Etwas war anders als sonst. Sie sah es nicht nur, sondern spürte es auch.
Sein warmer Atem streifte ihr Gesicht, als er sie mit seinen Armen fest umklammerte. Charlie fand ihre Stimme wieder und meckerte los. Ihre Worte drangen jedoch nicht bis zu ihm vor. Während sie sprach, hefteten sich seine Augen automatisch auf ihren kirschroten Mund. Wenn sie ein ‚O' formte, begannen seine Lippen zu kribbeln. Ein heißer Blitz zuckte dann durch seinen Brustkorb, als er ihr Gesicht in seine Hände nahm. Charlie verstummte augenblicklich, genau zum richtigen Zeitpunkt, denn kaum eine Sekunde später lagen seine Lippen auf ihren.
Charlie versank förmlich in seinen Armen, während ihr Kuss sich mehr und mehr steigerte. In ihnen loderte Begehren und feuriges Verlangen auf. Zärtlich knabberte er an ihrer Unterlippe, ließ seine Zunge samt darüber gleiten, was ihr ein Seufzen abrung. Ihr Veilchenduft umhüllte ihn.
Jäh wurde ihr Kuss und auch somit ihrer beider Verlangen beendet, denn Hiro lief gerade laut redend an der Tür vorbei. Charlie lächelte etwas verhalten. "Das war ja hui. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll" stammelte sie sich zurecht. Noch immer hielt er sie fest in seiner Umarmung. Seine Nähe machte sie ganz nervös. Klar denken konnte sie kaum noch.
"Wie komme ich denn zu der Ehre deines Besuches" ertönte wieder die Stimme ihres Vaters von außen. "Ich habe etwas Zeit und dachte, ich besuche meinen alten Freund mal wieder" kam nun die Antwort von jemand anderem.
Charlie's Lächeln erstarb urplötzlich. Diese Stimme fraß sich durch ihren Gehörgang, wie ein kleiner Parasit. Vereinzelt verschwommene Bilder reihten sich vor ihrem inneren Auge auf. Es dauerte nur einige Sekunden und eine eisige Kälte kroch durch ihren Körper hindurch. Ein Schauer jagte über ihre Haut hinweg, ihre kleinen feinen Nackenhaare stellten sich auf. Angst übermannte sie. Kei bekam den plötzlichen Stimmungswandel mit und guckte sie besorgt an. "Charlotte, stimmt etwas nicht" fragte er und in seiner Stimme schwang seine Besorgnis mit. Charlie zitterte, ihre Lippen konnten die Worte, die sie sprechen wollte gar nicht formen. Wieder hörte sie ihn vor der Tür reden. Für sie gab es keinen Zweifel. Sie würde diese Stimme immer wieder erkennen. Er ist es, da war sie sich sicher.
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