..~See voller Depressionen~..
Bei diesen Nachrichten blieb ihm sein Essen im Hals stecken. Mit geweiteten Augen starrte er zu seinem Flachbildschirm, der sich im gegenüber liegendem Raum befand. Klirrend fiel das Besteck auf seinen Teller. Hastig stand er auf und rannte aus dem Esszimmer, in das angrenzende Wohnzimmer.
"Wir bitten sie nochmals darum, nehmen sie diese Einladungen der Amaterasu Party nicht an. Sollten sie Hinweise haben, waren sie schon einmal auf einer dieser Partys, dann melden sie sich bei uns. Die Beamten der Polizeidienststellen sind Tag und Nacht erreichbar. Noch etwas. Zeugen, die das Mordopfer an jenem Abend gesehen haben, melden sich bitte direkt bei uns im Morddezernat".
Das war der letzte Rest, den er noch mitbekommen konnte. Die Pressekonferenz der Polizei war beendet. Seine Hand zitterte und vor lauter Wut zerdrückte er fast die Fernbedienung. "Dieser Schwachkopf"! Sein lautes brüllen hallte durch das gesamte Haus. Wutentbrannt stampfte er in Richtung Arbeitszimmer. Mit einem lauten Knall schlug die Tür hinter ihm zu.
Sein hastiger Blick schwebte über den Unterlagen, die sich auf dem überfüllten Schreibtisch befanden. "Wo ist denn dieses verdammte Handy" knurrte er ungehalten. Wild durchforstete er die Unterlagen, achtlos schmiss er sie auf den Boden. Doch dieses Handy war nicht aufzufinden. "Argh" brüllte er und räumte den Tisch mit einer Handbewegung ab.
Papiere und allerlei andere Dinge landeten auf dem dunklen Teppich. Die teure antike Schreibtischlampe zersprang in tausend Teile. In dem kläglichen Haufen, was mal seine Arbeitsunterlagen darstellten, entdeckte er endlich das ersehnte Handy.
Wie ein Berserker stürzte er sich auf den Boden und griff nach dem teuren Mobiltelefon. Schnell wählte er per Kurzwahl eine Nummer, die er eigentlich um diese Zeit niemals wählen würde. Jetzt aber war er außer sich und er scherte sich nicht darum.
"Amaterasu? Was wird das jetzt, wieso rufst du mich um diese Zeit an"? Die Stimme am anderen Ende der Leitung wirkte gereizt. "Du fragst mich was das soll? Wir zwei hatten eine Abmachung. Du hältst meine Partys aus der Presse heraus und dafür versorge ich dich mit jungen Frauen. Susanoo, ich kann das alles jetzt vergessen. Vor allem frage ich mich, was ich und meine Partys mit einem Mord zu tun haben? Wieso bringt ihr das in Verbindung" fragte er ebenso gereizt, weshalb seine Stimme gerade ein unnatürliches Zischen annahm. Ein gedämpftes Seufzen war zu hören. "Mir blieb keine andere Wahl. Wir mussten an die Presse gehen, das war ein Befehl von ganz oben. Das Mordopfer war Gast auf deiner letzten Party. Ich habe sie sofort erkannt" versuchte sich sein Gesprächspartner, der von ihm Susanoo genannt wurde, zu verteidigen. "Befehl von oben? Was gibt es da höheres als mich" keifte er aufgeregt. "Auch wenn du es nicht glauben magst, aber unser Polizeipräsident hat mehr Sprachrecht als du. Ich denke, du solltest dich für eine Weile zurückziehen und rufe mich erstmal nicht mehr unter dieser Nummer an. Vor allem nicht, wenn ich mich im Dezernat befinde" zischte er. Amaterasu schnaufte aufgeregt wie ein Bulle. "Wie sie wünschen Inspector. Aber vergiss nicht, das ich deine regen Aktivitäten auf Band habe".
Mit diesen Worten beendete er das Gespräch und pfefferte sein Handy gegen die Wand, wo es in vielen Einzelteilen zerschellte und sich auf dem Boden verteilte.
...~ω~...~ω~...~ω~...~ω~...
Schon eine ganze Weile starrte Kei die Tür zum Büro von Hiro an. Sein Chef wollte ihn sprechen und er konnte sich sehr gut vorstellen, warum. Gekonnt wich er dem imposanten Mann die letzten Tage aus, doch jetzt hatte Hiro nach ihm rufen lassen. Ren, der gerade aus dem Aufenthaltsraum der Hosts kam, erschrak. Denn Kei hatte einen Gesichtsausdruck aufgelegt, der zum fürchten war. "Willst du die Tür mit deinen Gedanken sprengen, oder warum guckst du so mies gelaunt" fragte er lieber nach.
Kei drehte seinen Kopf in dessen Richtung und stierte ihn übelst an, so das Ren einen Schritt von ihm davon wich. "Ich traue mich nicht rein zu gehen" jammerte er jetzt und binnen Sekunden veränderten sich seine Gesichtszüge und sahen nun etwas jämmerlich aus. Sein Kollege guckte ihn aus überraschten und geweiteten Augen an. "Das ich das nochmal erleben darf, hätte ich niemals für möglich gehalten. Kei pinkelt sich ein, weil Hiro ihn fressen will, hahaha" lachte er nun schallend. "Ach halte deine klappe" fauchte Kei ihn an, riss die Tür auf und stürmte in das Büro hinein.
Hiro, der hinter seinem Schreibtisch saß und arbeitete, kippte fast um, als der junge Mann in sein Büro stürmte. "Seit wann bist du so unhöflich? Klopfen wird auch überbewertet" meckerte er wüst herum. Kei schluckte seinen Klos herunter, der sich gerade gebildet hatte und verbeugte sich kurz. "Du wolltest mich sprechen" nuschelte er kaum hörbar. Schmunzelnd betrachtete Hiro ihn, es ist schon eine Ewigkeit her, das sein Host so aufgeregt schien.
"Das stimmt, ich möchte mit dir über meine Tochter sprechen" donnerte ihm seine Stimme entgegen. Er wusste es, also war es soweit. Jetzt würde Hiro ihn entlassen. Gut darauf war er vorbereitet, er hatte sich mit Charlie eingelassen und wusste es würde Konsequenzen nach sich ziehen, wenn Hiro davon erfahren sollte.
Beide Männer starrten sich stumm an. Es herrschte eine unangenehme Ruhe, in der man sogar einen Affen im Dschungel hätte pupsen hören können. Hiro's Nasenflügel blähten sich auf. Kei gaffte ihn gespannt an. "Ich hatte dir gesagt, das du deine Finger von meiner kleinen Lotusblüte nehmen sollst" brummte Hiro los. Kei nickte zustimmend. "Hast du dich daran gehalten" grummelte er weiter. "Du weißt sehr gut, das verbotene Früchte, die leckersten sind" antwortete Kei.
Damit hatte er den Löwen geweckt und Hiro stand schnaubend auf. "Duuuu....Du kannst nicht ein einziges mal hören, wenn dir jemand etwas sagt. Hier geht es nicht um eine von deinen vielen Frauen, die du ohne jeglichen Respekt in dein Bett lockst, sondern um meine Tochter. Ich hatte dich gebeten, sie in Ruhe zu lassen. Aber nein, du hast den Teufel in der Hose und der hat dir befohlen, knallen wir die kleine doch"!
Hiro's Lautstärke nahm mit jedem Wort zu, bis der gesamte Club zuhören konnte. Ryoga, der neben Kei der älteste hier war, zuckte gewaltig zusammen. Der große Mann, mit dem vollen schwarzen Haar und den Schokobraunen Augen, zupfte sich in seinem Kinnbart herum. "So habe ich Hiro noch nie erlebt, was hat Kei angestellt" fragte er neugierig, da er von alledem nichts mitbekommen hatte, weil er die letzten zwei Wochen im Urlaub war.
Shunsuke gesellte sich zu ihm, um ihn kurz aufzuklären. "Kurz gesagt, Hiro's Tochter ist seit kurzem wieder hier und unser Freund hat die kleine Lotusblüte zum erblühen gebracht" kicherte er gelassen. Ryoga machte große Augen. "Tochter?? Lotusblüte?? Ist der Lebensmüde"?
"Charlotte ist eine erwachsene Frau. Das solltest du nicht vergessen. Sie trifft ihre eigenen Entscheidungen. Ich habe sie zu keinem Zeitpunkt gezwungen, sie macht alles aus freien Stücken"! Im Büro ging es derweil weiter und das in einer Lautstärke, das die Wände wackelten.
"Du kennst sie doch nicht. Weißt du eigentlich, das sie eine sehr zerbrechliche Seele hat? Du nutzt sie doch nur aus. Wenn du genug von ihr hast, dann lässt du sie fallen. Wie all die anderen Frauen, die du ohne jeglichen Respekt behandelt hast"!
"Wer sagt denn, das ich es nicht weiß? Ich nutze Charlotte nicht aus und behandle sie mit gebührendem Respekt. Sie ist wirklich etwas ganz besonderes. Vielleicht bist du derjenige, der das nicht weiß. Denn sonst hättest du ihr nicht gesagt, das ich nur etwas von ihr will, um mir einen Vorteil zu verschaffen. Das hat sie zutiefst verletzt. Ihr eigener Vater sieht nicht die Frau in ihr und denkt, das ein Mann nur mit ihr zusammen sein will, um sie auszunutzen. Ich bin aber nicht so ein Mann und verdammt Hiro, das weißt du auch"!
Alle Hosts lauschten gebannt und mochten kaum atmen. "Dir sind ihre Gefühle aber egal. Wie bei jeder anderen Frau auch. Jetzt ist sie wohlmöglich noch von Interesse für dich. Meine hübsche Tochter, mit den unschuldigen großen grünen Augen. Aber sobald sie dir komplett verfallen ist und sie sich verliebt, wirfst du sie doch nur weg"! Hiro's Stimme war wie ein Gewitter.
"Mir sind ihre Gefühle nicht egal. Vielleicht bin ich es ja, der ihr komplett verfallen ist und sie mich wohlmöglich gar nicht will. Weil du ihr so einen Scheißdreck eingeredet hast"!
Jetzt wurde es ruhiger im Büro, so das die Jungs nichts mehr hören konnten. Ryoga und Shunsuke quetschten sich zusammen an die Tür und starteten einen Lauschangriff. "Verstehst du was die jetzt sagen" flüsterte Shunsuke. "Klappe zu, sonst verstehe ich nichts" erwiderte Ryoga.
"Mein Kind redet nicht mehr mit mir, dabei brauche ich sie jetzt". Resignierend setzte sich Hiro zurück auf seinen Platz. Kei beruhigte sich wieder und nahm sich einen der Stühle. "Hast du versucht sie anzurufen" fragte er kleinlaut. "Nicht nur einmal, aber sie drückt mich immer weg. Wann hast du sie das letzte mal gesehen" fragte der ältere nun. "Das war vor vier Tagen. An dem Tag, an dem du ihr erzählt hast das du......". Kei vollendete seinen Satz nicht und biss sich fast auf die Zunge.
Hiro beäugte seinen Host kurz skeptisch und seufzte in sich hinein. "Sie hat es dir erzählt? An dem Abend lief alles schief". Kei nickte. "Charlotte hat mir alles erzählt. Von deiner Krankheit und eurem Streit" erzählte er. Augen reibend sackte sein Chef in sich zusammen und wirkte gar nicht mehr wie der Hiro, den Kei kannte. Gerade jetzt sah er wahrscheinlich die verletzliche Seite, die der ältere immer versuchte zu verstecken. "Sage es bitte noch niemandem, das werde ich selbst machen. Kojiro.....". Fing Hiro an und Kei dachte sich verhört zu haben. Er hat ihn, seit fast zehn Jahren nicht mehr, bei seinem richtigen Namen genannt. "Was gibt es" fragte der jüngere zögerlich. "Ich habe persönlich nichts gegen dich. Dein Lebensstil ist das, was mich rasend macht. Ich bin in vielerlei Dingen noch vom alten Schlag. Ich habe lange für meine Liebe gekämpft. Für mich gehört Intimität zur Liebe dazu, nicht einfach Sex ohne Gefühle, oder Verbundenheit. Wenn ich sehe, wieviele Frauen du mit diesen Affären unglücklich gemacht hast, dann möchte ich dir den Kopf zwischen deinen Ohren weg hauen. Jetzt auch noch meine Tochter. Ich will doch nur, das sie glücklich wird".
"Du denkst ich könnte sie nicht glücklich machen? Das weißt du doch gar nicht. Charlotte wurde oft verletzt und sie will vielleicht im Moment keine feste Beziehung. Das was wir haben, mag in deinen Augen vielleicht oberflächlich sein. Aber auch in diesem oberflächlichen liegen tiefe Gefühle. Was willst du das ich tue, um dich davon zu überzeugen" fragte Kei jetzt. Hiro knirschte hörbar mit den Zähnen und zündete sich seine heiß geliebte Zigarre an. Kurz genoss er den aufsteigenden Qualm, der ihn etwas umhüllte.
"Solange ihr euch nur hingebt, wie zwei Tiere. Nichts. So etwas kann ich niemals gut heißen. Bei jeder sich mir gebenden Gelegenheit werde ich versuchen, ihr zu zeigen, das ein anderer Mann besser für sie ist. Für den Anfang allerdings, könntest du sie mir wieder bringen"!
...~ω~...~ω~...~ω~...~ω~...
Die Sonne glitzerte auf dem ruhigen See. Libellen tänzelten über die Wasseroberfläche und die Semi erklangen von allen Seiten. Barfuß glitt Charlie über den warmen Holzsteg. Ihr Kopf hob sich und sie blinzelte leicht. Ihre müden Augen vertrugen das helle Licht nicht wirklich. Doch die duftende Sommerluft zog sie nach draußen. Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und setzte sich auf das alte Holz. Leicht tauchte Charlie ihre Füße in das Wasser. Traurig glitten ihre Augen über den großen und prächtigen See. Zu ihrer linken Seite entdeckte sie, knapp unter dem Steg, einige Lotusblüten. Leichte Wellen wogten die Blüten sanft hin und her. Wehmütig betrachtete sie die schönen Blüten, bis ihr eine Idee kam.
Er hatte den Motor noch nicht ganz abgestellt, da kam seine Nana ihm schon entgegen geeilt. Kei nahm sie Freudestrahlend in seine Arme. "So begrüßt du deinen kleinen Enkel aber selten" kicherte er über seinen platten Witz, wenn man bedenkt wie groß er und wie groß seine Großmutter ist. "Kojiro mein Junge. Du musst bitte nach Charlotte sehen. Sie ist seit dem Wochenende so merkwürdig. Ich war gestern bei ihr, um ihr etwas von meinem Essen zu bringen. Sie zeichnet düstere Bilder und sieht erschreckend aus. Ich habe Angst, das sie sich etwas antun will. Sie redet nicht mit mir, darum weiß ich auch nicht was mit ihr ist. Ich mache mir Sorgen" erzählte sie aufgeregt und wirkte wirklich sehr besorgt.
Ohne lange nachzudenken ließ er seine Nana stehen und rannte zum Haus von Charlie. Er wühlte sich durch die Hecke und stand Sekunden später in ihrem Garten. Ein kurzer Blick und ihm fiel ein, das er seine Arbeit hier noch nicht beendet hatte. Sobald er wieder Zeit haben wird, würde er weiter machen. Jetzt aber war etwas anderes wichtiger und zwar die Frau, um die seine Gedanken ständig kreisten.
Mit einem beherzten Sprung hüpfte er auf die Veranda. Die Tür war weit geöffnet und ihn traf fast der Schlag. Hier war das totale Chaos ausgebrochen. Überall auf dem Boden lagen unzählige Skizzen verteilt herum. Pinsel, Stifte, Farben, Papier und Utensilien, die Kei nicht annähernd kannte, soweit das Auge reichte. Mühsam schritt er voran. "Was ist denn hier passiert" nuschelte er und versuchte nicht auf die Skizzen zu treten.
Hinten am Wandschrank standen einige große Leinwände. Alle waren vollständig coloriert und bemalt. Jetzt wusste er, woher dieser starke Geruch her kam, den er nicht richtig definieren konnte. Auf der Staffelei war auch noch ein Bild, dieses schien aber noch nicht ganz fertig zu sein. Es zeigte den See, der sich am Wäldchen befand, das konnte Kei sofort erkennen. Nur wirkte die Stimmung, die das Bild ausdrückte eher düster und von Traurigkeit überzogen. Auch wenn er nicht all zu viel Ahnung von Kunst hatte, erkannte er doch das große Talent, was in ihren Werken steckte. "Wann hat sie das alles gemalt"? Seine Frage wurde von niemanden beantwortet. "Charlotte bist du hier" rief er in das Haus hinein. Keine Antwort kam.
Das Haus war nicht sehr groß und er befand sich schon im größten Raum. Er wollte noch einmal rufen, da vernahm er einen leisen gedämpften Schrei, hinten vom See und kurz darauf folgte ein plätschern, als wäre jemand ins Wasser gesprungen. Ein kalter Schauer erfasste ihn, er musste sofort an das denken, was Nana erzählte. Was wenn Charlie sich wirklich etwas antun wollen würde? "Charlotte" rief er aufgebracht und rannte los.
In der kurzen Zeit, die er benötigte, um zum See zu laufen, malte er sich die abenteuerlichsten Szenarien aus, was mit Charlie los sein mochte. Was war nur in den letzten vier Tagen vorgefallen?
Sein gehetzter Blick erhaschte ihren dunkelblonden Haarschopf, der gerade seitlich am Steg unter Wasser tauchte. Er verschwendete keinen weiteren Gedanken, rannte zum Steg und sprang ins Wasser.
Charlie tauchte nach Luft japsend und hustend auf, da spürte sie zwei Hände an sich. Sie erschreckte sich höllisch und strampelte wild herum. Es waren zwei starke Arme und der unvergleichliche Duft nach Honig und Aprikose, die sie augenblicklich ruhig werden ließen. Sie klammerte sich an seinen Körper, während er zum Ufer schwamm. Sobald er stehen konnte, richtete er sich auf und trug sie aus dem Wasser raus.
Wie ein Klammeräffchen hing sie an ihm, solange er brauchte um sie zu ihrem Haus zu bringen. Nana sah ihren Enkel vom weiten, mit Charlie auf dem Arm angelaufen kommen. So schnell sie konnte, eilte sie herbei und fiel dabei fast über ihren schönen Kimono. "Was ist denn passiert? Kann ich was helfen" fragte sie bedrückt. Kei lächelte ihr sanft zu. "Alles ist gut, mache dir keine Sorgen Nana. Ich bringe sie rein" antwortete ihr patsch nasser Enkel. Sie nickte, doch wirkte sie noch immer besorgt.
Kei setzte Charlie auf ihrer Veranda ab. Sie hatte die ganze Zeit über nichts gesagt, nur ihr Atem an seinem Hals zeigte ihm, das es ihr wohl gut ging. Er wischte ihr das klatsch nasse Haar aus ihrem Gesicht und erschrak leicht, als er in ihr blasses und müdes Gesicht blickte.
Ihre grünen Augen, die ihn immer an das mystische Irland erinnerten, wirkten trüb und waren mit Trauer überzogen. Die kleinen feinen Sommersprossen, die leicht über ihre süße Nase tanzten, konnten den Glanz, den sie ihrem Gesicht normalerweise verliehen nicht gerecht werden.
"Charlotte, ist irgendetwas passiert" fragte er nach. Sie wirkte sehr müde und abgespannt. "Nein, was sollte passiert sein? Ich habe eine seltene Lotusblüte gefunden, die ich haben wollte. Irgendwie habe ich mein eigenes können, was meine schwimm Kunst angeht überschätzt und habe mir beim herum strampeln den Kopf am Steg angestoßen. Aber du warst ja da" antwortete sie recht monoton und startete den kläglichen Versuch zu lächeln.
Kei nahm ihr Gesicht in beide Hände und sah sie eindringlich an. "Bist du wahnsinnig geworden? Du kannst noch nicht richtig schwimmen und springst wegen einer blöden Blume in den See? Wäre ich nicht hier gewesen, dann wärst du vermutlich ertrunken, seit wann bist du denn so Lebensmüde" meckerte er sie jetzt an.
Ihr Gesicht nahm trotzige Züge an und ihre Augen funkelten erbost. "Blöde Blume? Ich habe eine dunkle Lotusblüte entdeckt, weißt du wie selten die sind? Außerdem bin ich nicht Lebensmüde. Ich habe mich am Steg festgehalten. Wie kommst du nur darauf" maulte sie zurück.
"Ich weiß nicht, schaue am besten mal in den Spiegel. Du siehst fürchterlich aus, als hättest du Tage nicht geschlafen und gegessen. Sieh dich hier um. Das reinste Chaos. Deine Bilder triefen vor Traurigkeit und mich würde interessieren warum das so ist"! Seine Stimme hatte einen festen und bestimmenden Ton angenommen.
Charlie sah sich kurz um und zuckte dann gleichgültig mit den Schultern. "Ich bin Künstlerin, was erwartest du, wie es aussehen soll"?
Ungläubig starrte er sie an. "Irgendetwas stimmt doch nicht mit dir. Vor ein paar Tagen war doch noch alles in Ordnung" meinte er und versuchte in ihrem Blick zu erkennen, was all dies ausgelöst haben konnte. Natürlich fand er keine Antwort, aber ihre traurigen Augen und ihre Abwehrhaltung ihm gegenüber, verrieten ihm, das irgendetwas sehr tief sitzen musste.
Sie versuchte sich zusammen zu reißen. Aber je eindringlicher Kei sie ansah und sie bearbeitete, desto schwächer wurde sie. Vehement presste sie ihre Lippen aufeinander, bis es doch zu viel wurde. "Nichts ist gut. Von dem Moment an, wo mein Vater mir sagte, das er sterben muss, war nichts mehr gut. Du hast mich einfach nur für kurze Zeit vergessen lassen. Ich komme damit nicht zurecht Kojiro. Ich habe in meinem Leben schon viele Rückschläge erdulden müssen, nur weiß ich nicht was ich machen soll, wie ich damit umgehen soll"! Ihre Stimme wurde schrill und weinerlich.
Wenn er sie so ansah, hätte er nicht damit gerechnet, das Charlie so sehr in sich zusammenbrechen würde. Sie ist eine starke Frau, doch jeder hat seine Schwachpunkte. Für sie war es ihr Vater und seine Krankheit. Mitfühlend nahm er sie in den Arm. Leise redete er ihr zu. "Ehrlich gesagt war ich auch noch nie in so einer Situation. Du und ich haben einiges gemeinsam Charlotte. Wir haben beide auf tragische Weise unsere Mütter verloren. Wie man sich aber am besten verhält, wenn man weiß ein geliebter Mensch wird sterben. Das ist auch für mich neu. Ich weiß nicht, ob ich auf den Tod eines Menschen warten könnte, ohne dabei zu Grunde zu gehen. Aber was ich weiß ist, das dein Vater dich vermisst und dich sehen möchte. Seine Worte tun ihm leid, er würde sich gerne entschuldigen. Gerade jetzt kannst du die Stärke zeigen, die du besitzt. Hiro braucht dich an seiner Seite"!
Charlie schob ihn von sich. "Du hast doch keine Ahnung. Woher weißt du, das er mich vermisst und das er sich entschuldigen will"? Ihre Stimme bebte und zitterte.
"Dein Vater hat mich gebeten mit dir zu reden. Du nimmst seine Anrufe nicht entgegen und er hat sich Sorgen gemacht" antwortete er ihr.
Ihr Blick verriet Enttäuschung und sie schubste Kei noch weiter von sich. "Das kann ich gar nicht glauben, das er dich zu mir geschickt hat. Ausgerechnet dich, von dem er mich doch fern halten will. Ich hätte gehofft, du wärst allein meinetwegen her gekommen, aber dein Boss hat dich geschickt. Was bekommst du denn dafür, das du seiner Tochter ins Gewissen redest" fragte sie und ihre Worte kamen bitter über ihre Lippen.
Kei schottet sich normalerweise immer ab, aber ihre wenigen Worte trafen und verletzten ihn. "Glaubst du ernsthaft er hat mir etwas dafür gegeben, das ich her komme um nach dir zu sehen? Ich war genauso überrascht, als er mich darum gebeten hatte, vor allem weil wir uns keine fünf Minuten davor noch stritten. Er hat mir klar gemacht, das er unsere Affäre nicht toleriert und das er alles tun wird, um dich davon abzuhalten. Du bist ihm das wichtigste und ich glaube es ist ihm nicht leicht gefallen, mich darum zu bitten" erklärte er so gut er konnte, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen.
In ihrem Gesicht spiegelten sich gerade so viele Emotionen, das er nicht deuten konnte, ob sie wieder zu weinen beginnt, oder ihn selbst zum Teufel jagt. Bei letzterem Gedanken zog sich alles krampfhaft in ihm zusammen. Kei konnte Charlie im Moment jedenfalls schwer einschätzen, dies war eine völlig andere Seite von ihr.
"Ich weiß nicht ob ich das kann. Was ist, wenn ich es nicht ertrage, ihn leiden und sterben zu sehen? Er war für mich immer der große starke Mann, der mich beschützt hat. Früher war er mein Held. Kojiro ich........nein ich kann das nicht". Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die langsam ihre Reise über ihre Wangen anstrebten.
Kei überbrückte mit zwei großen Schritten den Abstand zwischen ihnen. "Jetzt reiß dich zusammen Charlotte. Den Schmerz den du empfindest, den kann ich gut nachvollziehen. Aber nicht, das du hier sitzt, dich verkriechst, herum heulst und deinen Vater, der dich jetzt braucht in Stich lassen willst. Nur weil du der Meinung bist, nicht genügend Kraft aufzubringen. Du bist kein kleines Mädchen mehr" schimpfte er lautstark.
Mit Tränen überfüllten Augen funkelte sie ihn an. "Was weißt du denn schon? Du hast doch keine Ahnung" schrie sie und bemühte sich aufzustehen. Rasch sprang Kei auf die Veranda, als er sah, das Charlie flüchten wollte. Er packte ihr Handgelenk und wirbelte sie zu sich herum. "Lass mich los" fauchte sie. "Nichts da du kleiner irischer Kobold. Jetzt hörst du mir zu. Ich habe meine Mutter und meine Verlobte verloren. In meinem Herz sitzt auch eine Menge Schmerz. Aber glaube mir, selbst wenn so ein Abschied, den du irgendwann vor dir hast, dich innerlich umbringt. So würde ich tauschen wollen. Nicht immer bekommen wir die Chance uns von denen zu verabschieden, die wir lieben. Das weißt du wohl am besten. So und jetzt ist Schluss hier. Du wirst jetzt eine heiße Dusche nehmen, dir etwas anderes anziehen, als dieses muffige T-Shirt und was Essen" befahl er jetzt in einem gebieterischem Befehlston.
Trotzig prustete sie Luft aus ihrem Mund und entriss ihm ihren Arm. "Du hast mir gar nichts zu befehlen, für wen hältst du dich........aaahhh"! Die letzten Worte waren nur noch ein klägliches Kreischen. Kei hatte sie kurzerhand hochgehoben und über seine Schulter gehievt. "Lass mich sofort runter" zischte sie wütend. Lachend ließ er seine Hand auf ihren Hintern sausen, was ein lautes klatschen nach sich zog. "Aua du verdammter......"! Was jetzt kam, waren die schlimmsten irischen Flüche, die Charlie auf Lager hatte. Kei klingelten gehörig die Ohren, doch so hatte er wieder eine andere Seite geweckt und die ließ das kleine verletzliche Mädchen, was in ihr wohnte in den Hintergrund wandern. Um sie aus ihrer depressiven Phase zu bringen, nahm er gerade so einiges auf sich, denn mit gut zureden kam er nicht weit.
Einige Zeit später begutachtete Kei im Spiegel des Badezimmers, die kleineren Kratz und Bisswunden, die Charlie ihm zugefügt hatte. Er stierte sich mit seinen dunklen Augen an, bis er schallend zu Lachen begann. "Wie eine wilde Raubkatze. Das habe ich ja noch nicht erlebt"! Über seine Schulter hinweg erblickte er Charlie's grünes Augenpaar, das ihn gerade merkwürdig anfunkelte. Ihre Hand schnellte zu seinem Arm und packte ihn. "Als ich dich vorhin gebissen habe, bekam ich eine Inspiration und jetzt wirst du mein Opfer sein" grummelte sie finster. Mehr als ein ersticktes Quieken war nicht mehr von ihm zu hören, als sie ihn mit sich zog.
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