..~Im Garten voller Sorgen und Ängste~..
Kei marschierte nachdenklich zu der Apartementanlage, in der er wohnte. Der Shiba-Park war nicht weit davon entfernt, normal würde ein Fußmarsch an die zehn Minuten dauern. Jedoch ließ sich Kei einige Dinge durch den Kopf gehen, weshalb er erst nach einer halben Stunde dort eintraf.
Er ließ vor allem diesen Tag in Gedanken Revue passieren. Ein Tag der wundervoll begonnen hatte. Seufzend setzte er automatisch einen Fuß vor den anderen, ohne einen Blick für seine Umgebung zu haben. Seine Hände hat er tief in seinen Hosentaschen vergraben.
Ich frage mich, warum die Polizei uns so viel verraten hat. Das ist doch sonst nicht der Fall. Entweder, dieser Yukimura hält mich wirklich für unschuldig, oder aber er und sein Kollege haben versucht, mich mit diesen Einzelheiten aus der Reserve zu locken.
Ein Mord. Schon wieder. Was habe ich den Menschen nur getan, das sie mir erneut einen Mord in die Schuhe schieben wollen? Bin ich meinen Mitmenschen gegenüber denn so ätzend? Ob es vielleicht tatsächlich derselbe Täter war, wie Yukimura befürchtet? Aber wenn es so sein sollte, warum gerade jetzt? Nach vier Jahren? Was hat der Mörder davon? Ich glaube jedes Kind hätte gesehen, das ich nicht der Täter bin. Wieso also will man mich mit hineinziehen?
Und dann Charlotte. Sie hat doch wirklich niemandem etwas getan. Ich war so erschrocken, als ich das Bild des Opfers gesehen hatte. Im ersten Moment hätte man wirklich denken können, das sie es wäre. Ob das wirklich nur ein Zufall war? Irgendwie bezweifle ich das stark. Ich habe da ein ganz komisches Gefühl. Vielleicht war die Ähnlichkeit der beiden nur Zufall. Aber das der Täter gerade sie ausgesucht hat, glaube ich kaum. Vor allem, weil er mich mit ihrem Mord in Verbindung bringen will.
Natürlich schließen sie mich nicht ganz als Verdächtigen aus. Würde ich wohl auch nicht tun. Zumindest bin ich aber auf freiem Fuß.
Kei blieb direkt vor dem Gebäude stehen und sog die frische Luft in sich ein. Es wurde frischer und der Wind nahm stetig zu. Er ließ sich den mittlerweile kühlen Wind um die Nase wehen. Sein Blick richtete sich direkt auf den luxuriösen Eingangsbereich des Apartementgebäudes, das von außen schon aussah wie ein Hotel.
Ich versuche nicht mehr so häufig in der Vergangenheit zu leben, aber gerade jetzt wird wieder vieles aufgewühlt. Yuki. Erst heute Nachmittag habe ich Charlotte von ihr erzählt. Ob sie es verstehen kann, das ich Angst davor habe? Man sieht doch das es anscheinend wirklich gefährlich ist, sich in meiner Nähe aufzuhalten. Wieso habe ich den Rat von Hiro nicht befolgt und Charlotte in Ruhe gelassen? Wieso besitzt sie so eine Anziehungskraft?
Ich glaube ich habe es von Anfang an falsch gemacht. Ich habe meine 3 Regeln außer acht gelassen und mehr Zeit mit ihr verbracht, als gut für uns ist. Und vorhin? Was ist nur in mich gefahren? Erst nötige ich sie dazu, Sex mit mir in der Pagode zu haben und dann lasse ich sie da einfach so stehen. Aber sie wollte es doch auch. Sie hätte nein sagen können. Charlotte hat immer die Wahl. Ich zwinge sie zu nichts. Mein Abgang war nur ziemlich Scheiße und feige. Aber als sie mich in den Arm nahm, spürte ich diese Geborgenheit. Eine geborgene Nähe, die mir Angst macht.
"Bist du taub"? Kei zuckte erschrocken zusammen und blickte zur linken Seite. Dort stand sein bester Freund Shunsuke und grinste ihn amüsiert an. "Häää was hast du gesagt" sabbelte er sich zurecht. Shunsuke fing lauthals an zu lachen und knallte ihm seine Hand auf die Schulter. "Ich glaube du warst mit deinen Gedanken gerade nicht auf dieser Welt. Ich habe dich mehrmals gerufen, doch du hast wie paralysiert auf den Eingang gestarrt. Deinen Gesichtsausdruck solltest du mal sehen, ich schmeiß mich weg"!
Kei ließ die Schultern sinken und seufzte. "Es war ein aufreibender Tag. Was machst du eigentlich hier? Müsstest du nicht eigentlich arbeiten" fragte er nun neugierig und zeigte dabei auf das Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite, an dem das Schild des Black Lotus prangerte.
Shunsuke nickte kurz. "Normal schon, aber Hiro hat den Club für das Wochenende geschlossen. Er hat sich deinen Tipp zu Herzen genommen und lässt die Tische mit dem neuen System einbauen. Du hast manchmal richtig Einfluss auf unseren Chef und wirklich gute Ideen. Willst du nicht auch eine Präsentation fertig machen? Ich meine für die Position als Geschäftsführer" fragte er nun und grinste auffordernd.
Kei wirkte zuerst überrascht, dann aber ließ er den Kopf hängen und jammerte theatralisch. "Ich glaube er wird mich eher hochkant rauswerfen, als mich für diese Position in Betracht ziehen". Shunsuke verstand sofort und schmunzelte amüsiert. "Also du und Charlie. Tatsächlich. Verstehe mich nicht falsch mein Freund, aber ich hoffe du weißt auf was du dich da eingelassen hast, mit der Tochter von Hiro" betonte er nochmals.
Wieder wirkte er abwesend und gedankenverloren. "Irgendwie weiß ich gerade gar nichts mehr" maulte er weiter. Shunsuke wurde ernster. "Ist irgendetwas passiert? Du bist selten so merkwürdig drauf. Willst du reden" fragte er und musterte seinen Freund besorgt. Kei nickte zustimmend "Ist vielleicht gar keine so schlechte Idee".
Zusammen gingen sie in das Gebäude hinein. Im Eingangsbereich erwartete sie die großzügige Lobby. Von innen wirkte das Apartementgebäude mehr und mehr wie ein Hotel. Die schöne Lobby mit dem hochwertigen Marmorboden glänzte unter den unzähligen modernen Lampen, die akkurat angeordnet an der Galerie hingen, die sich über ihren Köpfen auftat. Gestützt wurde die Galerie von unzähligen Säulen, aus beige Marmor. Zwischen ihnen befanden sich kleine Nischen, in denen man sich auf den modernen Möbeln niederlassen konnte.
Kei und Shunsuke steuerten eine kleine Rezeption an, hinter der Concierge gerade einige Unterlagen sortierte. Der ältere Mann mit dem freundlichen Lächeln verbeugte sich höflich und winkte Kei zu sich. Er ließ Shunsuke kurz stehen und ging zu dem Mann, der ihn rücksichtsvoll zur Seite nahm.
"Miasaki-san, es waren vorhin zwei Polizeibeamte hier und haben einige Bänder unserer Überwachungskameras mitgenommen. Ich wollte sie das nur wissen lassen. Ich musste mich auch einer kleinen Befragung unterziehen. Wir werden die ganze Angelegenheit diskret behandeln" redete er leise mit Kei. Dieser nickte kurz "Vielen dank. Das ist alles nur Routine. Glauben sie mir, es ist alles in Ordnung" antwortete er und lächelte. Der Concierge nickte bedächtig "Machen sie sich keine Gedanken" erwiderte er nun und lunzte in das Postfach von Kei. Die Briefe die er entdeckte nahm er an sich und reichte sie ihm.
Wieder bei Shunsuke angekommen guckte dieser etwas unbeeindruckt durch die Glasfront der kleinen Bibliothek, die sich neben der Lobby befand. Alles in diesem kleinen Raum war wunderbar aufeinander abgestimmt. Die braunen Ledersessel luden dazu ein, sich hineinzusetzen und in einen der vielen Büchern zu stöbern, die in den mit Blattgold verzierten Mahagoni Regalen darauf warteten gelesen zu werden. "Hat hier überhaupt schon jemals jemand drinnen gesessen und ein Buch gelesen" fragte er grinsend und tippte mit dem Finger an der Glasscheibe herum. Kei zuckte mit den Schultern "Ich habe keine Ahnung. Darauf achte ich ehrlich gesagt nicht. Ich nutze den Fitnessraum, wie du ja weißt. Auch war ich noch nie in diesem kleinen Minimarkt, der sich weiter hinten heraus befindet. Ja selbst unsere Grünanlagen habe ich bisher kaum in Augenschein genommen, seitdem ich hier wohne. Ab und zu war ich oben auf der Dachterrasse, das ist schon alles" erzählte er kurz und deutete Shunsuke mit einem Zeichen an, mit ihm zu kommen.
An den Aufzügen angekommen, die sich hinter der Rezeption und einer weiteren kleinen Lobby befinden, holte Kei seine Security Karte aus seiner Jackentasche. Er hielt sie gegen das Erkennungssystem und sie wurde gescannt. Die Computerisierte Stimme gab grünes Licht und den Hinweis, in welcher Etage sich der Aufzug gerade befand. In die Apartements kommt man nur, wenn man hier wohnt und so eine Security Karte besitzt, oder wenn man von einem Bewohner herauf gebeten wird. Der Sicherheitsstandard in diesem Gebäude befindet sich auf dem neuesten Stand. Kei hat sich hier vor drei Jahren, kurz nach der Fertigstellung ein Apartement gekauft. Er wollte nicht mehr in der alten Wohnung wohnen, wo ihn alles an Yuki erinnerte.
In seinem Apartement wirkte es noch genauso, wie er es vor einigen Tagen verlassen hatte, nachdem er eilig ein paar Klamotten eingepackt hatte und zu seiner Nana fuhr. Shunsuke trat an den Kühlschrank und holte zwei Flaschen mit japanischem Bier heraus. Er schmiss sich neben seinem Freund auf die Couch, reichte ihm eine Flasche und sah ihn auffordernd an. "Nun mal raus damit, was beschäftigt dich so sehr"?
Kei erzählte ihm alles. Wirklich alles. Von der Amaterasu Party, bis hin zu dem Mord in dem er ohne verschulden nun verstrickt war. Auch öffnete er sich ihm über seine Ängste und über Yuki. Über Charlotte und wie er sie im Park hat stehen lassen. Shunsuke hörte ihm aufmerksam zu und war über einiges doch sehr überrascht. Nicht nur über die plötzliche Offenheit seines Freundes.
Seufzend leerte Shunsuke die Flasche, ging zum Kühlschrank und holte zwei neue heraus. Als er wieder bei Kei ankam und sich zu ihm setzte, schüttelte er mit dem Kopf. Seine Schokobraunen Augen blickten in die tief dunklen Augen seines Freundes. "Ich möchte nicht mit dir tauschen. Du hättest früher mit mir reden können. Auch du brauchst jemand, dem du dich anvertrauen kannst. Ich helfe dir wo ich nur kann. Bei einigen Dingen bin ich jedoch komplett überfragt. Ich kann dir leider auch nicht sagen, wem du derartig auf den Schlips getreten bist, das du für seine Taten her halten sollst. Das alles will nicht in meinen Kopf. Eines weiß ich aber. Mal abgesehen von den schlimmen Tatsachen. Du darfst deine Gefühle nicht unterdrücken. Seit vier Jahren verschließt du dich nun, das ist ungesund. Ich weiß wie sehr du Yuki geliebt hast, aber du kannst sie nicht auf ein Podest stellen und jede Frau, die in dein Herz blickt abweisen. Mal davon abgesehen, das ständige Affären dich abstumpfen lassen. Es gibt einige tolle Frauen, zum Beispiel.........".
Er überlegte kurz, dann fiel ihm die Zeitschrift ein, die er in der Innentasche seiner Jacke hatte. Er holte diese mit leuchtenden Augen hervor und reichte sie Kei. "Hiro hat gestern einen Anfall deswegen bekommen. Er wusste zwar, das dies auf ihn zukommt, aber euch zwei auf dem Cover zu sehen, das hat ihn zum toben gebracht" erzählte er nun etwas amüsiert.
Kei betrachtete das Cover der Zeitschrift. Darauf abgebildet waren er und Charlie. Er rief sich diesen Tag wieder in Gedanken und Shunsuke sah, wie sich ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen abzeichnete.
"Charlotte ist die größte Versuchung überhaupt. Sieh sie dir an. Ich weiß manchmal gar nicht was sie hat. Ich kann sehr gut verstehen, das sie in der Vergangenheit viel kämpfen musste und sich wohl auch so manches anhören und aushalten musste, wegen ihres Übergewichtes. Aber du hast sie doch gesehen Shunsuke. Da sieh sie dir an. Frauen ihres Aussehens werden auf Gemälden verewigt. Üppige Brüste, wie leckere süße Melonen. Ihre Hüften rund und weich, die sich wie Watte an einen schmiegen und erst ihr Arsch, der jeden dazu einlädt, seine Hand darauf tanzen zu lassen. Wie sie duftet. Nach Veilchen, einfach himmlisch. Charlotte lässt einen Mann wie mich ganz schön ins schwitzen kommen. Sie begreift es nur nicht, habe ich das Gefühl. Sie ist wie Aphrodite. Eine richtige Liebesgöttin. Wenn ich in ihrer Nähe bin, brennt die Luft um uns herum. Außerdem ist sie so unkompliziert, frech und lacht viel. Ich fühle mich so wohl in ihrer Gegenwart" erzählte er schmachtend.
Shunsuke plinkerte ihn mit geweiteten Augen an. Sein Mund stand weit offen. So hat er Kei schon sehr lange nicht mehr von einer Frau reden hören. "Meine Herrschaften, du überschlägst dich ja bald. Nicht das es nicht jeder sehen konnte beim Shooting, das es bei euch knistert. Aber das du mir gegenüber so von ihren Vorzügen schwärmst, war gerade zu viel für mich" gab er spitzbübisch zu.
Fragend kräuselte sich Kei's Stirn. "Wie meinst du das"? Shunsuke nahm einen großen Schluck aus der Flasche. "Immerhin kenne ich sie gut. Ich weiß sehr wohl um ihre Vorzüge. Nicht nur ihre mittlerweile körperlichen. Sondern auch all die anderen. Sie war immer stark, hatte für jeden ein Lächeln auf den Lippen. Ja selbst für diejenigen, die ständig auf ihr herum gehackt hatten. Sie war meine erste große Liebe, nur kam ich nie dazu es ihr zu sagen" verriet er seinem besten Freund und ließ damit eine kleine Bombe platzen.
Ungläubig starrte Kei ihn an. "Das wusste ich ja gar nicht. Wieso hast du denn nicht eher etwas gesagt? Ich.....ich hätte....." stotternd rang er nach Worten. Shunsuke lachte laut los und knallte sich seine Hand belustigt auf sein Knie. "Ganz ruhig. Das ist lange her. Du bist kalk weiß geworden. Hahahaha. Ich gönne dir die schönen Stunden mit ihr, nur solltest du sie vielleicht nicht nur wie eine Affäre sehen. Du sagtest selbst, das du von Anfang an deine eigenen Regeln missachtet hast. Das du dich wohl in ihrer Nähe fühlst. Vielleicht ist es an der Zeit, wieder jemand in dein Herz zu lassen".
Kei schlug seine Augen nieder. "Weißt du was ich in ihrer Umarmung spüren konnte? Eine Lüge die sie mir aufgetischt hatte. Sie erzählte, das sie keine Beziehung sucht, das sie erstmal genug davon hat. Aber ihre Umarmung sagte mir, das sie geliebt werden will. Sie will gar nicht alleine sein, sie sucht nach der großen Liebe. Etwas was ich ihr nicht geben kann. Nicht weil Charlotte nicht Liebenswert ist, sondern weil ich Angst verspüre. Es ist nicht nur die Angst vor einer neuen Liebe. Es ist die Angst, das ihr meinetwegen etwas passieren könnte. Ich sollte mich von ihr fern halten, jedoch ist das so verdammt schwer" gab er resigniert zu.
"Du wirst es nicht können, da hast du recht. Dann musst du entweder deine eigenen Regeln beachten, damit nicht zu viele Gefühle im Spiel sind, oder du versuchst es doch mal damit auf Abstand zu gehen. Nur kenne ich dich zu gut. Ich bitte dich aber um eines. Verspreche mir, ihr nicht weh zu tun und es zu beenden, sollte es gegen deinen Willen zu tief gehen. Keine falschen Versprechungen, sei ehrlich zu ihr und vor allem zu dir selbst" betonte Shunsuke extra noch einmal.
..~ω~....~ω~....~ω~....~ω~..
"Ich habe verzweifelt versucht dich zu erreichen. Was war denn los süße, ist alles gut bei dir" ertönte die besorgte Stimme von Violet. "Es tut mir leid, mein Handy ist kaputt gegangen und ich hatte es total verpennt mir ein neues zu holen. Ich wollte nicht das du dir Sorgen machst. Es ist alles in Ordnung, naja wie man es nimmt" antwortete Charlie, wobei sie gerade ein Pärchen beim turteln beobachtete. "Das hört sich ja nicht so gut an, wie du mir mitteilen willst. Was ist los? Gibt es Neuigkeiten wegen dieser ominösen Party" fragte Violet und versuchte nicht all zu besorgt zu klingen, doch das gelang ihr nicht immer.
Charlie wandte ihre Augen von dem herum turtelndem Pärchen ab und zupfte nervös an ihrem Rock herum. Violet konnte das natürlich nicht sehen, doch sie wusste genau das etwas nicht in Ordnung war, wenn ihre beste Freundin nicht sofort mit der Sprache heraus rückte. "Ich bin für dich da, das weißt du. Auch wenn es nur am Telefon ist. Du kannst mir alles erzählen. Geht es dir wirklich gut? Oder hast du etwas angestellt" fragte sie weiter. Bei der letzten Frage musste Charlie kurz lachen.
"Wie man es nimmt Letty" brummte sie kurz. "Oh oh, wenn du mich schon Letty nennst, dann sollte ich wohl gut zuhören" kreischte Violet schon fast durch das Handy. Charlie zuckte kurz zusammen, doch dann holte sie tief Luft und erzählte ohne Punkt und Komma. Als sie mit ihrer Erzählung fertig war, fühlte sie sich irgendwie erleichtert, denn sie wusste das sie Violet alles erzählen konnte.
Am anderen Ende japste ihre beste Freundin nach Luft. Sie jammerte und wimmerte. "Oh Charlie, wo bist du da nur hineingezogen worden? Was machst du nur für Sachen? Süße du hast ja schon einiges rausgehauen, aber jetzt wird es wirklich abenteuerlich"! Charlie zog eine lange Schnute "Ich weiß selbst nicht wie ich da hineingeraten konnte".
Violet holte tief Luft. "Die Nähe dieses Mannes scheint mir wirklich gefährlich zu sein. Es geht um Mord. Auch wenn er wie du sagst unschuldig zu sein scheint. Ich verstehe deine Beweggründe oft nicht, vor allem jetzt nicht. Er ist der Mann mit dem du auf dieser Party Sex hattest. Wer sagt denn, das er diese Partys nicht selbst veranstaltet"? Ihre Stimme wurde schriller und lauter, je mehr sie sich da hineinsteigerte.
"Bitte Violet, du kannst mir da glauben. Als er mir erzählte, das er wahrscheinlich dieser Mann war, hatte ich auch Zweifel und Bedenken. Aber er ist noch am selben Tag zur Polizei gegangen und wenn du in seine Augen schauen würdest, dann könntest du sehen das er die Wahrheit sagt. Ich habe auch kein schlechtes Gefühl bei ihm. Im Gegenteil. Was hätte er denn davon? Er hat mir offen zu verstehen gegeben das er Interesse an mir hat, da braucht er doch nicht solche bekloppten Partys veranstalten. Davon mal abgesehen, das er es mit seinem Aussehen auch nicht nötig hat" redete Charlie auf ihre Freundin ein.
Ein langer Seufzer quälte sich durch das Handy. "Du gehörst doch sonst nicht zu den Frauen, die auf derart hübsche Männer abfahren. Was hat der denn an sich, das du sogar Outdoor Sex mit ihm hast"?
Eine Weile brütete Charlie herum. "Das ist eine gute Frage" antwortete sie. Violet war zwar nicht zum Lachen zumute, aber diese Antwort war wieder typisch für ihre Freundin und so prustete sie los.
"Ach Letti, ich mag ihn, auch wenn ich ihm ganz zu Anfang gerne die Augen ausgekratzt hätte. Er ist direkt, oft zu direkt, aber kaum jemand sagt ehrlich was Sache ist. Er macht es schon. Wir haben einiges gemeinsam, auch was unsere Vergangenheit betrifft. Er bringt mich zum lachen, sehr sogar. Und natürlich hast du recht mit dem was du sagst. Ich lasse mich normalerweise nicht von hübschen Männern einlullen. Aber dieser Mann hat diese enorme Anziehungskraft, sobald er mich berührt, stehe ich in Flammen. Sein Lächeln ist hypnotisierend. Wenn ich in seine dunklen Augen gucke, dann habe ich das Gefühl, das wir uns sehr ähnlich sind. Ich glaube er gehört zu den Menschen, die sich nicht scheuen ihre Gefühle zu zeigen, nur versucht er krampfhaft keine Gefühle zuzulassen. Ich denke er hat Angst".
"Man dieser Kojiro hat dir aber übel den Kopf verdreht" brummte Violet. Charlie stampfte empört mit ihren Füßen auf dem Boden herum. "Waaas? Pfffffft nicht das ich wüsste. Er hat mir von Anfang an klar gemacht, das es nur eine Affäre ist und ich habe mich auch nur darauf eingelassen. Mehr nicht. Wirklich. Du weißt selbst, das ich von Beziehungen erstmal die Nase voll habe. So ist das ungezwungen, keine Verpflichtungen. Er müsste mir ja nicht mal Komplimente machen, aber er tut es jeden Tag. Ich fühle mich besonders in seiner Nähe, das darf ich doch oder etwa nicht" protestierte sie weiter.
Violet grinste hämisch, was Charlie zum Glück nicht sehen konnte. "Wie lange kennen wir uns? Gute zehn Jahre meine beste. Ich kenne dich. Du bist ein guter Mensch. Aber oft bist du sehr naiv liebes. Ich will nicht sagen das er dich ausnutzt, wenn ihr eine derartige Abmachung getroffen habt, okay. Aber du bist sehr emotional und wenn du dich selbst reden hören könntest, dann wüsstest du das was ich weiß. Ich finde es schön, das ein Mann erkannt hat, was für eine hübsche Rose du bist und das er es dich wissen lässt. Aber glaube mir, das mit euch wird kein gutes Ende nehmen, wenn du zu viele Gefühle für ihn hegst. Du verliebst dich sehr schnell, auch wenn du es nicht beabsichtigst. Beantworte mir eine Frage, wie hast du dich gefühlt, als er dich, wie du erzählt hattest, vorhin einfach so hat stehen lassen. Kurz nachdem ihr Sex hattet"?
Charlie presste ihre Lippen fest aufeinander und schluckte hörbar. "Es hat mich verletzt. Aber nur, weil ich nicht damit gerechnet habe. Ich meine, ich hatte noch nicht in diesem Sinne eine Affäre. Er sagte, er nimmt keine Frauen mit denen er eine Affäre hat mit in sein Apartement. Das wusste ich nicht und deshalb hat es mich verletzt. Wenn ich darauf vorbereitet gewesen wäre, dann hätte ich es nicht zu nah an mich heran gelassen. Ich weiß das du und andere mich für zu naiv halten. Ja das bin ich, vielleicht auch bei Kojiro. Ich verspreche meine Gefühle außen vor zu halten. Ich kann das, wirst schon sehen" schnaubte sie ihre letzten Worte maulig in ihr Handy.
Violet konnte nicht mehr tun, Charlie hat ihren eigenen Willen. Nachgebend stieß sie einen tiefen Seufzer aus. "Ich hoffe es für dich süße. Glaube mir, Männer die keine Beziehungen wollen und sich von einer Affäre zur nächsten begeben, haben noch weitere Eigenarten. Da ist die Sache mit dem keine Frauen in meiner Bude nur die Kirsche auf der Sahne. Charlie du bist alt genug und weißt was du tust. Nur versuche nicht jedem Menschen gleich blind zu vertrauen. Auch wenn dieser Mensch die größte Versuchung ist, der du jemals erlegen bist. Bitte rufe mich öfters an, damit ich auf dem laufenden bin"!
"Keine Sorge, ich passe auf mich auf. Versprochen. Und ja ich werde mich häufiger melden" versprach Charlie ihrer besten Freundin, bevor sie das Gespräch beendete.
Das melodische klingeln hinterließ seinen Klang im ganzen Haus. Hiro öffnete beschwingt die Tür und war mehr als überrascht. "Charlotte meine Lotusblüte, mit dir hätte ich ja nicht gerechnet. Komm rein mein Kind" rief er fröhlich und zog Charlie sofort mit sich. Genießerisch lehnte sie sich an ihren Vater, sog seinen alt bekannten Duft ein und kuschelte ihr Gesicht an seinen Pullover. Kurz schmunzelte sie, denn mit diesem weißen Pullover und der verwaschenen Jeans sah er ungemein attraktiv aus.
Sie zog sich im Eingangsbereich ihre Schuhe aus und schlüpfte in die Gäste Schlappen, die ihr Vater ihr reichte. "Ich wollte nicht stören, aber ich war in der Stadt und dachte, das ich dir einen Besuch abstatten könnte. Da ich dich nicht im Black Lotus vorfand, war ich der Meinung das du zu Hause sein würdest" gab sie als Antwort und blickte sich mit großen Augen um, nachdem ihr Vater die große mir Reispapier bespannte Schiebetür öffnete. Über den schmalen Flur erblickte sie die Lichter, die sich in dem wunderschönen weitläufigen Garten befanden.
Sie hatte es ja von außen schon vermutet, als sie vor dem großen Tor stand, über dem der Name Takahashi in japanischen Schriftzeichen steht, das ihr Vater in einem sehr traditionellen Haus wohnt, das früher um einen Garten herum erbaut wurde. Das ein Garten eigentlich unentbehrlich für eine Wohnung ist, gilt natürlich nicht nur für das japanische Wohnhaus und doch ist die Verbindung zwischen dem Wohnhaus und dessen Garten ganz besonders eng, so dass das japanische Wohnhaus ohne Garten fast undenkbar ist. Das traditionelle Wohnhaus verschmilzt über die Veranda hinaus, über die weit ausladende Verdachung, die Steinstufen und Trittsteine mit dem Garten zu einem Ganzen. So gibt es zwischen Haus und Garten kaum eine Grenze.
Man kann aber allgemein sagen, dass der traditionelle japanische Garten als ein malerisches Kunstwerk, ein landschaftliches Bild gestaltet wird und der Betrachtung dient, also wenig praktische Zwecke erfüllt.
Sie wusste das ihr Vater immer von so einem Haus geträumt hatte, als sie noch eine kleine heile Familie waren. Als sie vor ein paar Tagen in der kleinen Gasse war, hatte die Haushälterin Fumiko, ihr nur den Zugang zur Garage gezeigt, von diesem Haus wusste sie bis heute jedoch nichts. Das er mitten in Tokyo, so ein Haus finden und tatsächlich kaufen konnte, hätte sie nicht für möglich gehalten. Zumal vieles hier sich noch im original Zustand befand, wie sie auf den ersten Blick erkennen konnte.
Hiro führte seine Tochter stolz herum. Er kannte ihre Neugier was die japanische Historik betraf. Und gerade dieses Haus, nachgewiesen aus dem 16. Jahrhundert hatte ihr vollstes Interesse.
Die traditionellen japanischen Häuser unterscheiden sich grundlegend von westlichen Häusern. Meistens aus Holz gebaut besteht ein typisches Haus aus einem bis zwei Stockwerke. Gerade Linien und ein aus gekrümmten Ziegeln bestehendes Dach verleihen ihm sein charakteristisches Aussehen. Eine Veranda, von der aus man Zugang zu den Schlafzimmern hat, führt um das Haus herum.
Die Innenseite der Veranda besteht aus Holzrahmen (shoji), die sich verschieben lassen und mit lichtdurchlässigem Reispapier bespannt sind. Grössere Räume werden mit beweglichen Papierwänden (fusama) unterteilt, so kann man nach Belieben kleinere oder grössere Räume schaffen. Diese Fusama können problemlos aus ihren Befestigungen entfernt werden. So können je nach Bedarf mehrere Zimmer von unterschiedlicher Grösse entstehen.
In Hiro's Haus traf japanische Historik auf westlich moderne Gestaltung. Alte japanische traditionelle Möbelstücke, die mit einigen modernen Elementen versehen wurden. Auch konnte man hier in einigen Ecken wieder seine heiß geliebten Drachen sehen.
Charlie war begeistert und textete ihren Vater gnadenlos zu. Er beobachtete sie, sah das Leuchten in ihren Augen, während sie sich zu ihm an den reichlich gedeckten Tisch setzte. Da waren sich beide sehr ähnlich. Auch er liebte die alten Traditionen seiner Vorfahren. Selbst wenn sie nicht Blutsverwandt waren, ähnelt Charlie ihm in gewisser Weise.
Noch immer redet seine Tochter, artikulierte mit Händen und Füßen. Er musste gar nichts sagen, hörte ihr nur zu und erfreute sich an ihrer Gesellschaft.
Er dachte an die schönen Jahre, als sie noch ein kleines Kind war. Ihre Mutter und sie waren das beste, was ihm je widerfahren ist.
Ein Schatten legte sich über seine Gesichtszüge, als er an das unwiderrufliche dachte. So viele Jahre sind vergeudet worden und jetzt weiß er einfach nicht mehr, wieviel Zeit ihm noch bleibt. Ein schwerer Klos kroch seine Kehle hinauf. Eigentlich wollte er es ihr nicht so früh sagen, doch gerade jetzt hatte er das Bedürfnis ihr seine Geschichte zu erzählen.
Charlie hatte mittlerweile aufgehört zu reden, ihr fiel sein melancholischer Ausdruck auf. Leicht nahm sie seine Hand in ihre. "Stimmt etwas nicht Papa? Du guckst so traurig". Er verstärkte den Druck ihrer Hand. "Es ist nicht so einfach meine kleine Lotusblüte. Ich habe viel darüber nachgedacht seitdem du wieder hier bist, wie ich es dir erklären soll. Ich bin zu keinem wirklich guten Ergebnis gekommen, also werde ich es dir ganz schonungslos sagen" begann er, stockte dann aber doch. Seine Tochter sah ihn erschüttert an, sie erkannte das er mit den Tränen rang und sich zurück hielt. "Papa was ist denn"?
"Ich habe ALS und werde sterben mein Kind"!
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