36. Arbitration


♪ Time for me to fly – REO Speedwagon


Sienna

Wir konnten definitiv nicht mehr so weitermachen wie bisher.

Dieses unaufhörliche Schweigen zwischen uns fühlte sich an, als ob man eine riesige Mauer aufbaute – und vielleicht taten wir das auch.

Doch es war keine Lösung, weder für ihn, noch für mich. Ich hatte alles versucht, um gegen den Babywunsch anzukämpfen, aber ohne Erfolg.

Jedes Mal, wenn mir eine schwangere Frau auf der Straße oder im Supermarkt begegnete, zog sich alles in mir schmerzlich zusammen. Ich konnte, doch ich durfte nicht. Niall verwehrte es mir.

„Sienna, bist du nicht zu der Überzeugung gekommen, dass ich Recht habe?"

Seine Stimme rammte sich in mein Herz und hinterließ eine brennende Spur.

„Nein, das bin ich keineswegs."

Ich spürte, wie ich die Beherrschung verlor, denn ich war am Ende.

Am Ende meiner Kräfte und am Ende der Akzeptanz des ganzen Dilemmas.

Ein stummer Schrei entwich meinem Herzen, doch Niall hörte ihn nicht.

Etwas in mir schaltete total ab, als ich ihm die nächsten Worte an den Kopf knallte.

„Ich kann das nicht mehr! Hier geht es nicht nur darum was du willst! Hier geht es auch um mich! Du verwehrst mir dieses Kind, weil du Angst vor der Zukunft hast! Es wird nie der richtige Zeitpunkt sein, nie! Immer wird irgendwas dazwischen kommen! Wer weiß, wie es in einem Jahr aussieht! Und irgendwann bin ich zu alt für ein zweites Kind! Ich-."

„Halt die Luft an", unterbrach er mich barsch.

Seine blauen Augen funkelten schon fast böse drein. Nie zuvor hatte er mich jemals so angesehen und das machte mir Angst. Er würde über Leichen gehen, um seine Interessen durchzusetzen, das wurde mir in jenem Augenblick bewusst.

„Sienna, das Leben ist kein Wunschkonzert! Wir können froh sein, das wir alles bisher so unbeschadet überstanden haben! Willst du ein Baby oder ein Ungeborenes diesem Stress und diesen Gefahren aussetzen?! Das kann nicht dein Ernst sein, oder?!"

Mit der flachen Hand schlug ich gegen die Wand, um meine Wut herauszulassen.

„Und es kann nicht dein Ernst sein, dass du dich mit der Situation, dass die Mafia uns bedroht, einfach abgefunden hast! Du hast aufgegeben, verdammt! Hast du denn vergessen, was Liam und Sophia uns gelehrt haben?! Was Alistair uns immer gesagt hat?! Begreifst du denn nicht, was du uns allen damit antust?!"

Bedrohlich baute er sich vor mir auf, als er mich anschrie: „Ich tue niemandem etwas an! Ich möchte meine Familie nur vor der nächsten Katastrophe bewahren, mehr nicht! Aber du bist zu egoistisch, um das einzusehen! Wie wäre es, wenn du zur Abwechslung mal an Kieran oder mich denkst, anstatt immer nur an den Babywunsch?!"

Meine Hände ballten sich zu Fäusten, doch dies war nur ein weiterer Ausdruck meiner innerlichen Verzweiflung. Und dann brüllte ich los.

„Ich denke immer nur an mich?! Mein ganzes Leben richtet sich nach dir aus! Und seit wir hier in Barrow sind, darf ich nicht mal mehr deine Ehefrau sein! Ich bin irgendwer, der in diesem Haus lebt, nur damit nicht nach draußen dringt, dass du in Wahrheit verheiratet bist und einen Sohn hast! All das habe ich hingenommen, Niall! Und ich hätte es weiterhin getan, würdest du mir nur einmal richtig zuhören! Du behandelst mich wie jemanden, der es nicht wert ist, dein Baby auszutragen! Du weist mich ab, als wäre unsere Liebe nicht mehr existent!"

„Das ist doch Blödsinn", knurrte er.

„Nein! Es geht immer nur im dich! Alles richtet sich nach dir und-."

Er unterbrach mich mit einem Satz, den er besser nicht hätte sagen sollen.

„Ich habe meinen Glauben für dich aufgegeben, Sienna!"

Dies brachte das Fass endgültig zum Überlaufen.

Schwer atmete ich aus, bevor ich die nächsten Worte sprach.

„Und ich habe alles für dich aufgegeben, Niall. Mein altes Leben, all die Menschen, die ich liebe und die mich lieben. Für unsere Liebe, die du nun mit Füßen trittst. Vielleicht war es das nicht wert."

Als ich diese essentiellen Worte aussprach, spürte ich die Tränen in meinen Augen. Sie brannten wie Feuer und setzten die letzten, verbliebenen Energien in mir frei. Zornig wischte ich das Wasser von meinen Wangen, meine Atmung ging heftig, doch bevor ich dazu kam, noch etwas zu sagen, öffnete sich die Tür und Louis trat mit El im Schlepptau ein.

Die Zeit war abgelaufen, ich fühlte es in jenem Moment. Die Bombe war geplatzt und nun standen wir vor den Scherben. Nichts konnte mehr rückgängig gemacht werden, ich spürte es. Für eine Sekunde schlossen sich meine Augenlider, während ich versuchte, meinen schnellen Herzschlag zu ignorieren, der das Blut durch meine Venen jagte.

Eine peinliche Stille breitete sich aus, bevor El eine Frage stellte.

„Sollen wir wieder gehen?"

„Nein", stieß ich knapp hervor.

Ich hatte alles gesagt, was ich loswerden wollte und nun musste ich Taten folgen lassen. Unser Streitgespräch bewirkte, dass ich meine Konsequenzen zog. Wie eine gerade Linie führte mich der Weg zu meinem Ziel.

Noch immer standen wir zu viert stumm im Korridor, die Atmosphäre wirkte gedrückt und ließ mich kaum atmen. Und doch raffte ich mich auf, den ersten Schritt in eine Richtung zu gehen, die fortan mein neuer Weg sein würde.

„Hast du zwei Minuten Zeit für mich?", richtete ich deshalb meine Frage an Eleanor, die sofort nickte und mit einem „Sicher", antwortete.

Dann nahm sie mich an die Hand und führte mich direkt in das kleine Büro, wo wir uns auf den Stühlen niederließen.

„Was ist passiert, Sienna?", flüsterte El mit einem leicht schockierten Tonfall in der Stimme.

„Ich-, kann ich bitte-, ich möchte mit Alistair sprechen", stammelte ich mit Tränen in den Augen.

Sanft griff El nach meiner Hand, ließ ihren Daumen darüber wandern.

„So schlimm?"

Ein gepresstes „Ja", entwich meinen Lippen. Ich war kaum fähig, klar zu denken, alles verschwamm vor meinen Augen, doch das Schlimmste war der heftige Schmerz in meinem Herzen. Es wurde regelrecht durchbohrt.

Niall hatte es geschafft, mir alles Glück der Welt zu nehmen.

„Ich werde versuchen, ihn über Skype zu erreichen, wenn das für dich ok ist", hörte ich El sagen, die sich sogleich an dem Laptop zu schaffen machte.

„Ja, das ist ok", wisperte ich noch immer völlig fertig.

Kieran tauchte in meinen Kopf auf, erschwerte mir das Denken und ließ mich wissen, dass es nicht einfach werden würde. Doch ich war am Ende meiner psychischen Kräfte angelangt. Der letzte Hoffnungsschimmer hatte sich heute verabschiedet.

Wir waren gescheitert – falls es überhaupt noch ein Wir gab.

„Hallo Eleanor, was gibt es denn?"

Alistairs Stimme holte mich in die brutale Realität zurück.

„Sienna möchte gerne mit dir sprechen, deswegen werde ich euch jetzt alleine lassen", vernahm ich den nächsten Satz der Brünetten.

Ihr taktvolles Benehmen ließ mich spüren, wie sehr sie sich um mich sorgte und ich lächelte ihr kurz zu, bevor sie das Büro verließ.

Sofort wurde meine Aufmerksamkeit auf Alistair gelenkt, der nun sprach: „Was gibt es denn, Sienna?"

Zuerst wusste ich nicht, wie ich beginnen sollte, denn ein Herz, das kurz vor dem Überlaufen stand, fand oftmals nicht die richtigen Worte. Als ich seinen Blick auf mir fühlte, gab ich mir jedoch einen Ruck.

„Es gibt Probleme zwischen Niall und mir."

Alistair verzog keine Miene, als er fragte: „Wie schlimm ist es?"

„Sehr schlimm. Ich möchte am liebsten auf und davon."

Nervös knetete ich meine Hände, da seine Antwort auf sich warten ließ. Stattdessen tippte er auf dem Display seines Handys herum, was mich fast zur Verzweiflung brachte. Doch wie immer tat er dies nicht grundlos.

„Ich könnte Übermorgen in Anchorage sein. Dort treffen wir uns in einem Hotel, die Zimmer buche ich gleich. Du wirst zusammen mit Eleanor dorthin fliegen und wir bleiben eine Nacht. Während dieser Zeit sollte sich alles besprechen lassen, was nötig ist."

Erleichterung machte sich in mir breit, als ich diese Worte vernahm. Wie immer kümmerte sich Alistair um alles, ich vertraute ihm bedingungslos.

„Das klingt gut", antwortete ich deshalb, was er mit einem stummen Nicken quittierte.

Ein leises Klopfen an der Tür ließ mich leicht zusammenzucken.

„Kann ich reinkommen?", hörte ich El fragen.

„Ja, du kannst."

Ohne Umschweife nahm sie den Platz neben mir ein, damit wir gemeinsam mit Alistair die weitere Vorgehensweise besprechen konnten.

„Ich habe dir meine Flugdaten bereits übermittelt", ließ er die Agentin wissen. „Du brauchst nur noch die Flüge für dich und Sienna zu buchen. Wir steigen im Sheraton Hotel ab, die Zimmer habe ich gerade gebucht."

Eifrig tippte er auf seinem Handy herum, er war stets mit etwas beschäftigt, seine Gedanken immer in Bewegung. Als er aufsah und in die Kamera blickte, glaubte ich einen Hauch von Traurigkeit in seinen braunen Augen zu erkennen. Ich wusste, dass es ihm nahe ging, auch wenn er es nicht zeigte. Schließlich gehörte es zu seinem Job, professionell zu agieren und sich nicht durch Gefühle leiten zu lassen.

„Wie sehen uns dann Übermorgen", verabschiedete er sich von uns.

„Bis dann", sagte El und ich winkte kurz in die Kamera, da die aufkommenden Tränen mich schlucken ließen.

Sanft legte El einen Arm um meine Schultern.

„Wie kriegen das hin, Sienna. Morgen, wenn Kieran und Freddie wieder hier sind, erzählen wir ihnen, dass wir eine Mädels Tour machen. So, wie Louis und Niall damals ein Männer-Wochenende absolviert hatten. Das werden die Kinder ohne Probleme schlucken, denn ich halte es für besser, wenn Kieran erstmal nichts von dem Stress mitbekommt."

„Da stimme ich dir vollkommen zu", erwiderte ich, daran denkend, ich Niall jedoch über meine Reise in Kenntnis setzen musste.

Im Moment widerstrebte es mir, auch nur einen einzigen Satz an ihn zu richten, denn er hatte mich total verletzt. Er gab mir das Gefühl, eine funktionierende Marionette zu sein, die seinen Bedürfnissen angepasst wurde. Eine leere Hülle, die weder Emotionen noch Wünsche äußern durfte. Alles sollte nach seinem Kopf gehen, so, wie er für richtig hielt. Aber ich konnte das nicht mehr, ich wollte leben und nicht dahinvegetieren. Und zu diesem Leben gehörte es auch, ein Risiko auf sich zu nehmen.

Niemand konnte vorhersagen, wie unsere Zukunft aussah, weder in einem Jahr, noch in fünf Jahren. Nichts ließ sich vorherbestimmen und genau deshalb wollte ich den Moment auskosten, im Gegensatz zu ihm. Niall biss sich an Dingen fest, die einfach nicht planbar waren. Wir kamen auf keinen gemeinsamen Nenner mehr und deswegen blieb meine Entscheidung unausweichlich.

Seufzend erhob ich mich von dem Stuhl. „Ich werde es ihm jetzt sagen, dass wir nach Anchorage fliegen."

„Lass nur, das erledige ich schon", meinte El und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. „Du hast andere Sachen zu tun. Vielleicht könntest du schon deinen kleinen Koffer packen. Viel brauchen wir ja nicht, wenn wir nur eine Nacht wegbleiben."

Bald würde ich vermutlich sehr viel mehr packen müssen.

Das Wochenende zog sich wie Kaugummi dahin und ich fieberte dem Montag entgegen. Obwohl es einfach war, Niall aus dem Weg zu gehen, denn das Haus war groß genug, war ich froh, als Kieran, Freddie und Briana am Sonntag wieder eintrafen. Vor allem die beiden Jungs waren nicht zu bremsen, was das Reden anging.

Ständig erzählten sie von ihren Unternehmungen in Anchorage und vor allem von den Tieren im Zoo. Aufmerksam hörte ich unserem Sohn zu und als er ein wenig Luft holte, nutzte ich die Gelegenheit, um etwas zu sagen.

„Ich fliege morgen mit El nach Anchorage."

„Echt?" Diesen Ausdruck hatte er sich von Freddie angewöhnt, was mich immer schmunzeln ließ.

„Ja, wir wollen gerne einen Frauen-Trip machen."

„So, wie Papi und Louis ein Männerwochenende gemacht haben?", fragte Kieran.

„Ja, genauso.."

„Das finde ich cool!", kam es von Freddie; eine Aussage, die keinen Widerspruch duldete.

Im Grunde genommen war ich dankbar, dass alles relativ problemlos ablief. Niall und ich sprachen zwar nicht miteinander, aber da Kieran so viel zu berichten hatten, fiel es ihm gar nicht auf.

Als ich ihn an diesem Abend zu Bett brachte, streichelte ich über sein weiches Haar, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und wisperte: „Schlaf schön, Kieran. Wenn du morgen aus dem Kindergarten kommst, bin ich schon in Anchorage. Aber Daddy, Louis, Briana und Freddie sind hier."

„Ja, Mami und weißt du was? Ich hab dich ganz doll lieb! Dich und Papi! Und ich mag nicht, wenn ihr streitet."

Es fühlte sich an, als hätte jemand einen Dolch in mein Herz gerammt. Kieran hatte es nicht vergessen, er war Zeuge unseres heftigen Disputs geworden, eine Sache, die wir immer hatten vermeiden wollen.

„Nein, Schatz", flüsterte ich, den riesigen Klumpen in meinem Hals ignorierend, „wir streiten nicht mehr, versprochen."

Der Montag begann wie immer. Niall und ich schwiegen uns seit Tagen an und er verabschiedete sich auch nicht von mir, als ich mich gemeinsam mit El auf den Weg zum Flughafen machte. Briana fuhr uns mit dem Wagen hin, nachdem sie die Jungs in den Kindergarten gebracht, und die Einkäufe im Supermarkt erledigt hatte.

„Guten Flug euch beiden und keine Sorge, ich pass schon auf die Männer auf", rief sie uns hinterher, bevor wir im Gebäude verschwanden.

Wie in Trance zog die Reise an mir vorüber. Der Flug dauerte nur eine Stunde und vierzig Minuten und auch der Weg vom Flughafen zum Hotel erstreckte sich nur über fünfzehn Minuten. Selbstverständlich legten wir diesen mit einem Taxi zurück.

In Anchorage schien die Sonne. Allgemein war es hier viel heller als in Barrow, was sich positiv auf mein Gemüt niederschlug. Nach langer Zeit schöpfte ich wieder ein wenig Kraft.

Im Hotel angekommen, begaben wir uns direkt zur Rezeption und als El die Zimmerkarten in Empfang nahm, tauchte Alistair in unserem Blickfeld auf. Er schien bereits eingecheckt zu haben und lächelte uns freundlich an.

„Hallo, Sienna, hallo El, schön, dass alles so gut geklappt hat", begrüßte er uns.

„Ja, das finde ich auch", gab ich zur Antwort.

„Ich denke, wir sollten zunächst etwas Essen gehen. Das Hotel hat ein ausgezeichnetes Restaurant und ihr beiden seid natürlich eingeladen. Also haltet euch nicht zurück."

Alistair veränderte sich nie. Seine väterliche Art tat mir gut und ich hatte das Gefühl, mich später richtig bei ihm ausheulen zu können, was die Sache mit Niall anging. Obgleich ich von ihm nicht die perfekte Lösung erwartete, würde es mir guttun, einfach nur alles von der Seele zu reden.

Unser Zimmer, welches im siebten Stock lag, wirkte hell und freundlich, mit einem Hauch von Luxus. Ich fühlte mich sofort wohl und genoss für kurze Zeit den atemberaubenden Ausblick auf die Gebirgskette, deren Spitzen gerade durch die Sonne angestrahlt wurden. Wie sehr hatte ich den Anblick des Gestirns vermisst, das eine nicht zu unterschätzende Energiequelle darstellte. In jenem Moment sehnte ich mich nach Südkalifornien, doch diese Zeit würde nie wieder zurückkehren.

Nachdem El und ich unser Gepäck im Zimmer abgestellt hatten, trafen wir uns mit Alistair in der Lobby, bevor wir das Restaurant aufsuchten. Dort genossen wir das vorzügliche Essen in einem durchaus zauberhaften Ambiente.

Wie sehr hätte ich mir gewünscht, mit Niall hierherkommen zu können. Einfach abschalten, die Seele baumeln lassen und sich nicht drum kümmern, was der nächste Tag brachte. Leider ließ sich das aufgrund unserer unüberbrückbaren Differenzen nicht einrichten.

Wir gingen keinen gemeinsamen Weg mehr. Der eine wollte nach rechts, der andere nach links und die Mitte kam für beide nicht in Frage. Ich hatte den Mittelweg versucht, doch ich scheiterte kläglich. Mein Herz wollte nichts mehr als ein Kind von dem Mann, den ich liebte. Ich tat dies noch immer, und umso schwerer wog meine Entscheidung.

„Also ihr beiden, ich werde es mir in der Hotelbar gemütlich machen, während ihr redet", erklärte El, nachdem Alistair das Essen bezahlt hatte und uns anschließend aus dem Restaurant geleitete.

„Wir stoßen dann später zu dir", ließ er seine Mitarbeiterin wissen, die mir einen Kuss auf die Wange drückte, bevor sie unseren Blicken entschwand.

Rasch liefen wir zu den Aufzügen, fuhren in den siebten Stock und suchten Alistairs Zimmer auf. Dort setzten wir uns auf die beiden gemütlichen Sessel.

„Soll ich Kaffee ordern?", wollte der kleine, dicke Mann wissen, was ich jedoch mit einem Kopfschütteln verneinte.

„Gut, dann legen wir los."

Seine volle Aufmerksamkeit lag auf mir und meinen Worten. Anfangs zeigten sich Schwierigkeiten, diese zu formen, doch als meine innere Sperre durchbrach, redete ich wie ein Wasserfall. Ich erzählte alles, vom Anfang bis zum bitteren Ende.

Er lehnte sich zurück, atmete tief durch und sagte: „So, wie ich das sehe, gibt es im Moment keine Lösung für euch beide, oder?"

„Nein und deshalb möchte ich aus Barrow weg. Ich kann nicht mehr, verstehst du das?"

Seine braunen Augen musterten mich eindringlich und gaben mir das Gefühl, auf den Grund meiner Seele zu blicken. Als er seine Frage stellte, wurde mir bewusst, wie endgültig diese Entscheidung sein würde.

„Möchtest du für immer fort, Sienna?"

Und die Endgültigkeit nahm ihren Lauf.

„Ja, das möchte ich."

Nie wieder wollte ich in dieser Eiswüste leben, die unsere Herzen hatte einfrieren lassen. Wenn man mir vor einigen Monaten die Frage gestellt hätte, was wohl zuerst brechen würde, so hätte ich mit „das Eis" geantwortet. Doch damit lag ich absolut falsch, denn es war unsere Liebe die zuerst diesem Wahnsinn zum Opfer fiel.

Alistair nickte bedächtig, bevor er mit seinen Erklärungen fortfuhr.

„Es wird nicht von heute auf morgen gehen. Zuerst müsst ihr euch einigen, wo Kieran bleiben soll. Ich gehe jedoch davon aus, dass Niall ihn in Sicherheit, bei dir, wissen möchte."

Natürlich ging auch Kierans Sicherheit vor und ich wusste, dass es in Nialls Sinne sein würde, wenn unser Sohn gemeinsam mit mir das Zeugenschutzprogramm verließ.

„Das wird, denke ich, kein Problem werden", antwortete ich ruhig, obwohl mein Herz bis zum Hals schlug.

Niemals hätte ich erwartet, in solch eine Situation zu geraten, nicht in meinen schlimmsten Albträumen stellte ich mir dies vor.

Ich würde frei sein, doch mein Herz würde um Niall trauern, um den Vater meines Sohnes, um den Mann, den ich noch immer liebte. Gefühle ließen sich nicht per Knopfdruck abstellen, diese Erfahrung war mir keineswegs fremd.

„Wie geht es denn jetzt weiter?", erkundigte ich mich mit leiser Stimme, meine Augen auf den Teppichboden geheftet.

Alistairs Antwort ließ keine Sekunde auf sich warten.

„Nun, ich werde nach einem geeigneten Ort suchen, wo ich dich erstmal zwischenparken kann. Da ich annehme, dass du wieder zurück nach London möchtest, wird dies irgendwo in der Nähe sein. Ich dachte an Südengland."

Nur alleine die Erwähnung des Landes, in welchem ich geboren und aufgewachsen war, bewirkte, dass ich mich besser fühlte. Trotzdem klang alles irgendwie unwirklich.

„Kieran kann allerdings erst später nachkommen, wenn wir alles geregelt haben und du in London bist. So ist es wesentlich einfacher", plapperte Alistair weiter.

Es klang einleuchtend und sicher wäre es auch nicht gut für unseren Sohn, dauernd umzuziehen. Es würde schlimm genug für ihn sein, auf seinen Vater zu verzichten. Davor grauste mir am meisten. Aber sollte Niall sich dafür entscheiden, Kieran sehen zu wollen, denn diese Möglichkeit bestand durchaus, so würde ich dem zustimmen. Er war sein Sohn und somit besaß er jederzeit das Recht dazu.

„Von welchem Zeitraum reden wir?", wollte ich wissen, „also wie lange werde ich auf Kieran verzichten müssen?"

„Ungefähr vier Wochen."

Es würde mir schwerfallen, doch da musste ich durch.

„Dann haben wir jetzt alles soweit besprochen?", erkundigte ich mich vorsichtig.

„Ja, Sienna, das haben wir."

Alistair erhob sich aus dem Sessel und ging zum Fenster, welches den Blick auf die schneebedeckten Berge in der Ferne freigab.

„Eines muss ich noch erwähnen. Solltest du dich während dieser vierwöchigen Übergangsphase um entscheiden, kannst du jederzeit wieder in das Zeugenschutzprogramm zurückkehren."

Ich glaubte nicht daran,dass dies passieren würde. Es sei denn, ein Wunder geschah.

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Glaubt ihr, dass dieses Wunder geschieht?

Ich habe euch dieses Mal nur einen halben Cliffhanger serviert und freue mich schon auf die Reaktionen.

An dieser Stelle möchte ich mich nochmals ganz herzlich für die vielen Kommentare zum letzten Kapitel bedanken. Es ist einfach nur überwältigend, das zu lesen. ♥♥♥

Ich hoffe, ich kann euch das nächste Update am Montag präsentieren.

LG, Ambi xxx

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