33. Repulse
♪ Nothing else matters - Metallica
Sienna
Alle richteten ihre Augen ausnahmslos auf Harry, nachdem er den Namen seiner neuen Flamme bekanntgegeben hatte. Doch es war Louis, der zuerst sprach.
„Alter, du nagelst nicht wirklich die Tochter unseres Chefs? Du bist sowas von lebensmüde, echt!"
„Alistair wird dir den Schwanz abhacken", fügte El grinsend hinzu und auch Briana hielt sich mit ihrer Aussage nicht zurück.
„Du kannst von Glück reden, wenn er dich nicht in der Themse versenkt."
Diese Sprüche prallten jedoch an Harry ab. Er ließ sich dadurch keineswegs negativ beeinflussen, sondern zuckte nur mit den Schultern, als er lässig antwortete: „Was will er mir schon groß tun? Ich sollte ihren Kerl beschatten, habe das getan und sie von dem Kriminellen losgeeist. Niemand konnte vorhersehen, dass wir uns ineinander verlieben würden. Solche Dinge passieren nun mal."
„Du gibst also zu, dass du sie nagelst und Alistair nichts davon weiß?", mischte sich Niall ein.
Harrys Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen. „Rosie weiß es und das reicht für den Anfang."
„Heiliger Strohsack", entfuhr es mir, bevor ich mit einem lauten Lachen herausplatzte.
Rosie hatte bestimmt nichts gegen Harry einzuwenden, sondern bemutterte ihn vermutlich noch. Bei Alistair sah die Sache schon anders aus. Immerhin ging es hier um seine Tochter – und Vater-Tochter-Verhältnisse unterschieden sich doch sehr von den Mutter-Tochter-Beziehungen.
Obgleich mir diese Dinge vorenthalten blieben, da ich in einem Internat aufgewachsen war und zudem meist bei Seth und Harvey die Ferien verbrachte, konnte ich mir sehr gut vorstellen, wie Niall in solche einem Fall reagieren würde, hätten wir eine Tochter. Keiner würde gut genug für sie sein.
So, wie ich mit Argusaugen über Kieran wachen würde, wenn er uns irgendwann seine erste Freundin vorstellen sollte. Gott sei Dank lag dies noch in weiter Ferne und ich brauchte mir jetzt keine Gedanken darum zu machen.
Nachdem sich die erste Euphorie bezüglich Harrys Freundin gelegt hatte, erhob sich der Lockenkopf, um aus der Küche zu marschieren. Kurze Zeit später kehrte er mit einem Präsent unter seinem Arm zurück.
„Das ist für dich, Sienna. Alistair hat es mir mitgegeben. Er wollte es nicht mit der Post schicken."
Mein Herz klopfte schneller, als ich erkannte, um was es sich dabei handelte. Das Gemälde von Thomas Fabry, aus seiner frühen Zeit als Maler. Es war wieder zuhause, bei mir.
Tränen der Freude purzelten über meine Wangen, erinnerte es mich doch an eine längst vergangene Zeit. London, meine Heimat, Seth, Harvey und Gwenny, meine letzte Geburtstagsfeier im Kreise der Menschen, die ich liebte. Ich musste sie zurücklassen, doch immer wenn ich das Bild anschaute, fühlte es sich an, als seien sie mir nahe.
Heimweh stieg in mir auf und dann spürte ich plötzlich Nialls Hand, die nach meiner tastete. Nur diese Berührung reichte aus, um mich wissen zu lassen, warum ich hier, in dieser trostlosen Gegend verweilte und auf alle diese Menschen verzichtet hatte. Er war immer an meiner Seite, er liebte mich.
Sanft wischte er die Tränen von meinen Wangen, küsste mich zärtlich und flüsterte: „Das hängen wir nachher auf. Es passt wunderbar zu dem anderen Bild."
Ein zaghaftes Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht. „Ja, das tut es wirklich."
„Wo schlafe ich eigentlich heute Nacht?" Harrys Stimme riss mich prompt aus diesem melancholischen Augenblick und ehe ich etwas antworten konnte, gab Louis seinen Senf dazu.
„In der Scheune, bei den Huskys. Wir dachten, es wäre das Beste, damit du dich mit ihnen anfreundest."
Und wieder einmal hatte er alle Lacher auf seiner Seite. Selbst Harry beruhigte sich nur schwer. „Der war gut", japste er und wischte sich die Lachtränen aus den Augen.
„Du nächtigst natürlich in unserem Gästezimmer", klärte Eleanor ihn auf, was er mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nahm.
„Ich denke, wir sollten jetzt langsam ins Bett gehen, es ist schon spät und wir haben morgen einen ereignisreichen Tag", bemerkte Niall mit einem Blick auf die Küchenuhr, welcher über der Tür hing.
Gleichzeitig legte er seinen Arm um meine Taille.
Das stimmte durchaus, es war bereits kurz nach halb zwölf und morgen stand uns ein turbulenter Tag bevor. Kieran würde die Hauptperson sein, denn er sollte seinen Geburtstag auskosten dürfen.
Im Schlafzimmer angekommen, ließ Niall es sich jedoch nicht nehmen, das Bild aufzuhängen, bevor wir zu Bett gingen. Es wirkte wunderschön und fügte sich ebenso wie das andere Exemplar aufgrund seiner Farben perfekt in den Raum ein.
„Danke", hauchte ich meinem Mann ins Ohr.
„Bitte, gern geschehen. Ich weiß, wie sehr dein Herz daran hängt", wisperte er, während seine rechte Hand sanft durch mein langes Haar glitt.
Mit einem Blick in seine blauen Augen werfend, sagte ich: „Morgen hat unser kleiner Schatz Geburtstag, er wird schon vier, ich kann es kaum glauben, wie die Zeit vergangen ist."
„Ich auch nicht, Baby. Aber weißt du, was das Beste ist? Dass ich euch beide habe, hier, bei mir."
Wir versanken in einem tiefen Kuss, der nicht enden wollte, der zunehmend heißer und fordernder wurde. Seine Hände legten sich auf meine Hüften, packten zu, hoben mich hoch und ehe ich mich versah, befand sich mein Rücken an der Wand.
„Niall", keuchte ich erregt, als seine Lippen an meinem Hals entlangwanderten.
Ich spürte, wie sehr er mich wollte und auch ich konnte mich nicht mehr zurücknehmen.
„Immer nur das Bett ist langweilig, Baby", vernahm ich sein heiseres Flüstern, während er meinen Pulli hochschob.
Automatisch hob ich meine Arme an, damit er das Kleidungsstück über meinen Kopf ziehen konnte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Niall den Verschluss meines BHs geöffnet hatte und diesen achtlos auf den Boden warf. Im Gegenzug machte ich mir ziemlich erfolgreich am Reißverschluss seiner Jeans zu schaffen.
Innerhalb kürzester Zeit hatten wir uns vollständig entkleidet. Noch immer stand ich mit dem Rücken zur Wand, vor ihm, setzte mich seinem lüsternen und gleichzeitig liebevollen Blick aus, der eine heiße Glut in mir aufsteigen ließ.
Draußen herrschten Minusgrade, doch in mir loderte das größte Feuer aller Zeiten.
Der auffordernde Blick seiner blauen Augen drang bis zu den Tiefen meiner Seele durch, machte mich schwach und ließ mich taumeln.
Es fühlte sich an wie damals, im Black Room, als er mir das knappe Platzangebot eines Beichtstuhls demonstrierte. Er drang in mich ein, füllte mich aus und trieb mich immer weiter voran. Schwäche und Stärke, Liebe und Leidenschaft traten gleichermaßen hervor als wir uns gemeinsam dem Siedepunkt näherten.
Ich biss mir vor Verzweiflung auf die Lippen, während mein Unterleib sich immer heftiger zusammenzog, bis ich von meinen Gefühlen überschwemmt wurde.
An meiner Stirn klebte der Schweiß, als ich meinen Kopf nach vorne sinken ließ.
Tief atmete ich Nialls Geruch ein, der mich stets betörte. Sein Atmen ging rasch, seine Brust hob und senkte sich nach vollbrachter Anstrengung. Er hielt mich noch immer fest, so, als ob er mich niemals hergeben wollte.
Und genau mit diesem Gefühl in meinem Herzen schlief ich später in seinen Armen ein.
Bereits um sieben Uhr am Morgen vernahm ich das Knarren unserer Schlafzimmertür. Kieran stand plötzlich neben dem Bett und zog an der Decke.
„Mami! Papi! Aufstehen! Ich habe heute Dee – Geburtstag!", quietschte er vor Freude.
„Na dann komm mal her", murmelte Niall schlaftrunken und steckte seinen Arm aus.
Das ließ Kieran sich nicht zweimal sagen. Schnurstracks kletterte er ins Bett, um sich zwischen uns zu kuscheln.
Sanft platzierte ich einen Kuss auf seiner Stirn. „Alles Gute zum Geburtstag, mein Süßer."
Auch Niall gratulierte unserem Sohn, indem er ihn auf die Wange küsste und ihm die Glückwünsche ins Ohr flüsterte.
„Jetzt bin ich schon vier!", erklärte Kieran voller Stolz.
„Ok, und wie viele Finger sind das?", meinte Niall grinsend.
Es dauerte eine kleine Weile, ehe unser Sohn seine linke Hand hob und seine Finger dementsprechend sortierte. Den Daumen hielt er mit der rechten Hand fest, um uns die restlichen vier Finger zu zeigen.
„So viel!"
„Ja, super, Kieran! Du kannst das schon richtig toll", lobte ich ihn und auch Niall drücke seine Zufriedenheit aus, indem er ihm einen Kuss gab.
„So, Großer und jetzt stehen wir auf. Wir haben nämlich jede Menge Überraschungen für dich."
„Ja! Überraschungen!".
Kieran sprang auf dem Bett umher, als sei es ein Trampolin, zumindest so lange, bis Niall ihn einfach schnappte und ins Badezimmer verfrachtete.
Eine gute Stunde später machten wir uns auf den Weg in die Küche. Es hatte so lange gedauert, weil das Geburtstagskind sich nicht entscheiden konnte, was es anziehen wollte. Letztendlich wurde es dann doch der Supermann Pullover von Harry.
Als ich die Tür aufstieß, saßen alle um den großen Esstisch versammelt. In der Mitte stand eine riesige Torte mit vier Kerzen, die Briana gebacken hatte, außerdem lagen diverse Geschenke drum herum.
Doch Kieran hatte im ersten Moment nur Augen für seinen Patenonkel.
„Harry!", schrie er und rannte los.
„Kieran!" Harry fing ihn auf und drückte ihm einen Schmatzer auf die Wange. „Alles Gute zum Geburtstag!"
Wie auf Kommando begannen die andere zu singen, was Kieran mit offenem Mund staunen ließ. Noch niemals hatte er seinen Geburtstag mit so vielen Menschen an seiner Seite begonnen. Abgesehen davon erinnerte er sich vermutlich auch nur noch an seinen dritten Geburtstag – alles andere lag im Dunkeln. Bei mir verhielt sich das nämlich ähnlich.
Emsig packte er seine Geschenke aus, zuerst unsere, dann Harrys und dann kamen die restlichen an die Reihe. Freddie hatte ein Bild von einem Eisbären für Kieran gemalt, was unseren Sohn vor Freude jauchzen ließ.
„Das ist sooooooo schön!", sagte er.
Überhaupt brachten ihm alle Präsente Freude und Vergnügen. Harrys großer Eisbär aus Plüsch wurde ebenso bewundert wie der kleine Schneepflug. Louis, El und Briana hatten ihm einen ferngesteuerten Jeep gekauft, dessen Allradantrieb es ermöglichte, den Wagen im Schnee fahren zu lassen. Da Freddie nahezu den Gleichen besaß, würde dies mit Sicherheit sehr lustig werden.
Von Rosie und Alistair gab es neue Kleidung in Massen, was mein schlechtes Gewissen wieder an die Oberfläche kommen ließ. Sie kauften immer so viel, obwohl wir nicht miteinander verwandt waren.
Als Harry die nächsten Päckchen hervorholte und mich ernst anschaute, wusste ich, dass die Dinge von Seth, Harvey und Gwenny stammten. Jedes Jahr ließen sie Kieran etwas zukommen und jedes Mal blutete mein Herz dabei, weil sie ihn nicht sehen konnten.
Auch Gwenny hatte Kleidung besorgt, ebenso wie Seth und Harvey. Die unglaubliche Liebe und Sorgfalt mit der die drei unsern Jungen beschenkten, zeigte mir, dass sie ihn liebten, obwohl sie ihn noch niemals gesehen hatten.
Außer Seth.
Ein Stechen durchrang mein Herz, als ich an ihn dachte.
„Schau mal, Kieran, ich habe hier noch etwas für dich."
Harrys Stimme zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Als ich erkannte, was er auf den Tisch legte, zog sich mein Herzmuskel erneut schmerzhaft zusammen. Aber gleichzeitig musste ich lächeln. Den Papierflieger konnte nur Seth gebastelt haben. Seit jeher hatte er das gekonnt.
„Der ist von Seth, du erinnerst doch noch an ihn, oder?", fragte Harry, worauf Kieran begeistert nickte.
„Ich soll dir zeigen, wie man so einen Flieger aus Papier faltet, also komm her und schau zu."
Nicht nur Kieran betrachtete aufmerksam wie Harry aus einem weißen Blatt, das Briana ihm gegeben hatte, einen Flieger bastelte. Auch wir Erwachsenen und Freddie verfolgten jeden Schritt, den er vollzog und erklärte. Zum Schluss bekam Kieran beide Papierflugzeuge überreicht.
„Die sind schön!", rief er begeistert, ein Strahlen auf seinem kleinen Gesicht.
Er war so ein positives Kind, ich wollte ihm diesen Moment auf keinen Fall verderben, und obwohl ich mit den Tränen kämpfte, hielt ich diese mit aller Macht zurück.
Nialls Hand tastete unter dem Tisch nach meiner, denn mein Gemütszustand blieb ihm nicht verborgen. Diese Geste beruhigte mich ein wenig und ich schaffte es, am Tisch sitzen zu bleiben, ohne in Tränen auszubrechen.
Stattdessen beobachtete ich interessiert, wie Kieran angestrengt versuchte, einen Papierflieger nachzubauen. Harry ging ihm dabei zur Hand, sodass diese Aktion letztendlich erfolgreich abgeschlossen wurde.
„Guck mal, ich hab einen selbst gebaut!" Unser Sohn strahlte vor Glück und Stolz.
Lächelnd reichte er mir den Flieger. „Der ist für dich, Mami. Weil ich dich lieb hab. Papi bekommt den nächsten, den baue ich morgen."
Der Tag verlief ansonsten recht fröhlich und vor allem laut.
Lustig wurde es nochmals, als wir mit Alistair skypten, der ebenfalls am dreizehnten November Geburtstag hatte. Gemeinsam sangen wir ihm ein Ständchen, was er mit einem meckernden Lachen quittierte.
„Alistair, wann darf ich dich wieder in London besuchen?", stellte Kieran seine Frage, die mir prompt eine Gänsehaut bescherte.
„Das dauert leider noch, vorher komme ich bestimmt einige Male zu euch", antwortete der Mann, der alles im Griff hatte.
„Ich will aber Maggie sehen!", jammerte unser Sohn.
„Oh, das ist kein Problem, sie ist hier. Warte, ich hole sie gleich."
„Maggie, Maggie!", rief Kieran begeistert, als Alistairs Tochter auftauchte.
Er saß auf Harrys Schoß, denn Niall und ich hielten uns im Hintergrund, da es eine klare Anweisung von Alistair gab. Je weniger Leute wussten wie wir aussahen, desto sicherer bleib die ganze Sache.
Insgesamt sprach Kieran fast fünf Minuten mit Maggie und nur anhand ihrer Stimme konnte ich ausmachen, dass sie sehr sympathisch wirkte. Harry hatte es mit Sicherheit gut getroffen.
„Ich melde mich nachher noch bei dir", verabschiedete er sich mit einem strahlenden Lächeln von seiner Freundin.
Harry wirkte einfach nur süß, wenn er verliebt war und ich hoffte, dass dieses Glück auch weiterhin für ihn anhalten würde. Er verdiente es, eine liebenswerte Frau an seiner Seite zu haben. Hoffentlich sah Alistair es nicht so eng, dass seine Tochter mit einem seiner Mitarbeiter liiert war, ansonsten sah ich nämlich schwarz für Harrys Zukunft mit Maggie.
Insgesamt verbrachte Harry fünf Tage bei uns in Barrow. Als er uns verließ, verschwand auch die Sonne. Sie zeigte sich nicht mehr am Himmel und dies würde nun fünfundsechzig Tage am Stück der Fall sein.
Überaschenderweise kamen die Kinder damit am besten klar. Sie freuten sich, dass sie in der „Nacht" aufbleiben durften, denn sie besaßen nicht wirklich das Zeitgefühl der Erwachsenen.
Auch die Männer gewöhnten sich relativ rasch an den Umstand, dass es nun immer dunkel war. Briana, Eleanor und ich hatten jedoch am meisten darunter zu leiden. Immerhin gingen die beiden Frauen noch ihrem Job nach, doch für mich gab es nicht viel zu tun, womit ich den Tag hätte verbringen können. Außer kochen und Wäsche waschen, oder Briana beim Einkaufen zu begleiten.
Zudem fühlte es sich erschreckend an, wie selbstständig Kieran während der letzten Wochen geworden war. Vormittags besuchte er gemeinsam mit Freddie den Kindergarten und wenn die beiden zuhause waren, spielten sie ständig miteinander. Er brauchte meine Gesellschaft bei weitem nicht mehr so oft wie früher.
Ich vermisste die Zeit in Oceanside, als wir nachmittags zum Strand fuhren, um in den Wellen zu planschen oder ein Eis zu essen. Jetzt saß ich oftmals alleine da und wenn Briana mir nicht hin und wieder Gesellschaft leisten würde, lief ich Gefahr, in eine Depression zu verfallen.
Niall war viel öfter unterwegs als in Oceanside, sodass mir seine Anwesenheit wirklich fehlte. Oftmals kam er erst zum Abendessen nach Hause und wenn er tagsüber einmal in seinem Arbeitszimmer saß, brachte ihn so schnell nichts mehr dort weg. Predigten, Beerdigungen, Trauungen, Taufen – er musste alles alleine vorbereiten, abgesehen von den zahlreichen anderen Verpflichtungen eines Priesters.
Ich brauchte dringend eine Beschäftigung, eine Aufgabe, die mich ausfüllte und glücklich machte. Doch was sollte ich hier, an einem Ort mit viertausend Einwohnern, der in einer Eiswüste lag, tun?
Selbst meinen sportlichen Aktivitäten konnte ich nicht nachgehen. Joggen oder Walking fielen genauso flach wie der Selbstverteidigungskurs, welchen ich in Kalifornien regelmäßig besucht hatte.
Nähen und Stricken war noch nie mein Ding gewesen und ich hatte nicht vor, mir etwas aufzuzwingen, was ich hasste, nur um die Zeit totzuschlagen.
Oftmals wanderten meine Gedanken in eine Richtung, die ich noch nicht auszusprechen wagte. Ich musste mir erst sicher werden, ob ich es wirklich wollte. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto glücklicher wurde ich bei der Vorstellung daran. Vielleicht sollte ich einfach mit Niall darüber sprechen, doch dafür brauchten wir auch einen geeigneten Zeitpunkt und vor allem Ruhe. Nur diese kehrte während der nächsten Wochen nicht so schnell ein.
Die dunklen Tage zogen sich wie Kaugummi dahin und je näher es auf Weihnachten zuging, desto stärker spürte ich den beklemmenden Druck in meiner Brust.
Niall hatte jetzt besonders viel zu tun, die Vorweihnachtszeit konnte mühelos als die hektischste des ganzen Jahres beschrieben werden. Sie war es immer gewesen, doch nie zuvor fiel es mir dermaßen oft auf, wie häufig er außer Haus ging und wie viel er allgemein arbeitete.
Somit überraschte es mich positiv, als er am Samstag beim Frühstück verkündete, dass am Abend absolut nichts anstehen würde und wir die Zeit für uns nutzen konnten.
„Das passt doch prima", meinte Eleanor, „Freddie und Kieran schlafen heute sowieso bei Annun und wir drei bringen die Jungs hin. Also könnt ihr euch einen schönen Abend machen, da wir danach noch essen gehen wollten."
In der Tat stand es bereits länger in Planung, dass Kieran und Freddie an diesem Samstag bei Anuun übernachten sollten. Seit Wochen lagen sie uns damit in den Ohren und schließlich hatten wir zugestimmt. Es gab keinen Grund, dagegen zu sein, denn der Inuit achtete stets auf unsere Jungs.
Erstaunt zog Niall eine Augenbraue nach oben, während er zu Louis schaute.
„Du gehst mir zwei Frauen gleichzeitig essen, Louis? Habe ich etwas verpasst?"
Der Angesprochene lachte, als er antwortete: „Ja, Niall, es scheint so, denn um genau zu sein, gehe ich sogar mit drei Frauen essen. Aki kommt nämlich auch noch mit, weil sie heute frei hat."
Irgendwie fand ich es witzig, dass Louis der Hahn im Korb war. Sicher würde es für alle ein lustiger Abend werden.
„Na dann viel Spaß."
„Den werden wir sicher haben, genau wie ihr beiden."
Louis' süffisantes Grinsen nahm kein Ende. Seine Gedanken wanderten ganz bestimmt in eine nicht so ganz jugendfreie Richtung bezüglich unserer Aktivitäten. Und damit lag er gar nicht mal so falsch.
Allerdings ließen Niall und ich es eher langsam angehen.
Nachdem die anderen alle verschwunden waren und wir unserem Sohn bereits eine gute Nacht, sowie viel Spaß bei Anuun gewünscht hatten, setzten wir uns zunächst in die Küche.
„Lass uns was kochen, Baby", schlug Niall vor, was mich zu einem Grinsen animierte.
Es schien Ewigkeiten her zu sein, seit wir dies zum letzten Mal getan hatten. Doch Niall bewies mir, dass seine Kochkünste keineswegs abhandengekommen waren. Als sei es eine seiner leichtesten Übungen, zauberte er ein Essen für uns, welches ich noch lange in Erinnerung behalten würde.
Die Senfsoße zu dem frischen Fischfilet mundete meinem Gaumen, wie nichts, was ich jemals zuvor gekostet hatte.
„Oh mein Gott, das ist göttlich, Schatz", seufzte ich, bevor ich den letzten Bissen in den Mund schob.
„Dein Salat war auch nicht schlecht", entgegnete er verschmitzt grinsend.
„Ach komm, du musst mich nicht trösten, er konnte mit deiner Soße nicht mithalten", entgegnete ich ehrlich.
Nachdem wir die Küche aufgeräumt hatten, machten wir es uns im Wohnzimmer gemütlich. Niall schnappte seine Gitarre, spielte für mich und sang dazu. Seine Stimme verleitete mich regelmäßig zum Träumen, ich konnte nicht genug davon bekommen.
Völlig entspannt saßen wir auf dem Sofa, nachdem er das Instrument beiseitegelegt hatte, kuschelten uns aneinander und betrachteten das Feuer durch das kleine Fenster des Specksteinofens. Die Atmosphäre war heimelig und romantisch. Eigentlich wollte ich gar nicht mehr aufstehen, doch da die anderen irgendwann zurückkehren würden, hielten wir es nicht für angebracht, uns im Wohnzimmer zu entkleiden, um unseren Gefühlen freien Lauf zu lassen.
„Lass uns ins Bett gehen, Baby", flüsterte er mir ins Ohr.
Lächelnd reichte ich ihm meine Hand. „Aber gerne doch, mein Schatz."
Gemeinsam liefen wir in unseren Wohntrakt. Es fühlte sich komisch an zu wissen, dass Kieran heute Nacht nicht hier war und gerade dies machte mir erneut bewusst, dass seine Selbstständigkeit von Tag zu Tag mehr voranschritt. Eine Sache, die meine Gedanken, welche ich seit einiger Zeit mit mir herumschleppte, immer nur in eine Richtung lenkte. Und heute würde ich es Niall sagen können.
Kaum hatten wir uns im Bett niedergelassen, begannen wir uns gegenseitig zu entkleiden. Die romantische Stimmung herrschte noch immer zwischen uns, es war, als hätten wir diese aus dem Wohnzimmer mit nach oben genommen.
Ich bedachte ihn mit einem verführerischen Grinsen, als er meinen Körper in Augenschein nahm.
„Du bist noch immer wunderschön, Baby", flüsterte er.
Seine Lippen berührten die meinen, wir versanken in einem langen Kuss, der zunehmend heißer wurde.
Als er ihn unterbrach, schaute ich in seine blauen Augen. Meine Entscheidung stand fest. Ich wollte es unbedingt.
„Niall", flüsterte ich.
„Ja?"
„Lass uns noch ein Baby haben, ja?"
Sein Blick, den er mir zuwarf, wirkte ziemlich perplex, was mich total irritierte.
Bevor ich es richtig realisierte, setzte er sich auf, atmete tief durch und schmetterte mir die Worte ins Gesicht, die mich zutiefst erschütterten: „Nein, Sienna."
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Bähm! Alles, was mir zu sagen bleibt ist: Ich freue mich auf eure Kommentare!
Danke für den unglaublichen Rückmeldungen beim letzten Kapitel.
Nächstes Update: Ich hoffe am Dienstag! :)
LG, Ambi xxx
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