30. Action


♪ Wide Awake – Katy Perry


Sienna

Es fühlte sich komisch an, als Niall gemeinsam mit Louis wegfuhr. Jahre lag es zurück, dass er dies mit Liam getan hatte. Ein einziges Mal waren die beiden zum Angeln aufgebrochen und über Nacht weggeblieben. Damals hatte Sophia bei uns im Haus übernachtet, damit ich mich sicherer fühlte.

Auch heute brauchte ich mich über mangelnde Gesellschaft keineswegs zu beklagen. Eleanor und Briana hielten beide ihre Waffen schussbereit und Anuun wollte ebenfalls hier vorbeischauen um nach dem Rechten zu sehen.

Ich fühlte mich sicher, wenngleich auch einsam. Niall fehlte mir einfach.

Während der letzten Tage verbrachten wir unsere Zeit stets gemeinsam, schließlich hatten wir einiges nachzuholen. Und auch Kieran kam keineswegs zu kurz, obwohl er oft mit Freddie spielte – zumindest tagsüber.

Im Moment verweilten die beiden im Kindergarten und ich war mehr als nur gespannt, was unser Sohn zu berichten wusste, wenn er am Mittag zurückkehren würde.

Wie geplant, verbrachte ich meine freie Zeit mit Wäschewaschen, immerhin hatte sich genügend angesammelt. Da es im Haus sogar eine separate Waschküche gab, verzog ich mich dorthin, um die Kleidung wieder auf Vordermann zu bringen. Kieran musste jeden Tag umgezogen werden, da er sich ständig beschmutzte. Doch das war ich gewöhnt, es gehörte einfach dazu. Kinder mussten spielen dürfen, ob im Sand oder im Schnee, das war relativ egal.

Nachdem ich die erste Ladung angestellt hatte, suchte ich die Küche auf, um Briana zur Hand zu gehen. Eleanor drehte gerade mit dem Motorschlitten ihre Runde und fuhr die Areale ab. Sie würde erst später zu uns stoßen.

„Was wollen wir denn heute kochen?", erkundigte ich mich bei Briana.

„Keine Ahnung, wir sind ja nur zu dritt, die Jungs essen heute im Kindergarten."

„Hm, vielleicht sollten wir auch mal Essen gehen und sie danach abholen", schlug ich vor.

„Weißt du was, Sienna? Das ist eine hervorragende Idee", stimmte die Brünette mir zu.

„Ich denke, El wird nichts dagegen haben", meinte ich.

„Ganz sicher nicht. Aber vielleicht sollten wir schon mal das Lokal aussuchen, denn sie wird Kohldampf haben, wenn sie nach Hause kommt."

Zu zweit brüteten wir vor dem Laptop, als gerade ein eingehender Anruf via Skype angezeigt wurde.

„Das ist Harry", sagte Briana erfreut und nahm die Videoübertragung sogleich an.

„Hey, Harry", begrüßten wir ihn im Chor.

„Hallo ihr beiden Hübschen, geht es euch gut?"

Er lächelte so süß in die Kamera, dass mir das Herz aufging. Kierans Patenonkel war einfach ein wunderbarer Mensch.

„Ja, uns geht es gut, auch wenn wir zurzeit ohne Männer sind", beantwortete Briana seine Frage.

Erstaunt hob er seine rechte Augenbraue.

„Was? Wo treiben die sich denn herum?"

„Sie machen einen Männerausflug und wollen in einem Iglu übernachten", klärte ich ihn auf.

„Prinzipiell klingt das gut, aber ich glaube, mir wäre das zu kalt."

Er sprach uns beiden damit aus der Seele, denn auch ich konnte mir nicht vorstellen, in der Wildnis in einem Schneehaus zu nächtigen.

Harry erkundigte zunächst ob in Barrow alles ok sei, bevor er mit seinem eigentlichen Anliegen herausrückte.

„Ich wollte gerne wissen, was ich Kieran zum Geburtstag mitbringen kann."

Der Gedanke, dass Harry bald hier aufkreuzen würde, zauberte erneut ein Lächeln auf mein Gesicht. Unser Sohn würde sich riesig freuen, abgesehen von Niall und meiner Wenigkeit.

Fieberhaft überlegte ich, mit was man Kieran eine Freude machen konnte und auch, was er vielleicht dringend benötigte.

„Wie wäre es mit einem schönen, warmen Schlafanzug? Er wächst aus seinen langsam heraus."

„Mit Superman Motiv?", fragte Harry grinsend.

„Meinetwegen auch das."

„Gut, ich besorge welche, aber das ist mir zu wenig. Ich möchte ihm gerne noch etwas anderes schenken."

Seine Großzügigkeit zeigte sich immer wieder aufs Neue und gerade deshalb wären Niall und ich niemals auf den Gedanken gekommen, diese auszunutzen. Jedoch ließ Harry sich nur schwer davon abbringen, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.

„Also gut. Tu, was du nicht lassen kannst", schmunzelte ich, worauf er mir zuzwinkerte.

„Super, dass wir das so schnell klären konnten."

Im nächsten Atemzug wandte er sich an Briana. „Und wie läuft es mit Louis?"

Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie sich am liebsten jeden Moment die Haare raufen wollte.

„Na ja, vor einigen Tagen hatten wir einen schlimmen Streit", seufzte sie, „aber seitdem ist er auch irgendwie ruhig. Das ist fast schon gespenstisch. Ich glaube, Niall hat ihm ordentlich eingeheizt."

Ich kannte die Geschichte, denn mein Mann hatte sie mir selbst erzählt. Um ehrlich zu sein wunderte es mich, dass Louis nicht total ausgeflippt war und sich seitdem merkwürdig gesittet verhielt. Vielleicht dachte er wirklich über die Dinge nach, die Niall ihm an den Kopf geworfen hatte.

Nach zehn Minuten plaudern beendeten wir unser Webcam Session und verabschiedeten uns.

„Tschüss, bis zum dreizehnten November, da tauche ich nämlich auf", grinste Harry.

„Bis dann!" Wir winkten noch kurz in die Kamera, dann war er verschwunden.

„Ach, Harry ist so ein richtiger Sonnenschein", seufzte Briana.

„Das stimmt wirklich", gab ich zu.

„Wollten wir nicht ein geeignetes Lokal für unser Mittagessen aussuchen?"

Bevor ich es richtig realisierte, war Briana schon wieder im Internet aktiv.

„Schau mal, was hältst du davon?"

Sie präsentierte die Seite des Nothern Lights Restaurants, welches unter anderem asiatische Spezialitäten anbot. Da ich gerne Chinesisch aß, sagte ich: „Das klingt super."

„Fein, El mag sowas nämlich auch."

Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass es an der Zeit war, nach der Wäsche zu schauen, um die Maschine mit der nächsten Ladung zu füllen. Kaum hatte ich dies vollbracht, begab ich mich in die Küche zu Briana, die frischen Tee aufbrühte. Bei diesen Temperaturen konnte man nicht genug davon bekommen.

Wir setzten uns beide an den Tisch und begannen zu reden.

„Sag mal, findest du auch, dass ich zu streng bin, was Freddie angeht?", wollte sie wissen.

Darüber hatte ich mich bereits mit Niall unterhalten. Briana war nicht streng, sondern eher vorsichtig, manchmal ein bisschen zu sehr, denn Freddie war schließlich nicht aus Zucker. Sie bekam schon einen Anfall, wenn er im Schnee hinfiel, was weiß Gott nichts Schlimmes war. Er konnte sich dabei nicht wehtun und sonderlich schmutzig wurde die Kleidung auch nicht, nur nass.

Bei Kieran waren diese Dinge an der Tagesordnung, doch ich nahm das eher locker. Vielleicht sollte Briana das auch tun.

„Weißt du", antwortete ich, „streng würde ich das nicht nennen, aber lass ihn einfach mal tun, was er möchte. Hier auf dem Grundstück kann ja nicht viel passieren. Außerdem hat immer einer von uns ein Auge auf die Jungs."

Nachdenklich nippte sie an ihrem heißen Tee, bevor sie antwortete: „Vielleicht hast du Recht."

Mit einem Seufzen fügte sie noch hinzu: „Ach, ich bewundere Niall und dich. Ihr kriegt das einfach wunderbar hin. Du hast einen tollen Mann, Sienna."

„Ich weiß." Mein Grinsen wurde ziemlich breit. In all den Jahren hatte ich es nicht bereut, mich für Niall entschieden zu haben. Obwohl unser Leben nicht gerade einfach war, gab er mir stets Halt und Zuversicht. Selbst hier in der Eiswüste fühlte ich mich in seiner Gegenwart sicher und geborgen.

Die Tür flog auf und Eleanor kam in die Küche gestürmt. Das lange, braune Haar leicht verstrubbelt und mit blitzenden Augen sprudelte sie hervor: „Ich sterbe vor Hunger!"

Sofort brachen Briana und ich in lautes Gelächter aus.

„Da können wir Abhilfe schaffen", meinte ich, „wir fahren jetzt chinesisch Essen."

Da El absolut nichts dagegen einzuwenden hatte, zogen wir uns warme Kleidung an, bevor wir zum Wagen liefen, der vor der Garage stand.

Briana fuhr wirklich ausgezeichnet, ich hätte mich nicht so ohne weiteres getraut, das Auto durch diese Schneemassen zu manövrieren. Wie El auch, liebäugelte ich eher mit einem Motorschlitten. Die Dinger wirkten stabil und wie für den Schnee gemacht. Doch man konnte nicht wirklich Einkäufe mit ihnen transportieren, geschweige denn, war es möglich, Kieran dort mitzunehmen. Aber falls ich irgendwann in die Verlegenheit kommen würde, kleine Besorgungen in Barrow machen zu müssen, wollte ich auf jeden Fall mit solch einem Gefährt durch die Gegend düsen.

Im Restaurant angekommen, suchten wir drei Plätze und ließen uns kurz darauf das Essen munden. Es schmeckte himmlisch, besser hätte man es wirklich nicht erwarten können.

Eleanor berichtete über ihren Rund Trip und dass es keine Auffälligkeiten geben würde. Weder Fremde, noch irgendwelche Vorkommnisse, die Anlass zur Befürchtung gaben, dass sie Mafia uns hier aufgespürt hatte.

Halbwegs beruhigt verließen wir das Restaurant, um direkt zum Kindergarten zu fahren.

Dort wurden wir sofort von Kieran und Freddie in Beschlag genommen. Insbesondere Kieran plapperte wie ein Wasserfall.

„Das war soooo schön, Mami! Ich will da wieder hin! Freddie hat desadt-."

„Gesagt", verbesserte Brianas Sohn sofort.

Kieran schaute ihn an, holte tief Luft und wiederholte seine Worte.

„Freddie hat geeesaaagt, dass ich wieder mitkommen soll."

Er sprach tatsächlich das G aus, was mir ein Schmunzeln entlockte.

„Wirklich? Und möchtest du auch wieder mit?", lautete meine Frage.

„Jaaa! Ich will! Es ist schön dort! So viele Kinder und die spielen alle mit mir und Freddie."

Seine Begeisterung kannte keine Grenzen, weshalb es ihm momentan auch nicht in den Sinn kam, nach Niall zu fragen. Erst, als wir das Haus erreichten und er die Hunde vermisste, wurde ihm bewusst, dass sein Vater heute nicht hier war.

„Mami? Wann kommt Papi wieder?"

Seine großen, blauen Augen schauten erwartungsvoll zu mir.

„Morgen, Kieran. Einmal schlafen, dann ist er wieder da."

Unser Sohn seufzte kurz, dann sagte er: „Und wer spielt jetzt mit mir im Schnee?"

„Ich!", rief Freddie sofort, worauf wir alle lachen mussten.

„Nachher dürft ich raus, aber jetzt gibt es erstmal Kakao", meinte ich lächelnd.

Damit waren die beiden durchaus einverstanden.

Wie üblich gab es wie jeden Tag nachmittags Kaffee, Tee, Kakao und Kuchen. Heute glänzten Kieran und auch Freddie durch einen besonders guten Appetit, was vielleicht auch an Brianas selbstgebackenem Apfelkuchen lag.

Während wir lachend und schwatzend am Tisch saßen, kündigte sich plötzlich Besuch an. Aki fuhr mit einem silbernen Motorschlitten auf unser Grundstück und parkte direkt vor dem Küchenfenster.

Wir winkten ihr zu, was sie als Aufforderung nahm, das Haus zu betreten.

„Hey, Leute, mein Dad hat mir aufgetragen, nach euch zu schauen. Er ist noch unterwegs und kommt erst spät zurück", begrüßte sie uns.

Aki besaß eine ebenso angenehme Ausstrahlung wie ihr Vater Anuun.

„Komm, setz dich zu uns", forderte ich sie auf, während Briana ihr sofort einen Teller mit Apfelkuchen hinschob.

Eleanor schenkte ihr Tee ein und die beiden Jungs grinsten Aki verschmitzt an.

„Dürfen wir jetzt spielen gehen?", wollte Freddie wissen.

„Draußen, im Schnee", setzte Kieran hinzu.

Als ich Brianas zweifelnden Blick bemerkte, sah ich mich gezwungen, die Entscheidung zu treffen.

„Ja, ihr dürft, aber bitte bleibt hier auf dem Grundstück. Ihr geht nicht weiter, als bis zur Scheune, ok?"

„Ja", erwiderten beide synchron, bevor sie aufsprangen, um in den Flur zu laufen.

Briana folgten ihnen, um sich zu vergewissern, dass sie auch ordnungsgemäß gekleidet waren.

Mütze, Schal und Handschuhe waren ebenso unerlässlich wie Boots und Parka. Vom Küchenfenster aus hatten wir die Jungs sogar ganz gut im Blick, was einigermaßen beruhigte. Hin und wieder warf ich einen Blick nach draußen, um mich darüber zu amüsieren, wie sie einen kleinen Schneemann bauten.

Es war schön mitanzusehen, dass es keine Feindseligkeiten zwischen den beiden gab. Freddie verhielt sich Kieran gegenüber wie ein großer Bruder, der auf seinen kleinen achtete. Und Kieran konnte es nicht schaden, ein wenig selbstständiger zu werden.

Binnen kürzester Zeit waren wir jedoch in ein interessantes Gespräch vertieft, welches mich, Eleanor und auch Briana total ablenkte. Aki zeigte uns Bilder von der Gegend um Fairbanks und auch von Anchorage. Diese Orte wollte ich unbedingt besuchen, die Frage war nur, wann Niall Zeit haben würde. Schon in wenigen Tagen trat er sein Amt als katholischer Pfarrer an.

Nachträglich hätte ich Louis dafür noch immer eins reinwürgen können, aber ich änderte dadurch nichts, im Gegenteil.

Um mich von diesen Gedanken abzulenken, sprach ich Aki an.

„Erzähl uns von Anchorage. Kommst du öfter dorthin?"

„Ja, eigentlich regelmäßig, denn mein älterer Bruder arbeitet dort als Arzt in einem Krankenhaus. Hin und wieder besuche ich ihn zusammen mit meinem Dad, manchmal auch alleine. Wir haben ein sehr gute Verhältnis und er fehlt mir hier."

Ein Schatten glitt über mein Gesicht. Jedes ihrer Worte bohrte sich in mein Herz, denn ich vermisste Seth unendlich. Seit ich wusste, dass er Kieran gesehen hatte, bekam ich den Gedanken, ihn eines Tages wieder umarmen zu dürfen, nicht mehr aus meinem Kopf.

Melancholie vermischt mit Traurigkeit ergriff von meinem Herzen Besitz und in dieser Sekunde wünschte ich mir, mich einfach an Nialls Schulter anlehnen zu können. Doch er war nicht hier. Ich musste sogar diese Nacht ohne ihn verbringen, eine wirklich komische Vorstellung.

Mit einem kleinen Seufzen blickte ich nach draußen, um nach den Jungs zu schauen. Doch ich konnte sie nirgends entdecken. Unruhig erhob ich mich von der Eckbank, ließ meinen Blick über das Grundstück schweifen, jedoch ohne Erfolg.

„Briana, ich kann die Jungs nicht mehr sehen."

„Was?"

Sofort war sie auf den Beinen und verließ mit mir die Küche. Schon im Korridor erblickten wir Schneespuren und die Haustür stand sperrangelweit offen. Die kleinen Fußspuren führten ganz klar in Richtung Wohnzimmer und demnach machte es Sinn, dort zuerst nachzuschauen.

Der Anblick, der sich uns dort bot, bewirkte allerdings, dass ich mir ein heftiges Lachen verkneifen musste.

Kieran und Freddie bauten hingebungsvoll an einer großen Schneeburg. Diese stand zwischen Tür und Couchtisch und wurde gerade um ein Stockwerk erweitert. Wie versteinert stand Briana neben mir und als ich merkte, dass sie im Begriff war, ein Donnerwetter loslassen zu wollen, schritt ich ein.

„Lass sie", flüsterte ich ihr ins Ohr, „es sind Kinder und ich möchte hören und sehen, was sie jetzt tun."

Ein wenig ungläubig schaute sie mich an, fügte sich jedoch meiner Anweisung. Gebannt starrten wir auf die skurrile Szene, die sich gerade vor unseren Augen abspielte.

„Du musst den Schnee fester randrücken", forderte Freddie meinen Sohn auf, worauf dieser sich die allergrößte Mühe gab.

„Ist es so besser?"

„Ja, so hält es. Aber wir brauchen noch einen Eimer Schnee. Wir müssen noch die Türme für die Prinzessin bauen!"

Neben Freddie stand ein kleiner Eimer, dessen Schneevorräte langsam zu Ende gingen. Eine Handvoll befand sich noch darin und diese Menge verwendete Freddie nun, um den einen Turm zu beginnen.

„So, jetzt müssen wir wieder raus", stellte er fest.

„Ja, und wenn alles fertid ist-."

„Es heißt fertig, Kieran und nicht fertid, versuche es mal."

Mein Sohn holte tief Luft und wiederholte seine vorangegangen Worte.

„Wenn alles fertig ist, dann zeigen wir es unseren Mamis!"

Begeistert nickte Freddie, schnappte sich den Eimer und drehte sich um.

Seine Augen wurden groß und rund, als er uns plötzlich erblickte.

„Mami! Sienna!", stieß er völlig verdattert hervor.

Lässig kreuzte ich die Arme vor meiner Brust, um dann zu fragen. „Na, habt ihr Spaß?"

„Ja!" Beide nickten voller Begeisterung.

„Aber wir sind doch noch gar nicht fertig, ihr müsst wieder gehen!", lauteten Kierans deutliche Worte.

Nun wurde es allerdings Zeit einzugreifen, bevor das Wohnzimmer in einen kleinen Swimmingpool verwandelt wurde.

„Freddie, Kieran, sowas tut man nicht!", kam es von Briana, doch ich kaufte ihr sofort den Schneid ab.

„Ihr könnt keine Schneeburg im Wohnzimmer bauen, denn sie schmilzt hier drinnen, weil es zu warm ist", versuchte ich zu erklären.

Dass sie bereits die ersten Pfützen auf dem Boden bildeten, erkannten sogar die beiden kleinen Racker.

„Oh", machte Kieran, während Freddie sich die Hand vor den Mund hielt.

„Wir müssen das so schnell wie möglich wegräumen", sagte Briana mit Nachdruck in ihrer Stimme.

„Ja, aber vorher mache ich ein Foto davon."

Zu gerne wollte ich Niall zeigen, was unser Sohn während seiner Abwesenheit fabrizierte. Er würde sich köstlich amüsieren, das wusste ich.

Anschließend holten wir mehrere große Eimer, in welche wir den Schnee füllten. Da Eleanor und Aki inzwischen ebenfalls ins Wohnzimmer gekommen waren, teilten wir die Arbeit unter uns auf. Sogar die Jungs halfen die Reste ihrer Schneeburg zu beseitigen und versprachen, in Zukunft nur noch draußen ihren Bautätigkeiten nachzukommen.

Alles in allem war es ein gelungener Nachmittag und als Briana und ich abends kurzzeitig alleine in der Küche standen, suchte sie erneut das Gespräch mit mir.

„Ich bewundere dich, wie du so ruhig bleiben kannst, Sienna. Vorhin wäre ich echt beinahe ausgerastet, als ich diese Schneeburg im Wohnzimmer sah."

Lächelnd legte ich einen Arm um ihre Schulter.

„Weißt du", sagte ich, „es sind nun mal Kinder. Oft wissen sie nicht, was sie da eigentlich tun. Aber ich habe es ihnen vernünftig erklärt und somit sollte das nicht wieder vorkommen. Du solltest bei diesen Dingen einfach ein wenig entspannter bleiben."

Sie seufzte laut.

„Ich weiß und genau deswegen gerate ich ständig mit Louis' aneinander. Ich sehe es zu eng und er sieht es zu locker."

Das Gespräch mit Niall im Hinterkopf, antwortete ich: „Ihr werdet schon einen Mittelweg finden, da bin ich mir sicher."

Bevor sie etwas antworten konnte, betrat Eleanor die Küche.

„Sienna, da ist jemand, der dich sprechen möchte. Geh mal bitte ins Büro."

Schnurstraks suchte ich den Raum auf und nahm meinen Platz vor dem aufgeklappten Laptop ein.

„Hey, Sienna."

„Hey, Liam."

Es tat gut, ihn zu sehen und noch besser mit ihm zu sprechen. Sophia tauchte nun ebenfalls in meinem Blickfeld auf, sodass wir die Unterhaltung zu dritt führten.

„Wir sind gerade dabei, die letzten Reste aus eurem ehemaligen Haus in Oceanside verschwinden zu lassen", klärte Liam mich auf. „Und wir wollten gerne wissen, ob es noch irgendetwas Spezielles gibt, das euch beiden am Herzen liegt."

„Nur die Gitarre und das Bild von Thomas Fabry", erwiderte ich wehmütig.

Offensichtlich trauerte ich Südkalifornien mit seinem milden Klima gewaltig hinterher.

„Ok, das haben wir bereits vermerkt aber wir dürfen es nicht von hier aus direkt zu euch schicken. Alistair hat dies aus Sicherheitsgründen verboten. Ihr werdet also noch ein wenig auf diese Dinge warten müssen."

„Das ist mir schon klar", erwiderte ich, worauf Sophia meinte: „Nicht traurig sein, Sienna, die Sachen kommen schon sehr bald."

„Leider können wir euren Black Room nicht einpacken und nach Barrow senden", scherzte Liam.

Prompt musste ich lachen. „Das wäre was, Niall und ich vermissen ihn schon."

Dies entsprach durchaus der Wahrheit und Liams süffisantes Grinsen ließ mich wissen, dass er sich darüber vollkommen im Klaren war.

„Tja, vielleicht findet ihr in dem großen Haus einen Platz, er sich dahingehend umfunktionieren lässt", sprach er lässig und drehte sich auf dem Schreibtischstuhl.

Er musste sich in Nialls ehemaligem Büro befinden, das erkannte ich an der Farbe der Wände. All dies erinnerte mich an eine unbeschwerte Zeit – sie würde nie wieder zurückkehren.

„Sienna, kann ich noch kurz mit dir alleine reden?" Sophia unterbrach mit dieser Frage meine trüben Gedankengänge.

„Ja, natürlich."

Nachdem Liam sich aus dem Zimmer entfernt hatte – ich hörte deutlich die Tür quietschen - trug sie mir ihr Anliegen vor.

„Stell dir vor, er hat mich immer noch nicht gefragt."

Ich wusste genau, worauf sie hinauswollte. Es ging ums Heiraten.

„Nun ja, lass ihm einfach Zeit, vermutlich kam es für ihn sehr überraschend."

„Für mich war es nicht minder unverhofft", entgegnete die hübsche Brünette.

„Ich weiß, aber ihr solltet nichts überstürzen."

„Ich trage bereits seinen Namen, was wäre so schlimm daran, es offiziell zu machen?", erklang ihre erregte Stimme durch die Lautsprecher des Laptops.

„Was wäre so schlimm daran, noch ein wenig zu warten? Vielleicht möchte Liam alles zuhause in Ruhe regeln und dazu gehört auch ein Antrag", beschwichtigte ich sie. „Außerdem, Niall hat mir nie einen gemacht, wir mussten heiraten, weil Alistair es so beschlossen hatte."

Noch immer erinnerte ich mich an diesen besonderen Tag, der mein Leben nachhaltig veränderte. Ich nahm den Namen eines Mannes an, dessen Existenz aus dem Boden gestampft wurde. Aber der springende Punkt war, dass ich ihn liebte, was alles andere nebensächlich werden ließ. Selbst dieser Antrag bedeutete im Vergleich zu dem, was wir beide aufgeben mussten, rein gar nichts.

So erklärte ich es Sophia auch, die daraufhin etwas nachdenklicher wurde.

„Gut Ding will Weile haben, Soph und ihr habt alle Zeit der Welt. Niall und ich hatten sie nicht."

„Vermutlich hast du Recht, Sienna."

Ihr kleines Lächeln kam von Herzen, ich vermisste auch dieses, genauso wie unsere Gespräche in Oceanside.

Mein Leben änderte sich manchmal so schnell, dass ich es selbst kaum begreifen konnte. Andere Orte, andere Menschen um mich herum und ständig der Gedanke, dass dies vielleicht nicht der letzte Umzug gewesen sein könnte.

Als ich mich an diesem Abend ins Bett begab, lag ich noch eine ganze Weile wach. Der Platz neben mir war leer und das störte mich gewaltig. Doch ich schlief irgendwann ein, weil ich müde wurde und darauf hoffend, dass der nächste Morgen schnell herannahte.

Es war ein Uhr nachts, als ich plötzlich durch ein komisches Geräusch hochschreckte. Alarmiert stieg ich aus dem Bett, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Bildete ich es mir nur ein, oder konnte man tatsächlich einen Schatten erkennen, der an Haustür entlang huschte?

Mit klopfendem Herzen und auf leisen Sohlen schlich ich aus dem Zimmer, durch den Flur, in den Haupttrakt. Auf dem Weg dorthin fiel ich beinahe über Freddies kleinen Eishockeyschläger, den er vergessen hatte wegzuräumen. Das kam mir nun sehr gelegen, denn ich hatte nicht vor, mich ohne Gegenwehr niedermetzeln zu lassen.

Bis zu Brianas und Eleanor Zimmer waren es noch einige Meter, als der Schatten im Korridor, der durch den Mond ein wenig erhellt wurde, auftauchte. Er schien sich fast lautlos zu bewegen und anhand der Silhouette konnte ich erkenne, dass es sich um einen Mann handelte.

Bevor er mir zu nahe kommen konnte, sprang ich aus meiner Deckung heraus und schlug einfach zu.

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Doppelter Cliffhanger, der alte noch nicht aufgelöst und einen neuen produziert. Aber soll ich euch etwas verraten? Beide werden im nächsten Kapitel gelöst. Ich hoffe trotzdem, dass es euch gefallen hat.

Das nächste Update kommt Dienstag oder Mittwoch - je nachdem wie ich Zeit habe.

Danke für eure lieben Kommentare, die ihr immer hinterlasst.

LG, Ambi xxx

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