26. Emotions
♪ More than a feeling - Boston
Sienna
Lautes Geheul weckte mich am frühen Morgen, es klang wie ein Wolfsrudel. Schlaftrunken drehte ich mich zu Niall, der sich wohl noch im Reich der Träume befand.
Dahingehend schien ich mich allerdings zu täuschen. „Die Hunde", murmelte er plötzlich mit geschlossenen Augen.
Grinsend hauchte ich einen Kuss auf seine Lippen, worauf er unendlich langsam seine Lider aufschlug.
„Alles klar, Baby?", fragte er.
Seufzend richtete ich mich auf.
„Ich weiß nicht. Ich wünschte, man würde uns hinsichtlich des Unbekannten etwas sagen."
Gestern Abend war Louis mit der vollen Wahrheit herausgerückt. Er erzählte uns, dass sich ein fremder Mann in der Gegend um Barrow herumtrieb. Man wüsste nicht, um wen es sich handelte und woher er käme.
Dies war jedoch nicht das Schlimmste, sondern die Tatsache, dass Alistair unseren Sohn so lange in London behalten würde, bis man die Identität des Fremden überprüft hatte.
Verständlicherweise machte mir das sehr zu schaffen. Ich wollte endlich mein Kind wieder sehen, ihn in meinen Armen halten, knuddeln und küssen. Kieran fehlte mir unendlich.
Und doch gelang es Niall immer wieder, meine Gedanken zu zerstreuen. Auch am heutigen Morgen.
„Es ist noch so früh", wisperte er, „komm zu mir, Baby."
„Die anderen werden sich bestimmt schon das Frühstück einverleiben."
Mit angezogenen Beinen im Bett sitzend, musterte ich ihn, wobei mir sein schelmisches Grinsen nicht entging.
„Na und? Dann frühstücken wir eben nachher alleine, das ist sowieso viel privater, oder?"
Nach diesem Satz setzte er sich auf und begann sanfte Küsse auf meinem Schulterblatt zu verteilen. Sein heißer Atem streifte meine Haut und plötzlich war es viel wärmer im Raum.
„Niall", schnurrte ich wie eine Katze, „ich muss erst meine Blase entleeren, sonst gibt es hier eine Katastrophe."
Ich hatte nicht mit seinem morgendlichen Elan gerechnet, denn ehe ich mich versah, packte er mich, hob mich hoch und marschierte ins Bad. Dort verschloss er die Tür und blieb mit gekreuzten Armen davor stehen, nachdem er mich auf dem Boden abgesetzt hatte.
Eigentlich konnte ich mir denken, worauf dies hinauslief. Wir würden das rosa Badezimmer einweihen. Prinzipiell hatte ich nichts dagegen einzuwenden, denn Räume wie Wohnzimmer und Küche schieden momentan definitiv aus, um den Sex zu praktizieren. Uns blieben nur das Schlafzimmer, das Bad und vielleicht noch Nialls Büro.
Um ehrlich zu sein vermisste ich unseren Black Room in Oceanside gewaltig. Auch wenn wir diesen nicht jedes Mal genutzt hatten, so war er doch eine willkommene Abwechslung gewesen.
Hier in Barrow herrschten andere Sitten und Gegebenheiten. Doch damit mussten wir beide klarkommen, ob wir wollten oder nicht.
Als das warme Wasser auf unsere Körper niederprasselte, entspannte ich mich vollkommen. Nialls Hände taten ein Übriges, damit ich mich innerlich komplett fallen lassen konnte.
Meine Lippen saugten sich an seinem Hals fest, während er mich gegen die geflieste Duschwand drückte. Der sanfte Druck seiner Hände wurde fester, als diese auf meinen Hüften lagen. Gleich würde er mich hochheben, das spürte ich. Doch ich hatte andere Pläne.
Bevor Niall etwas tun konnte, hielt ich seine Hände fest und ging langsam vor ihm auf die Knie. Dabei ließ ich sein Gesicht nicht aus den Augen. Grinsend schaute er auf mich herab und leckte sich kurz über die Lippen.
„Hast du Appetit, Baby?", fragte er anzüglich.
„Und wie ich den habe. Vor allem auf harte Sachen, die in meinem Mund explodieren."
Vorsichtig umfassten meine Finger seine Erektion, die bereits eine anschauliche Größe erreicht hatte. Doch ich wusste, da ging noch was. Meine Lippen berührten sozusagen die Spitze des Eisbergs, brachten ihn zum Stöhnen und sorgten dafür, dass er härter wurde.
Gekonnt setze ich meine Zunge ein, umkreiste die Spitze und schmeckte den ersten kleinen Lusttropfen, der herausquoll. Doch ich musste mich anstrengen, um in den vollen Genuss zu kommen. Niall ließ sich nicht so einfach aus der Reserve locken, er stellte Ansprüche, genau wie ich. Vielleicht wurde unser Sexleben deshalb nicht langweilig. Zudem waren wir gerade einige Zeit getrennt gewesen, was mit Sicherheit dazu beitrug, dass wir unsere Finger kaum voneinander lassen konnten.
Langsam schloss ich meine Augen und widmete mich mit aller Hingabe der immer größer werdenden Erektion.
Sein Stöhnen wurde lauter, erregter, was mich anspornte alles zu geben. Er verdiente es und ich liebte ihn.
„B-Baby."
Die Art wie er es aussprach ließ mich wissen, dass es gleich passieren würde. Mein Herz klopfte schneller und mit jeder Sekunde die verstrich, spürte ich seinen Drang, alles herauszulassen.
Seine Finger gruben sich in meine Schultern, packten zu und dann nahte der Moment der vollkommenen Erlösung. Er stöhnte und ich schluckte – meine erste Mahlzeit am frühen Morgen.
Noch immer prasselte das warme Wasser auf unsere Körper hinab. Genüsslich fuhr ich mit der Zunge über meine Lippen und hob dann den Kopf. Nialls Blick verriet mir, dass er mir jetzt etwas Gutes tun wollte und davon war ich ganz gewiss nicht abgeneigt.
„Baby", vernahm ich sein Flüstern, „komm hoch."
Ich spürte die Lust in mir aufsteigen, als er mich berührte. Ich wollte ihn hier und jetzt, doch das plötzliche, laute Klopfen an der Badezimmertür ließ uns beide augenblicklich zusammenfahren.
„Niall! Sienna! Seid ihr da drin? Wir müssen euch etwas Wichtiges sagen!"
Es war Eleanors Stimme, die unsere traute Zweisamkeit zerstörte.
„Fuck, doch nicht jetzt", zischte Niall leise. „Ich wollte..."
„Du wolltest mich gegen die Duschwand nageln", wisperte ich ihm ins Ohr.
„Das auch." Er grinste breit, bevor er El eine Antwort erteilte. „Wir kommen gleich, gib uns noch ein paar Minuten, ok?"
„Ok", kam es zurück.
Seufzend ließ ich meinen Kopf auf seine Brust sinken.
„Es tut mir leid, Baby, ich mach's heute Abend wieder gut", wisperte er und küsste mich anschließend im Nacken.
„Schon ok, du kannst ja nichts dafür."
Niall stellte das Wasser ab und als wir aus der Dusche stiegen, ließ er noch einen Satz los, der mich zum Lachen brachte.
„Vielleicht sollten wir nachher alle aus dem Haus verbannen, damit ich dich in der Küche vernaschen kann."
Den Gedanken daran fand ich zwar äußerst reizvoll, doch ich wusste ebenso gut wie er, dass sich dies vermutlich nicht in die Tat umsetzen ließ.
Alle Augen waren auf uns gerichtet, als wir später die Küche betraten. Zu meinem Erstaunen saß Anuun ebenfalls am Esstisch. Ich mochte den Inuit, er strahlte Ruhe, Gelassenheit und Freundlichkeit aus; Eigenschaften, die meiner Ansicht nach sehr wichtig waren.
Nachdem wir uns alle einen guten Morgen gewünscht hatten, nahmen Niall und ich unsere Plätze ein.
Da Freddie sich bereits im Kindergarten befand und Briana schon wieder zurückgekehrt war, wurde mir bewusst, wie spät es eigentlich sein musste. Verstohlen warf ich einen Blick auf meine Armbanduhr und holte innerlich tief Luft, als ich feststellte, dass diese neun Uhr anzeigte.
Verdammt, Niall und ich hatten wirklich jede Menge Zeit unter der Dusche verbracht.
„Da nun alle anwesend sind, können wir ja beginnen", sprach Louis.
Äußerst gespannt darauf, was er Wichtiges mitzuteilen hatte, hörte ich aufmerksam zu.
Doch zu meiner Überraschung überließ Louis Anuun das Wort.
„Der Unbekannte, der sich seit einigen Tagen hier in der Gegend herumtreibt, wurde gestern in Barrow, in einer Kneipe gesichtet. Laut Aussagen der Leute sprach er zwar Englisch, jedoch mit Akzent. Allerdings meinten sie, dass er nicht wie ein Kolumbianer ausgesehen hätte. Ich werde ihn weiterhin beobachten und versuchen, näher an ihn heranzukommen."
Teils klang diese beruhigend, teils jedoch nicht. Selbst dass es sich bei diesem Fremden nicht um einen Kolumbianer handelte, schloss noch lange nicht aus, dass er nur gute Absichten verfolgte.
Seufzend griff ich nach Nialls Hand, der beruhigend mit dem Daumen über meinen Handrücken streichelte.
„Es tut mir leid, dass ich noch keine besseren Auskünfte habe."
Fast schon entschuldigend kamen die Worte aus Anuuns Mund, dabei hatte er wirklich keinen Grund, sich etwas vorzuwerfen.
„Das ist schon ok", meldete sich Niall zu Wort, „wir können damit umgehen."
„Vor allem lebt ihr zurzeit in dem bestgeschützten Gebäude Barrows", ließ Louis nonchalant einfließen. Im selben Atemzug wandte er sich an Briana.
„Ich hätte gerne noch etwas Tee, die Kanne ist leer."
Mir lag es auf der Zunge ihm zu sagen, dass er zwei gesunde Füße und Hände besaß und demnach alleine in der Lage dazu sein sollte, für Nachschub zu sorgen. Doch ich verkniff es mir tunlichst, zumal Briana sich sofort erhob und in die Runde fragte: „Ist noch jemand da, der Tee möchte?"
Was zum Teufel sahen alle in ihr? Das Dienstmädchen?
Wortlos erhob ich mich und folgte Briana, die sich sogleich daran machte, frischen Tee aufzubrühen, denn fast alle hatten die Hände erhoben.
„Danke, das ist lieb von dir, Sienna." Freundlich lächelte sie mich an, als ich ihr zur Hand ging.
„Das ist ja wohl selbstverständlich", erwiderte ich ebenso lächelnd.
„Du brauchst mir aber nicht zu helfen, das weißt du?"
„Ich möchte es aber, außerdem fällt mir dabei kein Zacken aus meiner imaginären Krone", entgegnete ich lässig, worauf Briana kurz lachte.
Ich hatte laut genug gesprochen, dass es alle hören konnten, auch Louis, der sich auf seinem Stuhl lümmelte und total konzentriert auf das Display seines Handys schaute. Mein Sarkasmus schien an ihm abzuprallen, er musste ein unglaublich dickes Fell haben.
Es ärgerte mich ein wenig, dass er so gar nicht auf meine Bemerkungen ansprang, aber richtig provozieren wollte ich ihn auch nicht. Immerhin sorgte er für unsere Sicherheit und schien in seinem Job durchaus kompetent zu sein.
Erst gestern hatte Niall mir nochmals zu verstehen gegeben, wie sehr er Louis vertraute. Aber ich konnte bei derartigen Betrachtungsweisen die menschliche Seite nicht völlig außer Acht lassen.
Sein Verhalten, das er Briana gegenüber an den Tag legte, missfiel mir gewaltig. Wie konnte ein Mann eine Frau, mit welcher er ein Kind zusammen hatte, nur so behandeln?
Direkt nach dem Frühstück verabschiedete sich Anuun mit dem Versprechen, sich zu melden, sobald es Neuigkeiten gab.
Niall und ich beratschlagten, wie wir den Tag verbringen sollten. Louis gab uns kein grünes Licht, nach Barrow zu fahren, da der Fremde sich dort herumtrieb. Ich konnte dies durchaus nachvollziehen und deshalb beschloss ich, Briana im Haushalt zur Hand zu gehen. Dort gab es schließlich genügend zu tun.
Niall hingegen verzog sich mit Louis nach draußen. Sie besuchten die Hunde, welche im Schnee vor der Scheune lagen. Ihr freudiges Geheul war bis ins Haus zu vernehmen. Im Gegensatz zu Briana, die zusammenzuckte, bereitete mir dies keine Gänsehaut.
Während wir Bohnen schnippelten, begannen wir ein Gespräch.
„Sag mal, macht es dir nichts aus, wenn Louis dich so behandelt?", konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen. „Er hätte sich seinen Tee doch aus selbst zubereiten können."
Seine Verhaltensweise empörte mich noch immer, doch Briana lachte nur.
„Das mit dem Tee stört mich überhaupt nicht, Sienna, aber wo ich wirklich ausrasten könnte ist, wenn er seine Boots nicht auszieht und so den ganzen Schnee im Haus verteilt."
„Das kann ich nachvollziehen."
Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sich mich über alles aufgeklärt hatte. Ihren One Night Stand aus dem Freddie entstanden war, Eleanor seine Ex-Freundin, mit der er sich wieder blendend verstand und sein Drang, Briana ständig zu provozieren.
Mir platzte fast der Kragen, als ich hörte, dass er die Huskys absichtlich mit ins Haus genommen hatte, obwohl er wusste, welch große Angst Briana diese Tiere einflößten.
Wir waren noch nicht ganz fertig mit unserem Gespräch, als Eleanor in der Küche auftauchte. Ohne einen Ton zu sagen, griff sie nach einem Messer und half beim Bohnenschnippeln.
„Bist du schon fertig mit deiner Arbeit?", erkundigte sich Briana erstaunt.
„Nein, aber ich brauche mal eine kurze Pause."
Es gefiel mir, dass sie diese nutzte, um Briana zur Hand zu gehen. Das machte sie sehr sympathisch.
„Hast du dich schon ein wenig hier eingelebt? Es muss total ungewohnt sein, vom warmen Kalifornien in das kalte Alaska zu kommen", richtete sie ihre Worte an mich.
„Das ist es allerdings."
Ehe wir uns versahen, war ein lockeres Gespräch im Gange, wobei ich feststellte, dass man mit Eleanor genauso gut reden konnte wie mit Briana. Sie schien ein sehr kumpelhafter Typ zu sein und anders als ihre Kollegin fürchtete sie sich weder vor den Hunden, noch vor den Motorschlitten.
„Nachher fahre ich wieder meine Route ab", erzählte sie, „aber erst nach dem Mittagessen. Anuun ist gerade mit Liam und Sophia unterwegs. Sie beschatten diesen Unbekannten."
Entgegen aller Befürchtungen verging der Tag doch relativ schnell. Nachmittags war Freddie wieder zugegen und hielt uns auf Trab. Ich genoss es, mit ihm zusammen zu sein, obwohl er mir hin und wieder bewusst machte, wie sehr ich Kieran vermisste.
Noch wussten wir nicht, wann er nach Barrow kommen würde und dies machte mir sehr zu schaffen.
Drei Tag mussten wir warten, bis Anuun mit der Neuigkeit herausrückte, dass der Fremde, bei dem ich sich wohl um einen Geschäftsmann handelte, die Gegend verlassen hätte. Erst dann gab Alistair sein Ok für Kierans Reise.
Er teilte uns seine Entscheidung vormittags mit, als wir alle gemeinsam im Wohnzimmer saßen. Eleanors Laptop stand auf dem kleinen Tisch, sodass wir die Skype Unterhaltung problemlos verfolgen konnten.
Ich freute mich, Alistair zu sehen und direkt mit ihm sprechen zu können. Er versicherte Niall und mir, dass es Kieran gut ging und dieser schon schlafen würde. In London war es bereits acht Uhr abends. Immer wieder vergaß ich die große Zeitverschiebung, die zwischen den Kontinenten herrschte. Immerhin gelang es mir mittlerweile die Wochentage nicht mehr durcheinander zu bringen, was während unserer Flucht gänzlich unmöglich gewesen war.
„Kieran und ich werden uns morgen auf die Reise begeben. Wir kommen übermorgen an."
Als ich diesen Satz hörte, brach ich in Freudentränen aus. Endlich würden wir unseren Sohn wiedersehen. Niall schloss mich sofort in seine Arme, er spürte, wie es mir gerade ging und auch ich fühlte, wie sein Herz aufgeregt klopfte.
Bald waren wir wieder eine Familie.
Es waren die beiden längsten Nächte und Tage meines Lebens, während ich auf Kierans Ankunft wartete. So gut wie nichts konnte mich ablenken und doch gab es einen kurzen Moment, der mich zerstreute.
Niall übergab mir plötzlich ein Geschenk. Völlig perplex betrachtete ich das Gemälde, welches zum Vorschein kam, als ich das schützende Papier, in das es eingewickelt war, entfernte.
„Oh mein Gott, das ist von Thomas Fabry! Wo hast du das her?"
Augenblicklich fiel ich ihm um den Hals.
„Ich habe es in einer seiner Ausstellungen gekauft. Diese fand in einem Hotel statt, in dem wir auf unserer Flucht nächtigten. Ich hoffe, es gefällt dir, auch wenn es nicht das aus London ist. Es liegt schon seit meiner Ankunft hier, aber ich wollte einfach den passenden Moment abwarten, um es dir zu geben. Er scheint jetzt gekommen zu sein."
Für eine Sekunde war ich sprachlos, dann jedoch sagte ich: „Das ist so süß von dir, Niall und es ist wunderschön."
Unsere Lippen vereinten sich zu einem langen, intensiven Kuss, der nicht enden wollte.
Niall war der beste Mann der Welt. Er tat alles, um mich glücklich zu machen, selbst in schweren Zeiten wie diesen.
Gemeinsam machten wir uns daran, einen schönen Platz für das Gemälde auszusuchen. Letztendlich landete es über dem Bett. Farblich passte es hervorragend zu den Möbeln, da Thomas Fabry gerne mit warmen Tönen malte.
Natürlich hätte ich gerne mein Bild aus London wieder gehabt, das in Oceanside über dem Kamin hing, aber dies war so eine unglaublich liebenswerte Geste von Niall, die mich vergessen ließ, wie sehr ich es vermisste.
Der Morgen, an welchem Kieran gemeinsam mit Alistair eintreffen sollte, begann für mich bereits um fünf Uhr. Ich konnte nicht mehr schlafen, obwohl ich es versuchte.
Meine innere Nervosität nahm von Stunde zu Stunde zu und als Niall gegen sieben erwachte, war ich froh, einen Gesprächspartner zu haben.
„Noch vier Stunden, dann landen die beiden", sagte ich seufzend.
Vier Stunden, die zu einer unendlich langen Qual wurden. Alle zehn Minuten schaute ich auf die Uhr. Nach dem Duschen, nach dem Anziehen, beim Frühstück und auch, als ich Briana begleitete, die Freddie zum Kindergarten brachte.
Anschließend tätigten wir den Einkauf im Supermarkt. Auch das kostete Zeit, was mir jedoch mehr als nur Recht war.
Viel zu früh kehrten wir nach Hause zurück, es war erst kurz nach halb zehn, als wir die Lebensmittel ins Haus trugen. Niall half uns dabei, vor allem nahm er die schweren Sachen. Dies hatte er in Oceanside auch immer getan, sodass es für mich eigentlich selbstverständlich war.
„Du hast echt einen aufmerksamen Mann", stellte Briana fest, als wir uns wieder alleine in der Küche befanden, um die Einkäufe in den Schränken zu verstauen.
Lächelnd erwiderte ich nur: „Ich weiß. Niall ist wirklich sehr aufmerksam, was diese Dinge betrifft. Er sagt immer, dass er der Mann im Haus ist und somit die schweren Sachen trägt."
Sie seufzte leise. „Ich wünschte, ich würde auch so jemanden kennenlernen."
Briana war einsam, das spürte ich in jenem Augenblick sehr deutlich und einem inneren Drang folgend, umarmte ich sie spontan. Sie gab mir die Umarmung zurück, warm und liebevoll. Genau in diesem Moment betrat Louis die Küche.
„Sorry, ich wollte eure traute Zweisamkeit nicht stören, doch es wird Zeit, zum Flughafen zu fahren."
Sofort begann mein Herz schneller zu klopfen und ich verzieh Louis sogar seine ironische Bemerkung.
„Wo ist Niall?"
„Er zieht gerade seine Boots an."
Wortlos stürmte ich in den Flur, schlüpfte in Boots und Jacke, um wenige Minuten später den kleinen Pfad entlangzulaufen, welcher zum Wagen führte.
Louis klemmte sich hinter das Steuer, Niall saß neben ihm und ich auf der Rückbank. Obwohl die Fahrt zum Flughafen nicht länger als zehn Minuten dauerte, kam es mir wie eine Stunde vor, die wir im Auto verbrachten.
Als Louis den Wagen parkte, landete das Flugzeug.
Alles in mir schrie nach Kieran, ich wollte ihn endlich wieder in meine Arme schließen. Die Trennung von unserem Sohn hatte mir so schwer zugesetzt, dass sich Narben auf meinem Herzen gebildet hatten. Ich wollte ihn nie wieder hergeben müssen. Nie wieder.
Hand in Hand eilten Niall und ich durch die kleine Flughafenhalle, die eher an einen großen Blechcontainer erinnerte. Und dann sah ich unseren kleinen Schatz.
Alistair flüsterte ihm etwas zu, dann schaute Kieran direkt in unsere Richtung.
„Mami! Papi!"
Er riss sich los und ich stürmte ihm entgegen.
Der Moment, als ich ihn umarmte, seinen frischen Geruch einatmete, da fühlte ich die Tränen, die über meine Wangen strömten. Mein Herz begann wie wild zu schlagen.
„Mami, ich hab dich danz doll lieb! Und Papi, dich auch!"
Den niedlichen Klang seiner Stimme zu hören, war wie Musik in meinen Ohren. Seine kleinen Hände zu spüren, die meine Wange betatschten, ein Geschenk Gottes. Sein Lächeln, das Größte, was diesen Moment ausmachte. In jenem Augenblick gab es nur Kieran, Niall und mich. Überglücklich lagen wir uns in den Armen. Endlich war unsere kleine Familie wieder vereint.
Selbst Alistair musste einige Zeit warten, bis ihm unsere Aufmerksamkeit zuteilwurde. Da er sich jedoch mit Louis unterhielt und zudem unsere großen Gefühlsregungen nachvollziehen konnte, stellte dies für ihn kein Problem dar.
Mit Kieran auf Nialls Arm verließen wir den Flughafen uns stiegen ins Auto, nachdem das Gepäck darin verstaut wurde.
„Das ist alles weiß hier", stellte unser Sohn erstaunt fest.
Er saß zwischen Niall und mir, auf einem Kindersitz.
„Ja, Kieran, hier ist alles voller Schnee, aber das habe ich dir ja bereits erklärt", sagte Alistair lächelnd.
Unser Sohn nickte und versuchte aus dem Fenster zu schauen. Er war furchtbar neugierig, wohin wir fuhren und als wir unser Ziel erreicht hatten, jauchzte er vor Freude, als er den Schneemann erblickte, den Niall. Louis und Freddie für ihn als Willkommensgruß gebaut hatten. Ich fand diese Idee wundervoll. Es zeigte mir, dass Kieran hier sofort seinen Platz haben würde.
Begeistert schlug er seine kleinen Hände zusammen, welche in warmen Handschuhen mit Superman Motiv steckten, als Niall einen Schneeball für ihn formte. Das alles war total neu für Kieran und er nahm es auf den ersten Blick besser auf als vermutet.
Lächelnd betrachtete ich ihn, als wir im Hausflur standen, um unsere Kleidung abzulegen. Kierans Mütze passte haargenau zu seinen Handschuhen. Bestimmt hatte Harry das für ihn gekauft.
Als ob Alistair meine Gedanken erriet, sagte er plötzlich: „Ich soll euch einen schönen Gruß von Harry bestellen. Er wird zu Kierans Geburtstag nach Barrow kommen."
Erleichterung machte sich in mir breit. Zumindest das würde sich nicht verändern. Für Kinder war es wichtig, Rituale beizubehalten. In Kierans Fall bedeutete dies, der Besuch seines Patenonkels zu seinem Geburtstag.
„Das ist schön, ich freue mich schon auf Harry", sprach Niall, während er Kierans Jacke an der Garderobe aufhängte.
Schon wieder musste ich schmunzeln, als mein Blick auf den Superman Pullover fiel.
„Sag mal, hat Onkel Harry dir das alles gekauft?", erkundigte ich mich grinsend.
Kierans blaue Augen blickten sofort in meine Richtung.
Er deutete auf seinen Pullover, als er antwortete: „Den da, ja."
„Mütze und Handschuhe sicher auch, oder?", wollte ich wissen.
Doch unser Sohn schüttelte seinen Kopf.
„Die habe ich von einem Freund deschenkt bekommen", klärte er uns auf.
„Oh, von einem Freund." Niall zog erstaunt seine Augenbrauen nach oben. „Verrätst du uns auch, wie er heißt?"
Als Kieran seine Antwort erteilte, spürte ich, wie der Boden unter meinen Füßen wegzusacken drohte.
„Ja, er heißt Seth."
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Nochmal tief durchatmen bitte. Das musste einfach sein, ein emotionaler Cliffhanger (vielleicht habe ich gerade ein neues Wort erfunden).
Ich hoffe wirklich, dass euch das Kapitel gefallen hat, denn auch wenn es auf den ersten Blick nicht den Anschein erweckt, sind trotzdem Dinge passiert, die irgendwann eine Rolle spielen werden.
In Black Ice gibt es genauso wie in Black Room diesen "Aha-Effekt".
Genießt die emotionalen Momente, denn Action gibt es später noch genug.^^
Danke für die vielen Kommentare und Votes! Das nächste Update kommt am Wochenende.
LG, Ambi xxx
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