12. Scheme
♪ Used to - Daughtry
Eleanor
Schmunzelnd blickte ich auf Louis' Nachricht, die ich mir täglich anschaute.
„Musste letzte Nacht in der Scheune verbringen. Bitte komm nach Barrow und rette mich vor der alten Hexe!"
Wie gerne hätte ich das getan, doch daran war im Moment nicht zu denken. Vor allem nicht nach den letzten Vorkommnissen.
Am frühen Morgen kam Alistair wie von einer Tarantel gestochen ins Büro gestürmt, um uns mitzuteilen, dass die Mafia unseren Klienten auf der Spur sei. Daraufhin hatten wir die Handys von Liam und Sophia mittels eines speziellen Programms auf Hacker überprüft. Doch in dieser Hinsicht war alles sauber, was einerseits gut, andererseits jedoch schlecht war. Wir wussten nicht, wo sich die Schwachstelle befand. Dafür gab es genau zwei Möglichkeiten. Entweder innerhalb oder außerhalb.
Innerhalb würde einer Katastrophe gleichkommen, jedoch für uns einfacher nachzuvollziehen sein. Außerhalb war zwar angenehmer, doch diese Spur zu verfolgen, umso komplizierter. Seit Stunden tat ich nichts anderes, als mich um die Sache zu kümmern.
Seufzend legte ich das Handy zur Seite, dessen Text von Zeit zu Zeit als Ablenkung diente, um ein wenig Kraft zu schöpfen. In diesem Augenblick würde ich liebend gerne mit Briana tauschen, welche die Eiswüste verfluchte. Ich konnte nicht verstehen, was so schlimm daran sein sollte, in einem warmen Haus zu sitzen und den Laptop von Zeit zu Zeit zu bedienen. Da sie nur halbtags arbeitete, blieb ihr genügend Zeit, sich um Freddie zu kümmern und Einkäufe zu erledigen. Denn wie ich Louis kannte, fuhr er ganz sicher nicht zum Supermarkt. Es sei denn, er besorgte etwas für Freddie.
Niemals hätte ich gedacht, dass er so ein guter Vater sein würde, denn als wir noch zusammen waren, benahm er sich manchmal wie ein Kind. Doch nun sorgte er sich um seinen Sohn, wie man es nicht besser hätte erwarten können. Wenn ich nur schon daran dachte, was er alles mit ihm unternahm, wurde ich wirklich neidisch. Mein Vater hatte niemals den Elan aufgebracht, solche Dinge mit mir zu tun, die Louis mit Freddie veranstaltete. Und das so ganz nebenbei, obwohl er einen mehr als nur anstrengenden Job vorweisen konnte. Selbst nach Barrow hatte er ihn mitgenommen und nahm dafür Brianas Anwesenheit in Kauf.
Bis zu einem gewissen Punkt konnte ich Louis' Benehmen ihr gegenüber sogar verstehen. Freddie war ein Unfall gewesen, der nicht hätte sein müssen, wenn sie die Pille anständig eingenommen hätte. Ihre ungewollte Schwangerschaft hatte meinen Ex-Freund anfangs in Angst und Schrecken versetzt, da er nicht wusste, wie er damit umgehen sollte, Vater zu werden. Doch nun war Freddie aus seinem Leben nicht mehr wegzudenken. Er liebte ihn abgöttisch und schenkte ihm so viel Zeit wie nur möglich.
Manchmal fragte ich mich, wie es wohl mit uns weitergegangen wäre, wenn wir die Beziehung nicht beendet hätten. Ob wir auch irgendwann Kinder in die Welt gesetzt hätten. Aber Louis und ich waren Geschichte, zumindest als Paar. Unsere Freundschaft hatte jedoch Bestand und wurde herzlicher und besser, je länger unsere Trennung zurücklag.
Er verstand mich wie niemand sonst, merkte ob ich fröhlich, traurig oder angepisst war. Umgekehrt galt das genauso, ich konnte sagen, ob er sich gerade ärgerte oder gut drauf war. Und genau deswegen fehlte er mir.
Obwohl ich mit Harry wirklich super gut klarkam, konnte er Louis nicht ersetzen, zumindest bei bestimmten Dingen nicht. Unser Team-Jüngster hatte sich zu einem hervorragenden Mitarbeiter entwickelt, obwohl er seine Tollpatschigkeit nicht ganz abgelegt hatte. Das bewies er auch am heutigen Tag, als wir gemeinsam die Mittagspause in der Kantine verbrachten.
Kaum hatten wir uns an den Tisch gesetzt, um das Essen in uns hineinzuschaufeln, bekleckerte er sich mit der Salatsoße.
„Ach Mist!", stieß er ein wenig genervt aus, was mich dazu veranlasste zu sagen: „Sei froh, dass du deinen Yves Saint Laurent Mantel nicht anhast."
Harrys unwirsches Brummen ließ mich wissen, dass sein Mantel nach wie vor sein Heiligtum war.
„Na ja", meinte er, „der muss sowieso in die Reinigung. Da sind noch immer die Kaffeeflecken drauf, als ich mit dieser Tussi zusammengestoßen bin."
Da ich die Geschichte mittlerweile kannte, reagierte ich nur mit einem kurzen Lachen darauf.
„Lach nicht, diese Braut dachte doch tatsächlich, ich hätte das mit Absicht getan."
„Hast du nicht?", zog ich ihn auf, während ich mit meiner Gabel im Salat herumstocherte.
„Nein, ich hatte Besseres zu tun. Außerdem..."
Bevor Harry dazu kam, den Satz zu Ende zu sprechen, meldete sich sein iPhone. Da wir unsere Diensthandys immer mit uns herumschleppten, konnte es leicht passieren, dass man uns in der Pause störte. Doch das war nicht Neues.
„Das ist Alistair", seufzte er.
Stirnrunzelnd beobachtete ich, wie er das Gespräch entgegennahm. Hoffentlich zeichnete sich nicht eine neue Katastrophe ab. Das hätte uns jetzt gerade noch gefehlt.
„Was?! Ja, ok, ich komme vorbei. Ich kriege das schon hin."
Im ersten Moment konnte ich mir keinen Reim daraus machen, doch nachdem Harry aufgelegt hatte und zu einer Erklärung ansetzte, brachte dies Licht in das Dunkel.
„Kieran weint. Er hat Heimweh und vermisst seine Eltern. Alistair möchte, dass ich bei ihm zuhause vorbeischaue, denn er hat nach mir gefragt."
Der kleine Junge tat mir wirklich leid. Ich stellte es mir schrecklich vor, mit nicht ganz vier Jahren von seinen Eltern getrennt zu sein. Obwohl Kieran es bei Rosie und Alistair sehr gut hatte, würden die beiden weder Mutter noch Vater ersetzen können.
„Ich wünsche dir viel Glück, Harry", murmelte ich, worauf er nur entgegnete: „Das wird schon aber jetzt esse ich erstmal fertig."
Nach Beendigung unsere Mittagspause verschwand mein Kollege, während ich wieder das Büro aufsuchte. Dort wartete jede Menge Arbeit auf mich und dass Harry nun durch Abwesenheit glänzte, machte es nicht einfacher. Seufzend wandte ich mich dem Laptop zu, bereit, den Spuren nachzugehen, um herauszufinden, wo sich das Leck befand. Noch immer entzog es sich unserer Kenntnis, wie die Mafia an die Informationen bezüglich der Fluchtroute gekommen war.
„Das ist merkwürdig", murmelte ich vor mich hin.
Im gleichen Augenblick wurde die Tür aufgestoßen und Alistair trat ein. Sonst die Ruhe in Person, wirkte er heute ein wenig gehetzt, als er sich auf den nächstbesten Stuhl fallen ließ. Ohne Umschweife begann er zu sprechen.
„Wie sieht es aus, Eleanor?"
„Ich weiß nicht, was ich davon halten soll", begann ich meine Ausführungen, „aber es ist komisch, dass man sich erst jetzt an sie drangehängt hat."
Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie Alistair seine Jacke auszog, diese über eine Stuhllehne warf und anschließend zu sprechen begann.
„Sag mir was du denkst, Eleanor."
Es gehörte zu Alistairs Spezialitäten, uns dahingehend zu befragen. Erst dann äußerte er seine Meinung dazu.
Bevor ich zu einer Antwort ansetzte, atmete ich tief durch.
„Also gesetzt den Fall wir hätten ein Leck im inneren Bereich, warum hat man Niall und Sienna nicht schon viel früher angegriffen? Die Widersacher müssten permanent über die Aufenthaltsorte informiert sein. Es macht absolut keinen Sinn, erst jetzt eine Verfolgungsjagd zu starten, denn es wäre einfacher gewesen, sie gleich abzupassen."
Mein Boss nickte bedächtig und rollte mit dem Stuhl nähre an den Laptop heran, um einen Blick auf den Monitor zu werfen. Dieser zeigte eine Datei, auf welcher die bisherige Route unserer Klienten zu erkennen war.
„Oceanside, Palm Springs, Las Vegas, Grand Junction. Sie hätten Gelegenheit genug gehabt", sprach ich meine Gedanken aus.
Gleichzeitig zeichnete ich die Route mit dem Finger nach.
„Als sie die Panne kurz vor Grand Junction hatten, wäre das die Stelle gewesen, wo ich spätestens zugeschlagen hätte", fuhr ich fort.
Alistairs Grinsen ließ mich wissen, dass er genauso dachte.
„Du bist ein cleveres Mädchen, Eleanor. Deswegen arbeitest du auch schon so lange in meiner Truppe", bemerkte er und angelte sich den Block und Stift, die beide auf dem angrenzenden Schreibtisch lagen.
Interessiert blickte ich über seine Schulter, was mir aufgrund seiner geringen Körpergröße nicht besonders schwerfiel.
„Ok, Eleanor, was sagen uns diese Dinge?"
„Dass die Verfolger bislang nie genau wussten, wo sich Niall und Sienna aufhielten", antwortete ich wie aus der Pistole geschossen."
„Sehr gut."
Sein zufriedenes Grinsen ließ mich schmunzeln.
„Und was schließen wir wiederum daraus?", setzte er die Fragestunde fort.
„Dass es niemand aus dem inneren Bereich sein kann, denn derjenige hätte Zugang zu allen Daten."
Als ich dies aussprach, fiel mir ein Stein vom Herzen. Wir hatten kein Leck, sondern die Informationen gelangten von außen zu der Mafia.
„Genau das denke ich auch", kam es von Alistair, der sich nun anschickte auf dem Block herumzukritzeln.
„Die Frage, die sich uns nun stellt, ist, wie die Mafia weiter vorgeht, um unsere Klienten zu verfolgen und vor allem, welche Informationen sie erhalten."
Nachdenklich blickte ich auf den Laptop. „Du meinst, was und woher."
Als Antwort bekam ich ein Nicken.
„Wenn es die Handys nicht sind, die sie angezapft haben, dann muss es eine andere Erklärung dafür geben", warf ich in den Raum.
Die Sache mit der Autovermietung fiel raus, da alle vier mit Mikes Wagen unterwegs waren. Alistair hatte absichtlich diesen Weg gewählt, um von vornherein eine Sicherheitslücke auszuschließen. Und das tat er auch weiterhin, wie sein nächster Satz bewies.
„Ich werde ihnen zwei Wagen aus unserem Netzwerk zukommen lassen. Eine Autovermietung kommt nicht in Frage."
„Wer kümmert sich darum?", wollte ich wissen.
Grinsend winkte er ab. „Das habe ich bereits getan. Alberto aus Jefferson City, wo sie eigentlich eintreffen sollten, ist bereits unterwegs."
Die Tür zu unserem Büro wurde plötzlich aufgestoßen und Harry marschierte herein. An seiner rechten Hand hielt er einen kleinen Jungen. Das musste Kieran sein.
Der Knirps wirkte im ersten Moment ein wenig schüchtern, vor allem, als Harry auf mich deutete und sagte: „Das ist Eleanor, meine Kollegin. Sie würde sich freuen, wenn du ihr guten Tag sagst."
Kierans kleines Gesicht färbte sich zartrosa, als er mit gesenktem Kopf nuschelte: „Guten Tag, Eleanor."
Dieses Kind besaß wirklich einen großen Niedlichkeitsfaktor. Ich hatte ihn sofort ins Herz geschlossen.
„Guten Tag, kleiner Mann. Verrätst du mir deinen Namen?" Lächelnd blickte ich zu ihm.
„Kieran", nuschelte er, dieses Mal schaute er mich jedoch an.
Augenzwinkernd öffnete ich eine meiner Schreibtischschubladen, in welcher ich immer Süßigkeiten gebunkert hatte, um ihm ein Stück Schokolade zu überreichen.
„Das ist für dich, Kieran. Weil du so lieb bist und mich auf der Arbeit besuchst."
Seine kleinen Hände griffen danach und er nuschelte ein „Danke", bevor er die Schokolade in seinen Mund stopfte.
Während ich ihn beobachtete, begann Harry zu reden.
„Er wollte unbedingt sehen, wo ich arbeite und ich dachte, es ist ok, wenn ich ihn mitnehme."
Harrys Augen lagen auf Alistair, der zustimmend nickte.
„Er bleibt auch nur so lange, bis Maggie wieder nach Hause kommt. Wir haben vereinbart, dass sie mir eine Whatsapp Nachricht schickt, sobald sie wieder da ist."
„Was treibt da Kind schon wieder?", erkundigte sich Alistair.
Harrys Worte ließen ihn erstmal schlucken. „Sie trifft sich mit einem Typen."
Jeder in unserem Team wusste, dass Maggie Alistairs Heiligtum war und er jeden Kerl, mit dem sie ein Date hatte, überprüfen ließ. Leider schien sie ein Händchen dafür zu haben, sich mit Männern einzulassen, die bereits etwas auf dem Kerbholz hatten, was stets dazu führte, dass unser Boss regelmäßig ausrastete. Der Letzte, mit dem sie sich eingelassen hatte, was bereits ein halbes Jahr zurücklag, war wegen Hehlerei und Diebstahl vorbestraft. Ich wollte hoffen, dass sie dieses Mal ein besseres Exemplar an Land gezogen hatte, ansonsten durften wir uns wieder Alistairs Gemecker anhören.
Seufzend erhob sich unser Boss vom Stuhl. „Ich gehe jetzt einen Kaffee trinken, bis später."
Kaum war Alistair aus dem Büro verschwunden, setzte Harry ein spitzbübisches Grinsen auf.
„Vermutlich brütet er jetzt schon wieder darüber, was es mit diesem Typen auf sich hat, mit dem sein Töchterchen verabredet ist", sagte er.
„Was ist verabredet?" Kierans niedliche Stimme holte mich aus meinen Gedanken.
„Also, verabredet bedeutet, dass man sich mit jemandem trifft. Zum Essen, zum Spielen oder einfach nur zum Reden", erklärte Harry lächelnd.
Er machte seine Sache hervorragend, denn Kieran war im Moment weit davon entfernt zu weinen. Im Gegenteil, er vergaß seinen Kummer gänzlich und löcherte uns mit Fragen.
Ob wir hier jeden Tag arbeiten müssten, wie lange wir noch bleiben würden und was wir genau machten.
Letzteres konnten wir ihm aus den unterschiedlichsten Gründen nur bedingt erklären. Doch er gab sich einstweilen damit zufrieden, als Harry ihm erläuterte, dass wir für Alistair arbeiteten, der Menschen half, ein neues Heim zu bekommen.
„Ist Alistair euer Boss?", fragte er, wobei seine großen blauen Augen ganz rund wurden.
„Ja", antwortete ich, „das ist er."
„Mein Papi hat auch einen Boss aber den kann man nicht sehen", plapperte er drauflos.
„Wieso kann man ihn nicht sehen?", fragte ich erstaunt.
„Weil es der liebe Dott ist", kam es prompt.
Eine warme Welle durchflutete mein Herz. Kieran war so ein liebes Kind und ich wünschte mir inbrünstig, dass die Sache gut ausgehen würde. So, wie wir es geplant hatten. Der kleine Kerl hatte es verdient, so schnell wie möglich zu seinen Eltern zu gelangen, die beide einen ziemlich guten Job gemacht hatten, was Kindererziehung betraf. Das konnte ich während der nächsten Stunde nämlich feststellen.
Kieran war zufrieden, als Harry unzählige Malstifte auspackte und ich ihm einen großen Block hinlegte. Mit voller Hingabe zeichnete der kleine Junge Tiere, Menschen und ein Haus.
„Na, Dreikäsehoch, was hast du heute gemalt?", wollte Harry wissen, als er einen Blick auf die Zeichnung warf.
„Unser Haus, Mami, Papi, mich, dich und Alistair."
Unser Boss war wohl der kleine rundliche Mann, der neben Kieran stand. Direkt daneben befand sich ein Tier, welches ganz nach einem Hund aussah.
„Was ist das denn?", erkundigte ich mich.
„Mein Hund! Alistair hat desad, ich bekomme einen, wenn wir dewinnen!", triumphierte Kieran, was mir ein Lachen entlockte.
Harry hatte mich inzwischen über das „Spiel" aufgeklärt, an welchem die beiden als Team teilnahmen.
„Maggie würde jetzt wieder sagen, dass das pädagogisch nicht wertvoll ist", flüsterte mein Kollege leise und brach ein Stück Schokolade von der Tafel ab, die auf meinem Schreibtisch lag.
„Pass auf, dass du dich nicht wieder bekleckerst", foppte ich ihn, worauf der Lockenkopf mir kurz seine Zunge herausstreckte, was zur Folge hatte, dass die Schokolade aus seinem Mund fiel und prompt seine Jeans beschmutzte.
„Du siehst aus wie ein Ferkel", japste ich, bevor ich lachend auf dem Stuhl zusammensackte. Ich beruhigte mich erst wieder, als Alistair das Büro betrat. Sein Gesichtsausdruck wirkte leicht verärgert und gleich sollten wir auch den Grund dafür erfahren.
„Maggie geht nicht ans Telefon", blökte er.
„Ja und? Sie hat ein Date, was erwartest du?", zog Harry unseren Boss auf.
„Sie hat sich verdammt nochmal zu melden, wenn ihr Vater sie anruft!"
„Das sehe ich anders", mischte ich mich ein. „Sie möchte sich sicher in Ruhe mit dem jungen Mann unterhalten. Ich jedenfalls würde auch nicht ans Telefon gehen."
„Fallt ihr mir hier etwa in den Rücken?", echauffierte sich unser Chef.
„Nicht doch. Wir machen dich nur darauf aufmerksam, das Maggie bereits erwachsen ist", meinte Harry fröhlich.
Prompt fragte Kieran nach. „Was ist erwachsen, Onkel Harry?"
„Also erwachsen ist man laut Gesetz, wenn man achtzehn Jahre alt ist. Also musst du noch ein wenig warten, Dreikäsehoch."
„Ich werde schon vier!" Grinsend blickte Kieran zu seinem Patenonkel.
„Ja, da fehlen aber noch vierzehn Jahre", gab dieser trocken zur Antwort.
Insgesamt verbrachten Harry und Kieran fast drei Stunden in unserem Büro. Dann endlich meldete sich Maggie per WhatsApp bei Harry.
„Na wer sagt es denn, sie ist wieder zurück", grinste er, worauf Alistair ein „Das wurde ja auch Zeit", losließ.
Selbst für mich wurde es nun Zeit, den Feierabend einzuläuten. Ich saß bereits seit sieben Uhr morgens im Büro und hatte am heutigen Tag nicht wirklich viel geschafft, wenn man davon absah, dass ich gemeinsam mit Harry einen fast Vierjährigen beschäftigt hatte. Aber das war ok für mich, denn auch ich benötigte manchmal ein wenig Ablenkung, um mich anschließend besser sammeln zu können. Es stand mir frei, auch von zuhause aus meinen Recherchen nachzugehen. Jeder aus unserem Team besaß diese Möglichkeit.
Am heutigen Abend verschwendete ich jedoch meine übriggebliebene Energie damit, eine Skype Session mit Louis durchzuziehen. Es war viertel vor neun, als er mich anrief. Nur alleine an seinem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass er angepisst war.
„Wie geht's dir, El?", fragte er mit leiser Stimme.
„Danke gut, bin etwas gestresst von der Arbeit."
„Kommst du voran?"
„Nicht wirklich."
Ein lautes Seufzen ertönte. „Ich brauche dich echt hier. Briana geht mir mit ihrem Ordnungsfimmel dermaßen auf den Geist, dass ich es fast nicht mehr aushalte", beschwerte er sich.
„Ohne dir jetzt zu nahe treten zu wollen, Louis, aber wir beide wissen, dass du die Ordnung nicht gerade erfunden hast. Also sehe ich das von zwei Seiten", erwiderte ich schmunzelnd.
„Dich hat es aber nie gestört, wenn ich die Sofakissen vertauscht habe", kam es prompt zurück.
„Gib zu, du machst das mit Absicht, um sie zu ärgern", warf ich ihm lachend an den Kopf.
„Vielleicht. Aber jetzt mal im Ernst. Wann denkst du, wirst du abmarschbereit sein?"
„Das kann ich noch nicht genau sagen. Alistair und ich hatten heute ein interessantes Gespräch, bei dem herausgekommen ist, das wir glauben, kein Leck im inneren Bereich zu haben. Die Informationen müssen von anderer Stelle an die Mafia gelangen und das auch nur sporadisch."
„Verstehe. Es ist verflucht schwer, das nachzuvollziehen."
Ich sah, wie er grübelte, vermutlich suchte er nach einer passenden Lösung, die es jedoch nicht gab. Selbst Louis konnte diese nicht so einfach aus dem Ärmel schütteln, doch er brachte mich zum Nachdenken, als er sagte: „Vielleicht sollten wir die Sache von rückwärts aufrollen und überlegen, wie wir an Stelle der Mafia vorgehen würden."
„Das klingt gut."
„Ich habe immer gute Ideen, El."
Sein spitzbübisches Grinsen brachte mich erneut zum Lachen. Jedoch nur für einen kurzen Moment, dann wurde ich wieder nachdenklich. Er war unglücklich, das spürte ich. Und ich war mir nicht sicher, mit was es zusammenhing. Die Situation mit Briana schien nicht der alleinige Auslöser zu sein, dafür war Louis zu robust. Er ließ sich nichts befehlen und würde ihr jederzeit den Marsch blasen, wenn er mit etwas nicht einverstanden war.
Nachdenklich nippte ich an meinem Tee, bevor ich eine Frage stellte.
„Wie geht es Freddie? Hat er sich gut eingelebt?"
Sofort schlug Louis' Laune ins Positive um.
„Und ob! Er liebt es, im Schnee zu toben, obgleich ihm ein Spielkamerad fehlt. Ich kann mich ja nicht nonstop um ihn kümmern, schließlich muss ich auch arbeiten und Briana verkrümelt sich lieber nach drinnen. Schon alleine wegen der Hunde, sie hat Angst vor ihnen."
„Das wird schon mit der Zeit, du kennst sie doch, sie ist übervorsichtig, was manchmal gar nicht so schlecht ist", versuchte ich ihm Brianas Standpunkt zu erklären. „Aber bezüglich eines Spielkameraden können wir hoffentlich bald Abhilfe schaffen. Kieran und Freddie werden sich sicher gut verstehen."
Louis Gesicht verzog sich zu einem Grinsen.
„Hast du ihn gesehen?", fragte er neugierig.
„Ja, er war heute mit Harry in unserem Büro. Er ist sooo süß!"
Minutenlang schwärmte ich Louis von dem kleinen Jungen vor, dessen Eltern in großer Gefahr schwebten. Es war unsere Aufgabe, sie dort heil herauszuholen. Und dafür würden wir alles geben, was in unserer Macht stand.
Gleich am nächsten Morgen machte ich mich mit frischem Elan ans Werk. Nach wie vor spukten Louis' Worte in meinem Kopf umher. Ich sollte die Sache von rückwärts aufrollen. Nur wie ging man das am besten an?
Haareraufend saß ich vor meinem Laptop und kritzelte auf dem Block herum, der daneben lag. Wo sollte ich ansetzen? Während ich in meine Gedanken vertieft vor mich hin grübelte, brachte mich ein Luftzug kurz zum Frösteln. Die Tür wurde aufgestoßen und Alistair trat ein.
„Guten Morgen, El. Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?"
„Nein, ich habe gestern mit Louis gesprochen aber das weißt du sicher schon."
Die beiden standen in solch engem Kontakt, dass keiner unserer Schritte unausgesprochen blieb.
„Ja, natürlich", erwiderte unser Boss.
„Ich teile seine Ansicht, dass wir uns in die Lage der Mafia hineinversetzen sollen", tat ich meine Meinung kund.
„Das ist schön, aber hast du denn auch eine Idee, wie du das anstellen willst?", kam es prompt von Alistair.
„Noch nicht so ganz. Aber wir können ja ein Brainstorming veranstalten."
Lächelnd lehnte Alistair sich in einem Stuhl zurück.
„Das brauchen wir nicht, denn ich habe eine ganz andere Idee. Sie ist mir gestern gekommen, als ich alleine mit Harry gesprochen habe."
Als Alistair mit seinem Plan herausrückte, wurden meine Augen groß und rund. Solch einer Methode hatten wir uns noch nie bedient und ich war gespannt, ob es funktionieren würde. Dies lag jedoch nicht alleine in unserer Hand, was mich ziemlich nervös werden ließ.
______________________
Hier kommt das versprochene Update mit einem kleinen Cliffhanger zum Schluss. Ihr habt euch sicher schon darauf gefreut. ^^
Danke für die tollen Kommentare zum vorherigen Kapitel und auch für de Votes! Ich liebe euch für euren Support!
Vermutlich kommt das nächste Update am Sonntag, vielleicht schaffe ich es auch früher aber ich kann es nicht versprechen.
LG, Ambi xxx
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top