10. Mishap
♪ Million Miles an Hour - Nickelback
Niall
Instinktiv trat ich auf die Bremse, doch der Hummer geriet ins Rutschen. Reifen quietschten, ein großer Baum kam immer näher und ich sah uns schon daran kleben. Meine Hände umklammerten das Lenkrad so fest, dass meine Fingerknöchel hervortraten. Schweiß perlte von meiner Stirn und mein Herzschlag setzte beinahe aus.
Und dann kam das Auto in letzter Sekunde zum Stehen.
„Verdammt, was war das?", fluchte ich mit pochendem Herzen.
Als ich nach hinten schaute, erkannte ich das Entsetzten in Siennas Gesichtszügen.
„Seid ihr zwei ok?", fragte ich sogleich, worauf die beiden Frauen nickten.
Noch immer waren ihre Augen vor Angst geweitet, was ich durchaus nachvollziehen konnte.
„Das war echt knapp", schnaufte Liam und wischte sich über die Stirn, „lass uns nachschauen, was los ist."
Als wir aus dem Wagen stiegen, atmeten wir nochmals auf. Die bullige Stoßstange war nur eine Handbreit von dem riesigen Baum entfernt, der vor uns aufragte.
„Das hätte ins Auge gehen können", lautete Liams trockener Kommentar.
„Wohl eher in die Rippen", bemerkte ich sarkastisch, während Liam seine kleine Taschenlampe zückte, um damit unter den Wagen zu leuchten.
„Da läuft was aus, Niall."
Beide gingen wir auf die Knie, um näher zu erkunden, woher die Flüssigkeit rührte, die nun die Straße beschmutzte.
Kurz verzog ich das Gesicht und sagte: „Das riecht wie Öl."
„Und es ist genauso dickflüssig. Ich glaube, der Schlauch ist defekt."
„Oder die Ölwanne."
Liam robbte ein Stück unter den Hummer, um besser sehen zu können.
„Es ist die Wanne", kam es plötzlich.
„Ok, dann wissen wir jetzt wenigstens vorher der Schaden rührt."
Unglaublich froh, dass keinem von uns etwas passiert war, erhob ich mich wieder und atmete tief durch. Inzwischen hatten die beiden Frauen ebenfalls das Auto verlassen. Sienna kam direkt auf mich zu, ihre blauen Augen fragend auf meine gerichtet.
„Es ist die Ölwanne", erklärte ich unaufgefordert.
„Sie hat einen Riss und ich vermute, dass einer dieser großen Steine dran schuld war", mischt sich Liam ein, der sich gerade wieder vom Boden erhob.
„Oh nein", seufzte Sienna.
An ihren Augen konnte ich erkennen, dass sie völlig fertig war. Ich schluckte kurz, bevor ich sagte: „Es ist echt scheiße gelaufen. Vielleicht hätte ich besser schauen sollen, ob was auf der Fahrbahn liegt."
„So ein Quatsch! Du konntest das in der Dunkelheit nicht schnell genug erkennen", redete Sophia mir gut zu und auch Sienna schien diese Ansicht zu vertreten.
„Ich denke, es war einfach Pech", lautete ihr Kommentar. „Was machen wir denn jetzt?", setzte sie noch hinzu, worauf Liam lässig antwortete: „Den Pannenservice anrufen, was sonst?"
In der Tat blieb uns nichts anderes übrig. Unmotiviert kickte ich einen Stein von der Fahrbahn. Ich war mächtig sauer auf mich selbst und zog es vor, mich einige Schritte zu entfernen, um eine Zigarette zu rauchen, in der Hoffnung, meine Nerven damit beruhigen zu können. Dies klappte nur teilweise, denn ich zitterte noch immer innerlich, als ich die Kippe wegschnickte.
„Na ja, wenigstens haben wir noch Essen und Getränke an Bord", sagte ich, als ich mich den anderen wieder näherte.
Ohne einen Ton zu sagen öffnete Liam die große Kühlbox und holte eine Dose Cola hervor, die er mir überreichte.
„Hier, Niall, damit du nicht verdurstet."
Glücklicherweise waren wir nicht in einem Funkloch gelandet und konnten somit den Abschleppdienst per Handy erreichen.
„Die sind in einer Stunde da". Liam seufzte, als er das Gespräch beendete.
„Nun ja, es hätte schlimmer kommen können. Besser wir warten hier in der Wildnis auf einen Abschleppdienst, als von der Mafia eine Kugel in den Kopf geschossen zu bekommen", erklärte Sienna.
Es überraschte mich, dass sie ihren Kampfgeist wiedergefunden zu haben schien, zumindest für diesen Moment.
„Ein warmer Kaffee wäre jetzt nicht schlecht", seufzte Sophia laut.
In der Tat war es etwas frisch geworden, doch da ich nicht so leicht fror, machte es mir relativ wenig aus. Doch ich bemerkte, dass Sienna trotz ihrer dünnen Strickjacke bibberte. Schnell holte ich meine Sweatjacke aus dem Auto und legte diese um ihre Schultern. Augenblicklich schmiegte sie sich an mich.
„Danke, Niall", wisperte sie leise, bevor sie einen Kuss auf meine Wange hauchte.
Automatisch legte ich meine Arme um ihren Körper, damit sie aufhörte zu zittern. Wie hatten wir nur in solch eine Situation geraten können?
„Es ist echt schon schlimm genug, dass wir vor der Mafia flüchten müssen. Aber auf die Autopanne hätte ich gut verzichten können."
Liam schaute auf, als ich diesen Satz in die Runde schmiss. „Na ja, besser als sich einen rostigen Nagel in der kalifornischen Wüste einzufahren."
„Diese Story wird dich vermutlich bis an dein Lebensende verfolgen", lachte Sophia, die sich nun auch eine Sweatjacke übergezogen hatte.
Nach einer Weile setzten wir uns wieder in den Wagen und ich begann Fragen zu stellen.
„In welchem Hotel nächtigen wir eigentlich?"
„Im Double Tree by Hilton", antwortete Liam.
„So nobel?", entfuhr es Sienna.
„Ja, für euch gibt es nur das Beste auf dieser Reise."
„Und wie lange bleiben wir?", wollte ich wissen.
„Nur eine Nacht. Zumindest hat Alistair es so vorgesehen. Aber wir müssen jetzt erstmal abwarten, was sich bezüglich der Reparatur des Wagens ergibt."
Liam hatte sicher Recht, es konnte unter Umständen sogar einige Tage dauern, wenn das Ersatzteil nicht vorrätig war.
„Mark wird sich tierisch freuen", erwiderte ich seufzend.
„Ach was, der kennt genügend Leute, die ihm jederzeit ein neues Gefährt besorgen können", warf Liam lachend ein.
„Willst du etwa damit sagen, dass der Hummer sein eigenes Auto ist?"
„Eines von vier."
Nun war ich platt.
„Das ist sein Hobby", meinte Liam.
Bevor er noch weitere Erklärungen abgegeben konnte, sahen wir die Scheinwerfer eines großen Wagens auf uns zukommen. Der Abschleppdienst näherte sich zügig.
Aus dem großen Gefährt sprang ein Kerl, so breit wie der Türsteher im XS Club, in Las Vegas. Er trug einen struppigen Vollbart und hatte lustige, braune Augen.
„Na, wo brennt's denn?", lautete seine Frage, die er stellte, nachdem er eine leere Fanta Dose mit seinen Fingern zerquetscht hatte, um diese dann in die Fahrerkabine des Schleppers zu schmeißen.
„Ich würde sagen, die Ölwanne hat es erwischt", antwortete ich ihm, worauf er nickte.
„Eine schöne Sauerei habt ihr da veranstaltet. Aber so lange euch nichts passiert ist, ist alles in Butter."
Ohne Umschweife machte er sich daran, den schweren Hummer auf seinen Schlepper zu ziehen. Dieser gab jede Menge Geräusche von sich, als die Hydraulik betätigt wurde, damit der Wagen hochgehoben werden konnte. Es sah komisch aus, solch ein großes Auto praktisch in der Luft schweben zu sehen.
„So, meine Lieben. Ich darf maximal drei Leute mitnehmen, aber ihr seid zu viert. Da ich jedoch nicht annehme, dass einer von euch zurückbleiben will, müsst ihr eng zusammenrutschen. Gott sei Dank seid ihr alle schlank und nicht so ein Schrank wie ich."
Der Humor des Typen war echt unschlagbar. Er grinste die ganze Zeit und als wir in die Fahrerkabine stiegen wurde es erst richtig lustig. Laute Country Musik dudelte und entgegen, die er jedoch ein wenig leiser drehte, um uns nicht zu verschrecken, wie er sich ausdrückte.
Liam setzte sich direkt neben den Typen, der sich als Doug vorstellte, bevor er uns allen einen Kaffee anbot. Im Inventar des Schleppers befanden sich eine riesige Thermoskanne, sowie einige Pappbecher. Dazu konnten wir natürlich nicht nein sagen. Jeder von uns war dankbar, etwas Warmes trinken zu können. Der Kaffee schmeckte gar nicht mal schlecht, auch ohne Milch und Zucker, die Doug nicht parat hatte, wie er entschuldigend erklärte. Er schien wirklich ein großes Herz zu haben.
Natürlich entwickelte sich ein Gespräch zwischen uns, schon alleine, um uns die Fahrzeit zu vertreiben.
„Wo kommt ihr her?"
Wir überließen Liam das Antworten, damit niemand etwas Falsches sagte.
„Aus Palm Springs. Wir machen gerade einen Trip durch die Prärie und wollen nach Grand Junction."
Doug stieß ein lautes Lachen aus.
„Prärie, das stimmt echt, dahin hat es euch gerade verschlagen. Aber keine Sorge, Grand Junction ist ok. Da gibt es nette Hotels und Restaurants, alles, was man möchte. Wie lange wollt ihr denn dort bleiben?"
„Eigentlich nur eine Nacht aber so wie der Wagen aussieht, könnte es länger dauern, oder?"
„Wenn ihr Glück habt, hat Bill eine passende Ölwanne da. Er fährt selbst einen Hummer und hat eine Werkstatt. Die ist gleich auf der linken Seite, wenn man in Grand Junction reinfährt."
Innerlich machte ich drei Kreuze und dankte Gott für diesen unglaublichen Zufall. Bei nächster Gelegenheit wollte ich eine Kirche aufsuchen, das hatte ich schon lange nicht mehr getan und mein Beruf sowie das Gotteshaus fehlten mir doch sehr.
Automatisch wanderten meine Gedanken zu Kieran. Ob er uns wohl sehr vermisste? Ich hoffte wirklich, dass die nächsten beiden Wochen schnell herumgehen würden, denn es zehrte gewaltig an meinen und auch an Siennas Nerven, dass wir unsern Sohn nicht bei uns hatten.
„Habt ihr schon ein Hotel in Grand Junction gebucht?", erkundigte sich Doug.
„Ja, wir schlafen im Double Tree by Hilton", erwiderte Liam prompt.
„Oha, ihr liebt es wohl elegant?"
„Nun ja, es war wohl eher ein Zufall, weil die Zimmer gerade günstig waren. Aber wir sind auch mit einfacheren Unterkünften zufrieden."
Das wäre ich in der Tat gewesen. Ich benötigte keinen Luxus, ich wollte nur so schnell wie möglich zu unserem neuen Bestimmungsort. Und sollten wir in einer Scheune schlafen müssen, würde mich das auch nicht interessieren. Hauptsache wir kamen gesund und vor allem lebend an.
Siennas Kopf fiel auf meine Schulter und ich erkannte, dass sie eingenickt war. Sorgenvoll betrachtete ich ihr hübsches Gesicht, welches im Moment völlig entspannt aussah. Vermutlich weil sie der Realität gerade entfloh. Vielleicht träumte sie sogar etwas Schönes.
Unsere Stimmen wurden gedämpfter, die Musik leiser und Grand Junction kam immer näher. Als endlich das Ortsschild vor unseren Augen auftauchte, atmete ich erleichtert auf. Endlich wieder in der Zivilisation!
Der dringende Wunsch, eine Dusche zu nehmen, kam immer stärker hervor und ich konnte es kaum erwarten, bis wir endlich am Hotel sein würden. Doch vorher wurde der Hummer zur Werkstatt gebracht. Zwar hatte diese bereits geschlossen, doch im kleinen Büro brannte noch Licht.
„Bill ist noch da, ich hole ihn gleich", versprach Doug und marschierte los.
Es dauerte gute fünf Minuten, bis er mit dem Eigentümer der Autowerkstatt zu uns zurückkehrte. Bill stand Doug in nichts nach, was die Körpermassen anging. Er grinste breit, als er den Hummer auf dem Abschleppwagen entdeckte.
„Was hat das Baby?", lautete seine Frage.
„Die Ölwanne hat es erwischt", antwortete ich.
„Hm, ich habe gerade keine neue da. Es wird wohl zwei Tage dauern, bis sie geliefert wird."
Das waren ja tolle Aussichten. Wir saßen fest.
„Ok, damit müssen wir wohl klarkommen", meinte Liam.
„Ja, und so schlimm ist es in Grand Junction nicht. Nicht wahr, Doug?"
Die beiden Schränke grinsten sich an, während ich mich fragte, wie Alistair wohl darauf reagieren würde. Wahrscheinlich passte ihm das überhaupt nicht in den Kram.
Nachdem wir die Koffer aus dem Hummer ausgeladen hatten, bestellten wir ein Taxi und ließen uns zum Hotel kutschieren. Ich war müde und hungrig und Sienna ging es ebenso. Während der Fahrt zum Hotel kuschelte sie sich ganz nah an mich.
„Wie geht es dir, Baby?"
„Es geht so, ich möchte endlich duschen, was essen und dann ins Bett", murmelte sie.
Dem konnte ich nur zustimmen.
Genau in dieser Reihenfolge wollten wir die Dinge auch abspulen, doch vorher begleiteten wir Liam und Sophia noch auf ihr Zimmer, um dem Gespräch beizuwohnen, welches Alistair mit seinen beiden Mitarbeitern führte. Liam schaltete das Handy in den Lautsprecher Modus, als er seinen Boss anrief. In London war es jetzt ungefähr fünf Uhr morgens. Aber Alistair erwartete ein Lebenszeichen von uns und es war ihm egal, in welcher Form dies erfolgte. So gut kannte ich ihn nämlich.
„Guten Morgen, Liam", meldete sich eine halbwegs verschlafene Stimme.
„Hey, Alistair. Ich wollte nur sagen, dass wir gut in Grand Junction angekommen sind."
„Warum so spät? Gab es Probleme?"
Er schien wirklich einen exakten Zeitplan im Kopf zu haben.
Als Liam die Geschichte mit der Ölwanne erzählte, vernahm ich Alistairs typisches Schnaufen.
„Na, super. Mark wird entzückt sein aber Hauptsache euch ist nichts passiert", lautete seine Antwort.
„Ja, aber es dauert bis wir hier wegkommen. Das Ersatzteil ist nicht vorrätig."
Kaum hatte Liam das ausgesprochen, ging es los.
„Nicht vorrätig? Wie lange müsst ihr warten?"
„Zwei Tage."
„Verdammter Mist!", fluchte der laufende Meterfünfzig, was mir ein Grinsen entlockte, obwohl die Situation alles andere als lustig war.
„Nun gut", hörte ich ihn sagen, „es ist nicht zu ändern und wir wollen hoffen, dass weiterhin alles glatt läuft. Bislang gibt es keinerlei Hinweise, dass ihr verfolgt werdet, oder?"
„Nicht im Geringsten. Die Mafia hätte auf der einsamen Landstraße die perfekte Gelegenheit gehabt, uns niederzustrecken."
Liams Erklärung klang durchaus einleuchtend und beruhigte mich ein wenig. Er hatte vollkommen Recht.
Selbst Sienna zeigte sich nach dem Gespräch mit Alistair zusehends erleichtert, was sich äußert positiv auf ihre Stimmung auswirkte. So lustig wie bei diesem Abendessen hatte ich sie schon lange nicht mehr erlebt.
„Wir sollten uns erkundigen, was man hier alles besichtigen kann, oder nicht?", schlug sie vor.
„Na ja, dafür würden wir vermutlich ein Auto brauchen, also hat sich das mehr oder weniger erledigt", bremste Sophia ihre Energie ein wenig aus. „Aber vielleicht gibt es ein schönes Shoppingcenter. Da könnten wir mit dem Taxi hinfahren."
Liam und ich warfen uns heimliche Blicke zu, dann sagte er: „Vielleicht finden Niall und ich eine Shooting Ranch, während ihr shoppen geht. Es würde auf jeden Fall nützen, wenn wir unsere Fertigkeiten verbessern."
Nach wie vor stellte dies für Sienna ein großes Problem dar, doch sie äußerte sich nicht dazu, sondern vertiefte sich in die Getränkekarte, um einen Cocktail zu ordern. Sophia tat es ihr gleich und kurze Zeit später prosteten sich die beiden Frauen mit ihren Caipirinhas zu, während Liam und ich beim Bier blieben.
„Es fühlt sich fast an, wie in alten Zeiten, oder?" merkte ich an, worauf die anderen drei nickten.
Als wir noch in Oceanside wohnten, waren wir öfter zusammen essen gegangen und hatten den Abend dann meist mit Cocktails und Bier beendet.
Das Leben in Süd Kalifornien schien unendlich weit weg zu sein. Es fühlte sich an, als ob wir seit Jahren nicht mehr dort gewesen wären. Dennoch lagen nur einige Tage zwischen Grand Junction und der Stadt am Meer, die vier Jahre lang unsere Heimat gewesen war. Jetzt wurde alles anders. Die Karten waren neu gemischt worden, durch die Mafia, die den Spieltisch bediente. Wie in einem Casino. Doch wir versuchten, aus dem Spiel auszusteigen oder besser gesagt, gar nicht erst mitzumachen. Alistair und sein Team taten alles menschenmögliche, um uns zu schützen und unsere neue Identität zu wahren.
Es war beinahe Mitternacht, als Sienna und ich zu Bett gingen. Sofort kuschelte sie sich in meine Arme, ich konnte förmlich spüren, dass sie meine Nähe suchte.
„Niall?"
„Ja?"
„Denkst du auch manchmal, dass das Leben so viel einfacher sein könnte?"
„Oh ja, Baby, das tue ich."
Mi ihren Lippen platzierte sie einen Kuss auf meine Brust und dann auf das Grübchen im Kinn.
„Willst du mich anmachen?", raunte ich ihr ins Ohr, was sie mit einem neckischen „Vielleicht", quittierte.
„Vielleicht ja oder vielleicht nein?", wisperte ich in ihr Ohr, bevor meine Lippen ihre Stirn berührten.
„Vielleicht..., versuchst du es herauszufinden...", flüsterte sie, während ihr zarten Finger sanft über meine Brust fuhren.
Ohne darüber nachzudenken, umfasste ich ihre Handgelenke und ehe sie sich versah, lag Sienna auf dem Rücken und ich auf ihr. Binnen Sekunden gingen unsere Küsse vom Zärtlichen ins Hemmungslose über. So, als wollten wir alles um uns herum vergessen. Dass wir in ständiger Gefahr schwebten und uns die Mafia jederzeit ausfindig machen konnte, gelangte ebenso wie die Tatsache, dass unser Sohn sich auf einem anderen Kontinent befand, in den Hintergrund. Es gab nur Sienna und mich.
„Niall", aufreizend stöhnte sie meinen Namen, als sich ihr erhitzter Körper gegen meinen presste.
Mit geschlossenen Augen verfolgten meine Hände unbeirrt den Weg zu ihren Schenkeln, welche sich automatisch spreizten, als sie meine Berührungen spürte. Sienna brannte lichterloh, ich konnte es förmlich fühlen. Lustvoll drängte sie sich mir entgegen, bereit, mich aufzunehmen. Und ich kam ihrem Wunsch ohne zu zögern nach, da ich es selbst nicht mehr aushalten konnte. Es gab Zeiten, da hatten wir jeden Tag miteinander geschlafen, doch seit wir uns auf der Flucht befanden, stand uns oft nicht der Sinn danach. Umso prickelnder fühlte es dann an, wenn wir beide dazu bereit waren, so wie im Moment. Einzig alleine die Frage nach dem Kondom dämpfte die Stimmung zwischen uns für kurze Zeit. Sienna verwendete für die wichtige Frage, ob Verhütung notwendig war, einen Test, der ihre fruchtbaren Tage anzeigte. Bis vor einigen Jahren hatte ich überhaupt nicht gewusst, dass diese Möglichkeit existierte aber nun gehörte das Utensil zur Standardausrüstung unseres Haushaltes. Ich hätte jeden Mann mühelos darüber aufklären können, wie das funktionierte.
Nachdem Sienna mir zu verstehen gab, dass Verhütung im Augenblick eine Notwenigkeit darstellte, fummelte ich das Kondom aus der Packung. Sienna, der es wohl nicht schnell genug ging, rollte das Teil über meine Erektion, zog mich zu sich und schlang ihre langen Beine um meine Hüften. Mehr als diese Aufforderung benötigte ich wirklich nicht. Ihr heißer Atem streifte mein Gesicht und die prickelnde Spannung, die zwischen uns herrschte, wurde immer größer, bis sie sich schließlich vollends entlud.
Sie zitterte, als ich sie in meinen Armen hielt, während unsere Atmung sich nur sehr zögerlich beruhigte.
„Baby, ich liebe dich", flüsterte ich ihr ins Ohr.
„Ich dich auch, Niall", hauchte sie und legte ihren Kopf mit einem kleinen Seufzen auf meine Brust.
In diesem Augenblick wünschte ich mir, einfach nur ein normales Leben führen zu können. Doch leider würde dies vermutlich nie wieder der Fall sein, vor allem während der nächsten Wochen nicht. Vielleicht beruhigte sich alles, sobald wir uns in der neuen Heimat befanden und ich konnte nur hoffen, dass wir diese auch ohne Probleme erreichten. Die Panne am heutigen Tag hatte mir bewusst gemacht, dass viele unvorhergesehene Dinge geschehen konnten, auf die man keinerlei Einfluss hatte, selbst Alistair nicht.
Im Moment saßen wir in Grand Junction fest, was dem laufenden Meterfünfzig gar nicht schmeckte. Zumindest ließ er dies verlauten, als er sich am nächsten Tag bei Liam meldete.
„Ihr solltet sehen, dass ihr so schnell wie möglich dort wegkommt", lauteten seine Worte. „Egal, wann die Reparatur fertig wird, ihr werdet am gleichen Tag dort aufbrechen."
„Gut, und bis wohin sollen wir dann fahren?", erkundigte sich Liam in unserem Beisein.
„Bis nach Jefferson City, das liegt im Bundesstaat Missouri", erklärte Alistair.
„Denkst du, das weiß ich nicht? Das sind fünfzehn Stunden Fahrt", entwich es Liam.
„Ach komm schon, wir teilen uns das", erwiderte ich, als ich sein leicht gestresstes Gesicht bemerkte.
„So kenne ich dich, mein Junge. Du lässt dich niemals unterkriegen", lauteten Alistairs zufriedene Worte an mich.
Da wir eine Webcam Session veranstalteten konnte ich sein Grinsen sehen.
„Und wenn wir spät am Abend los müssen? Wir sollten einigermaßen ausgeruht sein, alle vier", warf Sophia ein.
Auch hierfür hatte ihr Boss eine Antwort parat. „Dann nehmt ihr euch unterwegs ein Motel. Das dürfte ja kein Problem sein."
„Ok, damit kann ich leben", brummte Liam, dessen Mine sich ein wenig aufhellte.
Sienna war die einzige, die noch keinen Ton gesprochen hatte, doch nun meldete sie sich zu Wort.
„Wie geht es Kieran?"
„Im Moment macht er noch keine Probleme, obwohl er euch beide vermisst. Aber Harry und Maggie tun ihr Möglichstes, um ihn bei Laune zu halten."
Als der Name Harry fiel, spürte ich wie Sienna sich entspannte. Sie vertraute ihm ebenso wie ich und das war gut so.
„Wo ist Kieran gerade?", erkundigte sie sich.
„Im Bett, er schläft bereits. Immerhin ist es bei uns schon acht Uhr."
Die Zeitverschiebung mit einzukalkulieren, wenn wir mit unserem Sohn sprechen wollten, war etwas, mit dem wir uns noch nicht so ganz arrangiert hatten.
„Wenn alles glatt läuft, dürft ihr mit ihm reden, sobald ihr in Jefferson City eingetroffen seid", ließ Alistair uns wissen, bevor er sich wieder verabschiedete.
Siennas lautes Seufzen machte mir bewusst, dass es noch eine ganze Weile dauern würde, bis unsere kleine Familie wieder vereint war.
Nachdem wir eine Weile in der Hotelbar zugebracht hatten, meldete sich der Besitzer der Autowerkstatt bei Liam. Gott sei Dank hatte er bereits am heutigen Tag eine neue Ölwanne für den Hummer auftreiben können.
„Er baut das Teil jetzt ein. Der Wagen sollte heute noch fertig werden", ließ Liam und wissen.
„Dann hauen wir also nachher gleich ab?", fragte ich, was er mit einem Nicken beantwortete.
„Vielleicht sollten wir ein bisschen Proviant besorgen. Gleich um die Ecke gibt es einen Walmart", erklärte Sophia.
Da wir nicht zu den fußkranken Menschen zählten, machten wir und zu viert auf den Weg zum Supermarkt, um Getränke und Sandwiches einzukaufen. Sienna packte noch Schokolade in den Einkaufswagen und Sophia fügte Kaugummis sowie Kekse hinzu. Für süße Nervennahrung war also ebenfalls gesorgt. Nachdem wir alles bezahlt hatten (Liam zückte mal wieder seine Kreditkarte), ging es zurück zum Hotel. Als wir vor dem Aufzug warteten, der uns nach oben bringen sollte, meldete sich Liams Handy. Gespannt spitzte ich die Ohren, als er redete.
„Ja, hallo, wer spricht da? – Super! – Wann können wir den Wagen holen? – Ok, alles klar, also bis dann."
„Das war die Autowerkstatt, oder?", erkundigte sich Sophia.
„Ja, und ich habe gute Nachrichten. Der Hummer wird gegen fünf Uhr am Nachmittag fertig sein. Dann hauen wir gleich ab in Richtung Jefferson City."
Irgendwie fühlte ich mich gerade erleichtert und ich konnte sehen, dass es Sienna ebenso erging. Sie atmete merklich auf, bevor sie mich anlächelte. Wir würden uns wieder ein Stück von der Mafia entfernen, die sich in Las Vegas aufhielt, um mit dem russischen Gegenstück Krieg zu führen. Vielleicht lenkte sie das von uns ab.
Die wenigen Stunden, die uns noch vor der Abfahrt blieben, verbrachen wir mit einem Besuch in einem guten Restaurant. Wer wusste schon, wann wir wieder etwas Anständiges zu essen bekommen würden? Für die lange Fahrt standen uns außer den Sandwiches und Naschereien nichts anderes zur Verfügung.
Pünktlich um fünf Uhr trafen wir in der Werkstatt ein, die den Hummer wieder fahrtüchtig gemacht hatte. Liam bezahlte die Rechnung, bevor wir uns auf den Weg begaben, der direkt auf die Interstate 70 führte. Wir hatten abgesprochen, dass er sich zuerst hinters Steuer klemmen sollte und wir später einfach die Plätze tauschten. Mir machte es nichts aus, nachts zu fahren, zumal ich mich im Moment auch ausruhen konnte. Zu diesem Zweck nahm ich meinen Platz neben Sienna auf der Rückbank ein. Sofort kuschelte sie sich an mich und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. Sanft küsste ich ihre Schläfe und strich eine lange Haarsträhne aus ihrem hübschen Gesicht. Mit geschlossenen Augen murmelte sie: „Ich liebe dich, Niall."
„Ich dich auch, Baby."
Es dauerte eine ganze Weile, bis wir schneller vorankamen, da sich auf dem ersten Stück der Interstate ziemlich viele Baustellen befanden, welche wir passieren mussten. Doch nach zwei Stunden ging die Reise etwas zügiger vonstatten. Inzwischen war es stockdunkel draußen und vor uns lagen noch mindestens dreizehn Stunden Fahrt. Es fing an zu regnen, was die Sache nicht unbedingt besser machte, doch ändern konnten wir es nicht. Zwischendurch machten wir Rast, einmal um etwas zu essen, ein anderes Mal, um den Hummer vollzutanken. Dieses Mal übernahm Sophia mit ihrer Kreditkarte die Rechnung. Es wurmte mich immens, dass ich im Moment nicht wirklich an unsere Ersparnisse herankam. Zumindest so lange nicht, bis Alistair dahingehend alles geregelt hatte und wir uns in der neuen Heimat befanden. Gut, dass Liam und Sophia an unserer Seite verweilten und uns aushalten konnten. Außer hundert Dollar Bargeld hatte ich nichts in der Tasche und bei Sienna sah es nicht besser aus.
Um kurz nach Mitternacht bat Liam mich, mit ihm den Platz zu tauschen. Ohne zu zögern stimmte ich zu. Nun war er es, der auf der Rückbank verweilte, während Sophia mir auf dem Beifahrersitz im vorderen Teil Gesellschaft leistete.
„Keine Sorge, ich pass schon auf, Niall", sagte sie schmunzelnd.
„Auf was? Dass ich nicht wieder die Ölwanne schrotte?", entfuhr es mir lachend.
„Das wird auf der Interstate wohl kaum passieren", entgegnete sie grinsend.
„Dein Wort in Gottes Ohr."
Ich startete den Motor und fuhr los. Langsam wurde der Verkehr ruhiger und nach drei Stunden Fahrt waren nur noch hin und wieder Autos zu sehen, die uns überholten. Doch irgendwann bemerkte ich einen Wagen, der ständig hinter uns blieb, selbst als ich die Geschwindigkeit drosselte. Auch Sophia schien plötzlich aufmerksam zu werden. Immer wieder drehte sie sich um.
„Ich weiß nicht, es kann sein, dass ich mich irre, aber ich denke, wir werden verfolgt", wisperte sie.
Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit.
„Was machen wir denn nun?", flüsterte ich, zumal Liam und Sienna fest schliefen.
Sophia atmete tief durch, bevor sie zu einer Antwort ansetzte.
„Gib Vollgas bis zur nächsten Ausfahrt und dann musst du kurz davor bremsen und die Interstate verlassen. Aber so, dass der andere Wagen dir nicht mehr folgen kann. Kriegst du das hin?"
Als ich ihren Blick auf mir fühlte, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.
„Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben."
Der Moment in dem ich das Gaspedal bis zum Anschlag durchtrat, ließ mich wissen, dass wir mit unserer Vermutung richtig lagen. Der Wagen hinter uns beschleunigte sofort und machte auch keinerlei Anstalten langsamer zu werden. Selbst als ich die Geschwindigkeitsbeschränkung um mehr als dreißig Meilen überschritt, ließ sich das Auto nicht abschütteln.
„Mist", fluchte ich, was Sophia mit einem „Bleib auf dem Gas", quittierte.
Wir befanden uns mitten in einer Verfolgungsjagd und ich war derjenige der entscheiden würde, wie diese ausging. Das wurde mir in jenem Augenblick bewusst.
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Endlich wieder ein neues Update von Black Ice! Ihr habt lange darauf gewartet und ich hoffe, dass noch jemand die Story liest und auch, dass euch das Kapitel gefallen hat, obwohl es wieder mit einem Cliffhanger endet.... Tut mir leid, ich konnte nicht anders....
LG, Ambi xxx
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