05. First Separation
♪ Take off – Conor Maynard
Sienna
Verzweifelt versuchte ich meine Tränen zurückzuhalten, doch es glückte nicht. Alistairs Worte rissen mein Herz regelrecht in zwei Teile.
„Sie müssen mir Ihren Sohn anvertrauen."
Meine Hände zitterten und meine Stimme bebte, als ich die Frage an ihn richtete: „Was genau bedeutet das?"
„Dass er ihn mit nach London nimmt."
Es war Niall, der das sagte und mich gleichzeitig in seine Arme schloss.
„Baby, es muss sein", wisperte er und küsste meine Tränen weg. Ich spürte, dass es auch ihm nicht leicht fiel, denn unser Sohn war sein Ein und Alles.
Krampfhaft hielt ich mich an ihm fest, es fiel mir schwer zu sprechen.
„Seit wann weißt du es?" Meine Stimme klang heiser und rau.
„Alistair hat es mir gestern Nacht noch gesagt. Als wir Liam und Sophia in der Wüste aufgegabelt haben."
Noch niemals war Kieran von uns getrennt gewesen, wenn, dann immer nur für einige Stunden. Und jetzt sollte er weggebracht werden. Ich hatte keine Ahnung, über welche Zeitspanne sich dies erstreckte und wie ich überhaupt damit umgehen sollte. Aber am schlimmsten war der Gedanke an Kieran selbst. Wie sollte ein fast Vierjähriger das verkraften? Obwohl er Alistair sehr mochte, würde er uns beide vermissen. Er würde weinen, genau wie ich es im Augenblick tat.
Alistair gab uns diesen Moment, er ließ Niall und mich einfach gewähren und wartete, bis wir uns einigermaßen gefangen hatten, bevor er erneut zum Reden ansetzte.
„Ich weiß, es ist hart, sein Kind jemand anderem anzuvertrauen. Aber ihr könnt sicher sein, dass es ihm gut gehen wird. Er wird bei Rosie und mir wohnen und außerdem regelmäßig Besuch von Harry erhalten. Ihr müsst verstehen, dass diese lange Reise, die ihr nun vor euch habt, zu anstrengend für ihn wäre. Und falls Probleme auftauchen sollten, wäre auch er in großer Gefahr. Das ist er in London, in unserer Obhut nicht, deswegen bringe ich ihn aus der Schusslinie."
Jedes einzelne Wort hatte ein großes Gewicht für mich. Jeder Satz gewann an Bedeutung. Wir würden eine lange Reise antreten. Einen Trip, der durchaus gefährlich werden konnte. Ich verstand vollkommen, was Alistair damit ausdrücken wollte und in gewisser Weise war ich ihm dankbar dafür. Kieran durfte nichts geschehen. Er war unser Leben.
Allerdings erzeugte die Vorstellung, dass er nach London gebracht werden sollte, ein komisches Gefühl in meinem Bauch. Seth, Harvey und Gwenny wohnten dort. Aber unser Sohn würde sie vermutlich nicht sehen dürfen. Außerdem konnte er auch nichts mit ihnen anfangen. Für ihn existierten unsere früheren Leben nicht. Es hätte ihn nur verwirrt, wenn Niall und ich ihm über Menschen oder Orte erzählt hätten, von denen wir nicht einmal wussten, ob er diese jemals zu Gesicht bekommen würde. Kieran sollte nicht spüren, dass die Realität unseres Lebens eine falsche war. Vielleicht konnten wir es ihm irgendwann erklären, wenn er das entsprechende Alter und die nötige Reife dazu haben würde. Aber im Moment mussten wir ihn dahingehend in Watte packen. Er war noch viel zu klein, um das alles begreifen zu können.
Langsam normalisierte sich meine Atmung ein wenig, doch ich lehnte mich nach wie vor an Nialls Schulter. Es würde furchtbar sein, Kieran nicht bei uns zu haben. Zu wissen, dass er uns vermisste, obwohl er bei Rosie und Alistair mehr als nur gut aufgehoben sein würde.
„Wann?", fragte ich nur, während ich in Alistairs Augen schaute.
„In vier Tagen. Bis dahin sollte er sich einigermaßen an mich gewöhnt haben."
„Und wie sollen wir ihm das beibringen?", erkundigte sich Niall seufzend.
Am Ton seiner Stimme konnte ich deutlich hören, wie sehr ihm dies zu schaffen machte.
Lächelnd antwortete Alistair: „Dafür habe ich mir bereits etwas ausgedacht. Ich hoffe, dass es funktioniert und er darauf anspringt."
Was immer es auch sein würde, wir konnten nichts anderes tun, als unser Vertrauen in Alistair zu setzen. Unzählige Fragen tauchten plötzlich in meinem Kopf auf und Antworten waren das, was ich wollte.
„Wie lange wird Kieran von uns getrennt sein?"
Noch immer strahlte Alistair eine große Ruhe aus. Er blickte mich an und sagte: „Wenn es gut läuft, ungefähr zwei Wochen."
„Zwei Wochen", stöhnte Niall.
„Ja, so lange wird eure Reise nun einmal dauern", bekamen wir zu hören.
Die nächste Frage, die mir auf der Zunge lag, war mehr als nur naheliegend.
„Und wo befindet sich unser Ziel?"
Eigentlich hätte ich wissen müssen, dass Alistair uns das noch verschwieg.
„Im Norden", erwiderte er lässig. „Aber ihr werdet auf Umwegen dorthin gelangen. Das ist sicherer."
Für eine Sekunde schloss ich meine Augen und tastete gleichzeitig nach Nialls Hand. Im Norden. Hoffentlich würden wir nicht in Seattle landen. Dort war es immer kalt und regnerisch, viel schlimmer als in London. Seit vier Jahren war die kalifornische Wärme ein fester Bestandteil unseres Lebens, doch es schien, dass ich mich an nichts gewöhnen durfte. Alles wurde uns irgendwann wieder weggenommen. In unserer Situation brachte es nichts, sein Herz an materielle Güter oder gar an gutes Wetter zu hängen. Wir mussten mit dem zufrieden sein, was man uns gab und wir konnten uns glücklich schätzen, dass wir noch am Leben waren.
Als Niall und ich an diesem Abend zu Bett gingen, fiel uns das Einschlafen sehr schwer.
„Ich weiß nicht, ob Kieran damit klarkommen wird", hörte ich meinen Mann leise seufzen.
„Ich auch nicht. Er tut mir so leid", wisperte ich und bettet meinen Kopf auf Nialls Brust.
Sofort schlang er seinen rechten Arm um meinen Körper, um mich noch näher zu sich zu ziehen. Zwischen uns passte kein Blatt Papier mehr und als ich seine Lippen an meinem Ohr fühlte, schloss ich kurz meine Augen.
„Ich wünschte, ich könnte dir sagen, dass es einfach wird, aber das ist unmöglich", flüsterte er.
„Ich weiß. Aber... ich habe immer gewusst, dass unser Leben sich von einem auf den anderen Tag drastisch verändern kann", versuchte ich ihn zu beruhigen.
Ohne dass er es aussprach, ahnte ich, dass er sich Vorwürfe machte. Unberechtigterweise, um ehrlich zu sein, denn mir war durchaus bekannt, auf was ich mich einließ, als ich ihn heiratete und somit meine Bereitschaft aussprach, an seiner Seite bleiben zu wollen; egal was geschah.
„Es tut mir so leid, Sienna. Was ich Kieran und dir antue..."
Augenblicklich fiel ich ihm ins Wort.
„Es ist die Mafia, die uns das antut, nicht du, Niall."
Vorsichtig hob ich meinen Kopf und suchte seine Lippen, um einen Kuss darauf zu platzieren. Er erwiderte ihn sofort, sanft und feurig zugleich.
„Ich liebe dich, Sienna. Du und Kieran, ihr seid alles, was ich habe."
„Ich liebe dich auch, Niall."
Erneut standen Tränen in meinen Augen. Es tat weh daran zu denken, dass wir bald auf Kieran verzichten mussten. Aber er würde in Sicherheit sein; nur darauf kam es an. Nichts anderes zählte im Augenblick und zwei Wochen waren zu verschmerzen, wenngleich diese unserem Sohn und auch uns wie eine Ewigkeit vorkommen würden.
Der nächste Tag begann umso schöner, denn wir frühstückten alle gemeinsam auf der großen Terrasse unserer Suite. Kieran war Feuer und Flamme, dass er jetzt so viele Menschen um sich hatte, die alle mit ihm spielten und ihm ihre Aufmerksamkeit schenkten. Dies war etwas Gutes, denn so vermisste er seine Freunde vom Kindergarten momentan nicht allzu sehr.
Alistair bot unserem Sohn jeden Tag ein ausgeklügeltes Programm. Es begann mit dem Frühstück, dann wurde im Pool geplantscht. Selbst am Nachmittag beschäftigte er sich noch mit Kieran. Es wurde ihm nie zu viel, wenn unser Sohn ihn Löcher in den Bauch fragte. Warum die Palmen am Pool so groß seien, ob es hier Krokodile gäbe und ob Alistair auch Kinder hätte.
„Ja, ich habe eine Tochter. Sie heißt Maggie", lautete dessen Antwort, worauf Kieran in lautes Jubelgeschrei ausbrach.
„Wo ist sie denn?", erkundigte er sich neugierig.
„In London."
„Wo ist das?"
„Weit weg von hier, da, wo ich herkomme."
Kierans nächster Satz kam Alistair mehr als nur gelegen.
„Kannst du mich da mal mitnehmen?"
Niall und ich hielten die Luft an, denn nun würde wohl die Strategie des kleinen, dicken Mannes zum Vorschein kommen. Noch hatten wir beide keine Ahnung, wie er Kieran davon überzeugen wollte, mit ihm nach London zu reisen. Umso gespannter lauschten wir seinen Worten.
„Ja klar, kann ich dich mitnehmen. Aber nur, wenn du auch wirklich willst und bereit bist, ein Spiel mitzumachen."
Niall strich kurz mit seiner Hand über meinen Arm, worauf ich in seine blauen Augen schaute. Ein Spiel? Was würde nun kommen?
„Was denn für ein Spiel?", hörte ich unseren Sohn neugierig fragen.
„Ein ganz Tolles. Wir brauchen dafür allerdings etwas Zeit."
Alistair schälte in aller Ruhe eine Banane, um diese Kieran in die Hand zu drücken. Gestern hatte ich auf seine Bitte hin eine Liste mit allen essbaren Sachen zusammengestellt, die unser Sohn bevorzugte. Damit konnte man ihn zumindest für eine gewisse Zeit glücklich machen. Während unser Sohn die Banane beinahe schon andächtig verspeiste, fuhr Alistair mit seiner Rede fort.
„Also das Spiel geht folgendermaßen. Deine Mum, dein Dad, du und ich müssen eine Reise antreten, aber nicht zusammen. Es gibt zwei Teams. Und ich würde gerne mit dir in einem Team sein. Bitte sag ja."
Ich musste zugeben, dass ich Alistairs Strategie jetzt schon umwerfend fand. Er wusste nicht nur mit Erwachsenen, die von der Mafia verfolgt wurden, sondern auch mit kleinen Kindern umzugehen.
Unser Sohn musste nicht lange überlegen, um eine Antwort zu erteilen. Er jubelte laut: „Ja, ich will mit dir in einem Team sein!"
„Das freut mich." Alistair strahlte, worauf Kieran erneut zu jauchzen begann.
„Juchu! Wir sind in einem Team!"
Dann wurde er allerdings wieder still, denn er schien zu überlegen.
„Du, Alistair, was machen wir denn bei diesem Spiel, außer eine Reise?"
„Die Reise ist das Spiel, Kieran. Aber wir haben unsere eigenen Regeln. Normalerweise gewinnt immer der, der als Erster am Ziel ist. Aber wir machen es so, dass derjenige gewinnt, der als Letzter am Zielort eintrifft. Das heißt, wir müssen uns Zeit lassen."
Kieran runzelte seine Stirn. „Aber Mami und Papi hören doch jetzt alles mit, was wir reden. Sie lassen sich jetzt auch Zeit."
„Das werden sie sicher tun. Aber wir werden unseren weiteren Plan ausarbeiten, wenn ich dich nach London mitnehme", erklärte Alistair ernst.
„Nur mich?"
„Nur dich."
„Darf ich dann mit Maddie spielen?"
„Ja, natürlich."
Innerlich musste ich mir das Lachen verkneifen. Kieran erwartete sicher eine Spielkameradin in seinem Alter, doch wenn ich mich recht erinnerte, musste Maggie inzwischen eine ausgebildete Lehrerin sein.
Mit nachdenklichem Gesichtsausdruck blinzelte unser Sohn in die Sonne.
„Du, Alistair?"
„Ja, Kieran?"
„Denkst du Mami und Papi erlauben es, dass ich mit dir nach London komme?"
Ich spürte, wie meine Eingeweide sich schmerzhaft zusammenzogen. Obwohl ich wusste, dass es das Beste und Sicherste überhaupt sein würde, fiel es mir schwer, daran zu denken, dass wir Kieran in Alistairs und Rosies Obhut geben mussten. Niall, der meine Gedanken zu lesen schien, hauchte mir einen Kuss auf die Wange und flüsterte: „Es fällt mir genauso schwer wie dir, aber es muss sein, Baby."
Insgeheim hoffte ich, dass diese zwei Wochen sehr schnell vergehen würden.
„Nun ja", vernahm ich Alistairs Stimme, „wir sollten sie zumindest fragen, ob sie damit einverstanden sind."
Begeistert zog unser Sohn seinen neuen Freund am Arm, um dann den Weg zu unseren Liegen anzutreten.
„Mami, Papi! Alistair hat desadt, ich darf mit ihm nach London kommen!", rief er.
„Wirklich?" Niall tat erstaunt, worauf unser Sohn nickte.
„Ok, möchtest du mit ihm dorthin reisen?", hakte Niall nach.
Wieder war ein Nicken die Antwort.
„Gut, dann werden wir dir das erlauben."
„Echt?"
Seine blauen Augen wurden groß und rund und begannen immens zu strahlen.
„Juchu! Ich darf mit dir nach London!"
Er führte eine Art Freudentanz auf und stampfte mit seinen kleinen Beinchen auf den Boden, was uns alle zum Lachen reizte. Selbst Liam und Sophia wurden dadurch angesteckt. In diesem Moment vergaßen wir unsere Sorgen, denn die Freude eines Kindes erwärmte unsere Herzen. Kieran quietschte noch eine ganze Weile vor sich hin, weil er es nicht fassen konnte. Und dann fragte er Alistair Löcher in den Bauch.
„Ist London so wie Oceanside?"
„Nein, anders, aber genauso schön."
„Dibt es dort Palmen?"
„Ja, aber nur vereinzelt."
Unweigerlich wurde ich an die Palme im Vorgarten von Nialls ehemaligem Haus erinnert, was mir einen Stich ins Herz versetzte. Gerne hätte ich mit ihm und Kieran in diesem Haus gewohnt. Doch aufgrund des abnormalen Lebens, das wir führten, war das nicht möglich. Außerdem hatte Alistair das Anwesen sowieso verkauft und Niall das Geld aus dem Erlös übergeben. Mit einem Teil daraus hatte er das Haus in Oceanside erworben, in welchem wir vier Jahre glücklich lebten. Nun fingen wir wieder von vorne an und ich hatte keine Ahnung, was uns an unserem Zielort erwarten würde.
Seufzend ließ ich mich auf die Liege zurücksinken und schloss meine Augen. Jede Stunde in Palm Springs wurde kostbar, denn bald würde unsere kleine Familie auseinander gerissen werden. Mein einziger Trost war die Tatsache, Kieran in London gut aufgehoben war.
Als wir an diesem Abend gemeinsam auf der Terrasse saßen, nachdem wir Kieran ins Bett gebracht hatten, klärte Alistair uns über die weitere Vorgehensweise auf.
„Ich werde am Dienstag mit Kieran nach London fliegen. Ihr vier setzt eure Reise erst am Mittwoch fort. Für euch wird es Richtung Las Vegas gehen. Die genaue Route steht zwar fest aber sie könnte sich aufgrund von nicht vorhersehbaren Ereignissen ändern."
Es war unschwer zu begreifen, was er damit meinte. Sollte die Mafia uns ausfindig machen, würden wir erneut untertauchen müssen. Ich konnte nur hoffen, dass dies niemals eintreten würde.
„Eure Route wird im Zickzack gen Norden verlaufen. Liam und Sophia sind bis zum bitteren Ende bei euch."
Als Alistair in meine Augen schaute, begann ich zu schlucken. Der Begriff 'bis zum bitteren Ende' lag mir schwer im Magen.
„Falls Probleme auftauchen bin ich jederzeit zu erreichen, aber das wissen Sophia und Liam ja."
Beide nickten ihrem Boss zu, der versuchte, uns mit einem zuversichtlichen Lächeln aufzumuntern. Dies gelang jedoch nur zum Teil. Ich hatte Angst und ich würde auch nicht eher Ruhe haben, bis wir alle drei wieder an einem Ort vereint sein würden.
„Sie melden sich doch, wenn Sie mit Kieran in London eingetroffen sind?", erkundigte ich mich.
„Aber natürlich, das ist wohl selbstverständlich", antwortete Alistair.
„Wisst ihr, was ich komisch finde?", meldete sich Sophia plötzlich zu Wort. „Ihr kennt euch jetzt seit vier Jahren und redet euch noch immer mit diesem blöden Sie an."
Dabei ging ihr Blick abwechselnd von Alistair zu mir.
„Ähm", machte ihr Boss, „eigentlich muss die Dame immer das Du anbieten."
„Oh, also an mir soll es nicht liegen", äußerte ich mich spontan.
„Fein, dann sind wir nun beim Du angelangt."
Doch so einfach das klang, machte man es uns nicht.
„Ihr müsst Brüderschaft trinken", kam es von Liam.
„Was?!" Überrascht schaute ich zu ihm und im gleichen Moment sagte Niall auch schon: „Klar, los kommt! Erhebt eure Weingläser!"
„Da kommen wir jetzt wohl nicht drum herum, Sienna." Alistair lachte, als er sein Glas erhob, um mit mir den Bund der Brüderschaft zu begießen. Zum Abschluss mussten wir uns auf die Wange küssen. Niemand, der uns sah, hätte geglaubt, dass hier drei Beamte und zwei Menschen, die sich in einem Zeugenschutzprogramm befanden, auf der Terrasse saßen, denn unser Beisammensein wirkte ziemlich ungezwungen. In meinem Herzen sah es jedoch anders aus und auch in Nialls. Ich konnte es deutlich in seinen Augen erkennen. Er litt wie ein Tier, aber gleichzeitig wirkte er wie ein entschlossener Kämpfer. Jemand, der niemals aufgab.
Viel zu schnell vergingen die nächsten beiden Tage, obwohl wir nichts anderes taten, als uns wie sonnensüchtige Touristen zu verhalten, die die ganze Zeit am Pool gammelten. Selbst um Essen und Trinken brauchten wir uns nicht zu kümmern. Mark servierte stets frische, kulinarische Leckerbissen. Mit Liam und Sophia an unserer Seite kam mir alles sogar noch ein Stück einfacher vor. Ich vertraute ihnen und Niall tat das ebenfalls.
Hin und wieder zog Alistair sich zurück, um wichtige Telefongespräche zu führen. Er koordinierte alles, was mit unserer Flucht in Zusammenhang stand. Manchmal fragte ich mich, wie er das alles schaffte und vor allem, wie dieses ganze Netzwerk funktionierte. Es musste eine immense Arbeit, und vor allem viele kluge Köpfe dahinterstecken.
Jede Minute mit Kieran wurde kostbar, doch die Zeit des Abschieds näherte sich unaufhaltsam. Als ich den Koffer für unseren Sohn packen musste, bildeten sich Tränen in meinen Augen. Obwohl Niall mir zur Seite stand, konnte er nicht verhindern, dass ich heulte. Das letzte Spielzeug verschwand im Gepäck und ich schaute mich nochmals gründlich um, ob wir nichts vergessen hatten. Gleich würde unser kleiner Schatz seine erste große Reise antreten.
Kieran konnte es kaum erwarten, London zu sehen. Ihm war zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst, dass er uns in den nächsten zwei Wochen nicht zu Gesicht bekommen würde. Zwar hatten wir mit Alistair vereinbart, dass er hin und wieder mit uns skypen durfte, aber dies hing auch davon ab, ob unsere Reise sich ohne Probleme fortsetzen ließ.
Kieran kam ins Zimmer gelaufen, gerade nachdem ich seinen Koffer verschlossen hatte.
„Mami", jubelte er, „ich darf nach London!"
„Ja, mein Schatz."
Ich umarmte ihn fest, wobei ich versuchte, mit aller Gewalt die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. Doch es gelang mir nicht. Zu tief saß der Schmerz, dass wir uns von unserem Sohn trennen mussten. Niall, der uns beide im Blick behielt, versuchte die Fassung zu wahren. Doch auch ihm fiel es unsagbar schwer, das konnte ich mühelos erkennen.
Das Klopfen an der Tür ließ mich wissen, dass es soweit war. Alistair holte den Kleinen ab. Als ich Kieran einen sanften Kuss auf die Stirn drückte, bemerkte er meine Tränen.
„Mami? Warum weinst du denn?"
„Ich weine nicht, ich habe etwas im Auge", log ich prompt und drehte mich um.
„Okeyyy."
Auch Niall verabschiedete sich von unserem Sohn. Zärtlich drückte er ihn an sich und sagte: „Ich hab dich lieb, Kieran und sei schön brav zu Alistair, ok?"
„Ja! Er hat demeint, wir essen danz viel Puddin!"
„Das tun wir auf jeden Fall", bekräftigte Kierans Beschützer, bevor er den Kleinen an die Hand nahm.
Nach einer kurzen Verabschiedung von Alistair begleiteten wir die beiden noch zum Auto. Dort ging alles rasend schnell. Kieran wurde auf den Kindersitz verfrachtet und Alistair klemmt sich hinter das Lenkrad. Er hupte noch kurz, bevor er anfuhr. Hand in Hand standen wir da und sahen dem Wagen so lange nach, bis er endgültig unseren Blicken entschwand. Es fühlte sich an, als ob jemand einen Teil meiner Seele herausgeschnitten hätte. Unser Kind war weg.
Bereits nach fünf Minuten vermisste ich sein Lachen, seine süße Stimme und dass jemand „Mami" rief. Niemand konnte mich aufheitern, so sehr es Liam und Sophia auch versuchten. Niall hingegen verfiel in tiefes Schweigen. Er kämpfte auf andere Art und Weise dagegen an. Wir sprachen nicht viel miteinander, doch wenn unsere Blicke sich per Zufall kreuzten, wusste jeder, was der andere dachte.
Nach dem Abendessen packten wir unsere Koffer, denn wir würden am nächsten Tag direkt nach dem Frühstück aufbrechen. Liam und Sophia gingen zeitig zu Bett, doch ich fand noch keinen Schlaf. Um ein wenig zur Ruhe zu kommen, setzte ich mich auf die Terrasse. Es war unglaublich still, zumindest kam es mir so vor. Niall wollte noch kurz mit Mark sprechen, doch als ich hörte, dass jemand die Tür zu unserer Suite öffnete, wusste ich, dass er zurückgekehrt war.
Seine Schritte näherten sich rasch und ich schaute auf, als er in der Terrassentür stehenblieb. Für einen Moment genoss ich den Anblick des Mannes, den ich von Herzen liebte. Die blonden Haare wirkten leicht verstrubbelt, sein Grinsen war perfekt und das Funkeln seiner blauen Augen löste ein angenehmes Kribbeln in mir aus. Sein Blick hielt meinem Stand, es war, als ob er mich zu etwas aufforderte. Wie hypnotisiert erhob ich mich von der Bank, um auf ihn zuzugehen. Als ich noch einen Schritt entfernt war, streckte Niall seinen rechten Arm aus und umfasste meine Taille. Er zog mich ganz nahe zu sich heran und binnen Sekunden lagen unsere Lippen aufeinander. Mein Denken setzte schlagartig aus und alles was ich tat war fühlen.
Seine Lippen wanderten an meinem Hals entlang und seine Hände unter mein Top. Die Hitze seines Körpers ließ mich lichterloh brennen. Auffordernd presste ich mich ihm entgegen, gleichzeitig öffnete ich den Knopf an seiner Shorts.
„Baby", flüsterte er, „ich habe eine super Idee. Vertrau mir."
Es dauerte nicht lange, bis wir uns auf der Terrasse komplett entkleidet hatten und die Klamotten überall verstreut herumlagen. Mit einem Ruck hob Niall mich hoch, um mich in eine ganz bestimmte Richtung zu tragen. Ich wusste, was er vorhatte und ich war voller Vorfreude, denn Sex in einem Whirlpool gehörte zu jenen Dingen, die wir noch nie praktiziert hatten. Das Wasser im Becken konnte mit Badewannen Temperatur aufwarten, was meine Lust zusehends verstärkte. Auch hatte Niall den Zeitpunkt perfekt gewählt, denn wir brauchten nicht zu verhüten, da meine fruchtbaren Tage in diesem Zyklus bereits um waren. Sicher wäre es kein Spaß gewesen im Wasser mit dem Kondom herumzufummeln.
Sanft umhüllten uns die Wellen, welche durch unsere Bewegungen ausgelöst wurden. Mit einem Seufzer ließ ich mich auf ihm nieder, um das Tempo bestimmen zu können. Sex in einem Whirlpool war viel anstrengender als gedacht, doch gerade dies peitschte meine Gefühle nur noch mehr in die Höhe. Ich wollte die schlimmen Dinge vergessen und Nialls Strategie wirkte auf den Punkt genau. Seine Hände hielten meine Hüften umklammert, während ich mich zuerst vorsichtig und dann immer heftiger bewegte. Unser Rhythmus war perfekt.
„Baby", vernahm ich sein raues Flüstern, „das ist total geil."
Meine Hände krallten sich fester in seine Schultern und meine Nägel gruben sich in seine Haut, als wir gemeinsam den Punkt der vollkommenen Erlösung erreichten.
Schwer atmend presste ich meine schweißnasse Stirn gegen seine. Ich zitterte am ganzen Körper. Erst als Niall mich in eine Umarmung zog, begann ich langsam zu relaxen. Noch immer senkte sich sein Brustkorb heftig, doch seine Lippen befanden sich bereits wieder in Aktion und verteilten sanfte, kleine Küsse über mein Gesicht.
„Ich liebe dich, Baby", wisperte er, was mir prompt ein Lächeln entlockte.
„Ich liebe dich auch, Niall", flüsterte ich ihm ins Ohr.
Das war unser Moment, den wir total genießen konnten, der uns weit weg von den Sorgen trug und der uns spüren ließ, dass es Augenblicke gab, die ungeheuer wertvoll waren und die man nicht vergessen wollte. Und weil wir beide haargenau wussten, dass die nächsten Tage und Wochen kein Zuckerschlecken für uns sein würde, läuteten wir die zweite Runde Sex später im Bett ein.
Dieses Mal war es Niall, der den Takt angab, der mich äußerlich zum Schwitzen brachte und innerlich zum Zerbersten. Trotz der Klimaanlage glühten unsere Körper vor Hitze, da wir uns beide total verausgabten. Immer wieder puschte er meine Gefühle in die Höhe, um sie dann in eine Richtung zu lenken, die ihm entgegenkam. Jedes Mal, wenn ich glaubte, dass wir gleich den Zenit überschreiten würden, stoppte er und änderte unsere Position. Bis er es schließlich selbst nicht mehr aushielt. Wir sprangen über die Klippe und landeten in einem tiefen Ozean voller Gefühle, dass mir beinahe schwindelig wurde. Niall konnte es noch immer. Der Sex mit ihm wurde niemals langweilig, selbst nach fast fünf Jahren nicht.
Es war weit nach ein Uhr in der Nacht, als das Bett endlich seine eigentliche Bestimmung erlangte. Wir fielen in einen tiefen Schlaf.
Erbarmungslos holte uns der Wecker jedoch am nächsten Morgen in die Realität zurück.
„Lass mich in Ruhe", murmelte Niall.
Im gleichen Moment ging eine Whatsapp Nachricht auf seinem Handy ein. Mit zusammengekniffenen Augen griff er danach, um dann erleichtert zu sagen: „Kieran und Alistair sind gut in London angekommen. Eine Sorge weniger, die wir jetzt haben."
Die Erleichterung trieb mir beinahe Tränen in die Augen.
„Jetzt wird alles gut", seufzte ich.
„Warte", kam es von Niall, „da ist noch eine Nachricht von ihm eingegangen."
Als er vorlas, was Alistair geschrieben hatte, wurde meine Welt in ihren Grundfesten erschüttert.
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Die Trennung von Kieran, erster Sex in der Story ^^ und dann noch zum Abschluss einen Cliffhanger. Ich wollte es so perfekt wie möglich machen und hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat.
Danke für die lieben Kommentare und euren konstanten Support! Ihr macht mir das Schreiben damit unendlich leicht, ich glaube, das wisst ihr gar nicht!
LG, Ambi xxx
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