03. In Hiding
♪ All Screwed Up – AC/DC
Niall
„Verschwunden sagst du?"
Mein Puls raste, als ich Alistairs Worte verinnerlichte. Ich rechnete mit dem Schlimmsten, nämlich, dass die Mafia den beiden auf der Spur war.
„Und was machen wir jetzt?", fragte Sienna.
Sie wirkte müde, blass und völlig fertig. Aber wer konnte ihr das verdenken?
Alistair seufzte kurz, bevor er sich zu einer Antwort bequemte.
„Wir warten. Ich habe Harry und Eleanor gesagt, dass sie weiterhin versuchen sollen, die beiden zu erreichen. Liam und Sophia hatten die Anweisung, sich im Headquarter zu melden, sobald sie ihren Mietwagen besteigen und sich auf dem Weg nach Palm Springs befinden. Das Flugzeug, mit dem sie angekommen sind, ist bereits vor zwei Stunden in Los Angeles gelandet. Selbst wenn es am Flughafen bei der Einreise eine Wartezeit gegeben hätte, müssten sie mittlerweile längst durch sein", erklärte er.
„Wie lange willst du denn warten?", erkundigte ich mich nervös.
Es behagte mir gar nicht, dass Liam und Sophia wie vom Erdboden verschluckt waren und keiner wusste, wo sie sich aufhielten.
„Eine Weile."
Seine stoische Ruhe brachte mich fast an den Rand des Wahnsinns.
„Wie kannst du nur so relaxed sein?" entfuhr es mir ungehalten. „Zwei Mitarbeiter aus deinem Team sind verschwunden und du tust so, als ob das nichts Außergewöhnliches wäre!"
„Beruhige dich, mein Junge. Wenn du dich aufregst, wird es nicht besser. Ich habe mir für solche Fälle angewöhnt, klar zu denken und keineswegs voreilige Schlüsse zu ziehen. Damit macht man sich nur die Nerven kaputt."
Sienna, die unser Gespräch verfolgte, schien wohl genug davon zu haben, denn sie öffnete die Tür zu unserer privaten Terrasse und setzte sich dort auf die mit dicken Kissen ausgelegte gemauerte Bank. Ich konnte verstehen, dass dies alles zu viel für sie wurde. Während der letzten Stunden waren wir nur damit beschäftigt gewesen, nicht die Fassung zu verlieren, damit Kieran nichts merkte. Aber langsam bröckelte die Fassade.
„Ich werde jetzt meine Suite aufsuchen, mein Junge. Sobald ich etwas Neues weiß, gebe ich dir Bescheid, ok?", verabschiedete sich Alistair von mir.
„Ok, du kannst mir auch mitten in der Nacht eine Nachricht schicken oder anrufen. Das ist mir egal", ließ ihn wissen.
„Geht klar."
Bevor er zur Tür schritt, rief er Sienna ein „Gute Nacht und versuchen Sie zu schlafen" zu. Sie erwiderte seinen Abschiedsgruß und blickte dann in den Sternenhimmel. Mit einem Seufzen auf den Lippen gesellte ich mich zu ihr und ohne zu zögern lehnte sie sich an mich.
„Das ist so schrecklich", murmelte sie. „Ich komme mir so hilflos vor."
„Frag mich mal. Ich wüsste gerne, was passiert ist oder ob man ihnen vielleicht helfen kann."
Als Sienna mit ihrer Hand nach meiner tastete, verschränkten sich unsere Finger automatisch miteinander.
„Wenn das schon so anfängt, wo wird es dann enden?" In ihren blauen Augen standen Tränen, als sie diesen Gedanken aussprach.
„Ich weiß es nicht."
Sanft streichelte ich mit meinem Daumen über ihren Handrücken, um sie auf diese Art und Weise ein wenig zu beruhigen, obwohl ich selbst total aufgewühlt war.
„Ich habe Angst, Niall", wisperte sie, „furchtbare Angst. Eines Tages werden sie uns bestimmt finden. Ich wünschte..."
„Du wünschest, du wärst diesen Weg nie mit mir gegangen, oder?" Meine Stimme klang rau und belegt, doch Sienna antwortete sofort auf diese Aussage.
„Nein!", kam es vehement. „Das habe ich nicht sagen wollen!"
„Was dann?"
„Ich wünschte, wir hätten ein neues Dach über dem Kopf und alles wäre in Ordnung. Auch mit Liam und Sophia. Und ich wünschte, die Mafia würde auf einem Pulverfass sitzen und explodieren. Alle weg, auf einen Schlag."
„Glaub mir, ich wäre froh, wenn das passieren würde", seufzte ich. „Aber leider können wir das nicht beeinflussen und Alistair auch nicht."
„Ich weiß."
Noch immer war das Zirpen der Grillen zu hören, doch ansonsten herrschte Stille um uns herum. Eine Oase der Ruhe und perfekt geeignet zum Relaxen, wenn die Umstände anders gewesen wären. Außer unseren gleichmäßigen Atemzügen blieb es ruhig auf der Terrasse. Mittlerweile hielt ich Sienna in meinen Armen, die sich ganz eng an mich kuschelte.
„Baby, ich gehe jetzt duschen und lege mich dann ins Bett", raunte ich ihr ins Ohr.
„Mach das."
Gemeinsam erhoben wir uns, um in die Suite zurückzukehren. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass alle Fenster und Türen fest verschlossen waren, trat ich den Weg ins Badezimmer an. Auch in diesem war der mediterrane Stil vorzufinden. Terrakotta Fliesen an den Wänden und auf dem Boden. Außer einem Waschbecken befanden sich eine Badewanne mit Whirlpool-Funktion, eine Toilette, sowie eine große Dusche mit einer Glastür darin. Sämtliche Pflegeprodukte, die man benötigte, warteten nur darauf, benutzt zu werden, was mir natürlich gelegen kam. So musste ich nicht in meinem Koffer wühlen und riskieren, Kieran aufzuwecken, der sicher schon tief und fest schlief.
Nachdem ich mich entkleidet hatte, stellte ich mich unter die Dusche, um die angenehme Temperatur des Wasserstrahls zu genießen. Währenddessen standen meine Gedanken nicht still. Auf der einen Seite war ich total erschöpft, auf der anderen Seite hellwach, weil ich dauernd an Liam und Sophia denken musste. Hoffentlich ging es den beiden gut, hoffentlich waren sie nicht verletzt oder gar...
Energisch verbot ich mir diese Vorstellung weiter zu verfolgen. Stattdessen verteilte ich das angenehm riechende Shampoo in meinen Haaren und versuchte einfach zu relaxen. Gerade als ich meine Haare ausgespült hatte und nach dem Duschgel greifen wollte, öffnete sich die Glastür.
Lächelnd blickte ich zu Sienna, die splitternackt vor mir stand und sagte: „Darf ich reinkommen?"
„Aber klar doch, Baby."
Selbst zu zweit fanden wir ausreichend Platz im Duschparadies.
Ohne zu zögern verteilte ich das Duschgel auf ihrer zarten Haut, ganz langsam und vorsichtig. Zum ersten Mal an diesem Tag bildete sich ein kleines Lächeln auf ihren Lippen, welches sie mir schenkte. Sienna war eine wunderschöne Frau und jedes Lachen brachte dies stärker hervor. Ihre blauen Augen blitzten kurz auf, als sie ihren Blick auf mein Gesicht richtete.
„Darf ich auch?"
„Ich bitte darum."
Unser gegenseitiges Einseifen erfolgte langsam und genüsslich.
„Es ist lange her, dass wir zusammen geduscht haben", wisperte Sienna leise.
„Das stimmt. Wir sollten das öfter tun, wenn Kieran schläft."
„Ja, das sollten wir."
Sie drehte mir ihren Rücken zu, damit ich dort das Duschgel verteilen konnte. Jeder Zentimeter ihres Körpers war mir vertraut und doch fühlte es sich in Momenten wie diesen einfach nur aufregend an, sie zu berühren. Als ich kurz meine Augen schloss, dachte ich automatisch an den Black Room. Wie alles zwischen uns begann und auch an unseren eigene Dunkelkammer. Gedankenübertragung war das, was die Beziehung zwischen uns auszeichnete, denn Sienna sprach es gerade aus: „Denkst du auch an den Black Room?"
„Ja, Baby, gerade im Moment", flüsterte ich und berührte mit meinen Lippen ihre rechte Schulter.
Gleichzeitig legte ich meine Arme um ihren nassen Körper. Ihre Haut fühlte sich glitschig und sehr weich an.
„Halt mich einfach nur fest, Niall."
Nichts anderes hatte ich im Sinn, denn mir stand nicht der Kopf nach irgendwelchen Verrenkungen unter dem Wasserstrahl. Ich wollte einfach nur ihre Nähe genießen, sie spüren und wissen, dass sie sich in meinen Armen wohlfühlte. Selbst wenn wir uns nur in einer Dusche befanden.
„Ach ist das schön", seufzte sie. Ich konnte förmlich die Erleichterung in ihrer Stimme heraushören.
In diesem Augenblick prallten die Sorgen von uns ab, zumindest so lange das warme Wasser auf unsere Körper prasselte. Doch als ich es irgendwann ausstellte, fühlte es sich an, als würden wir in die brutale Realität zurückgedrängt.
Liam und Sophia. Wie mochte es ihnen wohl ergehen? In dieser Minute hoffte ich einfach nur, dass ich sie gesund und munter wiedersehen würde.
Nachdem wir uns abgetrocknet hatten, schlichen wir ins Schlafzimmer, wo Kieran in seinem Bettchen lag und friedlich vor sich hinschlummerte. Noch hatte er keine Ahnung, dass wir nie wieder nach Oceanside zurückkehren würden, dass er seinen besten Freund und die anderen Kinder, mit denen er immer spielte, nie wiedersehen würde. Hoffentlich verkraftete er alles gut und es blieben keine tiefen Narben auf seiner kleinen Seele zurück. Auch das zählte zu meinen Sorgen.
Als ich Siennas Hand an meiner Hüfte spürte, schluckte ich kurz.
„Lass uns schlafen gehen, Schatz", wisperte sie leise in mein Ohr.
Es war ungewohnt, nicht in seinem eigenen Bett zu liegen, obwohl die Matratzen mehr als nur bequem wirkten. Aber es war nicht unser Bett, nicht unser Schlafzimmer, nicht unser Haus. Und wir würden unser Leben in Oceanside nie wieder zurückbekommen. Hundemüde lag ich unter der Decke, doch ich konnte nicht einschlafen. Das Handy verweilte auf dem Nachttisch und alle zwei Minuten warf ich einen Blick darauf, weil ich Alistairs Nachricht, die er eventuell verschickte, nicht verpassen wollte. Unruhig wälzte ich mich hin und her, während Sienna bereits schlief.
Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und erhob mich leise aus dem Bett. Im Dunkeln griff ich nach meinen Klamotten, einer Shorts sowie einem T-Shirt und den Schuhen. Kaum hatte ich den Wohnbereich betreten, zog ich alles über und verschwand nach draußen. Das Hotel wirkte ruhig, alles schien zu schlafen, doch als ich an der Rezeption vorbeigehen wollte, erblickte ich Mark, der mich sogleich freundlich begrüßte.
„Hey, John, wie geht es dir? So spät noch auf den Beinen?"
„Ich kann einfach nicht schlafen", erwiderte ich grinsend.
„Ja, das hat man manchmal. Was hältst du davon, wenn wir uns gleich zusammensetzen? Einer meiner Angestellten löst mich nämlich gleich ab."
„Von mir aus gerne", erwiderte ich grinsend.
Jeder Zeitvertreib kam mir momentan mehr als nur gelegen. Es dauerte auch nur zwei Minuten, bis besagter Kollege auftauchte, der Marks Platz an der Rezeption einnahm.
„Komm, wir verziehen uns in den Garten", schlug Mark sogleich vor.
Ohne zu zögern folgte ich ihm. Auf dem Weg dorthin nahm er noch zwei Flaschen Bier mit und als wir uns auf den bequemen Stühlen im Außenbereich niederließen, warf ich einen schnellen Blick auf das Handy. Doch dieses blieb stumm. Noch immer war keine Nachricht von Alistair eingegangen.
„Es fehlen noch zwei von euren Freunden, richtig?", erkundigte sich Mark.
„Ja. Eigentlich müssten sie schon hier sein."
Da ich keine Ahnung hatte, inwieweit Mark in die ganze Sache involviert war, hielt ich mich mit meinen Aussagen eher bedeckt. Mir war nicht einmal bekannt, ob er bezüglich Alistairs Job Bescheid wusste. Eigentlich war davon auszugehen, so eng, wie die beiden miteinander befreundet zu sein schienen. Aber ich würde den Teufel tun und mich zu weit aus dem Fenster lehnen, was gewisse Themen betraf. Erstens hatte ich keine Lust einen Anschiss von Alistair zu kassieren und zweitens wollte ich mir nicht selbst das Leben schwermachen, indem ich meine wahre Identität einfach preisgab. Mark hatte mich mit John angesprochen und der würde ich bleiben, zumindest so lange, bis Alistair etwas anderes anordnete.
Glücklicherweise fragte Mark nicht weiter nach, wie die Verspätung unserer Freunde zustande kam. So geriet ich wenigstens nicht in Erklärungsnot, sondern konnte das Bier genießen.
„Corona", sagte ich mit einem Blick auf die Flasche.
„Ja, wir trinken hier oft mexikanisches Bier."
Ich nahm einen großen Schluck aus der Glasflasche und sagte dann: „Es schmeckt wirklich gut. Hätte ich nicht gedacht."
„Nicht alles, was aus Mexiko kommt, ist schlecht."
„Wie meinst du das denn?" Neugierig blickte ich mein Gegenüber an.
„Die Drogen zum Beispiel."
„Ja, da hast du wohl Recht", seufzte ich.
Drogen. Genau deswegen saß ich jetzt hier. Sie waren der Grund, weshalb ich kein normales Leben mehr führte und ständig damit rechnen musste, dass man mich und meine Familie eines Tages umnieten würde.
Während ich mein Bier trank, dachte ich über viele Dinge nach. Ob ich wohl meinen Job als Pfarrer wieder ausüben konnte? Es wäre schlimm, wenn nicht, denn dieser Beruf füllte mich wirklich aus. Zur Not konnte ich zwar wieder als Bauzeichner anfangen aber ganz zufrieden würde ich damit nicht sein. In meiner Situation auch noch Ansprüche zu stellen, gleich schon beinahe einer gewissen Arroganz. Aber da mein Leben kompliziert genug war, wollte ich zumindest in dieser Hinsicht so wenige Kompromisse wie nur möglich eingehen.
„Sieh mal, wer da kommt!"
Als Mark das aussprach, schaute ich in die Richtung, in welcher er mit seinem ausgestreckten Arm wies. Alistair lief gemächlichen Schrittes auf uns zu und ließ sich auf den dritten Stuhl fallen.
„Kannst du auch nicht schlafen, mein Junge?"
„Nein." Um meine Aussage zu untermauern, schüttelte ich den Kopf.
„Dann sind wir schon zu zweit."
„Hey, ich bin auch noch da", beschwerte sich Mark lachend, worauf Alistair jedoch sagte: „Du zählst nicht, weil das dein Feierabend Bier ist, das du immer hier genießt."
„Eins zu null für dich. Soll ich dir auch eines besorgen?"
„Nein, ich möchte keinen Alkohol trinken, zumindest jetzt nicht."
„Gut, wie du willst. Wie wäre es dann mit einer Cola?"
„Die darfst du mir gerne servieren. Ich hab einen mächtigen Brand. Komme mir gerade vor, wie in einer Wüste."
„Dann will ich dich nicht verdursten lassen."
Kaum war Mark verschwunden, richtete ich meine Frage an Alistair.
„Hast du immer noch nichts von ihnen gehört?"
„Leider nicht. Sonst hätte ich dir schon längst Bescheid gegeben."
Mit einem Seufzen strich er sich kurz durch die seitlichen Haare, als Mark auch schon wieder auftauchte. Grinsend überreichte er dem laufenden Meterfünfzig eine Glasflasche, gefüllt mit Cola.
„Bitte schön, mein Sitzriese."
„Danke, du alte Kakerlake."
Nachdem Alistair den ersten Durst gestillt hatte, begann er zu reden.
„Um eines klar zu stellen, Mark gehört zu unserem Netzwerk, Niall. Er weiß über alles Bescheid."
„Oh ja und ich habe deinen Jungen, wie du ihn immer nennst, geprüft. Er hat den Test bestanden, denn keiner würde auf die Idee kommen, dass er eine andere Identität besitzt", ließ Mark verlauten.
„Super, ich werde hier auch noch aufs Glatteis geführt", beschwerte ich mich grinsend.
„Glatteis? Das kommt erst später."
Was immer Alistair damit meinte, er spuckte es in jenem Moment nicht aus und es war mir zu dumm, nachzufragen. Erfahrungsgemäß würde ich nämlich keine Antwort erhalten.
Die Neuigkeit, dass Mark zu jenem geheimnisvollen Netzwerk gehörte, verkraftete ich überraschend gut. Es war mir sogar Recht, dass ich in seiner Gegenwart nicht mehr schauspielern musste. Das vereinfachte den Umgang immens.
Mark streckte seine langen Beine aus und nahm noch ein Schluck von seinem Bier, bevor er das Gespräch wieder auf unser altbekanntes Thema lenkte.
„Noch immer keine Nachricht von Liam und Sophia?"
„Nein, aber dafür habe ich einen Anruf von Louis erhalten. Sie sind gut ihn Anchorage angekommen und reisen morgen weiter."
„Wen hat Louis mitgenommen?", erkundigte sich Mark interessiert.
„Briana."
Sofort spitzte ich meine Ohren. Louis und Briana waren mir durchaus ein Begriff. Es handelte sich um Harrys Kollegen, die einen One Night Stand miteinander gehabt hatten. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, als er das erzählte. Damals saßen wir gemeinsam in einer Gefängniszelle, weil wir uns beide nicht ausweisen konnten und man Harry sogar des unerlaubten Waffenbesitzes bezichtigte.
„Warum grinst du denn so, Niall?", wollte Mark wissen.
„Ich musste nur gerade an Harry denken."
Alistair zog seine Augenbrauen erstaunt nach oben. „Wieso gerade an Harry?"
Zum Glück fiel mir eine spontane Antwort ein. „Weil er mir fehlt."
„Das verstehe ich."
Nach wie vor reagierte Alistair bei gewissen Dingen wie der verständnisvolle Papa. Dies machte mir bewusst, wie sehr ich auch ihn vermisst hatte. Aber dass wir uns nun unter solchen Umständen sahen, hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet.
Mit einem Blick auf mein Handy stellte ich fest, dass es bereits auf elf Uhr zuging und wir hatten noch immer nichts von Liam und Sophia gehört. Meine Ungeduld und Sorge wuchsen von Minute zu Minute heran. Alistair und Mark hingegen schienen die Ruhe weg zu haben. Sie diskutierten gerade über die Spritpreise in Europa, welche beträchtlich höher lagen, als in den USA, als Alistairs Handy sich meldete.
Binnen Sekunden nahm er das Gespräch entgegen und gleich beim ersten Satz, den er aussprach, fiel mir ein Stein vom Herzen.
„Liam, wo um Gottes Willen seid ihr beiden?"
Er war am Leben und ich hoffte, dass dies für Sophia ebenso galt. Da ich jedoch nur mitbekam, was Alistair sagte, wurde meine Geduld noch ein wenig auf die Probe gestellt.
„Was?! Bist du dir sicher? Nein! Zum Teufel, woher soll ich das wissen? Na super! Ja ok, mir wird ja wohl nichts anderes übrigbleiben. Nein, bei uns ist alles soweit ok. Gut, ich mache mich auf den Weg. Bis später!"
„Was ist passiert? Geht es ihnen gut? Wo sind sie?", überhäufte ich Alistair mit Fragen.
„Ja, sie sind beide wohlauf, kein Grund zur Sorge, mein Junge."
Dann wandte er sich an Mark. „Ich brauche einen kleinen Benzinkanister, möglichst mit Sprit gefüllt. Falls du nur einen leeren anzubieten hast, tanke ich bei der nächsten Gelegenheit. Außerdem wäre es nicht schlecht, etwas Proviant in Form von Sandwiches und Getränken mitzunehmen."
Das klang ganz nach einer weiten Strecke, die er zurücklegen musste.
„Ich bin schon auf dem Weg in die Küche."
Mark erhob sich umgehend und flitzte davon, während ich Alistair gründlich musterte. Er wirkte keineswegs aufgeregt, sondern eher gelassen und ein wenig erleichtert, was durchaus verständlich war. Deswegen wagte ich es auch, noch eine Frage zu stellen.
„Kann ich vielleicht mitkommen? Hier rumsitzen und gar nichts tun liegt mir nicht, das macht mich total verrückt!"
Es war ihm anzumerken, dass er mit sich haderte. Jedoch nur für eine kurze Zeitspanne, dann hatte er seine Entscheidung getroffen.
„Also gut, mein Junge. Ich kann verstehen, dass dir bei der ganzen Warterei die Decke auf den Kopf fällt. Und es ist nicht das Schlechteste, wenn wir zu zweit unterwegs sind. Allerdings solltest du deiner Frau eine Notiz hinterlassen. Nicht, dass sie mitten in der Nacht aufwacht und dich sucht."
„Ich werde ihr eine WhatsApp Nachricht schreiben", versprach ich und machte mich sogleich daran, diese Worte in die Tat umzusetzen.
Wenn Sienna feststellte, dass ich mit Alistair unterwegs war, würde sie sich auf jeden Fall nur halb so viel Sorgen machen. Aber ich konnte nicht hierbleiben und nur dumm herumsitzen, um auf Liams und Sophias Ankunft zu warten. Es entzog sich zwar meiner Kenntnis, wo die beiden sich im Moment aufhielten, aber das würde ich schon sehr bald erfahren. Vermutlich ebenso den Grund, weshalb sie nicht in Palm Springs aufgetaucht waren. Alistairs Bitte nach einem Benzinkanister, verstärkte meine Annahme, dass die zwei sich nicht in einer großen Stadt aufhielten, die mit genügend Tankstellen aufwarten konnte.
Bevor ich mir noch weitere Gedanken machen konnte, tauchte Mark vor unseren Augen auf. In seiner rechten Hand hielt er einen Benzinkanister und in der linken einen großen Korb, bestückt mit Proviant.
„So, ihr beiden. Damit ihr nicht verhungert. Vielleicht solltet ihr Liam und Sophia auch noch etwas übrig lassen", scherzte er mit seinem trockenen Humor.
„Hm, ich weiß noch nicht, ob sie das verdient haben", meinte Alistair grinsend.
„In dem Kanister sind drei Gallonen, das dürfte fürs Erste reichen", erklärte Mark, bevor er fragte: „Wo treiben die zwei sich eigentlich herum?"
Alistairs Antwort ließ meinen Mund für einen kurzen Moment offenstehen.
„In der Kalifornischen Wüste, in Borrego Springs."
Mark grinste bis über beide Ohren.
„Prima, da müsst ihr ja nur eineinhalb Stunden fahren. Aber keine Sorge, ich stelle euch meinen Pick-Up zur Verfügung."
„Hin und zurück macht das drei Stunden", lautete Alistairs exakte Kalkulation. „Aber gut, es ist nicht zu ändern und ich bin froh, dass den beiden nichts passiert ist. Es hätte auch anders kommen können."
Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend folgte ich dem laufenden Meterfünfzig sowie Mark durch den Garten bis in die Lobby. Als ich durch die Glasscheiben nach draußen schaute, konnte ich bereits den Pick-Up ausmachen, von welchem Mark gesprochen hatte. Die knallrote Lackierung stach einem sofort ins Auge. Während Mark den Kanister auf der Ladefläche verstaute, schnappte ich den Korb mit unserem Proviant. Alistair klemmte sich hinter das Lenkrad und schimpfte, weil er mit seinen kurzen Beinen gerade so die Pedale erreichen konnte. Gott sei Dank besaß der Pick-Up ein Automatikgetriebe, ansonsten hätte ich nämlich fahren müssen. Nicht, dass mir das etwas ausgemacht hätte, aber da ich bereits ein Bier intus hatte und nicht unbedingt mit der Polizei in Konflikt geraten wollte, war es eindeutig die bessere Lösung, dass Alistair den Chauffeur spielte.
Um kurz nach elf rollte der Wagen vom Parkplatz des Hotels in die Nacht hinein.
„Weißt du eigentlich, warum die beiden in dieser Wüste sind?", erkundigte ich mich neugierig.
Alistairs Mundwinkel verzogen sich zu einem breiten Grinsen, als er antwortete: „Das, mein Junge, willst du nicht wirklich wissen.
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Sophiam hat es also in die Kalifornischen Wüste verschlagen.^^ Aber sie leben wenigstens, das ist doch schon mal was!
Ich hoffe, ihr seid gespannt, wie es weitergeht und wieso die beiden dort gelandet sind.
Danke für eure lieben Kommentare, es ist so super, wie ihr mich auch bei dieser Story unterstützt.
Ich werde es vermutlich nicht schaffen, am Sonntag Nacht (also Sonntag auf Montag) ein neues Kapitel hochzuladen, da ich das ganze Wochenende mehr oder weniger unterwegs bin. Sollte ich doch noch zum Schreiben kommen, werdet ihr das ja sehen.
LG, Ambi xxx
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