Kapitel 7
Wir waren fast die Ersten beim Frühstück und so füllten Amelie und ich unsere Teller mit knusprigem Speck. Lotti beschränkte sich auf die vegetarischen Alternativen. Außer uns waren noch zwei andere Schüler am Essen. Zwei Jungen aus unserem Jahrgang, beide mit braunen Haaren, allerdings war der eine deutlich breiter gebaut und verdrückte eine so gewaltige Menge Speck, dass dies sicher nicht förderlich zum Abnehmen gewesen wäre. Beide sahen eigentlich ganz nett aus. Der Schmalere von beiden blickte zwischen seinen Bissen immer nach oben und sah nervös nach rechts und links. Der Stämmigere sah jetzt auch auf und uns direkt an. Er lächelte. „Wollt ihr euch zu uns setzen?"
Der Andere sah ihn erschrocken an, rutschte dann aber schnell zur Seite, sodass wir uns in einen Kreis setzen konnten. Er sah nicht so glücklich über das Angebot seines Freundes aus und warf uns misstrauische Blicke zu, nachdem wir und hingesetzt hatten.
„Ich bin Martin, Bär."
„Tilda"
„Amelie"
„Lotti", stellten wir uns vor.
„Und der kleine Angsthase da ist Buchensturm." Ebenjener zuckte die Schultern.
„Tut mir leid, dass ich die ersten 14 Jahre meines Lebens als Hirsch im Teutoburger Wald gelebt habe. Ich bin das nicht gewohnt einfach auf dem Boden zu sitzen und zu Essen. Vor allem nicht, wenn neben mir ein Luchs sitzt."
Überrascht drehte ich den Kopf. „Woher weißt du, dass ich ein Luchs bin?"
„Breite Schultern. Runder Kopf. Braune Augen. Die Art wie du dich bewegst. Luchs eben" Ich nickte langsam, aber trotzdem irritiert. Während Martin eifrig weitermampfte, zog er sein Handy aus der Hosentasche.
„Heute sollen's wieder um die 30 Grad werden." Ich stöhnte. Es war September. Mitte September. Das war doch nicht mehr normal.
„Wir könnten an den See gehen.", schlug Lotti vor, „der ist so ne Viertelstunde zu Fuß weg von hier, aber noch im Schutzgebiet. Da kommt also kein Mensch hin." Dieser Vorschlag erhielt große Zustimmung von uns anderen. Wir einigten uns darauf, nach dem Mittagessen gemeinsam hin zu gehen.
Nachdem wir fertig gefrühstückt hatten, blieben wir noch eine Weile sitzen und redeten. Um uns herum füllte sich der Raum langsam. Ich erfuhr, dass Martin, bevor er hier an die Schule gekommen war, unter der Woche bei seiner Mutter als Mensch und am Wochenende bei seinem Vater als Bär gelebt hatte.
Lotti hatte als Hörnchen schon hier im Wald gewohnt, bevor die Schule vor zehn Jahren gebaut wurde. Ihre Eltern waren beide bei einem Sturm ums Leben gekommen.
Während die beiden ihre Geschichten erzählt hatten, war mir schon die ganze Zeit der Junge aufgefallen, von dem mir Amelie gestern erzählt hatte, er hieße David. Er starrte die ganze Zeit missbilligend zu uns herüber. Ich stupste Amelie an und deutete unauffällig auf ihn. „Warum starrt der dich die ganze Zeit so an?"
Sie seufzte resigniert: „Ich hab dir doch erzählt, dass der auch schon über die Ferien da war. Während dem Essen und so hat er sich total an mich rangemacht. Dann ist er aber nicht damit klargekommen, dass ich ihn hab abblitzen lassen. Jetzt mag er mich nicht mehr."
Lotti schnaubte: „Nicht mögen ist gut. Der Typ hasst dich mit Leib und Seele."
Ich drehte mich noch einmal um. Neben David saß der Junge, Felix, den ich gestern am Fenster gesehen hatte. Jetzt konnte ich auch sehen, dass er gelbe Augen hatte. Unsere Blicke trafen sich. Ein Kribbeln lief mir über den Rücken. Schnell drehte ich mich um. Peinlich. Absolut peinlich. Ruckartig stand ich auf. „Wir sehen uns dann nach dem Mittagessen."
Schnell brachte ich meinen Teller zurück, vermied Blickkontakt mit sämtlichen Personen in diesem Raum und lief über die zwei Hängebrücken zu unserer Hütte zurück. Die Sonne brannte schon jetzt heiß auf die Blätter, obwohl es gerade einmal neun Uhr war. Felix gelbe Augen schwirrten immer noch durch meinen Kopf. Angekommen zog ich mir den Schlüssel vom Hals und schloss die Tür auf. Ich brauchte irgendwas um mich abzulenken, also setzte ich mich auf den Boden und begann meine Beine zu dehnen. Gerade als ich im Spagat da saß ging die Tür auf und Amelie kam herein. Sie ignorierte vorerst die Tatsache, dass ich einen Spagat konnte und setzte sich im Schneidersitz neben mich.
„Warum bist 'n du vorhin beim Essen so schnell abgehauen?"
Ich schüttelte den Kopf, wie um eine lästige Fliege los zu werden. „Ich hab Felix angeschaut und dann hat er mich angeschaut mir direkt in die Augen, also hat er ja gemerkt, dass ich ihn angeschaut habe und das war mir so peinlich, aber wie kann ein Mensch so gelbe Augen haben...?"
Amelies Blick wandte sich von Sorge zu Erkenntnis. „Er ist Adler, also..."
Ich seufzte, drehte mich aus dem Spagat und machte eine Brücke.
„Kannst du eigentlich noch mehr von dem krassen Scheiß?", fragte sie mich lachend.
„Naja, Ich kann nen Spagat, ne Brücke, n Rad, nen Handstand und nen maximal hässlichen Überschlag. Wenn das für dich krasser Scheiß ist, dann ja."
Amelie sprang begeistert auf. „Kannst du mir ein Rad beibringen? Ich wollte das schon immer mal lernen und bis zum Mittagessen haben wir noch ewig Zeit."
Auch ich stand auf. „Klar"
„Aber ich warne dich. Ich bin unsportlich des Todes."
„Ach, kein Problem"
Gerade als ich zur Tür gehen wollte kam von Amelie ein: „Warte"
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