Kapitel 6
Die ersten Sonnenstrahlen des nächsten Tages weckten mich. Amelie schlief noch tief und fest. Also setzte ich mich im Bett auf und lehnte mich an die Bretterwand. Mein Handy verriet mir, dass es gerade einmal halb sieben war. Um die Zeit zu überbrücken, bis es Frühstück gab, zog ich den kleinen Zettel aus der Hose von gestern und loggte mich ins W-Lan ein. Ich schickte Marie das Bild vom Vortag, zusammen mit einem anderen, das ich noch schnell von unserem Zimmer machte und einer kurzen Nachricht.
Mit einem leisen Seufzer stand ich auf und streckte mich. Dann setzte ich mich an den Tisch, um das Schild zu bemalen. Für den Hintergrund entschied ich mich für einen pseudomäßigen Wald, über den ich später meinen Namen schreiben würde. Nach einer dreiviertel Stunde mühsamer Arbeit blickte ich zufrieden auf mein Endprodukt. Es war jetzt kein Bob-Ross-Gemälde, aber schlecht sah es auch nicht aus.
Während die Farbe trocknete packte ich, möglichst leise, um meine neue Freundin nicht zu wecken, meine Sachen aus meinem Koffer in den Schrank. Hosen, T-Shirts, Pullis, Socken, Unterwäsche, ein paar meiner Lieblingsbücher, meine Schreibsachen warf ich aufs Bett, ein Kartenspiel.
Ohne ein Geräusch zu machen schloss ich den Schrank wieder und schob meinen, jetzt leeren, Koffer unters Bett. Dann setzte ich mich wieder an den Tisch und schrieb in leuchtend orangenen Lettern „Tilda" auf das Schild. Die Farbtuben räumte ich wieder fein säuberlich in die Kiste zurück. Die Pinsel wusch ich im Waschbecken aus. Gerade, als ich sie zu den Farben in die Kiste legen wollte, hörte ich eine leise Stimme in meinem Kopf
Amelie, du Schnarchnase, bist du schon wach? Verwirrt sah ich mich um. Amelie, mach mal das Fenster auf. Ich wollte mir vor dem Frühstück vielleicht noch was anziehen.
Schnell lief ich zu einem der Fenster und zog die Vorhänge zurück. Davor saß ein kleines, graues Gleithörnchen. Du bist Lotti, oder? Fragte ich sie von Kopf zu Kopf.
Ja, und du bist Tilda, wenn ich mich richtig erinnere. Ich nickte. Ein bisschen bescheuert kam ich mir schon vor, wie ich durch eine Fensterscheibe mit einem Gleithörnchen in Gedanken sprach. Gut Tilda. Wärst du dann so nett mir das Fenster aufzumachen? Ich drehte den Griff des Fensters nach oben und zog es auf. Lotti sprang auf den Boden, hüpfte zur Kommode, drehte dann ihren Kopf und sah mich an. Würdest du kurz...
Ich drehte mich eilig zum Fenster, damit Lotti sich in Ruhe zurückverwandeln konnte. Jetzt sah ich auch, dass das Seil, das zu dem naheliegenden Baum führte, über dem Fenster an einen Haken gebunden war, sodass sie als Hörnchen einfach hin und her klettern konnte. Hinter mir hörte ich Schubladen auf und zu gehen. Wenige Augenblicke später ein Rascheln und Stöhnen. Lotti stand angezogen an Amelies Bett und schüttelte sie. „Hey du fauler Köter, schwing mal deinen Hintern aus dem Bett."
Amelie grummelte und zog sich die Decke über den Kopf. Jetzt sah ich Lotti auch in Menschengestalt. Sie war vielleicht knapp einen Kopf kleiner als ich, hatte hüftlange, graubraune Haare, braune Augen und ein rundes Gesicht. „Es gibt in fünf Minuten Frühstück und wenn du noch was vom Speck abbekommen willst, würde ich mich mal beeilen."
„Ja, ja." Sie wälzte sich aus dem Bett und tappte zum Kleiderschrank. Lotti grinste mich an und ich zurück.
„Wir gehen schon mal vor", sagte ich und verließ mit Lotti zusammen die Hütte. Auf der Hängebrücke zwischen Schattens und Ninas Hütte und der Haupthütte holte Amelie uns ein.
„Ihr seid ganz schön fies. Wisst ihr das?"
„Jup", grinste Lotti und schob die Tür auf. Amelie verdrehte die Augen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top