Kapitel 4

Es war ein großer, heller, runder Raum mit weitläufigen Fenstern und vielen bunten Teppichen und Kissen auf dem Boden. An der hinteren Seite stand ein Tisch, an dem eine kleine, etwas rundliche Frau gerade Essen verteilte. Sonst gab es in der Hütte keine Tische. Die Schüler saßen einfach auf dem Boden, aßen, schwatzten oder spielten etwas. Es roch nach Holz und Harz. Ein Geruch, der vermutlich von dem kräftigen Baumstamm in der Mitte ausging. Frau Ackerpelz blickte sich kurz um, bis sie fand, wen sie suchte.

„Amelie, Amelie komm mal her!"

Das Mädchen, das offensichtlich Amelie hieß, hob beim Klang ihres Namens sofort den Kopf und sprang auf. Schnell kam sie auf uns zu und blieb stehen. „Ja?", fragte sie mit schief gelegtem Kopf.

„Das hier ist Tilda. Sie ist auch neu und kommt zu euch mit in die Hütte. Tu mir den Gefallen und führ sie morgen ein bisschen rum."

„Geht klar", antwortete sie und lächelte mir zu. Ich mochte sie sofort. Amelie hatte ein hübsches, schmales Gesicht, dunkle, liebe Augen und schulterlange schwarze Haare. Sie war vielleicht ein paar Zentimeter kleiner als ich. Ich lächelte zurück. „Komm mit und hol dir auch was zu Essen. Es gibt Lasagne, wenn du Fleisch magst. Ansonsten Gemüselasagne.", sie schüttelte sich, „Igitt!"

Ich musste lachen: „Immer her mit dem Fleisch. Ich könnte ein ganzes Pferd verdrücken, so viel Hunger hab ich." Ein blondes Mädchen ein paar Meter neben uns hob erschrocken den Kopf.

„Sei vorsichtig mit dem was du sagst", grinste Amelie, „Sonja ist Haflingerwandlerin." Ich musste ebenfalls grinsen. „Welches Tier ist deine Zweitgestalt?", fragte sie, wieder mit schief gelegtem Kopf.

„Luchs", antwortete ich knapp, „und deine?"

„Border Collie"

„Okay, schön. Wollen wir uns jetzt was zu essen holen?" Mein Magen ließ lautstark vermelden, dass er mit mir einer Meinung war.

„Ja klar, komm."

„Warte noch kurz". Frau Ackerpelz hatte mir die Hand auf die Schulter gelegt. Sie reichte mir einen kleinen Zettel. Ich sah ihn mir an. BibediBabediBu stand da, in feinen Buchstaben.

„Was ist das denn?" fragte ich verwirrt, „Eine Verwandlungsformel?"

Amelie und Frau Ackerpelz lachten gleichzeitig herzhaft auf. „Nein, du Dummerchen", gluckste Amelie, „Das ist das W-LAN Passwort."

„Oh", antwortete ich nicht sehr geistreich und spürte, wie meine Wangen heiß wurden.

„Ach was, kein Problem. Guten Appetit euch beiden.", Frau Ackerpelz lief zu der Seite, an der die anderen Lehrer saßen und sich unterhielten und wir gingen uns endlich was zu essen holen. Beziehungsweise gingen wir mir etwas zu essen holen.

„Fleisch oder vegetarisch?", fragte die Frau, die das Essen verteilte, freundlich.

„Fleisch.", sagte ich knapp. Hoffentlich nicht zu knapp.

Amelie stellte mir die Frau vor: „Das ist Carina Hestendaugter, sie ist ein Islandpony und die beste Köchin der Welt."

„Islandpferd", verbesserte Carina, „aber danke für das Kompliment." Sie reichte mir einen Teller mit der Lasagne. Ich bedankte mich. Gemeinsam liefen wir zurück zu der Stelle, von der Amelie vorhin aufgesprungen war. Sie stellte ihren Teller, den sie zurückgelassen hatte, wieder auf ihre Knie und bedeutete mir, mich neben sie zu setzen.

„Wie lange bist 'n du schon hier?", fragte ich, nachdem ich meinen ersten Bissen runtergeschluckt hatte.

Amelie schluckte ebenfalls und begann dann zu erzählen: „Ich war schon über die Ferien da. Die haben hier so eine Art Sommerprogramm mit ganz viel Verwandlungsunterricht. Vor den Ferien habe ich ganz oft ohne Grund zwischen meinen Gestalten hin und her gewechselt, oder hab mich teilverwandelt. Das war ganz schön kacke. Und stressig. Wenn wir in die Stadt gegangen sind hatte meine Mutter immer eine Hundeleine dabei, für den Fall, dass ich mich verwandle. Irgendwann ist es dann so schlimm geworden, dass meine Eltern mich nicht mal mehr aus dem Haus lassen wollten. Und dann hab ich den Brief von der Schule hier bekommen, mit dem Anhang, ich könne schon in den Ferien kommen. Inzwischen geht's mit dem Verwandeln. Die sechs Wochen über waren wir zu fünft. Frau Ackerpelz, Carina, Schatten", sie deutete auf ein Mädchen, das gerade mit zwei Jungs Karten spielte, „David", Amelie zeigte auf einen etwas pummeligen Jungen mit grau-schwarz melierten Haaren und grimmigen Gesichtszügen, „und ich. Ach ja, Eldina und Lotti waren auch da. Lotti wohnt praktisch hier und Eldina ist die Tochter von unserer Köchin. Glaub mir, sie ist das niedlichste Isländerfohlen das du jemals treffen wirst. Sie ist auch erst sieben. Und was hast du so die letzten Jahre getrieben?"

„Also ich war bisher auf nem stinknormalen bayrischen Gymnasium. Schreckliche Schule, vor allem die Lehrer waren grausam. Eigentlich ne Privatschule, aber von dem Geld hat vermutlich niemals jemand was gesehen, außer unser Direx. Die erste Klasse durfte ich damals überspringen, weil ich schon so früh lesen und schreiben konnte. Naja, die Zehnte hab ich dann ziemlich verhauen. Latein und Mathe. Eigentlich hätte ich die nochmal machen müssen. Aber jetzt bin ich ja hier. Meine Verwandlungen sind so lala. Wenn ich nicht gestresst bin und mich gut konzentrieren kann, dann ist's ok."

„Ja, geht mir genauso. Wenn ich in stressige Situationen komme, dann wächst mir oft ein Schwanz. Kannst du dir vorstellen, wie scheiße das in einer Physikschulaufgabe ist?"

Ich musste lachen: „Ja, sehr gut sogar. Andere Frage. Weißt du eigentlich, warum die Schule einen englischen Namen hat? Und die Lehrer sich teilweise mit Mr. und Mrs. ansprechen lassen? Also der Junge da drüben, hat die eine Lehrerin grade mit Ms. angesprochen, oder?" Ich sah zu einer jungen Frau mit Kurzhaarschnitt, die mit einem schwarzhaarigen Jungen zu diskutieren schien.

„Jup. Stimmt. Mr. Brighteye kommt aus Amerika und hat mit Frau Ackerpelz die Schule hier gegründet. Sein Bruder unterrichtet immer noch drüben. An einer anderen Schule. Die war mehr oder weniger das Vorbild für unsere, deshalb hat sich das halt einfach so eingebürgert. Und sei mal ehrlich, Schwarzwaldhochschule klingt doch maximal kacke." Ich nickte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top