Kapitel 37

Der letzte Freitag vor den Ferien kam. Die letzte Stunde Musik fiel flach, dafür lösten wir das Wichteln auf. Im Laufe der letzten Wochen hatte jeder sein Päckchen Ms. Maywood in einem günstigen Moment zugesteckt. Jetzt stand sie vorne am Pult mit einem kleinen Haufen in grün-rotes Geschenkpapier eingewickelte Päckchen vor sich.

„So, die Päckchen nehm ich dann alle. Schöne Ferien." Sie grinste.

Ich verdrehte innerlich die Augen. Anscheinend schützte auch das Wandlerdasein nicht vor schlechten Lehrerwitzen.

„Nein, Spaß." Sie nahm eines der Päckchen in die Hand und drehte es auf der Suche nach einem Namensschildchen. Das Paket war definitiv nicht sorgfältig eingepackt und sah ziemlich unförmig aus. „Ah, hier. Nina? Fang."

Ms. Maywood warf es ihr zu und Nina fing es mehr oder weniger geschickt. Gespannt sahen wir zu, wie sie den Tesafilm abpulte und kurz darauf ein Paar flauschige Socken mit Sternen auf dem Tisch lagen. „Danke, von wem auch immer die sind!"

Weitere Päckchen flogen durch den Raum. Karlotta bekam ein Paket Stifte, Buchensturm eine Packung Schafkopfkarten und ein Armband (von wem nur?), David eine Spieluhr, die „Freude schöner Götterfunken" spielte und eine Tüte Gummibärchen. Bei seinem angepissten Gesichtsausdruck starb Amelie neben mir den Lachtod. Clara freute sich zu meiner Erleichterung über das Häkelset. Sonja bekam eine, ziemlich selbstgehäkelt aussehende, Mütze, die sie mit voller Begeisterung sofort aufsetzte.

„Tilda!" Ein Päckchen flog in meine Richtung. Ich reagierte nicht schnell genug und nur die schnellen Reflexe meiner Freundin bewahrten mein Gesicht davor, von einer kleinen, eckigen Schachtel getroffen zu werden. Amelie legte sie vor mir auf den Tisch. Das Stück Geschenkpapier war mit einer Unmenge Tesa festgeklebt und ich musste mir Martins Schere leihen, um überhaupt das Papier abzubekommen. In der kleinen, braunen Schachtel lag eine Kette. An einer grünen Stoffschnur hing ein silberner Kettenanhänger mit einem Pfotenabdruck. Mein Blick wanderte durch die Klasse.

„Dankeschön." Mein Blick blieb an Benny hängen. Ja, die krakelige Handschrift, in der mein Name auf das Papier geschrieben war und die fehlenden Einpackkenntnisse passten zu ihm. Ich lächelte und nickte ihm zu. Er lächelte ebenfalls. Es war das erste Mal, dass ich ihn lächeln sah. Er hatte mehr Probleme als alle anderen, sich mit menschlichen Gesten vertraut zu machen.

Amelie bekam einen Zauberwürfel und eine doppelseitige Anleitung zum Lösen dazu. Ich erkannte die Seiten sofort wieder. Während einer unserer Schichten hatte Johanna mich ausgequetscht, was Amelie gefallen würde. Ich hatte ihr eine Art von Knobelspiel vorgeschlagen und irgendwann hatte ich sie mit Frau Ackerpelz zusammen in ihrem Büro gesehen, wie sie etwas ausgedruckt hatte. Die beiden Seiten stammten aus einer uralten SPIEGEL-Ausgabe. Mit denen hatte ich damals auch gelernt, einen Würfel zu lösen. Damals, in der vierten Klasse. In der Zwischenzeit hatte ich es sicher verlernt.

Lotti bekam eine Packung Stickgarn, über das sie sich dumm und dämlich freute. Sie konnte immerhin etwas damit anfangen.

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