Kapitel 36
Zurück in unserer Hütte quetschten wir uns zu dritt im Schlafanzug, beziehungsweise Pelz, an die Heizung unter dem Fenster. Die Vorhänge zuzuziehen, war das Erste was ich tat, als wir vollkommen steif und unbeweglich vor Kälte durch die Tür gestolpert waren. Jetzt tauten unsere Gelenke langsam wieder auf und zu meiner Überraschung, waren meine Finger nicht des Kältetodes gestorben. Lotti saß neben mir und ich spürte sogar durch meinen und ihren Schlafanzug wie kalt sie war. Auf uns beiden lag Amelie, der noch am wärmsten war und auf ihr meine Bettdecke. Immerhin wurde mein Rücken von der Heizung warm. Die Heizungen hier wurden mit Strom betrieben und rochen immer ein bisschen nach Bügeleisen und Heißklebepistole, aber da hatte ich mich inzwischen dran gewöhnt.
Mit der linken Hand kraulte ich Amelie hinter den Ohren, die glücklich brummte. Die Rechte hatte ich um Lottis Schultern gelegt, um ihr so viel wie möglich von meiner Körperwärme abzugeben.
„Ich sag's dir, Lotti. Zu Weihnachten schenk ich dir ne wärmere Jacke."
„Mach das." Ihre Stimme klang rau und leise.
Ich hab immer noch keine Ahnung, was ich zum Wichteln verschenken soll., meinte Amelie.
Ach ja. Wichteln. Eine Tradition, die ich in der Schule immer gehasst hatte, weil nach fünf Minuten eh jeder wusste, wer wen hatte und es immer damit endete, dass ich entweder Stifte, oder Gummibärchen bekam. Und jeder aus meiner alten Klasse hatte gewusst, dass ich keine Gummibärchen mochte. Aber hier war es viel lustiger. Jeder hielt tatsächlich geheim, wen er hatte. Jeder hatte von Ms. Maywood ein Stück Geschenkpapier bekommen, damit alle Pakete am Ende identisch aussahen und es auch danach noch ein Geheimnis blieb.
Beim Gedanken, an die eingepackte Schachtel mit einer Tafel Schokolade und dem Häkelset für einen Fuchs musste ich innerlich grinsen. Immerhin war es bei Clara nicht so schwer gewesen, etwas zu finden, was ihr hoffentlich gefallen würde.
Schirm mal deine Gedanken besser ab. Ich will nicht alles wissen, was in deinem Hirn vorgeht.
Ich konnte das Grinsen in Amelies Gedankenstimme hören.
„Sorry. Aber, wen auch immer du hast, der ist entweder ein komplizierter Mensch, oder ein Depp. Zur Not schenkst du demjenigen Gummibärchen. Die mag nämlich niemand."
Lotti nickte. „Ekelhaftes Zeug."
Vielleicht können wir damit Sharpwing überlisten. Wir geben ihm Gummibärchen und dann schmilzt er und wird zu Eulensuppe. Wie die ganzen Leute in Stranger Things, Staffel 3.
„Baah. Erinner mich nicht daran." Ich schüttelte mich. Lotti schüttelte wortlos den Kopf und rutschte noch ein Stück näher zu mir. Amelie drehte sich ein Stück und sah sie an.
Was ist eigentlich mit dir und Buchensturm? Läuft da irgendwas?
„Hä? Was?" Im Augenwinkel sah ich, dass sie knallrot wurde.
Also komm. Das sieht ein Blinder mit Krückstock auf zehn Meter.
„Ein Blinder kann doch gar nicht sehen.", meinte sie etwas trotzig. Ich verkniff mir die Bemerkung, dass ich das nicht gemerkt hatte. Meine Menschenkenntnis war durchaus mit der eines Steins zu vergleichen.
Eben, aber genau das würde auch er sehen. Das ist nur ein Sprichwort. Also, was ist mit euch beiden?
Lotti zuckte die Schultern und strich Amelie durchs Bauchfell. „Ich weiß doch gar nicht, wie sich sowas anfühlt, außerdem redet er ja kaum."
„Du ja auch nicht.", murmelte ich.
Entmutige sie noch, du Fellhaufen. Nicht jedem kommt die Liebe so ins Gesicht geflogen, wie dir. Sie schickte mir das Bild eines grinsenden Mädchens in den Kopf und schob ihren unter meine Hand, damit ich sie hinter den Ohren krauen konnte.
Lotti schlief heute das erste Mal seit ich sie kannte in ihrer Menschengestalt. Mich hätte der Gedanke auch nicht sonderlich gereizt, mich wieder in ein kleines Tier mit viel Oberfläche zu verwandeln, das sofort wieder auskühlte. Da sie kein Bett hatte, legte sie sich einfach zu Amelie.
Meine Gedanken wanderten durch den dunklen Wald, zu der Hütte ein paar Bäume weiter. Was Felix wohl gerade machte? Seit meinem Unfall, Vorfall, wie auch immer, war nicht wirklich mehr zwischen uns passiert. Unsere Beziehung dümpelte von West nach Ost und wieder zurück. Wenn wir zusammen in der Haupthütte saßen, taten wir selten mehr als nur zu reden oder zu kuscheln. Geküsst hatten wir uns nie. Wahrscheinlich lag das an mir. Ziemlich wahrscheinlich. Ich wusste ziemlich sicher, dass er mich schon längst geküsst hätte, wenn ich ihn gelassen hätte, aber irgendwas in mir stellte sich immer quer. Irgendwas in mir wehrte sich. Trotzdem liebte ich ihn und es nahm mir einen Hinkelstein vom Herzen, wenn ich daran dachte, dass er uns helfen würde, wenn wir Amelie beschützen mussten. Vor wem oder was auch immer. Mit der Hoffnung, die komische Eulenfrau nie wieder sehen zu müssen, schlief ich schließlich, durch die Heizung geröstet wie ein Dönerspieß, warm und wohlig ein.
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