Kapitel 15

Der Starkregen war über Nacht weitergezogen und es nieselte nur noch. Verwandlung hatten wir trotzdem draußen.

Mich unter Druck zu verwandeln fiel mir immer noch schwer, aber Herr Schwarz-Feder war ein guter Lehrer. Er erklärte uns, wie mir uns am einfachsten auf das Kribbeln konzentrieren konnten, ohne uns ablenken zu lassen. Außerdem brachte er uns bei, unsere beiden Gestalten mit bestimmten Gefühlen oder Wörtern in Verbindung zu bringen. Als Wort für meinen Gestaltenwechsel entschied ich mich für „Fellpfote".

Unsere Lehrerin für Verhalten in besonderen Fällen war Hannah Flugwind, eine Spechtwandlerin. Sie versetzte uns per Gedanken in verschiedene Situationen, zum Beispiel, wenn man sich in einem Supermarkt plötzlich verwandelte, und gab uns dann immer kurz Zeit, Lösungen für diese Situationen aufzuschreiben. Sie war eine strenge, aber gerechte Frau mit kinnlangen schwarzen Haaren und einem durchbohrenden Blick, allerdings hatte sie die merkwürdige Angewohnheit immer ihren Kopf auf den Tisch zu schlagen, wenn wir ihr zu laut wurden.

In Mathe verbrachte ich den Großteil der Zeit damit, kleine krüppelige Tiere an den Rand meines Heftes zu malen, oder mit Amelie Schiffe versenken zu spielen. Meine Noten in Mathe an meiner alten Schule waren absolut grauenvoll gewesen und wenn ich mal eine vier bekommen hatte, war ich vor Freude an die Decke gesprungen, aber schriftliches Dividieren und Multiplizieren bekam selbst ich noch hin.

Während der Mittagspause starteten wir aus Langeweile einen Wettbewerb in „Wer kann Lotti am höchsten werfen". Den Rekord hielt Buchensturm, als er sie so hoch schmiss, dass sie fast gegen das Fenster unserer Hütte klatschte. Der Regen hatte aufgehört und es hatte merklich abgekühlt.

Als Luchs saß ich an der Wurzel eines Baums und betrachtete den Wald um mich herum. Amelie lag ebenfalls in ihrer zweiten Gestalt neben mir im Laub und döste. Meine Augen wanderten durch das dichte Blätterdach, das sich langsam rot und braun färbte. Eine große, weiße Eule glitt durch die Wipfel. Ich stupste Amelie mit der Pfote an und nickt nach oben.

Schau mal, da. Sind Eulen nicht eigentlich nachtaktiv? Wir haben fast zwei Uhr.

Amelies Kopf schnellte alarmiert nach oben. Ihr Blick nahm einen angstvollen Ausdruck an, den ich so noch nie bei ihr gesehen hatte. Ihre Gedankenstimme zitterte. Tilda, leg dich auf mich drauf.

Was? Warum?

Mach einfach

Etwas verängstigt von ihrem doch scharfen Tonfall stand ich auf und legte mich so auf sie, dass sie kaum noch zu sehen war.

Geht's so?, fragte ich leise.

Ja, passt schon.

Warum? Was hat das für einen Sinn?

Sag ich dir wann anders.

Ich sah nach oben und sah die Eule einige Zeit hin und her gleiten und umherschauen. Schließlich verschwand sie in Richtung der Mitte des Waldes aus meinem Blickfeld.

„Leute, ihr könnt da ja meinetwegen weiterkuscheln, wenn ihr wollt", hörte ich Martins Stimme, „aber die Maywood reißt uns den Kopf, wenn wir zu spät kommen."

Also wenn's dir um die Eule geht, die hat grade die Flatter gemacht. Ich spürte Amelie unter mir erleichtert aufatmen.

Gut. Dann beweg mal deinen Luchshintern von mir runter.

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