Siebzehn
"Lass gut sein Juno. Du weißt genau, dass ich es nur ungerecht finde, jemand Kleineren zu schlagen", brummte Rey.
Juno sah ihn nur durchdringend an.
"Und genau das wird dich eines Tages umbringen."
Ich kam mir wie das fünfte Rad am Wagen vor. Vor allem weil sie das Gespräch anscheinend öfter führten. Jedenfalls fühlte ich mich sehr unwohl. Schon wieder! Man, das hing mir langsam zum Hals raus.
"Freut mich dich kennen zu lernen, ich bin Elvira", unterbrach ich das Starrduell der beiden und drängte mich, zugegeben, wieder in den Vordergrund als ich Juno die Hand reichte.
Kurz sah sie sie an als wollte sie ablehnen. Aber dann drückte sie sie einmal. Kurz. Fest. Entschlossen. Dann ließ sie wieder los und wandte sich zurück zum Bogenschießen.
"Nimm's ihr nicht persönlich", riss mich Rey aus meinen Gedanken und betonte die Redewendung, die Juno vorhin im Bezug auf ihn benutzt hatte, "sie hat's nicht so mit neuen Bekanntschaften. Eigentlich hat sie es überhaupt nicht mit vernünftiger Konversation."
Nun sah ich Verärgerung in Junos Augen aufblitzen. Die erste nachvollziehbare Regung seit ich sie kannte. Statt etwas zu erwidern, presste sie nur die Lippen zusammen und schoss wieder. Plopp. In die Mitte. Getroffen. Auch wieder. Ich wollte ehrlich nicht ihr Feind sein.
"Was machst du hier Elvira? Sollte nicht eigentlich einer bei dir sein", riss Rey mich aus meinen Gedanken. Ich sah ihn an und zuckte mit den Schultern.
"Das ist kompliziert."
Eigentlich nicht. Aber ich hatte keine Lust dem Wölfchen zu erklären, was seine Eltern gerade machten.
"Rey"
Der scharfe Ruf des Ausbilder ließ uns beide zusammen zucken. Er stapfte mit finsterer Miene auf uns zu. Oh oh. Kurz erwägt ich einfach abzuhauen. Aber an sich wusste ich ja überhaupt nicht, was der Mann wollte.
"Das ist Zeff. Er hasst Gequatsche während dem Training", raunte mir das Wölfchen zu.
Ja, das würde seine sauertöpfische Miene erklären. Vor uns blieb er stehen.
"Rey ich nehme an du bist über Nacht so gut geworden, dass du das Training nicht mehr brauchst?"
"Äh nein. Tut mir leid Zeff."
Ich hatte Rey noch nie so kleinlaut gehört. Noch nicht mal vor seinem Vater und der war immerhin der mächtigste Werwolf der Welt. Also kam ich nicht umhin auch ein bisschen Furcht zu empfinden. Vor allem als er seinen Blick auf mich richtete.
"Hattest du schon mal einen Bogen in der Hand?"
Total verblüfft konnte ich nur den Kopf schütteln. Normalerweise hätte ich mit einer Frage nach dem Namen gerechnet oder was ich hier wollte. Aber gut.
"Kannst du auch reden?"
Kurz war ich sprachlos, dann schoss Wut über seine Unverschämtheit in mir hoch und ich öffnete gerade den Mund um eine entsprechende Antwort zu geben als etwas heftig auf meinen Fuß knallte. Zischend holte ich Luft und blitzte das Wölfchen wütend an. Der starrte nur warnend zurück. Okay okay. Schon verstanden. Ich sollte seinem alten weisen Tutor Respekt zollen. Aber verdammt, dass hätte er mir auch ohne schmerzenden Fuß beibringen können.
"Und?"
Bei der harschen Stimme richtete ich meinen Blick wieder auf den Trainer.
"Ja Sir", quetschte ich hervor.
"Nenn mich Zeff und komm mit."
Abermals verwirrt von seiner Antwort starrte ich dem großen Mann hinterher, der anscheinend dachte ich würde ihm folgen. Verdammte Wölfe. Wegen ihnen würde ich noch verrückt werden.
"Nun mach schon", zischte Rey.
Ein entgeisterter Blick traf das Wölfchen. Ich öffnete gerade den Mund um ihm zu sagen, was ich davon hielt herum kommandiert zu werden als sich Zeff um drehte und mich scharf anschaute. Alle Wiederworte blieben mir im Hals stecken und ich beeilte mich ihm zu folgen. Eine ganze Schar von Blicken der Auszubildenen starrte uns hinterher. Ich und meine Entdeckung waren nicht unbemerkt geblieben. Ein scharfer Blick von Zeff ließ sie ihre Konzentration schnell wieder auf ihre Aufgabe richten. Apropos Aufgabe. Zeff ging zu der kleinen Hütte neben der Mauer. Eigentlich lagerte darin vorher nichts. Aber anscheinend hatten die Wölfe viel verändert. Denn er kam mit einem komischen Stofftuch an denen Schlaufen hingen, einem Bogen und Pfeilen wieder heraus. Das komische Stofftuch drückte er mir in die Hand. Ratlos blickte ich es an.
"Mädchen, das ist ein Armschutz. Ich nehme an du benutzt die rechte Hand für viele Dinge?"
Ich nickte verwirrt.
"Dann musst du das an deinem linken Arm befestigen."
Er griff sich den Arm und streifte mir das seltsame Ding über. Dann zog er die Schlaufen fest. Der große Stofffetzen verdeckte nun meine gesamte Armbeuge.
"Schau her Mädchen."
Schnell hob ich den Blick und sah zu Zeff wie er den Bogen in der Hand hielt.
"Du stellst dich mit deiner linken Seite zum Ziel. Beine schulterbreit auseinander. Dein linker Arm ist durchgedrückt und hält den Bogen. Deine rechte Hand legt den Pfeil ein und spannt den Bogen. Beim Loslassen des Pfeile kann es passieren, dass du den linken Arm überdehnst und dann kann es sein, dass die Sehne mit Schwung die Armbeuge streift. Deshalb der Armschutz."
Er drückte mir den Bogen mit Pfeil in die Hand.
"Probier's!"
"Äh wollen sie mir das nicht nochmal zeigen. So zum Lernen und so", fragte ich skeptisch.
Irgendwie war mir das nicht wirklich geheuer, mich einfach schießen zu lassen.
"Viel kann ich dir nicht zeigen. Du weißt wie du den Bogen halten musst und wie du stehen musst. Der Rest ist Intuition und Übung."
Na wenn Zeff das sagte, musste es ja stimmen. Also stellte ich mich standbreit hin, hob den Bogen und spannte die Sehne. Ich suchte die Mitte auf der Zielscheibe und kniff ein Auge leicht zusammen, um es besser sehen zu können. Nach einem tiefen Atemzug ließ ich los. Ein Surren ertönte und ich kniff dir Augen zusammen. Irgendwie traute ich mich nicht hinzusehen. Bei meinem Glück war bestimmt gerade ein Eichhörnchen unterwegs und hatte sich auf die Zielscheibe gesetzt.
"Gar nicht so schlecht", ertönte Zeffs Stimme neben mir.
Zögerlich öffnete ich ein Auge, nur um sofort beide aufzureißen und den Pfeil ungläubig anzuschauen, der sogar auf der Scheibe gelandet war. Zwar am äußersten Rand aber ich hatte getroffen. Stolz wallte in mir auf, verstärkt durch Zeffs Lob. Hach, Bogenschießen wurde jetzt vermutlich zu meinem Lieblingssport.
"Anfangs trifft man nie in die Mitte. Dazu kommen zu viele Faktoren hinzu die deine Treffsicherheit beeinflussen. Beispielsweise der Wind. Am besten du zielst beim nächsten mal nicht genau auf die Mitte sondern weiter zu Rand, so kannst du Ungenauigkeiten ausgleichen. Nach jahrelangem Training kann ich das schon alles einschätzen."
Ich hörte Zeffs nachträgliche Erklärung kaum, denn ich suchte mit den Augen das Wölfchen. Und tatsächlich hatte er mir zugeschaut. Denn er grinste und zeigte mir die Daumen hoch. Ich grinste zurück.
"Was zum Teufel ist denn hier los?"
Ich zuckte zusammen. Och ne, nicht schon wieder der Spielverderber. Mit finsterer Miene drehte ich mich um und stand plötzlich Brian gegenüber, der genauso finster zurück starrte.
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